Freitag, 29. September 2023

Erinnerungen vom evangelischen Kirchentag

Da ich sehr viel um die Ohren hatte, habe ich bisher noch nichts zum Thema Kirchentag auf meinem Blog veröffentlicht. Dieser war vom Mittwoch dem 7. Juni bis zum Sonntag, dem 11. Juni. Ich hatte mich auch für die Aufnahme von Gästen zur Verfügung gestellt, ich hatte sie unter der Prämisse bei mir aufgenommen, dass sie mich ab und zu auch etwas auf dem Kirchentag begleiten. Vorab, das war organisatorisch nicht ganz möglich, denn die verschiedenen Örtlichkeiten waren so weit voneinander entfernt, alles war so weitläufig, dass es ziemlich wenig wahrscheinlich war, dass sie mit mir zufällig in die gleiche Richtung gefahren wären. Die Frau verkündete mir erst einmal per Mail, dass sie ebenfalls sehbehindert sei, dass sie zwar Auto fährt, aber eben nicht sehr lange fahren kann, und sie deshalb mit dem zukämen. Sie hat mir auch erzählt, dass sie kurzsichtig sei und von frühester Kindheit an eine Brille hat, und dass sie mich nichts über meine Blindheit fragen würde, denn sie hätte mit ihrer Last selbst genug zu tragen. Bei vielen oder den meisten Dingen, die ich aufgrund meiner Blindheit, meiner Probleme mit der Feinmotorik usw. als Schwierigkeit angab, meinte sie, ja, das kenne ich. Sie arbeitet aber und hat zwei Kinder. Ihr jetziger Mann war auch dabei, und wir haben uns dann abends auch immer zusammengesetzt. Mittlerweile habe ich mir auch etwas hochwertigeres und vor allem neueres Bettzeug gekauft, denn später habe ich gesehen, dass das alte wirklich nicht mehr so ganz gästetauglich war. Dennoch waren sie froh, überhaupt eine Herberge gefunden zu haben. Manchmal war es etwas schwierig, weil die Sachen anders standen, weil wir eben zu dritt waren, aber im Großen und Ganzen hat es geklappt. Am Mittwoch bin ich nicht zu dem großen Gottesdienst mit, denn ich bin vorwiegend zu den politischen Veranstaltungen gegangen. Die kirchlichen Sachen haben mich jetzt nicht so interessiert. Allerdings war ich erleichtert, dass mein Besuch nicht ganz so extrem streng gläubig war, ich musste so lachen, denn sie erzählte, dass sie bei einer strengen Katholikin zu Besuch waren, und dass sie dort ein riesengroßes Kreuz vorfanden, „so einen großen Latten-Johnny“, und dass die Frau die ganze Zeit erzählte, dass nur die katholische Glaubensrichtung die beste sei. Ich war froh, dass die nicht ganz so verbissen waren wie einige, die ich sonst kenne. Es war ja auch der Evangelische Kirchentag, aber viele Kirchentag Besucher gehen auf beide Veranstaltungen gleichermaßen. Am Donnerstag bin ich dann mit meinem Taxifahrer zu dem Gelände gefahren, allerdings musste ich für ihn die Karte für die Begleitperson lösen, damit er mich bis zu dem Hilfspunkt Für Behinderte begleiten konnte. Das war etwas blöd gemacht, denn man hätte gar nicht gewusst, wo man als behinderter hin muss. Die Inklusionshalle war die Nummer 5, aber leider konnte man vorher nicht anrufen, weil man bei der zuvor geschalteten Hotline gar nicht durchkam. Ich habe aber mithilfe der Frau von der evangelischen Blinden- und Sehbehindertenseelsorge das Programm durchgeschaut und mir dann auch die relativ barrierefreie Applikation heruntergeladen. Ich hatte aber ziemlich viele Doppelbelegungen drin. Die Karte bekam ich umsonst, denn es gab zwei Stände von den Esperantisten, da aufgrund eines Missverständnisses der christliche Esperantobund und der deutsche Esperantobund dort vertreten waren. Da von unserer Ortsgruppe niemand mitwollte, hat mir ein Esperantist, der zugleich Christ war, die Freikarte besorgt. Erkannte mich noch von früher und hat sich an Sachen erinnert, die ich gar nicht mehr wusste. Ich war auch mehrfach an seinem Stand, um mich zu bedanken und einfach, damit er sieht, dass ich seine Freikarte zu schätzen weiß. Wir haben uns sehr gefreut, uns mal wieder zu sehen. Als ich dann mit meinem Taxifahrer endlich bei diesem Inklusionsstand ankam, wusste die Frau von gar nichts, und für den ersten Tag konnte ich nur ganz schlecht Hilfe organisieren. Es war insgesamt auch nicht sonderlich gut organisiert, was mir auch meine sehenden Gäste erklärten. Denn die waren ja zu zweit, auch wenn eine davon selbst eine Brille trug. Trotzdem war es auch für sie schwierig. Wir haben dann in der Pause, nachdem ich beim ersten Vortrag war, an dem Inklusionsstand gleich das Programm für den nächsten Tag organisiert. Die haben dann für diesen aktuellen Tag erst einmal einige von den Hilfsorganisationen dort angerufen, die dann mit mir zusammen herumgegangen sind. Der erste Vortrag, soviel ich mich erinnere, ging um das Thema Demokratie, und ich wurde erst einmal, weil wir schon zu spät waren, auf einen Stuhl hinter der letzten Reihe hingesetzt. Prompt kam gleich jemand und meinte, sie dürfen da nicht sitzen. Nachdem ich das erklärt hatte, war das Thema aber erledigt. Zum Glück sind die auch immer wieder gekommen, um mich abzuholen. Der eine war aber recht chaotisch, der wusste überhaupt nicht, wo er hinmuss. Es war auch immer sehr schwer, wieder diese App aufzumachen, um die Karte vorzuzeigen. Für mich ist eine mündliche Prüfung oder eine Theateraufführung einfacher zu bewerkstelligen als eine App zu bedienen, wenn das auf Kommando klappen muss. Mein Lampenfieber und meine Prüfungsangst ist da wesentlich größer. Daher habe ich mich dazu entschlossen, das Teil einfach so offen zu lassen und das Handy in die Tasche zu stecken. Denn jedes Mal, wenn ich den Raum wechselte, musste ich wieder die Karte vorzeigen. Das war ziemlich schwierig. Leider kann ich jetzt nur im Telegrammstil berichten, da ziemlich viel los war. Der Mann, der dann für mich zugeteilt war, musste dann erst einmal den Esperanto stand während der Pause finden, und wir mussten etwas zu essen organisieren. Das war alles recht kompliziert, da er auch überhaupt nicht wusste, wo er sich da zu erkundigen hat. Es waren auch keine aus unserem Ort dar, die wenigstens ortskundig gewesen wären. Es waren alles irgendwelche Leute von Hilfsorganisationen aus anderen Städten, die als freiwillige dort tätig waren. Ich wollte dann auch noch die Bibel zum Anfassen erleben, das sollte irgend eine Skulptur sein, das war zumindest meine Auffassung. Die stellte sich hinterher auch als richtig heraus. Der Mann hatte sich aber, während ich Kaffee getrunken hatte, noch für mich erkundigt, landete aber beim Blinden- und Sehbehindertenbund, die meinten, ja, eine Bibel zum Anfassen haben wir hier in Blindenschrift. Als ich dann dort war, haben mich die Leute erkannt , und einer meinte, hätten wir gewusst, dass es sich um Dich handelt, hätten wir die Auskunft nicht so erteilt. Eine Bibel in Punktschrift anzufassen ist jetzt für mich nicht gerade so der Renner. Es gab tatsächlich eine Skulptur, aber am Abend stellte sich dann raus, dass der Künstler einfach nicht erschienen war. Nach der Pause wurde ich dann erst einmal versehentlich vor die Pressetribüne gesetzt, d. h., ich saß dann im extrem heißen Zuschauerraum draußen unter der prallen Sonne, und als ich in den Schatten wollte, hat noch jemand gemeckert, weil wir noch auf die Bank rutschen wollten. Ich merkte dann, dass ich völlig falsch war und rief völlig aufgelöst bei denen an, die mich dann in die richtige Veranstaltung brachten. Es ging dort dann wieder um internationales Recht, zum Glück habe ich noch etwas mitbekommen. Danach musste ich mehrfach anrufen, damit endlich jemand kam, um mich auch dort wieder abzuholen, weil ich mich ja mit dem Taxifahrer wieder an dem Stand für die Inklusion und die Rezeption verabredet hatte. Ich war schon total verzweifelt und reckte meinen Stock in die Luft, bis mich dann einer der zuständigen Leute fand. Am Abend bin ich dann in ein Kabarett in der benachbarten Stadt, aber die Schlange, obwohl wir bereits 30 Minuten vor Beginn da waren, ging ganz weit nach hinten. Ich fragte dann, ob ich vielleicht als blinde schon vor dürfte, weil wir ja überhaupt nicht lesen konnten, wann wir uns hätten anstellen müssen, und weil der ganze Tag so beschissen für mich gelaufen war. Da kam ein ganz nettes und goldig es Mädel von um die 20, sie hatte einen schwäbischen Akzent, sie meinte, setzen Sie sich rein, wir machen das. Tatsächlich war ich dann in der Veranstaltung gelandet, in die ich eigentlich erst am nächsten Tag gehen wollte, nun denn, dann konnte ich am nächsten Tag noch in eine andere Kabarettveranstaltung gehen. Die Veranstaltung war total klasse, es waren Pfarrer und Pfarrerinnen , die über das Leben der Pfarrhäuser und über die Gemeindearbeit auf kabarettistische Weise ein witziges und sehr ansprechendes musikalisches Programm darboten. Mein Taxifahrer hatte tatsächlich die ganze Zeit draußen auf mich gewartet, er ist wirklich zu gut für diese Welt. Ich hatte ihm geschrieben, dass es doch später losgeht, weil ich ja in der falschen Veranstaltung gelandet war, aber trotzdem ist er geblieben und hat auch noch bis dahin abgewartet, bis es zu Ende war Ich hatte ein ganz schlechtes Gewissen. Das hat noch keiner gemacht.. Am nächsten Tag hat es dann super geklappt. Es gab noch einige Leute aus England, die als Praktikanten und als Hospitantinnen in den verschiedenen Hilfsorganisationen tätig waren, um sich einmal den Betrieb in Deutschland anzusehen. Die waren absolut fit. Ich kann mich noch erinnern, dass ich am Nachmittag in einer Veranstaltung zum Thema Internationales Recht war, in welcher wir aufgeklärt wurden, dass Deutschland sich immer dann einmischen darf, wenn eine der beiden Rechtsparteien aus Deutschland ist, oder wenn das Verbrechen so schlimm ist, dass man sich international einmischen darf. Es wurde auch sehr viel darüber gesprochen, was ist, wenn der Krieg zu Ende ist, was passiert danach? Hier wurden einige hoffnungsvolle Ansätze berichtet, wie dann geholfen werden kann im Land. Während der Pause durfte ich dann einen Rollstuhl Parkuhr machen. Man musste um einige Pflöcke herumfahren, und einer der Engländer war so geschickt, dass er immer vorneweg ging und mir zurief, wo ich abbiegen muss. Er rief immer, Folge meiner Stimme, und er hatte mir vorher gezeigt, wie ich diesen tollen kleinen schnittigen Rollstuhl lenken kann. Das hat saumäßig Spaß gemacht. Dann durfte ich noch ein Geruchs Memory machen, als ich dann auf einem Balken balancieren wollte, hat dann eine Frau interveniert. Es war auch eine Frau von der Hilfsorganisation dar, mit der ich eine heftige Diskussion zum Thema Klimakleber hatte. Ich sagte, das ist nicht das, was ich mir unter Klimaschutz vorstelle. Das ist Gewalt, Menschen sterben, wenn der Krankenwagen nicht durchkommt, und es gäbe wesentlich zivilere Formen des Protests. So, welche denn?! Rief sie darauf hin. Als dann der Engländer kam, war er zum Glück auf meiner Seite und meinte, das verdirbt die Umweltschutzbewegungen und die Sache, weil die Menschen sauer sind auf diese Bewegung, und deswegen würden sie sich dann nicht darauf einlassen und sich nur über die ärgern. Genauso denke ich auch, es verdirbt die Sache. Tatsächlich haben dann einige Klimakleber unseren Ausgang versperrt, der Busdienst, der behinderte und ältere und Mobilitätseingeschränkte von einem Platz zum anderen fahren sollte, kam nicht durch. Es trifft halt immer die Falschen. Aber es hieß, der Bus hätte auch eine andere Route nehmen können. Nun denn, das kann man jetzt so oder so sehen. Auf jeden Fall fand ich, dass der eine Engländer, und dass überhaupt die Engländer, die sich sofort zurecht gefunden hatten, einen super Job gemacht haben. Ich habe dann auch gleich wieder das Programm für den nächsten Tag besprochen. Die Damen an der Rezeption in der Inklusionshalle meinten, sie dürfen nicht so viele Sachen machen, wir können sie nicht immer von einem Ort zum anderen bringen. Das ist zu sportlich und zu knapp, das geht nicht. Daher habe ich dann für den anderen Tag alles an einem Platz genommen. Das war in unserer Innenstadt in der evangelischen Hochschule. Man hat mir auch versprochen, dass man, wenn ich um eine bestimmte Zeit an einem bestimmten Ort sei dort, sofort da wäre und mich dann auch den ganzen Tag über begleiten könne. Normalerweise ist es so, dass immer nur die Person zu einem bestimmten Ort gebracht wurde, der andere dann ging, und man dann erst wieder abgeholt wurde. Aber hierfür sollte eine richtige Begleitung organisiert werden. Habe noch vergessen, dass der Abend, der zuvor in einem Kabarett stattgefunden hatte, auch wieder total klasse war, es waren zwei Gitarristen aus Frankfurt, die wunderbare Texte hatten, lustig, bewegend, nachdenklich und trotzdem immer wieder mit viel Freude und Spaß und zum Lachen. Sie haben diesen Bogen zu den verschiedenen Themen wirklich gut gespannt und auch zu den unterschiedlichen Empfindungen und Gefühlen. Als ich dann bei der evangelischen Hochschule war, war natürlich keiner da. Ich war total traurig. Eine Frau tröstete mich und meinte, sie haben bestimmt nichts falsch gesagt, das ist unsere Gesellschaft. Es geht mir aufgrund meines Autismus immer wieder so, dass ich denke, dass ich dieses oder jenes ausgemacht hätte, aber die anderen haben mich offenbar gar nicht verstanden, oder ich hab mal wieder alles verkehrt verstanden. Ich wurde dann angerufen, ich wolle doch von einem Punkt zum anderen in unserer Altstadt gebracht werden. Ich sagte nein, das ist doch extra alles in der Hochschule, damit ich nicht immer abgeholt und durch die Gegend gefahren werden muss. Tatsächlich habe ich dann versucht zu erklären, dass ich jetzt in die erste Veranstaltung gehen würde, und dass die dann einfach nachkommen sollen, ich habe dann einer nicht behinderten das Telefon gegeben, weil die mich wieder nicht verstanden hatte, und die hat genau dasselbe noch mal erklärt. Das passiert mir auch sehr oft. Ich wurde dann erst einmal zu der ersten Veranstaltung von einer Organisatorin begleitet. Dort ging es um Filterblasen. Natürlich musste ich wieder durch den Raum laufen, und erst einmal, bis die Assistenz angekommen war, mussten mir andere Teilnehmende helfen, denn man musste erst einmal im Raum umhergehen und alle Leute fragen, was ihre Lieblingsfarbe war und allen möglichen Käse, ich habe schon auf gestöhnt, weil wieder dieser gruppendynamische Mist stattfinden sollte. Der Mann, der das Ganze leitete, meinte, das ist jetzt ein Seminar und kein Vortrag. Zuvor war er zu mir gekommen und meinte, ich solle mich melden, wenn ich was nicht lesen kann. So etwas finde ich immer ärgerlich, denn die wissen genau, dass man nicht rein ruft und sagt, Hallo, ich kann das nicht lesen, können Sie mir mal die PowerPoint Präsentation vorlesen? Da wird die ganze Holschuld auf mich abgelegt, die Bringschuld wird nicht erfüllt. Und die haben ihre Ruhe und schieben die Verantwortung auf mich und sagen, die wird sich schon melden, wenn sie sich traut. Das Angebot haben wir ja gemacht. Natürlich habe ich wieder keinen Partner gefunden, als wir dann wieder mal zu zweit zusammen gehen mussten. Ich hasse solche Sachen, ich würde dann am liebsten im Boden versinken. Wir sollten dann erst einmal einige Sachen ankreuzen, den Link erhielten wir, und mittlerweile war jemand von der Hilfsorganisation eingetroffen, sie kamen sogar zu zweit. Die haben mir dann mit dem Ausfüllen online geholfen, und alles konnte man dann an Ergebnissen gleich bei der PowerPoint Präsentation sehen. Das haben sie mir auch vorgelesen, das war super, dass das technisch heute so möglich ist. Und dann sollten wir uns eben wieder mit jemandem zusammentun. Ich bekam dann auch wieder eine, die etwas kräftiger war und auch etwas ungepflegt roch, sie war irgend eine ziemlich schüchterne Frau aus einem Nachbarland mit einem ziemlich bürokratischen Beruf, und sie hat mich, anstatt zum eigentlichen Thema, welche Filterblasen wir haben, und welche Leute da drin sind, nur über meine Blindheit ausgefragt. Das passiert mir auch immer und ist ziemlich ärgerlich. Danach sollten wir dann auch noch einiges aufschreiben, was wir an Ideen haben, und welche Menschen aus welchen Filterblasen wir gerne mal kennenlernen würden. Wir gingen dann erst einmal in die Mittagspause, ich war flankiert von zwei Leuten in Sanitätskluft . Ich fand das fürchterlich, und das hat überhaupt nichts mehr mit Inklusion zu tun. Ich sagte, Entschuldigung, ich fühle mich wie eine schizophrene Epileptikerin mit Tollwut, haben sie solche Angst vor mir, dass sie gleich zu zweit gekommen sind? Nein, wegen der Vorfälle mit den Vergewaltigungen und Missbrauch müssten sie zu zweit sein. Ich sagte, ach so, damit sie mich noch leichter missbrauchen können, wenn sie zu zweit sind? Wir waren allein im Aufzug, das waren zwei Typen, wo in aller Welt ist da der Schutz für ein Opfer? Was soll das für ein Quatsch sein, soll der eine den anderen kontrollieren, falls dem seine Hände sich irgendwohin verlaufen? Oder wenn eine Frau mitkommt, dann wäre er gleich mit zwei Frauen und zwei verlockenden Möglichkeiten in Kontakt. Das nächste Mal schreibe ich Ihnen und sage, aber bitte, schicken Sie mir zwei Frauen. Was dann alles passieren kann, da sind der Fantasie der Leser und Leserinnen keine Grenzen gesetzt. Auf der einen Seite müssen Opfer um ihre Entschädigungen kämpfen und müssen auch noch vor irgendwelchen Kommissionen beweisen, was ihnen passiert ist, und auf der anderen Seite gibt es so lächerliche und völlig fehlgeleitete Präventionsmaßnahmen. Nach der Mittagspause gingen wir in einen Vortrag zum Thema fake-news erkennen, da gibt es zum Beispiel das Korrektiv, dort kann man sich auch auf einer Homepage anmelden und bekommt jeden Tag einen Newsletter. Wenn man zum Beispiel irgendwelche vermeintlichen Fakten im Internet findet, lernt man, wie man eine Bild Rückwärtssuche macht, oder man kann sich auch gleich bei denen erkundigen, ob sie was darüber wissen. Mittlerweile gibt es ja sogar täuschend echte, wie vom Spiegel, erstellte Seiten, als sei der Artikel von dort, dabei wurde er eben gefälscht. Anders kann ich es jetzt nicht ausdrücken. Man sieht das nur an der ziemlich schlampigen URL oder an Rechtschreibfehlern. Das ist genauso wie mit den Seiten, wo man aufgefordert wird, sich bei seiner Bank anzumelden und Passwort und PIN einzugeben. Das sollte man ja auch am besten direkt von der von einem selbst in den Lesezeichen abgespeicherten Seite machen. Auf jeden Fall waren die Tests, die wir bekamen, wie zum Beispiel was ist wahr, dass man beim Impfen eine Bratwurst bekommt, oder dass in China dieses oder jenes passiert, ziemlich einfach, das hätte ich auch ohne Bild Rückwärtssuche gekonnt. Dennoch finde ich es sehr interessant, wie man das lernen kann, solche Sachen aufzudecken. Danach war Schichtwechsel, die beiden haben mich noch bei meinem nächsten Vortrag abgesetzt, da ging es um Kirche und Trauma. Ein Pfarrer, der mit einer Frau mit posttraumatischer Belastungsstörung zu tun hatte, bemerkte, dass die Bilder in der Kirche von Opferlamm und sich opfern usw. für Menschen mit traumatischen Erfahrungen ziemlich schwierig sind. Anders kann ich es jetzt gar nicht erklären, ich müsste jetzt endlich auch mal das von ihm kostenlos zur Verfügung gestellte Buch lesen. Das konnte man sich bei ihm dann holen. Er hat auch einen Film gezeigt, und als ich dann fragte, ob da ein Ton und eine Erklärung dabei sei, hat er erst gemeint, nein , aber es ist nicht so wichtig, und dann hat er es bemerkt, dass ich blind bin, weil ich dann sagte, na toll. Er war dann sehr freundlich und sagte, Entschuldigung, da war ich jetzt unaufmerksam. Das passiert mir auch selten, dass sich dann einer entschuldigt und den Fehler nicht auf mich schiebt. Er hat dann auch den Film erklärt, denn da ging es um ein Opossum , das sich zusammenrollt, wenn es in Gefahr ist, das dann aber, sobald die Gefahr vorüber ist, alles abschüttelt. Und eine Gazelle hat es noch vor dem Löwen gerettet, nicht etwa aus Nächstenliebe sondern aus Kooperation in der Natur, warum auch immer. Das ist eben so bei Tieren, die weder kämpfen noch fliehen müssen, denn da ist das Einfrieren teil der Verteidigungsstrategie, wohingegen bei Lebewesen, die normalerweise kämpfen oder fliehen müssen, in solchen Situationen Todesangst und Abspaltung und Trauma stattfindet. Hierzu habe ich ja schon einige Bücher gelesen. Deswegen hielt er es auch sehr kurz und betonte, dass es hier jetzt nicht um Wissen über Trauma ginge, weil einige Leute dann ihr ganzes Wissen auspacken wollten. Er hat dann an der Geschichte im Alten Testament von Josef und seinen Brüdern und dem, was sie mit ihm angestellt hatten, erklärt, was Trauma in der Bibel bedeutet. Und mittlerweile war dann auch der Schichtwechsel vollzogen, und der junge Mann, der dabei war, war sehr Bibel fest. Wieder kamen zwei Bodyguards, und danach ging es zum nächsten Vortrag. Da sollte es noch einmal darum gehen, wie man mit Menschen umgeht, die in Verschwörungstheorien gefangen sind. Wieder mussten wir irgendwo herumlaufen und uns zu irgendwelchen Gruppen dazu stellen. Uns wurde dann auch erklärt, dass man innerhalb von Bruchteilen von Sekunden ein Urteil über den anderen gefällt hat, und der Mann fragte uns, wie wir ihn den einschätzen würden, was er von Beruf ist usw. und so fort. Man solle auch Menschen, die an derartige Verschwörungstheorien glauben, nicht fallenlassen sondern den Kontakt halten und nur die Äußerungen anprangern. Ich habe so eine Person in meinem Bekanntenkreis, und irgendwann war es nicht mehr auszuhalten, als er sich gegen den Brandbrief gegen rechts , der wegen der Vorkommnisse in der Schule in Burg von zwei Lehrern verfasst wurde, sehr zynisch geäußert hat, und daher habe ich den Kontakt dann abgebrochen, denn ich bin keine Heilige und kann solche theoretischen Ratschläge daher nicht befolgen, mein Energiehaushalt ist nur begrenzt. Das war alles dennoch recht interessant. Ich wollte mich aber ein paar Mal melden, ich kam aber nicht durch. Ich bat dann meinen Bodyguard, er soll sich für mich melden. Der hat sich aber nicht bewegt. Ich sagte, bitte, jetzt setzen Sie sich doch für mich ein, sie sind doch dafür da, um mihr zu helfen. Ja, sie kommen schon noch dran. Das passiert mir halt häufig, dass ich mich durchsetzen muss, und dass ich nicht drankomme, auch wenn ich mich bemerkbar mache. Irgendwann ist mir der Kragen geplatzt, und ich hab zu meinem Bodyguard gesagt, jetzt zeigen Sie mal etwas Zivilcourage und melden sich für mich. Da wurde er sauer und meinte, er ließe sich nach sieben Jahren in seinem Dienst als Sanitäter nicht sagen, er habe keine Zivilcourage. Allerdings braucht man zwar ziemlich viel Mut und ein dickes Fell und sehr viel Hilfsbereitschaft, aber Zivilcourage, ob man das braucht, um Sanitäter zu sein, weiß ich nicht. Vielleicht, um die ganzen Gaffer weg zu schicken oder um Leute zum Helfen aufzufordern. Ob er aber mutig ist, das steht auf einem anderen Blatt, und sich für mich einzusetzen, da braucht man besonders viel Mut. Aber zumindest war ich dann endlich mal dran. Eine Zeit lang war er dann noch eingeschnappt, die Frau, die mit ihm dabei war, hat sich gar nicht sonderlich eingebracht, und am Ende war er dann wieder normal. Das war zwar recht hart von mir, aber ich fand zu Recht, denn ich hab keine Lust, immer wieder drum kämpfen zu müssen, dass andere mir mal was helfen und sich mal für mich einsetzen. Ich weiß, dass das bei anderen auch so gemacht wird, die aufgrund eines Defizits sich schlechter selbst zur Wehr setzen können. Am Abend bin ich dann wieder mit dem Taxi in eine Veranstaltung gefahren. Dieses Mal musste ich leider mit einem anderen Fahrer vorliebnehmen, denn mein Taxifahrer war ziemlich müde und wollte endlich mal ausruhen. Das sollte er auch ruhig machen, denn er hat sich total für mich ins Zeug gelegt. Der Typ, der mich dann fuhr, hatte mich ein paar Tage zuvor schon mal abends gefahren und mir versprochen, dass er mich immer abholt. Den Abend davor war er auch schon da, aber zum verabredeten Zeitpunkt kam er nicht mit der Ausrede, er habe einen Unfall gehabt. Eine der Pfadfinderinnen, die am Eingang mit mir gewartet hatte, weil die dort eben auch halfen, die Leute zu platzieren und das Ganze mit zu organisieren, meinte aber, dass sein Taxi nicht sonderlich ramponiert oder irgendwie komisch aussehe. Ich hatte sienämlich darum gebeten, da mal drauf zu schauen, weil ich seiner Ausrede nicht glaubte. Als ich ihn dann am nächsten Tag fragte, was aus dem Unfall geworden war, meinte er, welcher Unfall, acht er, ja, ich muss sowieso in die Werkstatt, und da kann dann auch gleich die Versicherung alles übernehmen. Aber ich erklärte ihm, dass die Vollkaskoversicherung des Gegners mit Sicherheit nicht seine vorherigen Mängel übernimmt sondern nur das, was der an Schaden verursacht hat an dem Tag und zu dem Zeitpunkt des Unfalls. Ich glaube, der wollte dann nur mauscheln und hatte wahrscheinlich einfach nur die Gelegenheit genutzt, dass sein Auto mal wieder überholt wird. Am letzten Abend, an dem ich wieder zu einer Kabarettveranstaltung ging, haben wir auch wieder ausgemacht, wann er mich wieder abholen soll. Aber er kam und kam nicht. Es war nämlich schwierig, dort ein Taxi zu bestellen, weil der Behindertenfahrdienst in dieser Stadt nicht über deren zentrale zu holen ist, sondern man dann in der benachbarten Stadt anrufen muss, und die schicken sehr ungern ein Taxi, und die Anfahrt dauert dann auch sehr lange. Wenn ich aber gewusst hätte, dass das mit dem nicht klappt, hätte ich das so herum gemacht . Ich saß dann also ewig da und war ganz verzweifelt. Um mich herum bauten schon alle wieder ihre Sachen ab, und die Pfadfinder packten alles ein. Dann kam wieder diese liebe Nette, die beim ersten Mal auch so toll geholfen hatte. Sie hatte mich zuvor auch in den Saal reingebracht. Sie sah mich auf dem Pflock sitzen wie die Loreley auf ihrem Felsen, und ich wartete und wartete. Ich war total traurig. Auf einmal versammelten sich alle um mich herum, sie teilten mit mir ihre Müsliriegel, Gummibärchen, Chips, Kekse usw. Alle saßen wir da und aßen. So stellte ich mir den Kirchentag vor. So habe ich, selbst ich ein klein bisschen von der Kirchentagsatmosphäre mitbekommen, die ja immer so gelobt wird. Normalerweise bekomme ich aufgrund meiner Isolation wenig von einer Atmosphäre von Gemeinschaft mit. Aber das war wirklich toll. Endlich kam dann auch der Fahrer und meinte, nachdem ich ihn ja auch noch mal angerufen hatte, ich hätte ihm ja sagen müssen, wann er kommen muss. Das hatte ich aber getan. Ich habe ihn jetzt gleich wieder aus meinem Adressbuch gestrichen. Die drängen sich oft auf, wenn sie einen am Abend irgendwo hinfahren, dass sie einen auch wieder abholen möchten, drücken einem ihre Visitenkarte in die Hand, wenn man sie aber dann braucht, dann haben sie keine Zeit mehr. Das ist mir jetzt schon zu oft passiert, daher lehne ich meistens deren Karten ab. Bei meinem Taxifahrer, den ich seit einigen Jahren habe, der mich am Tag fährt, habe ich riesengroßes Glück. Er will natürlich auch irgendwann mal wieder mit seiner Familie was machen und mich nicht auch noch in der Nacht durch die Gegend fahren. Das macht er nur in großen Ausnahmefällen. Das finde ich aber total nett von ihm. Er fährt mich auch immer zu meinen Eltern und zurück. Und wenn ich ihn so brauche, können wir auch immer was ausmachen, erwartet auch immer und ist total hilfsbereit. Ein anderer Fahrer, der seinen Namen hörte, meinte, ach, ja, das ist ein guter Mensch, den kenne ich. Wir saßen dann am Abend und am Folgetag noch etwas zusammen, meine Gäste und ich. Ich fand es auch sehr nett, dass sie mir Marmelade und Avocado-Crème mitgebracht hatte. Und sie hat mir versprochen, mir Marmelade zu schicken. Mittlerweile hat sie das sogar eingelöst und mir jede Menge selbst gemachter Plätzchen und einige Marmeladen geschickt. Wir haben uns sehr lange unterhalten. Auch am nächsten Tag hatten wir uns noch unterhalten und ziemlich viel auch politisch und auch sonst diskutiert. Wie gesagt, in solchen Dingen bin ich nicht sehr gut, meinen Standpunkt zu vertreten, weil ich immer die Verliererin bin und argumentativ den meisten Menschen haushoch unterlegen bin. Und meistens stehe ich dann mit meinen Ansichten auch alleine da. Das finde ich etwas unangenehm, das ist leider bei mir so. Irgendwann mussten sie dann auch abfahren, denn sie wollten ja noch nach Hause kommen. Den großen Abschlussgottesdienst habe ich auch nicht mitgemacht, weil mir das nicht so zusagt, ich bin nicht so kirchlich orientiert, ich glaube zwar an Gott, aber die Kirche selbst ist nicht so mein Fall. Und mit so vielen Ritualen und so viel Halleluja kann ich nicht allzu viel anfangen. Zum Glück hatten sie nicht diese komischen Kinderlieder, die sie sonst an Kirchentagen immer spielen, wenn einer sagt ich mag Dich, Du, das gibt mir eine Gänsehaut, lalalalala, Herr Deine Liebe wie Gras und Ufer, und jetzt ist die Zeit und die Stunde, usw. Das ist Gott sei Dank überwunden. In dem einen Kabarett haben sie sogar eines dieser Lieder etwas auf den Arm genommen. Zumindest haben sie Humor, das ist die Hauptsache. Es war schon eine interessante Erfahrung, auch im Vergleich zu dem Katholikentag, den ich in den Jahren zuvor mal mitgemacht hatte. Hierzu hatte ich ja damals unter dem Titel Katholikentag minus einen Beitrag in meinem Blog gemacht. Auf jeden Fall war es einmal eine sehr interessante Erfahrung, wenn es auch wieder mit ziemlich vielen Kämpfen und organisatorischen Irrungen und Verwirrungen verbunden war.

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