Sonntag, 28. November 2010

Mein Handy kann sprechen

Schon länger hatte ich mir ein Handy mit Sprachausgabe gewünscht. Da diese Geräte aber sehr teuer sind, bzw. die aufgespielte Sprachausgabe fast 300 Euro kostet, und dann noch die Kosten des Mobiltelefons selbst hinzukommen, welches ein Symbian-Handy sein muß, habe ich mich bisweilen immer damit beholfen, die entsprechenden Nummern auf meinem Notizgerät zu speichern, dort bei Bedarf abzuhören und ins Handy zu tippen. Das wurde aber mit zunehmender Sehverschlechterung immer schwieriger, und die Tasten meines Handys klemmten ab und zu, oder ich verwählte mich. Mir war das so zu unsicher, und daher beschloß ich, auf ein sprechendes Handy zu sparen.

Als ich ungefähr nach drei Monaten das Geld und noch was darüber hinaus zusammen hatte, ging ich zu der Hilfsmittelfirma, die wir auch im Rahmen unseres Radioprojektes schon interviewt hatten. Damals zeigten die uns einige Handys, und es stellte sich obendrein heraus, dass ein Bekannter von mir dort zu arbeiten angefangen hatte. Ich ging also zu diesem Laden, und der Bekannte meinte, ich hätte vorher anrufen sollen, denn dann hätte er mir ein N82 zeigen können. Das sei ein Handy, mit dem ich zurechtkommen würde. Denn ich wollte eines mit erhabenen und eher kleineren Tasten. Heuzutage haben die Handys alle sehr breite und flache Tasten, die fast ineinander übergehen, wobei man mit meinem schlechten Tastsinn nicht erfühlen kann, wo die eine Taste endet und die andere beginnt. Bei diesem schon etwas älteren Handy würde das problemlos für mich sein. Ich ging nach Hause, und er meinte, er würde sich mal umschauen wegen dieses Handys. Schon am Nachmittag rief er an, ich solle doch mal eben schnell vorbeikommen, eine Kundin habe ein N82 vorbeigebracht, um es reparieren zu lassen, und ich hätte die Chance, mir so ein Modell nun mal anzusehen. Da der Laden genau in meine Ecke gezogen war, rannte ich hinunter und wurde von meinem Bekannten abgeholt. Das Handy war wirklich gut zu ertasten, war noch eines der nicht ganz so verschwindend kleinen Moodelle, die man heutzutage zwischen Ohr und Mund fast hin- und herschieben muß, um hören und sprechen zu können. Das N82 hat eine große Taste für „Abheben“ und eine große für „Auflegen“. Ich sagte zu und bestellte das Handy. Mein Bekannter sagte, dass er es bei ebay suchen müsse, da es das Handy im Handel nicht mehr gäbe. Es würde so um die 14 Tage dauern. Nach ca. 2 Wochen dachte ich, nun, jetzt könnte doch mal was kommen. Und so war es, genau nach zwei Wochen rief der Bekannte an, er habe ein neuwertiges N82 gefunden und würde mir jetzt die Sprachausgabe aufspielen. Alles in Allem würde es 500 Euro kosten. Damit war ich hoch zufrieden. Da ich mit einer Vertretung meiner Helferin den ersten E-Post-Brief schreiben und ausprobieren wollte, ob ich eine Mobil-TAN hörend „entziffern“ können würde, bestellte ich das Handy auf einen Freitag, da ich an diesem Tag mit einer Helferin beim Einkaufen war, und sie mich dann gleich direkt zu dem Laden bringen konnte. Das war machbar, und ich sollte ihn anrufen, wann wir mit Einkaufen fertig seien, damit er entscheiden könne, ob es bis zur Mittagspause noch hinkommen würde. Es klappte, und die Helferin und ich liefen zu dem Laden, der im zweiten Stock war. Da ich mit Wendeltreppen arge Probleme habe, haben wir immer den Lastenaufzug benutzen müssen. Dies ist ein uriges Teil. ES hat keine Fenster, nur eine Funzel, und man mußsich genau „mittig“ stellen, damit der Aufzug keine Probleme bekommt. Unten kommt man nur von innen hinein, obwohl auch eine Aufzugtür zur Straße zeigt, und man braucht einen Schlüssel, daher geht es nur, wenn jemand vom Personal dabei ist, also eben mein Bekannter. Wir stiegen ein, und ich amüsierte mich wieder köstlich über dieses „Kult-Teil“ von Aufzug. Meine Helferin zeigte Anzeichen davon, dass es ihr unbehaglich war. Oben angekommen musste mein Bekannter klopfen, damit ihm jemand vom Büro aufmachte, denn sonst hätte jeder einfach in das Büro stiefeln können, da der Aufzug direkt in den Laden fuhr. Ich war das ja schon gewohnt, aber meine Helferin war in schierer panik, schrie, „ich will raus“, da sie annahm, das sei eine Ausnahmesituation, weil er seine Kollegen rief und klopfte. Sie fing zu hyperventilieren an, und ich legte, sonst nicht so meine Art, meine Hand beruhigend auf ihren Arm. Ich hatte seltenst erlebt, dass andere mal Schwäche zeigten oder in einer Situation schwächer waren als ich. Sonst bin immer ich diejenige, die von anderen beruhigt werden muß. Drinnen angekommen war alles wieder OK, aber meine Helferin hatte noch Herzklopfen von dem Schrecken. Ich war schon so mit meinem neuen Handy beschäftigt, dass ich ihr nur ihren Zettel unterschrieb, ihr die Hand gab und ein paar Worte wechselte, dass ich auch in bestimmten Situationen solche Angstzustände kenne, beispielsweise, wenn der Wind in mein Gesicht peitscht. Später hatte ich ein schlechtes Gewissen, sie so auf die Straße gehen zu lassen und hatte schon Befürchtungen, dass sie schlecht nach Hause gekommen sei. Das war aber zum Glück nicht der Fall.

Das Handy wurde mir zunächst mal erklärt, beispielsweise, wo welche Taste ist, wie die Taste heißt, wie die Tastensperre aufgeht, welches die Talx-Taste ist, diejenige Taste, mit der man bestimmte Sprachbefehle aufrufen kann, wie z .B. das Vorlesen einer Zeile, des ganzen Fensters, des Batterie- und Empfangsstatus’, der nächsten Befehlsmöglichkeiten etc. Ich hatte extrem große Mühe, mir alles zu merken. Zunächst erklärte mir mein Bekannter, wie man einen neuen Kontakt eingibt. Ich konnte mir partout nicht merken, welche Taste ich wann drücken musste, wann ich die Funktionstaste, wann die Auswahltaste drücken musste, wann ich mit den Pfeilen rauf und runter, wann nach links und rechts fahren musste, ob ich nun in einem Untermenü war, oder ob ich eine Ebene höher gehen musste, wann ich auf „Auflegen“ drücken musste, um die Eingabe vollends zu beenden, wann nur auf Funktionstaste 2, um eine Ebene höher zu gehen. Ich war so verwirrt, dass ich schon aufgeben wollte. Mein Bekannter meinte, ich stünde mir selbst im Wege und würde mir dauernd sagen, dass ich das nicht könne. Ich ließ dies kommentarlos über mich ergehen und dachte, der weiß ja nicht, wie schwierig das ist, wenn man sich wegen der Dialyse fast nichts mehr merken kann. Irgendwann, so ca. nach zwei Stunden, wwar dann der Durchbruch geschafft, und ich konnte einen Kontakt alleine eingeben. Was mir auch große Probleme bereitet hatte, war, dass die Menüpunkte als Raster, also als Matrix angelegt waren, so dass man beim Runterfahren auf Punkt fünf, dann auf Punkt acht, und beim Hochfahren auf Punkt zwei landete, und nur dann die anderen Punkte ansteuern konnte, wenn man nach links oder rechts tippte. Da ich den Bildschirm ja nicht sehen konnte und mich sehr an eine visuelle Vorstellung klammern musste, fiel mir das Ganze sehr schwer, so abstrakt zu denken. Zu Hause übte ich dann weiter und stellte noch eine Nummer in die Kontakte. ES klappte, davon abgesehen, dass die Kurzwahl-Zuweisung leider doch noch zu schwierig war. Ich hörte mir abends noch die Gebrauchsanweisung an, die als synthetisch vorgelesenes DAISY-Buch auf meinem Handy im DAISY-MP3-Player gespeichert war. Als ich einige Dinge ausprobieren wollte, die ich in dem Handbuch hörte, wobei es mir sehr schwerfiel, im Handbuch herumzunavigieren, merkte ich, dass teilweise bestimmte Menüpunkte des DAISY-Buches nicht mehr vorgelesen wurden. Auf einmal war nicht nur die Stimme vom MP3-Player weg, sondern die synthetische Sprachausgabe des Telefons selbst war auch verstummt. Es war schon ein Uhr in der Nacht, ich war in Panik, schaltete das Handy mehrfach ein und aus, wobei ich aber nie wusste, wie fest ich auf den Ausschaltknopf drücken musste, und es sich dauernd ein- und ausschaltete, aber irgendwann, nach zehn Stoßgebeten zum Himmel, war es wieder angeschaltet, und die Sprachausgabe redete wieder mit mir. Aber als ich wieder ins Handbuch auf dem DAISYPLAYER des Handys gehen wollte, sagte mir die Stimme: „Kein DAISY-Buch verfügbar“. Ich habe es tatsächlich fertiggebracht, das Handbuch zu löschen. Irgendwie musste ich doch darüber lachen. Absichtlich wäre mir das sicher niemals gelungen. Einige Handgriffe hatte ich mir aus dem Handbuch doch noch gemerkt und konnte im Talx-Menü selbst einstellen, dass das Handy die eingehenden Anrufe mit Nummer oder dem in den Kontakten eingespeicherten Namen ansagen sollte, den Sekundenabstand dieser Ansage konnte ich ebenfalls ändern, auch schaffte ich es, die Art der Cursorbewegung, ob wort- oder buchstabenweise, zu ändern. Das Handbuch habe ich noch auf CD, aber ich traue mir nicht zu, das Handbuch mit dem USB-Kabel auf die Speicherkarte des Handys zu überspielen.

Glücklicherweise habe ich wieder Kontakt zu einem Bekannten, mit dem ich längere Zeit wenig zu tun hatte, da wir nur sehr sporadisch, aber dann sehr lang, miteinander telefonieren. Er hat genau das gleicheHandy und konnte mir noch eine Menge erklären. Mittlerweile habe ich das Prinzip von Menüs, Untermenüs und Ebenen soweit verstanden. Auch habe ich mit seiner Hilfe die Menüpunkte so eingestellt, dass sie nur untereinander kommen, und ich kann sogar die Menüpunkte dahin verschieben, wo ich sie haben will, so habe ich z.B. den Menüpunkt „System“, den ich öfter brauche, vom Platz 10 auf Platz 3 verschoben.

Da ich ja die Mobil-TAN von der E-Post lesen können will, riet mir mein Bekannter, die SMS auf „Weiterleiten“ zu setzen, da man dann in dem geöffneten „Dokument“ herumfuhrwerken und sich die Buchstaben einzeln vorlesen lassen kann. Mittlerweile habe ich den Cursor auf Buchstaben eingestellt, so dass ich mir auch ohne Weiterleiten die SMS buchstabenweise und mit Angabe der Buchstabennamen wie Anton, Berta, Cäsar, Dora… und auch Groß- und Klein-Buchstaben Vorlesen lassen kann, damit man sie besser versteht.

Das, was ich mit dem Handy machen will, kann ich schon ganz gut. Wenn ich in Urlaub fahre, möchte ich mal meine E-Mails damit lesen, damit ich keine wichtigen Nachrichten verpasse. Ich bin mal gespannt, ob das klappt. Mein Bekannter, der auch dieses Telefon hat, macht seine gesamte E-Mailkorrespondenz sowie alle Internet-Aktionen mit dem Handy anstatt mit dem PC. Er ist wirklich fit, und da habe ich jemanden an der Hand, den ich öfter mal um Hilfe bitten kann. So funktioniert Gott sei Dank das Handy, und ich komme gut damit zurecht.

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