Donnerstag, 30. Mai 2019

Grünes Licht für Premiere mit AD

Gestern war ich in einem Stück, das im Rahmen des Figurentheaterfestivals gegeben wurde. Es ging um Stefan Heym und hieß: „wenn man mich fragt „. Das Besondere an dem Stück war aber, dass es das erste Stück war, dass in meiner Umgebung mit Audiodeskription, also Bildbeschreibung für blinde und Sehbehinderte dargeboten wurde.


In dem Theater Club, der parallel zu unserem mit derselben Theaterpädagogin läuft, wurde auch schon einmal ein Stück mit Audiodeskription aufgeführt, diese wurde dann von der Theaterpädagogin selbst übernommen, aber wenn ein Spieler oder eine Spielerin krank wird, muss sie einspringen, dann fällt die Audiodeskription, kurz AD genannt, aus. Eine wirklich professionelle Audiodeskription könnten wir uns bei unseren Laienaufführungen nicht leisten.

Das Figurentheater soll ab jetzt barrierefrei stattfinden. Dieses Jahr wurde nur ein Pilot gestartet, das bedeutet, man hat es mit einer einzigen Aufführung versucht.

Schon vor einigen Wochen hatte ich mich dafür angemeldet. Ursprünglich wollte ich ohne Begleitung kommen, und eine Bekannte von mir, der ich ab und an Deutsch gebe, weil sie aus Rumänien kommt, hätte mit gewollt, aber sie hat im Moment wenig Geld. Leider war die Begleitperson nicht ganz frei, sondern beide mussten nur die Hälfte zahlen. Die Frau am Telefon meinte noch, kommen Sie einfach mit Begleitung, wir machen das schon, aber die Begleitung wollte da nicht mehr mit.

Aber wir hatten große Hilfe. Zum einen kam ich erst einmal an, und ich begegnete einer blinden Frau, die im Beschreibeteam für dieses Theaterstück mitgewirkt hatte. Ein Beschreiberteam besteht, wenn es die Finanzen erlauben, immer noch aus einer blinden Person und zwei sehenden. Zu dritt haben sie dann eine Vorlage des Stückes als Video, welches sie Sequenz für Sequenz anschauen und sich dazu eine Beschreibung ausdenken. Der blinden Person wird alles von den beiden beschrieben, wohingegen die blinde Person dann jedes Mal sagen muss, ob ihr diese Beschreibungen reichen oder nicht. Wenn die Beschreibung nicht kohärent ist, beispielsweise einer der Akteure auf einmal ganz woanders steht, und ihr dies entgangen ist, fragt sie nach, sodass bestimmte Lücken dann auch auffallen. Es wird wohl um jede Formulierung gerungen, wurde mir gesagt. Ich habe schon sehr viele Filme mit Audiodeskription gesehen, und leider geht die Tendenz immer mehr dahin, dass es nur einen einzigen Beschreiber gibt, einen sehenden, der sich den Film ansieht und dann die Beschreibung selbst formuliert. Damit gehen die Bedürfnisse des blinden unter Umständen verloren, schlimmstenfalls geht die Beschreibung am Blinden vorbei. Es gibt aber auch Beschreiberteams, wo ein blinder eine Assistenz hat, diese beschreibt ihm alles, und er formuliert es dann. Es erfordert wohl ein hohes Maß an Kompromissbereitschaft, in einem Dreierteam zu arbeiten.

Es stellte sich heraus, dass ich die blinde Filmbeschreiberin kannte, da ich Retinitis pigmentosa habe, und wir früher einmal eine Kassette erhielten, wo wir selbst auf Band sprechen konnten, diese Beiträge wurden dann gesammelt und als Zeitschrift herausgegeben, so waren uns viele der Hörerstimmen bereits vertraut. Leider wurde im Zuge der Digitalisierung diese Kassette eingestellt. Wir waren wie eine kleine Familie, ich habe mich jedes Mal gefreut, wenn die Kassette erschienen war.

Zu dem Beschreibeteam gehört eine Sprecherin, die selbst auch Schauspielerin ist. Es stellte sich dann noch ein männlicher Beschreiber vor, und es kamen einige blinde dazu. Um 18:00 Uhr gingen wir dann los, denn wir durften die Bühne vorab begehen und alles ertasten. Zunächst einmal wurde uns der junge Stefan Heym und der alte Stefan Heym beschrieben, denn diese wurden als Puppen dargestellt. Geschmacklich hat er nicht viel zu bieten, karierte Jacke, geblümte Krawatte, kariertes Hemd , rote Socken, was allerdings eine Anspielung war, die mir später klar wurde. Wir durften dann die Puppe des Jungen und des alten Herrn Heym betasten, und das war wirklich wunderbar. Er wurde sehr detailgetreu nachgebaut, und wir durften auch die Knobel anfassen, an denen der Rücken der jeweiligen Puppe bewegt wird, oder die Lücke, in die eine Hand kommt, um den Kopf zu bewegen. Manchmal sind zwei Puppenspieler oder Puppenspielerinnen an einer Puppe dran, die einen bewegen die Füße, die anderen die Arme. Die Puppenspieler sind auch zu sehen. Das ist auch so gewollt. Man hat deshalb Stefan Heym als Puppen dargestellt, zum einen, um die verschiedenen Persönlichkeitsanteile darzustellen, und um einen Dialog, sozusagen ein Zwiegespräch zwischen dem einen Herrn Heym und dem anderen Stefan Heym zu erstellen, andererseits aber auch, um etwas Distanz herzustellen, es sollte also nicht ein Mensch die Person selbst spielen, sondern es sollte eine Puppe sein, um noch einen gewissen Verfremdungseffekt zu erzielen. Ich hatte nämlich die Gelegenheit, mit einer der Schauspielerinnen zu sprechen und die Fragen zu stellen, die mir auf der Seele brannten.

Es waren auch einige Kulissen auf der Bühne, diese bestanden aus einigen Boxen, die man in verschiedene Richtungen drehen konnte, vorne hatten sie Schubladen, wenn man sie umdreht, waren es schwarze Quader. Diese wurden je nach Bühnenbild eingesetzt und umgestellt. Die Puppen sprangen auch manchmal darauf, indem sie von ihren Spielern hochgehoben wurden. Links und rechts waren auch Elemente, rechts eine Rampe, links eine Treppe, alles war von dem Ensemble mitgebracht worden. Es gab noch vier Flachbildschirme, vorne waren die größeren und hinten die kleineren, um eine sogenannte Flucht darzustellen, als ob der Gang nach hinten dünner würde. Die Bühne verjüngte sich auch, mir ist bis heute nicht klar, warum eigentlich immer von Verjüngung gesprochen wird, wenn etwas schmäler wird. Dieser Begriff war mir lange Zeit sehr fremd und überhaupt nicht wirklich geläufig . Wir konnten also die Bühne entlang gehen, die Sprecherin des Teams ging mit mir die Zuschauerreihen entlang, sodass ich eine Orientierung bekam. Wir durften auch noch Fragen stellen, und am meisten faszinierten mich die fein genähten Schuhe des alten Stefan Heym, die aus wunderbaren weichen Leder gemacht waren, richtig wunderbares schönes Schuhwerk. In der jüngeren Fassung hatte er fast Gummistiefel an, die waren lediglich praktisch, aber lange nicht so schön und edel wie die aus Lieder. Ich war wirklich fasziniert, wie liebevoll alles im Detail erstellt worden war.

Leider fiel die Aufführung genau in die Zeit, wann ich eigentlich Hunger auf mein Abendessen bekomme, und es gab nicht mehr die Möglichkeit, noch einmal schnell rauszugehen, um sich etwas zu holen. Netterweise bot sich dann eine der Damen an, mir eine Brezel zu holen. Das war meine Rettung, denn mehr brauchte ich eigentlich nicht. Ich trank dazu noch einen Orangensaft und ein Mineralwasser, welches wir gut zusammen mischten, um wenigstens nicht ganz in den Unterzucker zu geraten oder zu verhungern, bis ich wieder zu Hause sein würde. Ich habe zwar keinen Diabetes, aber selbst nach dem Frühstück habe ich noch immer einen sehr niedrigen Blutzucker, was ich bei meinen regelmäßigen Blutabnahmen lesen kann, wo die TErmine immer so um dieselbe Zeit stattfinden. Mir wird dann regelmäßig schlecht, wenn ich unterzuckert bin.

Als ich meine Brezel gegessen und den Saft getrunken hatte, erhielt ich ein paar Kopfhörer, die um den Nacken gelegt wurden, mitsamt einem Empfänger, wo man nur einen Regler für die Lautstärke bedienen konnte. Daneben war noch die Antenne und die Kopfhörerbuchse. Um einen Test durchzuführen, sprach die Sprecherin bereits mit uns, und auch, um uns etwas einzustimmen. Die Technik für Ton und Licht war auf der Tribüne am anderen Ende des Zuschauerraums, gegenüber der Bühne. Dort war eine Art Dolmetscherkabine aufgebaut, in der die Sprecherin dann sitzen sollte. Wenn längere Zeit Dialoge geführt wurden, und sie nicht gebraucht wurde, konnte sie eine Pause machen, um etwas zu trinken, dann, so wurden wir vorgewarnt, würde man den Bühnen Ton ebenfalls in den Kopfhörern hören. Das habe ich einige Male bemerkt, aber da ich es wusste, war ich nicht irritiert.

Wir wurden gefragt, wo wir gerne sitzen würden, und neben mir kam die ehemalige Behindertenbeauftragte unseres Bundeslandes zu sitzen. Mein Empfänger hatte eine grüne LED Leuchte, und die Nachbarin zu meiner Linken beschwerte sich, ich solle doch das Ding umdrehen, das Licht würde sie stören. Ich fand das unmöglich, man kann sich wirklich an allem stören, selbst an einer Mücke an der Wand. Die Organisatorin, mit der ich auch zuvor telefoniert hatte, um das mit der Begleitperson zu klären, begrüßte die Zuschauer und kündigte an, dass dies das erste Stück war, welches mit Audiodeskription vorgeführt wurde, was dem normalen Publikum relativ wenig sagte. Daher kam wahrscheinlich auch das mangelnde Verständnis meiner Sitznachbarin, die glaubte, ich wolle möglicherweise das Stück aufzeichnen. Wenn ich im Kino sitze, wo ich die Audiodeskription für Filme über mein Smartphone erhalte, schimpfen auch manchmal die Leute, ich solle doch bitteschön mein Handy ausmachen. Es ist dann schwer, den Leuten klarzumachen, dass ich das Handy brauche, um die Bildbeschreibung zu empfangen.

So sah sich die ganze Zeit da und achtete darauf, dass meine Hand so gedreht war, dass das Licht immer in die Richtung meiner rechten Sitznachbarin leuchtete, die sowieso fast nichts sah. Sie meinte aber, sie habe das Licht auch bemerkt. Einige meinten hinterher, ich hätte ja das Empfangsteil auch in die Tasche stecken können. Aber ob es dann noch funktioniert hätte, weiß ich nicht. Ich konnte es somit auch nicht drehen, wenn der Empfang schwächelte, weil ich sonst befürchten musste, die Frau wieder anzuleuchten , und das würde ihre empfindlichen Augen ja dann wieder blenden.

Das Stück war sehr interessant, zwischendrin wurden dann immer wieder Interviews mit den Schauspielern der Truppe auf den Bildschirmen eingeblendet, die vom heutigen Chemnitz sprachen , denn Stefan Heym, der früher Helmut Flieg hieß, kommt ursprünglich aus Chemnitz. So wurde der aufkeimende Nationalsozialismus mit den heutigen Unruhen verglichen. Dieser thematische Bogen und dieser zeitliche Spagat hat gut geklappt, sodass man die Parallelen gut erspüren konnte. Von seiner Zeit in der DDR war nicht mehr viel die Rede, da er diese hauptsächlich in Berlin verbracht hatte. Es wurde erzählt, dass er zwischenzeitlich über die Tschechoslowakei nach Amerika emigriert war, dort als amerikanischer Soldat diente, dann als Besatzer wieder in seine ehemalige Heimat zurück kam. Dort hatte sich ja inzwischen einiges verändert. Er war seinerzeit von der Schule geflogen, da er einen kritischen Artikel darüber verfasste, dass die Nazis deutsche Offiziere nach China schickten, um China am deutschen Wesen genesen zu lassen. Ich fand es sehr amüsant, dass der Name Flieg dann damit in Verbindung gebracht wurde, dass man damit lediglich von der Schule fliegt, und dann flogen tatsächlich auch sämtliche Unterlagen über die Bühne. Die Dialoge waren sehr deutlich, die Bildbeschreibung war toll, und ich konnte die Schauspieler auch noch gut erkennen, dank meiner neuen Brille und der hervorragenden Beleuchtung. Manchmal nahmen die Schauspieler auch die Puppen in den Arm, was gut beschrieben wurde. Am Ende wurde der alte Stefan Heym in eine kleine niedliche Badewanne gelegt, denn die Puppen waren ja nur in der Größe eines Kleinkindes, und die Badewanne hatte auch noch vier niedliche kleine Füßchen, die ich dank der guten Ausleuchtung gut erkennen konnte. Sie stachen sehr gut von dem schwarzen Hintergrund ab.

Danach wurden wir abgeholt und hatten noch etwas Gelegenheit, mit dem Sprecher Team zu diskutieren. Zum einen regte meine Nachbarin an, dass doch dem Publikum, sozusagen dem sogenannten Bildungsbürgertum dieser Stadt, einmal erklärt werden müsste, was Audiodeskription bedeutet, denn sie könnten sonst damit nichts anfangen.

Leider Gott sei Dank sieht man Menschen mit Retinitis pigmentosa ihre Behinderung nicht an, wir sehen ganz geradeaus, haben ganz normale Augen, und unsere Gesichter sind nicht durch eine Sehbehinderung geprägt. Daher fällt es mir häufig schwer, den Leuten klarzumachen, dass ich fast nicht sehe, wenn der Stock nicht zur Kennzeichnung ausgeklappt ist sondern auf dem Boden liegt, und ich irgendwo sitze, und dann stolpern die Leute über meine Füße, weil ich nicht mitkriege, dass ich aufstehen muss, weil jemand durch die Reihe gehen muss. Ich bin sowieso klein und kann daher meine Beine einfach einziehen, aber die Handtasche muss halt auch manchmal weg. Das erregt zuweilen den Unmut derer, die durch müssen.

Außerdem meinte meine Nachbarin noch, es wäre nicht nötig gewesen, das äußere der Schauspielerinnen zu beschreiben. Es war halt noch viel Zeit, bis alles fertig war, und es gab eben am Anfang noch eine Szene, die in den Bildschirmen gezeigt wurde, in der sich die Schauspieler auf ihre Aufführung vorbereiteten, und somit nutzte sie die Gelegenheit, dies auch zu beschreiben. Der Text wird ja vorher formuliert, so lag diese Beschreibung bereits vor, und sie wurde je nach Situation eingesetzt. Ich meinte, ich finde es gut, wenn so viel wie möglich beschrieben wird, wenn es jemandem nicht gefällt, kann er weghören. Lieber zu viel geschrieben als zu wenig, denn wenn es zu wenig ist, reicht es vielleicht dem einen nicht, wenn es zu viel ist, dann dient es dem einen, und der andere braucht es dann halt einfach nicht. Das ist wie mit den vollen Tellern, lieber zu viel als zu wenig, wer nicht alles packt, kann es ja liegen lassen. Prompt wurde mir wieder widersprochen, man könne das doch gar nicht alles verarbeiten. Und tatsächlich stimmte natürlich die Sprecherin der Frau zu und meinte, ursprünglich sei das nicht geplant gewesen, und alle anderen waren natürlich wieder der Meinung meiner Nachbarin, dass es nicht nötig sei, so viel zu beschreiben. Ich sagte dann ganz laut, jetzt stehe ich schon wieder alleine da, aber das hörte niemand.

Immer, wenn ich eine Meinung vertrete, und ein anderer ist anderer Meinung, schließen sich alle anderen immer dessen Meinung an. Das liegt nicht etwa daran, dass ich ausschließlich schlechte Meinungen habe, oder dass ich immer nur in Kreisen verkehre, die anders eingestellt sind als ich, sondern es gibt eine unsichtbare virtuelle soziale Rangordnung, und derjenige, der sozial einen niedrigeren Rang hat, wie im Tierreich, erhält grundsätzlich von der Gruppe keine Zustimmung. Das geht in Bruchteilen von Sekunden, da kann man nichts machen. Es gibt eben die sichtbare Welt und die eigentliche Welt. Und das wird in der eigentlichen Welt entschieden. Ich muss es ja wissen, die Diskrepanz zwischen meiner sichtbaren Welt und meiner Rolle in der eigentlichen Welt ist so deutlich, dass mir das schon längst aufgefallen ist. Es gibt Menschen, die haben so eine große Klappe, und denen glaubt man jedes Wort, obwohl sie lediglich einen Hauptschulabschluss haben und nur auf dem Dorf leben und noch nie wirklich draußen waren, aber denen würde man sogar die Weltformel abnehmen. Es gibt Alphatiere und Omegatiere, und dagegen kann man nichts tun. Das wird wahrscheinlich qua Geburt irgendwo anders entschieden.

Ich hatte ja zuvor mit der Theatergruppe gesprochen, und die eine Dame meinte, dass sie ausschließlich Puppentheater machen. So kam die Frage auf, ob alles oder nur Puppentheater gemacht würde, und ich gab die Antwort, aber der wurde mir gleich wieder in die Parade gefahren, hier steht doch die Organisatoren des Ganzen, die wird es ja wohl besser wissen. Denn mir glaubt nie jemand ein Wort. Sie erklärte also, dass die Leute manchmal richtige Menschen darstellten, und ich betonte dann, dass ich mit einer der Schauspielerinnen aus Chemnitz gesprochen hätte, und dieser hat mir ausdrücklich gesagt, dass sie in ihrem Ensemble nur Puppentheater machen, nämlich hauptsächlich Theater für Kinder, wobei sie einmal jährlich ein Stück für Erwachsene aufführen. Die Organisatorin mag ja mehr wissen über die Organisation und über die Mischung aus verschiedenen Gruppen, aber ich hatte es ja direkt aus dem Mund einer der Schauspielerinnen dieser Gruppe. Außerdem hatten die Schauspieler im Film noch erklärt, dass sie häufig gefragt würden, ob man denn vom Puppentheater leben könnte, dass sie doch besser etwas Richtiges gelernt hätten, und dass Puppentheater hauptsächlich mit Augsburger Puppenkiste oder Marionettentheater assoziiert wird. Somit gibt es wohl eine Spezialisierung von Schauspielern auf Puppentheater, und die machen dann wahrscheinlich auch hauptsächlich nur das.

Dann reklamierte die blinde Beschreiberin , das es doch nicht nötig sei, jedes Detail der Kleidung zu beschreiben, es sei doch egal, ob die Schürze nun rot oder blau sei, und sie müsse das nicht ganz so genau wissen. Ich pflichtete ihr bei und meinte, vorher habe man ja die Gelegenheit, die Puppen abzutasten und wüsste daher, wie sie gekleidet sind. Daraufhin meinte meine Nachbarin wieder, ja, aber im Fernsehen ist es nicht so. Ich hatte keine Chance, zu erklären, dass ich mich ausschließlich auf das Theater beziehe, da das eine ganz andere Sparte ist als der Film. Und prompt pflichtete wiederum die, die zuvor dieser Meinung war, meiner Nachbarin bei und meinte, also etwas Erklärung brauche ich dann aber schon. Und schon stand ich wieder alleine da. Bei diesem Stück erhielten wir während der Begehung schon eine vorgefasste Beschreibung der Kleidung, weil sie für die Persönlichkeit relevant war. Es kommt ja immer darauf an, inwieweit die Beschreibung für die Handlung wichtig ist , und was man alles schon mit den Händen hat erfassen können. Dann hieß es auf einmal und plötzlich , das sei ja schließlich alles Geschmackssache. Aber das war ja eigentlich genau das, was ich zuvor in Bezug auf die Notwendigkeit der Beschreibung des Äußeren der Schauspieler gesagt hatte, jeder will es anders, lieber zuviel als zu wenig, und da wurde mir zuvor ja eigentlich widersprochen, dass das nicht alles zu verarbeiten sei. Da war es dann wiederum keine Geschmackssache....

Immer wenn A einer Meinung ist und B einer anderen, und ich ergreife dann die Meinung von A, wechselt der zu b, und ich stehe alleine mit Meinung a da.

Wenn ich die Meinung von Person B ergreife, wechselt diese zu Meinung A, sodass ich am Ende wieder alleine mit Meinung B dastehe. Ich glaube, dass es Magie oder elektromagnetisch. Mir fällt es zumindest auf, nachdem es schon 5 Trillionen mal so passiert ist. Am Anfang fiel mir das nie auf, aber irgendwann, wenn das nie der Fall ist, dass MIR einmal jemand in einer Gruppe vor anderen beipflichten kann , auch wenn andere anderer Meinung sind, dann merkt man es schon und wird traurig und verbittert.

Es verabschiedeten sich dann alle voneinander, und meine Nachbarin wollte schon gehen, da rief ich ihr noch zu, auf Wiedersehen. Da fragte sie mich, wo ich denn hin führe, und sie meinte, sie müsse dort auch hin. So setzte sie sich mit in mein Taxi, und sie war sehr dankbar und zeigte mir das auch. Das war mir schon wieder peinlich, denn ich bekomme ja die Taxifahrten umsonst. Wir setzten sie dann ab, somit war sie meine Begleitperson, denn wir mussten ein paar Kilometer einen Umweg machen, und das muss man ja schließlich begründen.

Ich hoffe, dass nächstes Jahr, wenn das Festival wieder stattfindet, noch weitere Stücke barrierefrei sein werden, denn ich finde es toll, wenn man die Bühne begehen kann. Solche Theaterstücke finden schon in mehreren Städten statt, wenn ich zum Louis Braille Festival nach Leipzig fahre, wird einen Tag vor meiner Anreise ebenfalls so ein Theaterstück gezeigt, allerdings kann ich nicht 80 EUR fürs Hotel ausgeben, nur, um einen Tag früher dort zu sein, denn 80 EUR plus eigentlichen Eintritt für eine Theaterkarte , das ist mir dann doch etwas zu preiswert, von hinten rein. Jetzt endlich kommen auch bei uns Theaterstücke mit Audiodeskription in unsere Region.

Ende Juni wird dann auch das andere Theaterensemble, welches ebenfalls von unserer Theaterpädagogin geleitet wird, einen Krimi aufführen, und da wird es auch eine Aufführung mit Audiodeskription geben, zu der wir hinfahren. Ich freue mich schon sehr und bin sehr gespannt, der Mann der Theaterpädagogin wird das übernehmen. Sie hat sich eingehend über dieses Thema erkundigt und findet aber, dass eine professionelle AD zu teuer ist, klar. Ich würde es aber dann so machen, dass ich die Generalprobe aufzeichne, mir dann selber mit ein oder zwei Blinden eine Audiodeskription aus denke, und diese dann im Theaterstück vortrage. Man muss ja keine teure Anlage haben, es können sich alle zusammensetzen. Dies wird auch so gemacht, es wird also geflüstert werden, aber er wird es sich jedes Mal spontan ausdenken, was wesentlich anstrengender ist. Ich habe auch bemerkt, was auch erklärt wurde, dass die Sprecherin eben in dem jetzigen Theaterstück große Mühe hatte, ihre Audiodeskription anzupassen, denn manchmal setzten die Schauspieler an anderen Stellen ein, die Pausen waren von Aufführung zu Aufführung unterschiedlich lang, oder es wird spontan etwas geändert, da keine Aufführung der anderen gleicht.

Ich habe auch die Anekdote mit dem grünen Licht zum Besten gegeben, und natürlich hieß es, das könne man doch vermeiden, und manche Leute stört das eben, schließlich ist es ja sehr grell. Zum Glück hat mir da mal einer beigepflichtet und zu mir gestanden und gesagt, genauso gut kann sie sich an dem grünen Ausgangsschild stören, denn das leuchtet genauso grell. Ich finde es nach wie vor unmöglich, sich an jeder Kleinigkeit aufzuhängen, bei mir würde das wieder jeder monieren, dass mich alles so stört, wenn ich mich an einer LED-Stören würde. Alles, was etwas abweicht, wird sofort kritisiert. Dabei gibt es so viele Leute, die einfach mit dem Handy ein Theaterstück oder ein Konzert aufzeichnen und sich dann noch nicht mal genieren, mitten im Konzert die Wiedergabetaste zu drücken, um nachzuprüfen, ob es auch aufgenommen hat. Das war mir bei meinen Assistentinnen immer extrem peinlich, wenn die so etwas machten. Einmal ist sogar einer der Sicherheitsleute auf Sie zugekommen und hat ihr gesagt, sie solle den scheiß lassen. Ich finde so etwas auch unmöglich. Da ist doch ein grünes Licht wirklich lächerlich dagegen. Wäre das jemand anderem von uns passiert, dass eine Nachbarin sich über das Licht vom Empfangsteil beschwert hätte, hätten sich sicher alle mockiert, wie sich die Sitznachbarin nur so darüber aufregen konnte. Es komt eben immer auf die Person an. Und manche ecken mehr an als andere. An mir stört eben alles, denn, wenn einen jemand schon generell stört, dann findet man schon etwas, was man bemängeln kann.

Ich hoffe aber, dass weiterhin grünes Licht für weitere Stücke mit Audiodeskription in unserer Gegend gegeben wird.

Wer weiß, wozu es gut war

Als ich noch in der alten Wohnung lebte, hatte ich an der Decke Ventilatoren. Ich hatte ja schon beschrieben, dass es in einem Jahr eine regelrechte Hitzewand gegeben hatte. So eine Wand, wo sich kein Lüftchen mehr regte, gab es auch einmal, als ich noch in meiner alten Wohnung lebte. Daher habe ich mir dann diese Ventilatoren gekauft, um nicht zu ersticken, weil sich überhaupt nichts mehr bewegt hatte. Ich hatte damals noch Decken aus Beton, und die Deckenventilatoren hielten fabelhaft.

 

Jetzt, da ich umgezogen bin, warten die Dinger im Keller, dass endlich jemand sie nach oben hebt und befestigt. Letztes Jahr im Sommer hatte ich einige Leute, die aber jedes Mal wieder zurückgetreten sind, warum wohl?

 

Ich hatte dann Glück, denn ich erhielt ein Vorführmodell eines winzigkleinen Ventilators anstatt für neun Euro für sechs Euro, und dieser brachte mir allerdings einen Schiefhals ein . Mit diesem Schiefhals hatte ich noch länger Ärger, ich musste zur Wärmetherapie und zur manuellen Therapie über einige Wochen hinweg. Der Schiefhals ist allerdings immer noch da, nicht mehr so schlimm wie vorher, aber er ist ein Andenken an diesen kleinen Ventilator.

 

Ich hatte mir ja auch Fliegengitter machen lassen, wobei ich zur Vorderseite hinaus eine professionelle Firma dafür beauftragt hatte, und nach hinten hinaus wollte ich ganz einfache Fliegengitter, die man lediglich mit einem Klettverschluss befestigt, der an den Fensterrahmen geklebt wurde. Dies ließ sich von einer Selbsthilfefirma machen, und der Mann machte das sehr gut. Denn in der Küche werde ich bald einen Balkon erhalten, sodass das Fenster durch gebrochen wird, und ein tolles Fliegengitter hätte sich hier preislich nicht gelohnt. Im Bad, damit es einheitlich aussieht, habe ich mir dann auch für dieses Fenster ein Fliegengitter mit Klebestreifen machen lassen. Nach hinten hinaus ist es ja nicht so wichtig.

 

Ich entschied also, dass diese Selbsthilfefirma auch meine Deckenventilatoren anbringen könnte. Ich bekam einen Kostenvoranschlag, und wir machten einen Termin aus für den 7. Dezember.

 

Leider erhielt ich am selben Tag eine E-Mail, der Mann sei verhindert, er sei schwer krank, und er könne erst wieder im Frühling kommen. Bis auf weiteres sei er gesundheitlich nicht in der Lage, diesen Auftrag zu erfüllen. Ich war ziemlich traurig, denn ich hatte in dieser Zeit ziemlich viel Pech, und da hat das gerade noch gefehlt.

 

Ein Spieler aus meiner Theatergruppe hatte sich angeboten, sobald wir mit dem ersten Stück die Aufführung hinter uns hätten, mir bei den Deckenventilatoren zu helfen. Als ich dann aber entschied, die Gruppe zu verlassen, hat er sich nicht mehr gemeldet. Eine der Mitspielerinnen meinte, sie habe ihm meine Telefonnummer gegeben, aber er hat sich nicht gerührt. Als ich jetzt wieder in die Gruppe eintrat, meinte er, er habe die Nummer wieder verloren. Der Mann dieser einen Mitspielerinn bot mir an, die Decken Ventilatoren nach oben zu heben und anzubringen

 

Als er dann mit einer langen Leiter in meiner Wohnung war, stellte er allerdings fest, dass die Decken nicht geeignet wären, um schwere Ventilatoren anzubringen, die sich dann auch noch drehen. Die Decken seien nur aus Balken, und innen drinnen sein Strohmatten, dass sein sogenannter Sauerkrautdecken, denn zu dieser Zeit hat man alles an Material für die Dämmung benutzt, dessen Mann habhaft werden konnte. Er meinte, es sei unverantwortlich, die Dinger würden mir irgendwann auf den Kopf fallen, das könne er nicht für mich machen, ich solle davon Abstand nehmen. Er war sogar so nett und meinte, er würde mir zwei Stand Ventilatoren kaufen.

 

Schlimmstenfalls wären mir die Geräte auf den Kopf gefallen, bestenfalls hätte aber zumindest die Decke gebröckelt . Das wollte ich nicht riskieren. Dann rief auch noch genau zu diesem Zeitpunkt auf einmal doch die Selbsthilfefirma an und meinte, der Mann, der damals abgesagt hätte, sei nun wieder gesund, ob ich denn nun den Auftrag noch erteilen wollte oder nicht. Ich erklärte ihr, dass mir ein pensionierter Statikerabgeraten hätte, diese Ventilatoren an die Decke zu schrauben, da sie herunterfallen würden. Sie meinte, sie habe auch Deckenventilatoren, und bei ihr sei das noch nicht passiert. Als ich ihr dann aber erklärte, dass in dieser Wohnung, in der ich jetzt sei, keine Betondecken sondern Sandstein sei, und dass man sogenannter Sauerkrautdecken benutzt hätte, um die Dämmung durchzuführen, riet auch sie mir davon ab, diese Ventilatoren an der Decke zu befestigen. Somit hatte sich der Auftrag erledigt. Im Nachhinein bin ich jetzt froh, dass es am 7. Dezember nicht geklappt hat. Gott weiß, was passiert wäre, wenn er es gemacht hätte, schlimmstenfalls wäre ich schwer verletzt worden, denn die Rotorblätter von sich drehenden Ventilatoren sind ziemlich gefährlich, ich wäre womöglich guillotiniert worden.

 

Als ich noch in meiner alten Wohnung lebte, hatte ich ja viele Katzen, was ja häufig schief ging. Ich habe hierüber in meinen Blog ziemlich viel geschrieben. Am Ende wollte und wollte es nicht mehr klappen, dass ich eine neue Katze bekommen würde. Ich war schon sehr traurig und dachte, warum klappt das einfach nicht. Ein Jahr, nachdem mein alter Kater gestorben war, wurde ich dann transplantiert. Offenbar wollte es der liebe Gott so, dass ich ein Jahr vor der Transplantation keine Katze mehr haben sollte, um die nötigen Voraussetzungen für die Hygiene zu schaffen. Mein alter Kater hatte seine Aufgaben hier auf Erden erledigt und wurde sozusagen abberufen, hatte er mich doch in den dunkelsten Stunden meines Lebens durch zehn Jahre Dialyse geführt und getragen.

 

In der neuen Wohnung hätte ich zwar nun einen sehr langen Hinterhof, der sich die ganze Straße entlang zieht, von Haus Nummer 1 bis Hausnummer 20, aber nun habe ich die Fliegengitter, und eine Katze könnte gar nicht mehr nach draußen. Ich bräuchte also eine, die sich damit begnügt, nur in der Wohnung zu bleiben, und das findet man selten, ohne, dass die Katze durchdreht . oder alles zerstört. Außerdem ist meine Wohnung nun so schön eingerichtet mit tollen Vorhängen, Teppichen, Polstermöbeln etc., die dann nur wieder von einer Katze zerstört würden. Früher hielt ich jeden, der sich zwischen Katze und Designercouch für Letztere entschied, für ein arrogantes Arsch Loch. Mittlerweile bin ich aber derselben Meinung, wenn ich auch keine Designercouch besitze. Meine Katzen haben ziemlich viel kaputt gemacht, was mich früher nie gestört hatte. Ich hatte nur Fleckenteppiche, und wenn einmal ein Fädchen aus dem Vorhang heraushing, war mir das egal. Mittlerweile sind die Sachen aber teurer geworden, man wird halt älter und spießiger. Der Teppich ist dicker und größer, die Polstermöbel sind teurer, die Vorhänge sind es eben so, schließlich habe ich Decken von 2,90 m HÖhe, und die Vorhänge gehen bis auf den Boden. Es wäre jammerschade, wenn die Katzen dann wieder in dem schönen Altbau die Sockel leisten abreißen, oder wenn Sie den Putz von den Wänden kratzen, sodass der Sandstein durchs schaut.

 

Ich lass also jetzt das Schicksal entscheiden, ob ich noch mal eine Katze kriege oder nicht. Ich bin der Meinung, eine Katze gehört raus, und ich wäre als Katze auch nicht glücklich, immer eingesperrt zu sein. Daher halte ich jetzt das Motto ein: wer Tiere liebt, der hat keine, und tröste mich damit.

 

Häufig ist es so, steckt man in der Situation, kann man nicht begreifen, warum es einfach nicht klappen will. Später, wenn dann ein paar Jahre vergangen sind, versteht man, wozu es gut war, und dass es besser war, dass es nicht geklappt hat. Ich hoffe, dass mir das auch mit anderen Dingen einmal zu passiert. Manche Dinge werden wir wohl erst dann erfahren, wenn wir vor unserem Schöpfer stehen, wenn das überhaupt je passiert. Entweder es gibt keinen, oder wir kommen erst gar nicht zu ihm vor. Aber falls wir vor ihm stehen, können wir ihn fragen, warum dieses oder jenes so geplant war, und warum es so gelaufen ist. Ich hoffe, dass ich das meiste noch zu Lebzeiten erfahren werde, was schief gelaufen ist und warum. Aber vielleicht sollte man öfter mal denken, wenn etwas schief geht, wer weiß, wozu es gut ist. Ich hoffe, dass ich diese Erklärungen noch bei vielen Dingen erhalten werde. Bei diesen beiden Dingen ist es ja schon passiert.

Dienstag, 7. Mai 2019

Sieben Schichten


Vor einigen Wochen habe ich mich mit zwei ehemaligen  Kolleginnen aus unserem inklusiven Theaterclub getroffen. Sie wollten, dass ich wieder mitmache, und sie fragten mich, ob ich denn Lust hätte, bei dem Stück Romeo und Julia den Prolog, den Epilog und die zwischen Monologe zu sprechen. Sie würden mir den Text zukommen lassen, mehr wäre nicht zu tun. Ich dachte, diese Aufgabe schaffe ich doch leicht. Ich sollte an einem Samstag wieder  mitmachen, sie würde mich sogar abholen. Ich dachte, das wird einfach, das Stück ist schon fertig, und ich muss nur die Sätze üben.

 

Der Text war ziemlich gestelzt, die Sprache ist sehr geschraubt und sehr schwierig. Ich dachte, in Blindenschrift, also der Punktschrift werde ich das nicht lesen können, da ich späterblindet bin und die Kurzschrift ja erst vor ein paar Jahren gelernt habe. Mir schien es damals fast unüberwindlich, das auswendig zu lernen. Nach einer Weile, nachdem ich alle Silben mehrfach gezählt hatte, und nachdem ich mir die Metrik und die Syntax der ganzen Sache irgendwie zusammengereimt hatte, habe ich auch verstanden, wie das ganze richtig zu betonen ist, wo eigentlich die Komata sein müssten, und wie ich es betonen muss. Dann konnte ich es auch auswendig lernen, da ich den Sinn der Sache dann verstanden hatte.

 

In England hatten wir auch sehr viele Shakespeare Stücke in dem Seminar, dass ich besucht hatte. Als Übersetzerin brauche ich so etwas eigentlich nicht, da es Frühneuenglisch ist, aber ich dachte, für meine eigene Bildung schadet ja nichts. Die Sprache habe ich nicht verstanden, aber nachdem wir in den Seminaren den Inhalt ausgiebig diskutiert hatten, konnte ich dann natürlich auch mitreden. So hab ich es in der Schule auch mit Goethes Faust gemacht, die Sprache habe ich zwar nicht verstanden, aber nachdem dann alle anderen den Inhalt ein paar Mal wiedergegeben hatten, habe ich dann so getan, als könnte ich mitreden. Für mich ist Lyrik chinesisch. Ich täte mir leichter, einen medizinischen Fachtext zu lesen. Lyrische Texte sind für mich wie Juristendeutsch oder wie eine Fremdsprache. Aber nach einer Weile ging es dann. Vielleicht lese ich sogar das ganze Stück durch. Das ist wie im Lateinunterricht, wo man die Wörter  erst zusammensuchen muss, denn die Syntax ist so verdreht, und es gibt wenige Kommata, und daher wird es dann schwierig. Anfangs übte ich jeden Tag alle drei Absätze, aber es wurden  dann nur zwei gebraucht.

 

 

Ich sollte also dann zur Probe kommen. Es erwartete mich damals noch eine ziemlich unangenehme Überraschung, denn alles sollte mit den anderen Clubs zusammen im Freien stattfinden, da wir für eine längere Nacht probten, die bei uns jedes Jahr stattfindet. In allen Museen, Theatern und sämtlichen öffentlichen Stellen gibt es verschiedene Veranstaltungen. So eben auch im Staatstheater. Es war ein einziges Chaos, es war bitter kalt, und niemand wusste, wo er zu stehen hatte. Ich dachte, was tue ich mir hier wieder an, ich fühlte mich wie auf einem Exerzierplatz, vor, zurück, links, rechts, alle wieder rein, alle wieder raus, ewig lange stehen, und dann sollten wir auch noch im Chor singen. Alles war so durcheinander, dass es uns so vorkam, als ob die Sache niemals gelingen würde.

 

Die nächste Probe wäre dann schon am Montag gewesen, aber ich hatte schon einen Volkshochschulkurs gebucht, nämlich das Thema smarte grüne Welt, wozu ein Vortrag stattfinden sollte, und der hatte Eintritt gekostet, das wollte ich mir dann nicht entgehen lassen. Am Dienstag fiel die Probe aus, und da musste ich sowieso zum Zahnarzt, denn meine Krone war schon wieder rausgebrochen. Da war ich dann auch nicht böse drum, dass dieses damals noch existierende Elend und Chaos mir erspart geblieben war.

 

Am Mittwoch war er der 1. Mai, da habe ich getreu dem Motto Tag der Arbeiter einmal wirklich gefaulenzt.

 

Am Donnerstag ging es dann weiter, und die Sache bekam langsam aber sicher ein Gesicht. Irgendwie haben wir dann schon kapiert, dass das ganze wohl recht ausgeklügelt  war und die Probleme langsam ausgebügelt waren, und dass es irgendwann auch funktionieren könnte.  Am  Freitag war dann die Generalprobe . Ich hatte dann schon mehrere Strickjacken untereinander und noch einen Pullover, den ich aber da noch nicht anhatte, sondern eine dünnere Bluse. Ich sollte in schwarz-weiß gehen, denn die zwei verfeindeten Familien wären jeweils in schwarz und in weiß, und ich war ja die Ansagerin und somit neutral.

 

Die Generalprobe fand dann schon mit den Kleidern statt, ich hatte eine weiße Hose und eben diese mehreren Schichten an. Langsam bekam die Sache Hand und Fuß, und dieses Mal wurde sogar für unser leibliches Wohl gesorgt, indem einige Brezeln und Kekse bei uns in der umkleide standen. Wir hatten dieses Mal eine eigene Seitenbühne, wo wir unsere Sachen lagern konnten, und wo ich auch meinen Stuhl wiederfand, auf dem die Kleider waren. Wir hatten sogar eine Kostümbildnerin, die uns half und uns gut versorgte. Die anderen halfen mir, die vielen Knöpfe zuzumachen, denn die Bluse hatte Knöpfe, die man nicht sehen sollte, und da der Saum darüber war, war alles extrem kompliziert. Dennoch fror ich immer noch sehr, obwohl ich ziemlich viel übereinander anhatte.

 

Ich war todmüde, aber ich konnte die ganze Nacht vor Aufregung nicht schlafen. Am nächsten Tag wollte ich ja dann auch noch beim UN behinderten rechts-Konvention-Umzug mitmachen, dem UN Zug, wo es darum ging, dass Deutschland bereits 2009 den Vertrag unterschrieben hatte, das aber in den zehn Jahren in punkto Teilhabe nicht sonderlich viel passiert ist. Ich hatte zum Glück eine Assistenz, die mit mir lief, denn wegen meiner Transplantation wollten die Organisatoren keine Verantwortung übernehmen, falls irgendjemand mich versehentlich stößt. Außerdem sollte jeder für seine eigene Barrierefreiheit sorgen, es war Eigenverantwortung gefragt. Die Veranstaltung sollte barrierefrei sein, aber die Assistenz musste schon jeder selbst mitbringen. Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte gewesen, wenn ich aufgrund meiner Behinderung nicht zu dieser Veranstaltung hätte geben können, daher habe ich sehr darauf gedrungen, eine Assistenz zu finden. Das hat dann zum Glück auch geklappt.

 

Ich war todmüde noch vom Theater, und wegen meiner schlechten Feinmotorik, die dann noch schlechter ist, wenn ich müde bin, brach mir an dem Tag alles ab. Zuerst einmal riss ich wieder die Kette von meinem Duschrollo heraus, und danach stieß ich mich an sämtlichen Möbeln. Auf dem Weg zur U-Bahn habe ich mich dann verlaufen, nur, weil ein Auto etwas blöd geparkt hatte, und ich dadurch komplett aus dem Konzept gekommen war. Dazu braucht es bei mir leider nicht viel. Als ich dann bei der U-Bahn-Station angekommen war, ist mir dann auch noch die Stockspitze abgebrochen. Eine Passantin half mir zwar, sie wieder hinzumachen, meinte aber, ja, solche Tage kenne ich. Da sagte ich, ja, das glaube ich Ihnen, dass sie das kennen. Sie hat schon gemerkt, dass das ironisch gemeint war, denn schließlich hat die ja Augen im Kopf und brauch keinen Blindenstock, der ihr abbricht, und ist auch nicht komplex schwer mehrfach behindert, sodass ihr mehrere Dinge auf einmal am Tag kaputtgehen, wenn sie etwas müde ist. Und sie muss sich auch nicht wie ein Flugkapitän auf den Weg konzentrieren, wo schon die kleinste Ablenkung reicht, um von der Route abzuweichen.

 

Meine Helferin kam dann auch noch zu spät und meinte, ja, solche Tage kenne ich auch. Das hat mich dann total wütend gemacht, am liebsten würde ich solchen Leuten die Augen , die Nieren und die Schilddrüse und die Nebenschilddrüsen ausstechen, die immer sagen, jaja, mir geht es genauso, das kenne ich auch. Ich glaube schon, dass auch Nichtbehinderten mal ein Pech passiert, aber die können sich dann wenigstens wieder helfen, im Gegensatz zu mir, die ich mehrere Behinderungen habe, und wo schon sehr wenig ausreicht, dass ich nicht mehr weiter komme, da ich mich sehr stark auf alles konzentrieren muss.

 

Es schien, als ob der liebe Gott nicht für Inklusion  war, denn es war bitter kalt, der Regen fiel in Strömen, und es waren nicht sonderlich viele Menschen dar. Die Demonstration war außerdem recht lahm, es kam überhaupt keine richtige Stimmung auf. Ich hätte einige Sprüche gewusst, aber es gibt bestimmte Alphatiere, wenn die ihre Sprüche rufen und schreien, dann schreit gleich jeder mit, und bei mir hätte sich wieder keiner angeschlossen. Als wir dann auf dem Platz waren, wo ein Markt der Möglichkeiten stattfinden sollte, habe ich zum Glück einige Töne einfangen können und auch einige Interviews geführt, die jetzt in einer Radiosendung der anderen Redaktion kommen, nämlich der Redaktion Handikap. So muss ich sie schon nicht schneiden, und unsere Sendung kommt ja wesentlich später erst wieder, nämlich am 27 Juni, und da ist die Sache sowieso schon um die Ecke.

 

Mir graute schon vor dem Abend, wo ich dann in dieser Eiseskälte spielen sollte, wo ich doch schon so fror. Als ich dann dort angekommen war, hatte ich sage und schreibe sieben Schichten anzuziehen vor mir. Mein Unterhemd, einen dunklen Rollkragenpullover, zwei Strickjacken mit zahlreichen Knöpfen, meinen eigenen dicken schwarzen Wollpullover und noch eine schwarze Bluse und eine weiße Bluse. Ich hatte also sieben Schichten übereinander an. Unter der weißen Hose trug ich noch ein Paar Leggings, denn es war wirklich bitter kalt. Aber es war, als ich aus dem Haus ging, nicht mehr so kalt wie am Morgen gewesen, was mich sehr überrascht hat. Mir taten schon Tage zuvor die Gelenke weh, wobei ich dachte, ich sei vielleicht gestürzt oder hätte mich gestoßen, aber es war tatsächlich nur die Änderung des Wetters. Das kündigt sich bei mir schon immer einige Tage zuvor an, aber jedes Mal weiß ich nicht, was es ist, erst dann, wenn sich das Wetter geändert hat, wird mir klar, warum mir das Knie weh tat oder ein Ellbogen oder ein Fußgelenk.

 

Die Theaterpädagogin half mir, mich anzuziehen und knöpfte alles zu. Sie war selber total aufgeregt, was mich eigentlich verwundert hat, denn es waren ja  schließlich wir, die spielen mussten, und sie als erfahrene Schauspielerin braucht ja nicht aufgeregt zu sein. Aber ich musste immer etwas aufpassen, wenn ich zu viel fragte, weil sie dann genervt war. Mit meinem Autismus und meiner Blindheit ist es schwierig, den richtigen Zeitpunkt bei den Menschen ab zu passen. Zu meiner Verärgerung lag dann die Spindel mit den DVD Rohlingen, die ich der leitenden Theaterpädagogin gegeben hatte, damit sie endlich den Film unseres alten Stückes aufnehmen möge, wieder bei mir bei meinen Kleidern. Es hat sich aber herausgestellt, dass sie nur versehentlich dort gelandet war, und dass wir endlich irgendwann eine DVD mit unserem Film bekommen sollten. Wir werden sie halt immer wieder löchern. Irgendwann wird es klappen.

 

Ich habe mich sehr gefreut, dass es dieses Mal auch wieder etwas zu essen gab, und dass wir, nachdem unser Stück immer viermal hintereinander gespielt wird, jedes Mal in der Pause ins warme durften. Ich habe von meinem guten Bekannten eine wunderbare Tasse bekommen, die man außen anfassen kann, da sie sehr dicke Wände hat, selbst dann, wenn extrem heißer Kaffee darin ist. Unsere Älteste Mitspielerin, die sich immer sehr um mich bemühte und sich dauernd um mich kümmerte, hat auch eine große Kanne Kaffee mitgebracht, und die Mutter einer Frau mit dem Down-Syndrom hat wieder ihre legendären Muffins gebacken, und ich hatte sie sogar darum gebeten. Sie hat eigentlich auch bei dem UN Zug mitgewirkt, fand aber dennoch die Zeit, uns die tollen Muffins zu bringen. Ich habe mich auch total gefreut, dass wir dieses Mal bei der Feuershowstühle kriegen sollten. Das wurde uns dann auch noch angekündigt. Denn bei der Generalprobe hatten wir die Feuerschau, und da das Feuer so gesprüht hat, bin ich in Panik geraten und habe meine Begleiterin gepackt und gesagt, schnell, schnell, wir müssen hinter, dass Feuer kommt. Ich dachte, eine riesige heiße Feuerwand würde auf uns zu rasen. Ich kann ja aufgrund der Blindheit die Entfernung schlecht abschätzen. Mir taten bei der Generalprbe hinterher die Beine total weh, da wir schon den ganzen Abend gestanden waren.  Bei der Aufführung  bekamen wir Stühle, und sie setzten  uns weiter nach hinten. Ich wurde bei der Aufführung auch von einem Mitspieler gewarnt, wann das Feuer wieder sprühen würde, damit ich nicht erschrekce. Jetzt hatten wir auch endlich den Ablauf, und alles hat prima geklapptDie Feuershow war erst am Ende, und sie war bei der  echten Aufführung  gigantisch!  Bei der Generalprobe hat es noch einige Schwierigkeiten gegeben, aber dafür ist die sie ja dar. Am Abend selbst haben dann alle Theaterpädagogin aller Gruppen noch einige Übungen mit uns gemacht, und wir hatten einen genauen Zeitplan, wenn wann wer wohin muss. Das fand ich super, denn es war wirklich organisiert. Irgendwann musste ich auch in die Maske, und ich habe der Maskenbildnerin  genau eingeschärft, dass ich Neurodermitis habe, und dass sie ganz vorsichtig mit meiner Haut sein müssten. Außerdem hatte ich auch einige Augenoperationen, und ich mag es nicht sehr, am Auge geschminkt zu werden. Aber sie waren sehr vorsichtig. Meine Haare sind jetzt lang genug, um zu einem Mozartzoppf geflochten werden zu können, das hat mich total gefreut.

 

Ich hatte ziemlich viel Hilfe, und wir wussten immer, wo wir hin müssen. Ich habe dann den Schirm genommen, denn jede Gruppe hatte ihre eigenen Schirme, da meine Begleiterin sogar noch kleiner ist als ich, und ich dann ständig den Schirm im Gesicht gehabt hätte. Es gibt selten Leute, die kleiner sind als ich. Es hat alles wie am Schnürchen geklappt. Wir sind dann raus, und als Romeo und Julia sich das Ja-Wort gaben, gab es sogar zwischen Applaus. Die Theaterpädagogin hat mich immer an die Markierung geführt, die ich natürlich nicht sehen konnte, aber in dem Video, welches wir später geschickt bekamen, war sie wohl zu sehen, da mir jemand sagte, ich sei immer genau an der Markierung gestanden. Dann habe ich mein Sprüchlein auf gesagt, dann wurde ich wieder zurückgeführt. Danach ging das Theaterstück los, und wir gingen wieder rein. Ich habe noch am Ende etwas gesagt, damit das Stück sozusagen wieder wie eine Schleife von vorne losgeht. Während die Akrobaten von der anderen Gruppe turnten und eine  junge Frau ein Lied sang, sollten wir zugucken, und dann würden wir Julia verlieren, die anderen würden ihren Romeo suchen, und dann würden wir über den Platz laufen, dann würde ich wieder mein Sprüchlein sagen, dann ging die Vorstellung von neuem los, ich sagte den Abspann, und wir gingen wieder rein. Zwischendrin konnten wir uns immer stärken, heißen Kaffee trinken, Kekse, Brezen,  Muffins essen und uns es gut gehen lassen. Körperlich war das dieses Mal überhaupt keine Anstrengung. Einer hat sogar gepfiffen, als  wieder   der Applaus kam, das hat mich total gefreut. Das eine Lied hat mir nicht so gut gefallen, dass während der Akrobatik gesungen wurde, aber es gab ein arabisches Lied, das mir total ans Herz ging, weil ich diese Musik total gerne höre. Es hat alles wunderbar geklappt, wir haben unsere Durchläufe wie am Schnürchen gemacht, und wir waren hinterher wirklich froh.  

Wir sind dann alle wieder runterzum Umziehen, und es waren ja immerhin ganze sieben Schichten, und davon waren vier mit Knöpfen. Ich hatte einige abschminktücher von der Maske mitbekommen, da ich fürchtete, das alleine nicht hin zu bekommen und dann tagelang mit schwarzer Farbe im Gesicht herumzulaufen. Die Kostümbildnerin half mir dabei, und sie holte extra noch einen Waschlappen, da das Zeug einfach nicht runtergehen wollte. Meinen Pullover habe ich mir etwas eingesaut, aber das soll wohl wieder weggehen, hat man mir gesagt. Es hat auch wieder lange gedauert, alles auf zu kriegen, und ich kam fast nicht aus den Ärmeln raus, da so viele Schichten übereinander waren. Aber die Kostümbildnerin hat immer feste gezogen, damit alles glatt über die Bühne ging im wahrsten Sinne des Wortes. Danach hat mir meine Theaterpädagogin noch einige Gummibärchen in den Mund gesteckt, das war total lustig, und ich habe noch einige Muffins mitbekommen. Ich war fast traurig, dass die Sache zu Ende war, denn es war wirklich toll.

 

Am nächsten Tag war ich auch nicht so erschöpft wie beim ersten Mal, dass Weiher förmlich Raubbau gewesen. Dieses Mal hatte man wirklich gut für uns gesorgt, wir konnten sitzen, wir konnten uns wärmen, wir waren warm genug angezogen, wir haben kaum gefroren, und ich hatte immer meine Sachen, wo ich sie suchte. Es ist wirklich wichtig, eben in seinem Bereich alles so zu haben, wie man es braucht. Jetzt kann ich auch etwas verstehen, warum echte und professionelle Schauspieler da manchmal so komisch sind. Die wollen wir ihren Lieblings Saft, ihre Lieblingszeitung, ihren Lieblingssessel usw. in ihrer Garderobe haben. Wahrscheinlich ist das einfach wichtig, wenn man hart gearbeitet hat, dann vertraute Dinge vorzufinden und zu wissen, wo alles ist. Ich glaube, wenn ich eine echte und professionelle Schauspielerin wäre, wäre ich bestimmt genauso zickig und genauso eine Diva wie einige von denen.

 

Jetzt bin ich wieder dabei und komme jedes Mal wieder mit, und wir werden jetzt bald auch nicht mehr am Samstag sondern am Freitag spielen, und dann habe ich das Wochenende wieder meine Ruhe und ganz für mich. Das ist dann körperlich wesentlich weniger anstrengend, und wir können viel besser für uns sorgen und uns auch viel besser schonen und unsere Kräfte einteilen. Alles in allem hat das wirklich riesengroßen Spaß gemacht. Das wird dann nicht mehr Romeo und Julia in 5 Minuten, sondern wir werden dann das ganze Stück spielen, und ich muss einige Dinge auswendig lernen, wir haben nämlich Romeo und Julia in leichter Sprache und werden es mit der Sprache Shakespeares mischen. Mir wurde gesagt, ich könne das so gut rezitieren, und ich würde diesen Wortlaut so gut hinkriegen. Ich werde mich dann noch einarbeiten, vielleicht ist dann irgendwann Lyrik für mich auch kein Chinesisch mehr.