Montag, 23. Juni 2014

Ich will nicht sterben! Ich will nur (so) nicht mehr leben


Wieder ist einer meiner Wünsche, die ich mir für dieses Jahr vorgenommen habe, daneben gegangen. Ich habe in meinem Erpresserbrief an das Leben und an Gott geschrieben, dass ich die Konsequenzen ziehen werde, wenn nicht mindestens einer meiner Wünsche dieses Jahr in Erfüllung geht. Ich wollte diese Konsequenzen eigentlich erst Ende des Jahres ziehen, aber ich werde wohl wahrscheinlich diesen Weg schon ein paar Monate früher einschlagen.

Heute wollte ich endlich die Ergebnisse der ADHS-Diagnostik haben. Stattdessen hat man mir eine Diagnose erteilt, die ich überhaupt nicht wollte. Dies ist eine Diagnose, die sehr unbeliebt ist, und mit der man eigentlich nie behandelt wird. Keiner nimmt einen mit so einer Diagnose. Es ist ein Makel, den man nie wieder los wird.

Außerdem hätte ich nun endlich die Möglichkeit, eine Traumadiagnostik in Mannheim machen zu lassen. Ich habe also dorthin geschrieben und angefragt, wie sie zum Thema Trauma steht, ob ich dann auch wieder nur solche Sätze höre wie: ob man traumatisiert ist, hinge davon ab, wie gut man etwas wegsteckt, oder: es sei doch nicht so wichtig, ob man eine Diagnose bekommt, nur man selbst könne sich diese Bestätigung geben. Sie hat mir keine Antworten darauf geben wollen. Dies bedeutet, dass ich dann, wenn ich dort hinfahre, wieder nur enttäuscht werde. Ich habe sie nun angefleht, mir doch diese Fragen zu beantworten. Wenn ich dort wieder hingehe und wieder enttäuscht werde, überlebe ich das nicht. Außerdem muss jedoch Verständnis haben, dass jemand, der bereits traumatisiert ist, nicht noch einmal verletzt werden möchte.

Ich habe an Leitmedien geschrieben, um dort den Text über Kabarettisten anzubringen, und die Leute davon zu informieren, dass hier diskriminierende Sprache gegenüber Behinderten benutzt wurde. Ich habe diesen Mann mehrfach angebettelt, mir doch zu schreiben, dass er mit meinem Text etwas anfangen kann. Er wiederholte immer nur, dass er solche Texte nicht abdruckt, und dass er nicht viel damit machen könne, und dass der Text aber gut sei. Ich erklärte ihm mehrfach, ich bräuchte lediglich einen Satz wie: „danke für den Hinweis, wir werden den Text archivieren, uns ist jeder Hinweis wichtig, den wir in diesem Zusammenhang erhalten. Ich habe ihm gesagt, dass ich mein Leben so nicht mehr leben will, wenn ich niemandem nütze, und wenn niemand etwas von mir brauchen kann. Er meinte, ich solle mir helfen lassen. Ich finde das Heuchelei, denn er hätte mir in dem Moment helfen können. Ich sagte ihm nämlich, dass der gefallen, den ich von ihm möchte, so klein ist, und er mein Leben damit retten würde, wenn er mir sagt, dass er das gebrauchen kann, was ich geschrieben habe.

Ich habe nämlich auch an die Zeitschrift Menschen-das Magazin geschrieben und die gebeten, meinen Texte veröffentlichen. Man hat ein Jubiläum, die Juni-Ausgabe sei bereits voll, erst im Dezember könne man darüber nachdenken, meinen Text zu veröffentlichen. Und er gab mir eben der Hinweis, mich an Leitmedien zuwenden. Ich bitte alle diejenigen, die diesen Eintrag gelesen, sich den Blockeintrag „Stille Post an Kabarettisten“ durchzulesen und diesen heraus zu kopieren und an Leitmedien zu senden. Vielleicht kann man ihn so dazu bringen, zumindest zu sagen, dass mein Beitrag hilfreich war. Ich würde alles tun, damit endlich einmal jemand sagt, dass er etwas von mir brauchen konnte.

Außerdem wollte ich mich für einen Fernstudiengang in Disability studies anmelden. Leider hat man mir gesagt, in Deutschland gäbe es diesen Studiengang noch nicht. Ich habe allerdings gelesen, dass die Professorin, die mir sehr nett zurück geschrieben hat, für eben dieses Fachgebiet einen Lehrstuhl hat. Wahrscheinlich gibt es keinen Hauptstudiengang dafür. Sie hat mir die Adresse einer Uni in Leeds in England gegeben, wo man einen Fernstudienkurs belegen kann. Als ich aber hin schrieb, dass ich zu den zwei Wochenenden Präsenzstudium, nicht kommen könne, und dass ich ein Stipendium bräuchte, bekam ich keine Antwort mehr. Ausgerechnet in dem Studiengang, indem über Diskriminierung Behinderter geforscht wird, werde ich einmal wieder aufgrund meiner Behinderung (und vielleicht auch wieder wegen meiner Art) diskriminiert. Wieder eine Enttäuschung! Gott will nicht, dass ich in meinem Leben noch irgendetwas ändern kann, das Leben hat für mich keine Überraschungen mehr parat.

Ich möchte nicht, dass mir irgendjemand schreibt oder sagt, ich solle mir Hilfe holen. Für was soll ich mir Hilfe holen, wenn mich jeder, den ich um Hilfe bitte, nur wegschickt und sagt, ich solle zu meinem Hausarzt gehen oder zu einem anderen Arzt oder in eine Klinik? Wenn mir jemand zeigen würde, ja, Du bist mir wichtig, ich helfe dir, ich gebe dir, was Du dir wünschst, weil ich dich mag, und weil mir etwas an dir liegt, oder wenn ein Therapeut sagen würde, ich diagnostiziere Sie, ich helfe Ihnen, dann wäre das schon ein Grund, weiterzuleben. Aber nur zu sagen, holen Sie sich doch Hilfe vom Hausarzt, damit man aus dem Schneider ist und keine Verantwortung mehr hat, ist für mich ein Zeichen, dass ich diesen Leuten im Grunde egal bin. Für was soll ich mir dann also Hilfe zum weiterleben holen?

 

Zumindest haben wir erreicht, dass unsere Radiosendungen jetzt auch von einem anderen Webradio abgespielt werden. Und eine Sendung wird sogar von einem ganz bekannten Webradio für blinde angenommen. Allerdings habe ich mich schon wieder zu früh gefreut, denn ein Bekannter von mir sagte mir, als er den Namen des Radio-Machers des neuen Webradios hörte, dass dessen Ex-Freundin ihm erzählt habe, dass dieser schon mehrere Projekte angefangen und in den Sand gesetzt hätte. Natürlich, da freut man sich, aber dann komme ich doch nur wieder wo unter, wo niemand zuhört, oder was sowieso gleich im Sande verläuft.

Von meinem Katzennetz habe ich noch nichts gehört. Ich glaube auch, dass dieser Wunsch ebenso nicht in Erfüllung geht wie alle anderen. Ich werde keine neue Autismusdiagnose erhalten, sie wird nicht bestätigt werden, und es wird kein Trauma bestätigt, stattdessen bekomme ich nur Diagnosen, die einen Menschen er stigmatisieren  als alles andere.

Ich möchte nicht sterben, ich will leben, nur möchte ich dieses Leben nicht mehr! Da ich aber dieses Leben nicht ändern kann, so sehr ich mich auch bemüht habe, soviel ich auch getan habe, muss ich irgendwann die Konsequenzen ziehen. Ich werde so lange mit dem Kopf gegen dieselbe Scheibe knallen, bis sie endlich zerbricht. Ich werde notfalls mit Gewalt erreichen, dass ich noch etwas von diesem Leben bekomme. Ich werde Gott erpressen, und ich werde ihm mit Gewalt abtrotzen, dass er mir doch noch mehr zuteilt, als das, was ich erhalten habe. Andere, auch Behinderte, haben ein erfülltes Leben und so viele Dinge, die Sie machen können. Andere haben gleich mehrere Gebiete, auf denen sie gut sind und ankommen. Ich hingegen kann machen, was ich will, aber ich erhalte nichts, und es kommt nichts zurück. Für mich ist nichts vorgesehen. Ich werde es mir mit Gewalt nehmen! Warum soll es mir nicht genauso zustehen wie jedem anderen? Gott hat mich als üblich-Mensch auf die Welt gesetzt, der nur Ersatzspieler sein darf. Ich werde nicht zugeben, dass ich an allem selbst schuld bin, und dass ich gescheitert bin, weil ich selbst alles falsch gemacht habe. Ich habe getan, was ich konnte und mich redlich bemüht. Ich glaube nicht, dass andere so viel besser sind. Und ich habe keine zu hohen Erwartungen. Ich bin von Anfang an für die Schattenseite bestimmt gewesen. Ich hasse Gott!!!

Wenn mir jemand wirklich helfen will, dann setzt er sich dafür ein, dass ich endlich all diese Wünsche erfüllt bekomme, oder mindestens einen, den ich in meinem Erpresserbrief erwähnt habe.

Ich möchte einmal sehen, dass auch das Leben für mich noch positive Wendungen, Überraschungen und Lösungen parat hat. Ich möchte, dass mich jemand versteht, dass ich endlich die passende Diagnose will, damit ich endlich zu einer richtigen Gruppe dazugehöre, und nicht ein bisschen dies, ein bisschen das, ein bisschen jenes und ein bisschen solches bin. Niemand versteht, dass ich endlich zu einer bestimmten Gruppe dazugehören will, und dass ich endlich jemanden sagen hören will, dass ich nicht einzigartig bin, dass meine Symptome bei vielen Menschen vorkommen, und dass ich nicht alleine damit bin. Stattdessen werde ich immer gefragt, was ich denn davon hätte, eine Diagnose zu erhalten. Ich würde vielleicht endlich denken, dass ich nicht verrückt bin, sondern dass es einen handfesten Grund für all das gibt. Ich möchte, dass das Kind endlich einen Namen bekommt. Und ich möchte als aller erstes, dass dies jemand versteht.

Letztes Jahr im Dezember habe ich mich so über eine Frau geärgert, dass ich etwas ganz Böses ausgesprochen habe. Ein halbes Jahr später ist sie gestorben. Ich fühle mich schuldig an ihrem Tod. Außerdem habe ich eine Bekannte, die mit 35 Jahren bereits Krebs hat, der schon ins Rückenmark gestreut hat. Ich möchte mit ihr tauschen, ich möchte lieber sterben anstatt sie. Mein Leben ist sowieso nichts wert, dann könnte ich ihr wenigstens diesen Dienst erweisen. Ich würde liebend gern mein Leben geben. Sie wird noch gebraucht, sie hat einen Mann, sie arbeitet, und sie ist jünger als ich. Was soll ich noch hier auf dieser Erde?

Sollten hie zugeben müssen r nun blöde Kommentare kommen, wie ich sie letztes Jahr gelesen habe, bestätigt mich dies nur in meinem Weg auf meiner langen Reise. Ich wünschte, ich müsste diese nicht antreten! Ich will nicht sterben, ich will leben, aber ich will anders leben, aber der liebe Gott lässt es nicht zu. Am Ende habe ich wieder verloren.

Montag, 16. Juni 2014

Elfchen

Neulich gab es einen internationalen Wettbewerb, bei dem man ein "Elfchen" schreiben sollte. Dies ist ein japanisches Gedicht mit elf Wörtern. In der ersten Zeile ist ein Wort, in der zweiten zwei, in der dritten drei, in der vierten vier und dann in der letzten noch eines, welches aber ein Adjektiv sein muß. Das Elfchen sollte zum Thema Punktschrift, also Blindenschrift geschrieben werden.

Meines lautet so:

Punktschrift,
wie schwierig!
Ich hasste Braille!
Nun bin ich angesteckt,
dankbar!

In diesen elf Worten soll meine anfängliche Ablehnung und die später folgende "Bekehrung" ausgedrückt werden, und der Umstand, dass ich heute dankbar bin, dass es Louis Braille gegeben hat, der diese geniale Schrift erfunden hat.

Einen Beitrag hierzu gibt es auch auf meinem Blog mit dem Titel "Wenn Papier die Pickel kriegt".

Mittlerweile lese ich sehr gerne, muss aber  immer sehr lange auf die Zusendung der Bücher warten, da die Bücher, die ich will, häufig begehrt sind, und es nur wenige Exemplare zum Verleih gibt.  Lieber wäre den  Verlagen natürlich, man würde sie gleich kaufen, aber ich bin eigentlich nur selten bereit, die ziemlich teuren und platzraubenden Bücher käuflich zu erwerben, die ich ohnehin nur einmal lese. Ich lese  ein Buch selten zweimal, das habe ich auch zu meinen Schwarzschriftzeiten nicht anders gemacht, aber da waren die Bücher billiger und sahen in ihren bunten Einbänden auch recht hübsch aus. Ein Bücherregal strahlt doch etwas sehr Gemütliches  aus. Aber diese klobigen und dunklen Bände, oder gar die  Leitz-Ordner,  in denen die Literatur verpackt ist, machen in puncto Ästhetik nun wirklich wenig her und verbreiten eher eine ungemütliche Atmsophäre. Das sollte mir dann ja eigentlich egal sein, da ich es eh nicht mehr richtig sehe, aber so viel kann ich dann doch noch erkennen.

Sind wir wirklich frei?

In einer Ausgabe der Verbandszeitschrift des  Deutschen Blinden- und Sehbehindertenbundes gab es eine Debatte über den Fall von einem taubblinden Zwillingspaar, welches sich gemeinsam umgebracht hat, offenbar mit  Hilfevon außen.  Hierzu habe ich einen Leserbrief geschrieben, der dort in wesentlich gekürzter Form erschienen ist. Nun dachte ich, ich könnte ihn auch einmal hier in voller Länge einstellen. 

In der  Zeitschrift "Die Gegenwart"  hat sich eine Psychologin zu dem Fall der taubblinden Zwillinge geäußert, die aktive Sterbehilfe in Anspruch genommen hatten.  Sie hat auf das Entsetzen und die Empörung der Behinderten reagiert, die den Akt der Sterbehilfe als "Vergiften statt Helfen" bezeichnet haben und es lieber gesehen hätten, wenn diesen Menschen die Möglichkeit der Kommunikation trotz Taubblindheit mittels z.B. des Lormens nahegebracht worden wäre.  Es stimmt zwar, wie sie sagt, daß man nicht den Stab über Menschen brechen sollte, die diesen Ausweg  gewählt haben, doch denke ich, daß niemand ein moralisches Urteil über diese beiden zusätzlich auch noch schwerkranken Menschen gefällt hat sondern eher über diejenigen, die diesem  Todeswunsch vielleicht zu schnell nachgekommen sind.

Es wird  hier angedeutet, daß die Behindertenbewegung -- vielleicht traumatisiert durch die Vorgänge im dritten Reich -- sehr emotionalisiert über die Frage der aktiven Sterbehilfe urteilt.  Nun, was ist eigentlich auch so schlimm daran, aus einem Trauma heraus bestimmte Schlußfolgerungen zu ziehen, ob verarbeitet oder nicht, ein Trauma bedingt immer eine Einstellungsänderung, und diese ist doch hier nicht ganz so verkehrt.

Natürlich ist es ein Unterschied, ob Menschen gegen ihren Willen getötet werden, oder ob sie aus freien Stücken diesen Weg wählen.  Hier aber genau ist der Knackpunkt. Die Frage ist, ob wir wirklich frei sind.   Darüber streiten sich Psychologen und Philosophen noch heute.  Wir unterliegen sehr vielen Notwendigkeiten und Zwängen in unserem Leben, alleine schon durch unsere Biologie, wir müssen essen, schlafen, haben viele andere Bedürfnisse, die wir nur schwer unterdrücken können.  Uns ist selbst gar nicht bewußt, wie sehr unser Gehirn bestimmten Zwängen unterliegt, da diese völlig ohne unser Wissen ablaufen.

Ebenso unbewußt sind uns oft gesellschaftliche Zwänge, z.B., daß wir nicht auffallen dürfen, anderen nicht zur Last fallen dürfen, möglichst viel alleine tun können sollten, und um sich anderen zuzumuten, dazu gehört eben, wie das Wort schon sagt, viel Mut.  Im Zuge der sich umkehrenden Alterspyramide habe ich die Sorge, daß das sogenannte "sozialverträgliche Frühableben" immer mehr Schule macht, wenn dies auch nicht offen so kommuniziert wird.  Aber wie oft hört man von alten Menschen, wenn auch eher etwas emotional erpresserisch den Satz: "Es wäre wohl das Beste, ich wäre nicht mehr da." Wie schnell kann ein solches Klima wenn auch unbewußt die Entscheidung beeinflussen, ob man auf dieser Erde noch verweilen möchte.

Ich denke, daß nicht nur in Fällen, bei denen die Entscheidungsfreiheit offensichtlich eingeschränkt ist, wie z.B. bei psychischen Erkrankungen, die Gefahr besteht, daß Entschlüsse nicht wirklich selbständig   getroffen werden können und eher Kurz-Schlüsse sind, sondern, daß jeder Mensch gewissen Manipulationen unterworfen ist.  Zum einen ist die Grenze zwischen psychisch gesund und krank sehr fließend,  und es kann auch bei vorher psychisch Gesunden  in Extremsituationen, wie sie eine Behinderung oder schwere Krankheit nunmal darstellen,  zum sogenannten Tunnelblick kommen, in dem sie nur noch einen Ausweg sehen.  Auch hier ist ein besonderer Schutz notwendig und vorallem die Aufklärung, was noch alles möglich ist,  wo es (auch finanzielle) Hilfen zu holen gibt, daß Betroffene nicht alleine gelassen werden, und daß andere Möglichkeiten und Auswege existieren können.  Ich behaupte einmal ganz axiomatisch, daß kein Mensch per se Todessehnsucht hat, sondern daß man einfach nur so nicht mehr leben will.

Ich selbst als Blinde und Dialysepatientin habe schon oft mit dem Gedanken gespielt, daß ich diese Situation nicht mehr länger erdulden will.  Darum bin ich die Allerletzte, die moralisch den Stab über jemanden brechen würde, der diese Entscheidung trifft.  Nur stört mich der Begriff der "Freiheit".  Kann mir wirklich jemand ganz sicher beweisen, daß Menschen, die diesen Weg gewählt haben, tatsächlich aus freien Stücken gehandelt haben?  Mein Motto ist immer: Love it, change it or leave it.  Nun ist die Frage: Kann ich es lieben?   Nein!  Kann ich es ändern?  Nein!  Bin ich also frei, habe ich also zwei Möglichkeiten, die ja per definitionem das Wesen der Freiheit sind?  Nein!  Die Entscheidung, sich in so einer Situation umzubringen ist genauso frei wie die eines Menschen, der im zwanzigsten Stock eines brennenden Hochhauses steht und die Wahl hat, an Rauchvergiftung zu sterben oder ohne Sprungtuch auf dem Pflaster aufzukommen.  Bildlich gesprochen müssen wir also ein Sprungtuch aufspannen, um eine echte Wahlfreiheit zu gewährleisten.  Gibt es Hilfen, kann man die Lage ändern, kann man die Schmerzen palliativ behandeln, gibt es finanzielle Möglichkeiten, um den Spielraum zu erweitern?  Wenn dies alles gegeben ist, und dann ein Mensch immer noch sagt, daß er nicht mehr leben will, dann muß man seinen Willen wohl respektieren.  Freitod ist für mich der Begriff für einen Menschen, der ein langes und zufriedenes, erfülltes Leben hatte und dann einfach sagt: "Nun ist es genug!"  Und selbst da stellt sich mir die Frage, ob derjenige nicht große Angst vor dem drohenden Autonomieverlust hat, den das Alter mit  sich bringt, aber vielleicht hätte dieser hypothetische Mensch  dann genug Geld, um sich die Hilfe einzukaufen, die er benötigt und wählt dennoch diesen Weg nach reiflicher Überlegung.

Ich bekomme Bauchschmerzen bei dem Gedanken, daß jemand ans Bett eines Schwerkranken tritt und ihm das Angebot macht: "Übrigens, Du kannst auch die Euthanasie wählen, wenn Du willst."  Irgendwie muß er ja diese Information dann bekommen, aber könnte darin nicht schon der Gedanke mitschwingen, daß man dieses Angebot  dann auch bitte schön annehmen sollte?!  Wer kann ausschließen, daß Angehörige, die vielleicht sogar mehr unter der Situation leiden, jemanden hilflos daliegen zu sehen, nicht doch irgendwie durchblicken lassen, daß sie erleichtert wären, wenn alles nun endlich vorbei wäre, und der Betroffene sich aus Loyalität zu seinen Angehörigen verpflichtet sieht, diese zu entlasten?

Meiner Meinung nach ist es auch nicht die Aufgabe von Ärzten, ein Leben zu beenden.  Ärzte sind dazu da, das Leben zu erhalten, zu verbessern oder, wenn keine Verbesserungsmöglichkeit besteht, den Patienten palliativ zu begleiten.  Ärzte sind dafür da, richtig zu dosieren, das haben sie gelernt, um dem Patienten zu  helfen.  Ich  finde es für mich nur dann legitim, das Leben aktiv zu beenden, wenn der Tod ohnehin irreversibel vor der Türe steht, und ein qualvolles Sterben verhindert werden soll, oder wenn bei nicht mehr erträglichen Schmerzen so starke Schmerzmittel gegeben werden, daß auch der Tod mit in Kauf genommen werden kann, wie eben bei der terminalen Sedierung.    (Aktueller Hinweis: In einem Buch über  Palliativmedizin habe ich gelesen, dass es gar nicht möglich sei, jemandem so viel Morphium zu geben, dass er dran stirbt, bzw. es gab Beispiele von 10facher Dosierung, wo nichts passiert sei.)

Die Erfüllung eines Sterbewunsches gehört für mich in die Hand eines gesetzlichen Betreuers oder eines Juristen, wobei zuvor einwandfrei abgeklärt werden muß, auch mit Hilfe von Psychologen oder geistlichen Seelsorgern, ob es wirklich der freie Wille des Betroffenen ist, und dieser  zuvor  auch wirklich umfänglich über alle tatsächlich in die Praxis umsetzbaren Alternativen aufgeklärt wurde.  Und genau bei der Beantwortung dieser Frage, inwieweit eine zweifelsfreie Abklärung diesbezüglich möglich ist, und wie frei jemand wirklich ist, so eine unumkehrbare Entscheidung zu fällen, da habe ich große  Zweifel.   

Auch der Einwand, daß es besser ist, etwas  zu legalisieren, was ohnehin getan wird, wobei bei diesen Handlungen dann obendrein noch andere -- wie z.B. Lokführer, Angehörige oder Angestellte, die denjenigen dann auffinden, mit reingezogen werden, ist damit zu entkräften, daß  nicht einfach folgenschwerste Handlungen wie  Sterbehilfe oder assistierter Suizid durch ihre Legalisierung weniger problematisch werden.  Auch die präimplantive Diagnostik, wo bereits vorgeburtlich selektiert wird, ist in der BRD nicht erlaubt, und diese sowie andere problematische Verfahren werden dann immer mit dem Argument gerechtfertigt: "wenn wir's nicht tun, dann machen's andere".  Schließlich werden auch bei der legalen aktiven Sterbehilfe Menschen mit hineingezogen, z.B. diejenigen, die sie dann ausführen müssen.  Auch beim assistierten Suizid muß einer da sein, der das Gift besorgt.  Das einzige, was daran noch beruhigend wirkt,  ist die Tatsache, daß man handlungseingeschränkten Betroffenen eine für sie durchführbare Möglichkeit zur Verfügung stellt, sich selbst umzubringen und es selbst in der Hand zu haben.  Nur wäre es danach unterlassene Hilfeleistung, denjenigen liegen zu lassen, und es müßte  ohnehin wieder gehandelt werden. Weiterhin bleibt immer noch die Frage, ob derjenige dann noch den Mut hat, seine vorher geäußerte Entscheidung dann doch wieder rückgängig zu machen und er die Kraft aufbringt, sich dann im letzten Moment doch noch umzuentscheiden, oder  ob die Versuchung nicht doch zu groß ist,  in der Situation  möglicherweise dem Druck nachzugeben, weil doch nun soviel Aufwand betrieben wurde, um ihm diesen Ausweg zu ermöglichen, und es  für ihn somit "kein Zurück" mehr gibt.

 Ich möchte keineswegs moralisieren, und ich finde es anmaßend, einem  Leidenden zu sagen: "Du mußt Dein Kreuz tragen."     Das Hintertürchen offen zu haben, jederzeit aus dem Leben scheiden zu können, kann auch beruhigend sein, seinen Weg weiter zu gehen, und mit dem Wissen, sich  dann immer noch umbringen zu können, wenn's wirklich nicht mehr geht, kann man vielleicht sogar noch mutiger sein und noch größere Strapazen auf sich nehmen, als man es ohne dieses Hintertürchen tun würde.   Daher sehe ich Selbstmord auch nicht unter moralischem Gesichtspunkt.  Jemand, der eine Krankheitsdiagnose mit fortschreitender  Prognose erhält, wird eventuell länger durchhalten, wenn er sich darauf verlassen kann, daß jemand diesen "Liebesdienst" für ihn erledigt, den er dann später nicht mehr selbst tun kann, anstatt sich schon gleich zu Anfang der Erkrankung umzubringen.  Dennoch bleibt die Frage, ob er, sobald er dann tatsächlich in der Situation ist, noch genauso denkt, da er diese  zuvor ja lediglich gedanklich vorweggenommen hatte.  Was ist, wenn er dann in der konkreten Lage ganz anders entscheiden würde, es aber dann nicht mehr äußern kann? 

Es wäre natürlich ungerecht, jemandem, der sich selbst kein Gift mehr besorgen kann zu sagen: "Du  hast gefälligst leben wollen zu müssen."   Dennoch ist es so, daß wir bei jedem anderen Menschen, der  -- aus welchen Gründen auch immer -- Selbstmordabsichten äußert, doch genauso alles tun, um dies zu verhindern, somit müssen wir es hier ebenso tun.    Der Wunsch,  nicht mehr leben zu wollen, ist ein Hilferuf nach Verbesserung.  Solange wir auf Todeswünsche  und Selbstmordäußerungen nur entweder so reagieren, daß wir denjenigen in die Geschlossene stecken oder im anderen Extremfall seinem Wunsch barrierefrei nachkommen, anstatt ein barrierefreies Leben zu gestalten, verpassen wir die Chancen,  die Nöte desjenigen zu hören und unsere Gesellschaft  dementsprechend versuchen zu verändern.  Da der Tod zum Leben gehört, gehört zur Lebenshilfe irgendwie auch die Hilfe zum und beim Sterben dazu.  Aber solange die Hilfe zu einem selbstbestimmten und freien Leben noch so extrem ausbaubedürftig ist, kann  die Option, dann lieber zu sterben, keine freie Entscheidung sein.  Ich befürchte, wenn wir den ermöglichten Selbstmord bzw. die aktive Sterbehilfe zulassen, wird weniger  dafür getan, die Lebensbedingungen von Behinderten und Schwerstkranken zu verbessern, da es ja eine bequemere Lösung gibt.  Mir macht, um es kurz zu sagen, die Vorstellung, daß einem Kranken die Möglichkeit der Sterbehilfe angeboten wird, große Angst.  Es ist keine Frage des moralischen Zeigefingers sondern die große Sorge in einer sozial eher kälter werdenden Umwelt.

Wer Lust hat, sich mit diesen Gedanken näher zu befassen, der lese z.B. das Buch von Klaus Dörner: "Tödliches Mitleid"

Stille Post an Kabarettisten

In der Zeitschrift "Menschen -- Das Magazin" werden häufig Briefe geschrieben, die nie abgeschickt werden.  Daher habe ich nach diesem Muster nun einen Brief an Kabarettisten geschrieben, die z.B. auch gerne mal von unbeugsamen Politikern als  Autisten reden, oder die in früheren Jahren Gags brachten wie: "Das haben sich wohl der Lambsdorf und der Scheuble beim Joggen ausgedacht."  An diese Wort- und Witzakrobaten ohne Seil und Sprungnetz habe ich nun diese Stille Post verfaßt und sie sogar an die Redaktion von "Menschen -- Das Magazin" geschickt. Mal sehen,  wie still diese Post dann ist, oder ob sie vielleicht dann von den gehörlosen Kabarettisten vernommen wird.
 
 
Stille Post an Kabarettisten

Liebe Kabarettisten, neulich hörte ich einige Preisträger der kleinen Kunst, von denen einer sagte: „Das Privatfernsehen bringt die Paralympics der Sprache.“ Ein anderer meinte: „bei manchen Fernsehsendungen meint man, man sei bei Aktion Mensch.“ Ich nehme einmal stark an, dass dies nicht als Kompliment gemeint war. Aber woher nehmen Sie eigentlich die Ansicht, dass Sportler, die bei der Behindertenolympiade mitwirken, automatisch ein niedriges Niveau haben? Und was bringt Sie dazu, anzunehmen, dass Leute, über die bei Aktion Mensch berichtet wird, nichts im Kopf haben? Oder wollten Sie etwa damit sagen, dass das Privatfernsehen ein ausgesprochen hohes Niveau hat?
 
Sind Sie schon einmal mit einem Bein Ski gefahren? Haben Sie schon einmal mit verbundenen Augen Fußball gespielt? Haben Sie schon einmal im Sitzen eine Kugel gestoßen? Können sie mit einem Arm Posaune spielen?

Selbstverständlich dürfen Sie Witze über einen Behinderten machen, zum Beispiel, wenn jemand Ihrer Meinung nach politischen Unsinn redet, oder wenn jemand sich bei "Deutschland sucht den Superstar"  oder in einer Talkshow blamiert, oder wenn sich jemand sonst wie negativ hervorgetan hat. Warum sollen Behinderte hier geschont werden?

Aber schlechte Qualität automatisch mit Behinderung gleichzusetzen oder als Metapher für unmögliches Verhalten herzunehmen, finde ich schlichtweg diskriminierend.

Gerade Sie, die Sie häufig gesellschaftliche Missstände anprangern, sollten sich einmal mehr mit Behinderten und deren wahren Leistungen  beschäftigen. Wenn Sie dies getan haben, dürfen Sie gerne auch einmal einen Witz mit oder über einen Behinderten machen

Ihre Kabarett-begeisterte
Humorna Los!

Sonntag, 1. Juni 2014

Warteschleilfe -- Zeitschleife


Vor einigen Wochen habe ich nun an unsere Hausverwaltung geschrieben und sie gebeten, mir doch wegen des Katzennetzes Bescheid zu geben, oder mir zu sagen, wann nun die Eigentümerversammlung stattfindet. Bisher habe ich weder das eine noch das andere erfahren.
Letztes Jahr im August wurde mir ein Zahn operativ gezogen. Im November wurde das Implantat eingesetzt. Am 7. April wurde das Implantat freigelegt. Danach sollte ich einen Kostenvoranschlag für eine Krone vom Zahnarzt einholen, um dann mit diesem Heil- und Kostenplan bei der Kasse die Kostenübernahme zu beantragen. Am 2. Mai hatte ich einen Termin. Hier wurde mir außerdem noch eröffnet, dass ein Abdruck gemacht werden muss, dass der Arzt danach, sobald die Krone fertig ist, diese erst einmal probehalber einsetzt, und erst dann die fertige Krone auf geschraubt wird, eventuell auch mit Zement.
Der Arzt sagte mir auch, dass er zusammen mit der Masse des Abdruckes den Stutzen für das Implantat in meinem Mund halten muss. Da ich sehr schnell würgen muss, und schlecht Luft bekomme, könnte es sein, dass ich Panik bekomme und dies nicht aushalten werde. Daher müssen wir nun überlegen, ob ich eventuell eine Beruhigungsspritze bekommen muss. Ich werde es erst einmal so versuchen, aber es könnte sein, dass ich kurz schlafen gelegt werden müsste. Auch dies müsste man separat bei der Kasse beantragen.
Bis heute habe ich keinen Kostenvoranschlag des Zahnarztes erhalten. Ich habe bereits zweimal angerufen, beim ersten Mal sagte man mir, es sei vom Dentallabor noch kein Kostenvoranschlag beim Zahnarzt eingegangen. Beim zweiten Mal hieß es, der Kostenvoranschlag des Labors sei nun da, der Zahnarzt müsse diesen aber noch prüfen. Ich weiß nicht, wie lange diese Prüfung dauern wird. Der Kostenvoranschlag soll direkt an meine Betreuerin gehen. Sie muss dann die Kostenübernahme beantragen und auch ein geringes Einkommen geltend machen, da bei der Krone 400-500 € Eigenbeteiligung vorgesehen sind. Auch dies wird sicher noch einmal vier Wochen dauern.
Am 26. Juni sollte eigentlich die Nasen-OP sein. Der Kieferchirurg, der auch Gesichtschirurg ist meinte, bis dahin werden wir ja wohl das Implantat mit der Krone fertig haben. Nun muss ich leider die OP verschieben. Denn es ist unwahrscheinlich, dass das Implantat bis dahin überkront ist. Wenn ich gewusst hätte, wie schwierig das Ganze werden würde, hätte ich lieber die Zahnlücke gelassen. Eine Brücke kam für mich nicht infrage, da hier die beiden benachbarten gesunden Zähne abgeschliffen werden müssten. Sollte die Brücke dann heraus brechen, und sollte sie nicht halten, hätte ich dann eine Lücke mit links und rechts zwei Zahnstümpfen.  Außerdem dachte ich, so viele Brücken und Lücken im Mund bilden ein schlechtes Fundament, falls einmal eine Teilprothese notwendig würde. Da ist ein festes Implantat, welches tief im Kieferknochen steckt, vielleicht die sichere Variante. Aber nun stellt sich heraus, dass jedes Mal, wenn ich einen Schritt vollzogen habe, und wenn ich glaube, dem Ziel näher gekommen zu sein, ein weiterer Schritt angekündigt wird, der mich wiederum von meinem Ziel entfernt. Ich wollte eigentlich an Ostern wieder auf beiden Seiten kauen können. Dann dachte ich, es könnte zu Pfingsten klappen. Jetzt habe ich ein endgültiges Ultimatum gestellt: sollte bis August dieser Zahn nicht fertig sein, breche ich ab, egal, wo die Behandlung gerade ist. Das Motto: Jetzt sind wir schon so weit gekommen, jetzt hören wir nicht auf, wäre unsinnig, denn am Schluss muss ich vielleicht sowieso aufgeben, und dann ärgern mich die vielen Schritte, die ich umsonst gemacht habe umso mehr. Ich glaube nicht mehr daran, dass dieses Implantat jemals überkront  wird. Außerdem besteht wahrscheinlich die Schutzkappe aus Nickel, so dass ich dauernd mit Neurodermitis zu kämpfen habe. An der rechten Hand ist es besonders schlimm, da ich hier zusätzlich auch noch meine Uhr mit einem metallenen Zugarmband trage. Die ganze Zeit hatte ich das vertragen, aber mit dem zusätzlichen Faktor Nickel im Mund ist dies doch zu viel. Nun laufe ich die ganze Zeit ohne Uhr herum. Bei Zugfahrten mache ich da aber eine Ausnahme. An den anderen Tagen ist es egal, da an der Dialyse genug Uhren sind. Meine Taxifahrerin ist sowieso immer pünktlich.
Ich komme keinen Schritt weiter, weder mit dem Katzennetz noch mit meinem Implantat. Daran hängt so viel. Ich hätte jetzt am 26. Juni die Besprechung wegen der Ergebnisse bezüglich der ADHS-Diagnostik gehabt. Da aber hier die Nasen-OP sein wird, musste ich den Termin absagen. Ich hätte ihn aber auch genauso gut annehmen können, da die OP mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohnehin verschoben werden muss.
Ich fühle mich wie in einer Zeitschleife. Natürlich erzählt mir mal wieder jeder, es ginge ihm genauso. Wie hätte es auch anders sein können. Dann werden die Highlights aller Wartezeiten herausgekramt, zum Beispiel, dass eine Frau mir erzählte, sie habe zwei Jahre auf das Ergebnis ihrer Mammographie gewartet. Nur ist das bei mir so, dass ich auf jeden Mist viel länger warten muss. Dieses Labor hat sicher nicht zum ersten Mal eine Krone angefertigt, somit könnten Sie einen Kostenvoranschlag innerhalb von zwei Tagen an den Arzt faxen, der mir dann innerhalb von zwei Wochen einen Kostenvoranschlag schicken kann. Vom Gefühl her hätte ich nicht erwartet, dass es länger dauert als zwei Wochen. Aber ein Monat ist einfach zu viel.
Vor einigen Tagen war dann auch meine Karte mit den Kilometern voll, die wir als Behinderte erhalten.  Ich habe noch viele Freikilometer, aber da ich sehr viele kleine Fahrten gemacht habe, gibt es keinen Platz mehr auf der Tabelle, und ich muss eine neue Karte beantragen. Beim letzten Mal bin ich einfach in die Außenstelle gefahren, wobei ich mich zuvor angemeldet hatte, obwohl man angeblich keinen Termin machen müsste. Als ich ankam, war der "Spezialist", der normalerweise die neuen Karten herausgibt, nicht da. So hat ihn jemand angerufen und mit Mühe und Not eine neue Karte für mich ausgefüllt, damit ich sie mit den übertragenen Restkilometern mitnehmen konnte. Diesen Ärger wollte ich mir dieses mal ersparen und habe daher die Karte direkt an das Amt geschickt. Da ich noch zwei alte abgelaufene und fertig ausgefüllte Karten da hatte, dachte ich, die könnte ich auch gleich mit schicken, damit ich sie los habe. Es ist zwar nicht Pflicht, diese Karten zurückzuschicken, aber stichprobenartig wollen die diese Karten vielleicht irgendwann haben, und so lange liegen sie dann bei mir in der Schublade herum. Nun warte ich auch hier wieder, wobei mir klar ist, dass unter zwei Wochen sicher nichts passieren wird. Eigentlich müsste die Dame die verbleibenden Kilometer nur auf die neue Karte übertragen und sie mir zurückschicken. In der Zwischenzeit habe ich nun keine Karte und kann nicht meine Freikilometer nutzen. Ich bin gespannt, wie sehr ich hier wieder kämpfen muss, wie sehr ich hier wieder für Verwirrung gesorgt habe, dass ich die alten Karten mitgeschickt habe, obwohl ich in meinem Anschreiben extra erklärt habe, welches die aktuelle Karte ist. Ich bin gespannt, ob der Name der Dame überhaupt stimmt, oder ob da niemand den Brief erhält, da es eine Dame dieses Namens vielleicht gar nicht gibt. Er lautet so ähnlich wie Gutdiensthuber, nur eben anders, , aber diesen darf  ich ja hier  zur Wahrung der Privatsphäre nicht erwähnen. Auch hier werde ich sicher wieder auf die Warteschleife gesetzt.
Ich kann nur hoffen, dass irgendwann einmal wieder etwas weitergeht. Ich kann es aber gar nicht mehr glauben und es MIR gar nicht mehr vorstellen.

 

Katholikentag MinusKatholikentag Minus


Vor einigen Wochen bekamen wir eine E-Mail, wer Lust habe, beim Katholikentag im Dunkelgang mitzuhelfen. Da ich früher einmal hauptamtlich bei uns im Dunkelgang tätig war, habe ich mir überlegt, ob das etwas für mich wäre. Dies ist aber körperlich sehr anstrengend, und aufgrund meiner Dialyse kann ich das heute nicht mehr machen. Es wurde mir auch davon abgeraten, da ich jeden Tag 1 Stunde hin und 1 Stunde zurück fahren müsste. Ich hörte, dass es beim Katholikentag einen Begleitdienst für Behinderte geben würde. Da ich nicht weit weg wohne, dachte ich, wenn der Katholikentag schon einmal so nah ist, könnte ich die Gelegenheit nutzen, auch wenn ich nicht mehr Mitglied in der Kirche bin, dort vielleicht einige Workshops zu besuchen. Ich erhoffte mir, dort einiges mit dem Thema Kirche von unten, wir sind Kirche , Theologie der Befreiung, fairer Handel und Dritte-Welt machen zu können.

 

Ich schrieb also an die angegebene E-Mail-Adresse und bat um eine Begleitung. Eigentlich wollte ich am 1. Juni dorthin, da dies ein Sonntag ist, und ich keine Dialyse habe. Am 29. hatte ich mich bereits mit einer Frau verabredet, mit der ich öfter einmal Kaffee trinke, da ich ihr einmal mit Spanisch geholfen hatte. Da aber am Sonntag den 1. Juni nur noch ein Gottesdienst stattfinden würde, gab es keinen Begleitdienst an diesem Tag. Ein Gottesdienst war sowieso nicht in meinem Interesse. Somit fragte ich die Bekannte, ob wir uns an einem anderen Tag treffen könnten, und meldete mich für den Begleitdienst am 29. Mai an. Ich sagte der Dame noch, dass ich erst am Freitag Zeit hätte, einen Zug herauszusuchen, da ich am Donnerstag den 22. noch unterwegs war. Die Dame hatte mir mit ihrer persönlichen E-Mail-Adresse geschrieben. Somit hatte ich die ganze Zeit auf diese Adresse geantwortet. Als ich nun am Freitag den 23. meine genaue Ankunftszeit durchgab, bekam ich keine Antwort. Also schrieb ich am Montag noch einmal hin, und erhielt eine automatisch generierte Mail, dass die Dame bis zum 2. Juni nicht erreichbar sei. So schrieb ich zweimal an die offizielle E-Mail-Adresse, und daraufhin schrieb sie mir zurück. Sie wolle noch das Gleis wissen, dann würde ich abgeholt. Ich gab das Gleis durch, und schickte auch gleich die genaue Zugnummer mit. Das Datum schrieb ich nicht mehr dazu in der Annahme, dass wir das ja besprochen hatten, dass ich nun am 29. kommen würde. Dies stand auch in den beiden vorherigen Mails, in denen ich nun um konkrete Antwort bat, ob man mich abholen könnte.

 

Ich fuhr also am 29. los. Eigentlich wollte ich im Zug frühstücken, wachte aber 1 Stunde zu früh auf und dachte, es sei schon später, bis ich zu meiner Überraschung genauer hinsah, und es erst 7:00 Uhr war. So konnte ich noch in Ruhe zuhause frühstücken. Als ich dann in Regensburg ankam, war natürlich niemand vor Ort. So rief ich bei der Telefonnummer an, die mir für die spontane Inanspruchnahme des Begleitdienstes gegeben wurde. Man habe meine Ankunftszeit, wisse aber den Tag nicht. Somit wurde ich von der Bahnhofsmission abgeholt, und musste dort warten, bis jemand von der Malteser-Jugend zum Bahnhof kam. Dann warteten wir noch eine halbe Stunde, bis wir endlich den Fahrdienst erhielten. In der Zwischenzeit blätterten wir das 600 Seiten dicke Programmheft durch. Die junge Frau, die ein freiwilliges Soziales Jahr bei den Maltesern absolvierte, konnte nichts nach meinem Geschmack finden. Es gab neben zahlreichen Gottesdiensten, Konzerten und Diskussionen über die Kirche zum Beispiel den Programmpunkt „Gott loben mit afrikanischen Gesängen“. Afrikanische Musik interessiert mich sehr, aber es hatte bereits begonnen. Dann gab es noch Gospels und Spirituals.  Das hörte sich auch interessant an und war außerdem in der Nähe des Dunkelgangs  und des Dunkelcafés. Wir ließen uns also dort hinfahren. Zu meinem Schrecken hörte ich dann, dass der Katholikentag 25 € Eintritt kostet, für Behinderte und Geringverdiener 20 €. Ich war ziemlich empört darüber, dass ein Mensch mit geringem Einkommen sich so einen Tag kaum leisten kann. Ich hatte angenommen, dass der Katholikentag umsonst sei. So habe ich die Zähne zusammengebissen und 20 € abgedrückt. Die taten mir richtig weh. Im Auto wurde dann auch meine Eintrittskarte genau geprüft. Als wir beim Dunkelgang waren, hörte ich schon bekannte Stimmen aus meiner eigenen Stadt, die dort Dienst taten. Wir begrüßten uns, und dann warteten wir, bis wir in den  kleinen Container gelassen wurden. Es war ziemlich eng, es gab unterschiedliche Bodenbeläge, man hörte ein Plätschern, und an der Wand konnte man einiges berühren. Danach wurden wir in den angrenzenden Raum geführt, in dem das Dunkelcafé war. Dort gab es Musik und eine kleine Bar, an der man aber stehen musste. Es gab kein Essen sondern nur Getränke. Wir waren nur zu viert, und eine Frau neben mir behauptete laufend steif und fest, dass sie die Frau hinter der Theke sehen könne. All meine Erklärungen, dass dies nur ihre eigene Projektion sei, da ihr Gehirn ihr einen Streich spielt, waren fruchtlos, denn mir glaubt ihr sowieso niemand etwas. Es stellte sich aber heraus, dass das Lämpchen der Stereoanlage doch noch eine Lichtquelle darstellte. Diese war aber so gering, dass man die Silhouette der Bar Frau nicht erkennen konnte. So beschrieb die Dame munter das Aussehen der Frau hinterm Tresen, sie habe einen weißen Pullover an. Prompt widersprach die Dame und meinte, der Pullover sei blau. Somit war eigentlich bewiesen, dass sie nichts sehen konnte. Dennoch beharrte sie stets darauf, und auch mein Argument, dass sie schließlich über das Gehör die Frau lokalisieren könne, blieb fruchtlos.. Immerhin hatte ich eine längere Erfahrung im Dunkelbereich. Und neurologisch kenne ich mich auch ein klein bisschen aus. Auch die Dame hinter dem Tresen bestätigte meine Theorien des Phantomsehens. Meine Begleiterin und ich teilten uns eine Flasche Apfelsaft schorle, und sie war sehr interessiert. Danach gingen wir aus dem Dunkelcafé und in Richtung des Konzerts. Ich war begleitet von drei Malteser-Jugendlichen..  Alle waren nicht aus Regensburg, und so mussten wir eine Weile suchen. Als wir dann ankamen, gefiel mir die Musik überhaupt nicht, denn es war kein lebhafter Gospelchor, sondern eher eine Art Pop oder Soul, eher wie bei einem Musical. Ich fand die Musik so schrecklich, dass wir entschieden, ins nächste Café zu gehen. Wir hatten noch versucht, einige andere Programmpunkte zu planen. Danach hätte es in der Universität einen Vortrag über Jugendliche in Brasilien gegeben. Parallel dazu gab es eine Podiumsdiskussion über Politik der Globalisierung. Die Helferin meinte, dass die Universität ziemlich weit weg sei. Somit entschieden wir uns für den Polit-Talk. Es regnete, und ich hatte meine Ballerinas an. Ich war natürlich wieder einmal naiv und dachte, beim Katholikentag würde ich in einem Workshop sitzen und müsste nicht viel laufen. Gott sei Dank hatte ich meine warme Jacke dabei. Das Kopfsteinpflaster war schrecklich, meine Schuhe waren zu dünn, meine Einlagen zu dick, und ich kippte dauernd aus meinen Schuhen. Wir liefen fast eine Dreiviertelstunde, und es war extrem ermüdend. Als ich dort ankam, war ich nur noch am Klagen. Natürlich kamen wir eine halbe Stunde zu spät, und so konnte ich nur noch die letzte halbe Stunde der Diskussion mitverfolgen. Es gab einen Schichtwechsel, und nun wurde ich von zwei Herren begleitet. Einer von beiden hatte eine Katholikentags-App, und  er meinte, es gebe sehr viele Workshops. Allerdings konnte auch er nichts finden, was zeitlich passte. Es hätte noch eine Diskussion über katholische Frauen in der Politik an der Universität gegeben. Aber das war zu weit, und da hätte ich zuvor in den Vortrag über Jugendliche in Brasilien gehen müssen, um nicht solche weiten Wege zu haben. Da der Programmpunkt „Gott loben mit afrikanischen Gesängen“ nochmals stattfand, entschieden wir uns dafür, dorthin zu gehen. Wir wurden einmal im Kreis geschickt, da der einheimische uns nicht einmal den Weg richtig erklären konnte. Dann waren wir endlich auf einer freien Fläche, wo wild getrommelt wurde. Die Gesänge waren immer die gleichen, und die Trommeln waren extrem laut. Es gab auch andere Programmpunkte, wobei es nur um Gemeinden, moderne Kirchenmusik, Ökumene und andere innerkirchliche Dinge ging. Ich wurde schon von einem Freund vorgewarnt, dass der Katholikentag von unten nicht im Programm vertreten sei, und daher ein getrennter Katholikentag Plus stattfinden würde. Wo der sei, konnte mir niemand sagen. Er stand weder im Programm, noch im Internet. Wahrscheinlich gab es eine separate Seite, die wir aber nicht kannten. Es war schade, dass die kritischen Stimmen überhaupt nicht anwesend waren, sondern komplett ausgelagert wurden. Als das Trommeln sehr wild wurde, gestand mir mein Begleiter, dass er lieber Kirchenmusik und Klavier hört. Er war erst 16 Jahre alt, aber er erklärte mir, er möge nur klassische Musik, er spielt Orgel, und er sei in der Kirche sehr als Ministrant  engagiert. Ihm sei die Kirche heute zu modern, und er sei in der Petrus-Bruderschaft. Somit hatte ich ein Thema, und ich konnte ihn genau ausfragen, was es mit der Pius-Bruderschaft und alldem auf sich hat. Ich merkte schon, dass es wenig Sinn hatte, mit ihm zu diskutieren, oder ihm eine andere Meinung aufzuzwingen, sonst würden sich die Fronten nur verhärten. So verfuhr ich nach dem Motto: Stelle Dich dumm, dann erfährst Du etwas. Das Dummstellen fiel mir sowieso nicht allzu schwer, da mein Wissen auf diesem Gebiet ohnehin  sehr "versprenkelt" ist.  Ich befragte ihn nach verschiedenen Themen, wie zum Beispiel, was er von  der Wiedereinführung der tridentinischen Messe,  vom Bischof von Limburg und von der Fürbitte am Karfreitag für die Juden hält. Er hatte zwar eine extrem konservative Meinung, doch konnte ich ziemlich viele Informationen herausziehen. So sagte er mir zum Beispiel, dass man von dem neuen Papst keine größeren Reformen erwarten könne. Er habe lediglich die roten Schuhe verweigert und hätte eine einfachere Art. Später unterhielten wir uns noch über Befreiungstheologie, von der er überhaupt nichts hielt. Aber ich erfuhr viel, was ich zuvor noch nicht wusste. Er sei in einem Forum, das parallel zum Laienkomitee gegründet worden sei. Dieses habe sich abgespaltet, da das Laienkomitee Ihnen zu fortschrittlich sei. Er erzählte mir auch, dass eine Vorsitzende von wir sind Kirche exkommuniziert worden sei, da sie die Eucharistie gefeiert hätte, was sie als Frau nicht dürfe. Daran könne ich ja sehen, dass der Papst eben nicht fortschrittlich sei. Ihm hat das natürlich gefallen, aber ich hatte somit auch viele neue Informationen. Wir entschieden uns, von dem Platz weg zu gehen, da uns die Trommeln zu laut wurden. Dann stellte sich auch noch heraus, dass das afrikanische Konzert ganz woanders war, und wir nur noch die letzte Viertelstunde mitbekommen haben. Auch dort wurde dann heftig getrommelt, was mir dann auch zu laut wurde. Da mein Zug bereits um 17:19 Uhr fuhr, konnte ich überhaupt nichts mehr machen, denn alles dauerte bis 18:00 Uhr. Somit entschieden wir uns, zum nächsten Punkt zu gehen, ab dem der Fahrdienst fahren würde. Da ich die ganze Zeit gestanden war, und da ich extrem viel in meinen dünnen Schühchen gelaufen war, und sowieso Probleme mit den Sehnenansätzen der Fersen habe, (im Sinne eines Fersensporns), hatte ich solche extremen Schmerzen in den Füßen, dass ich es kaum noch schaffte, zu dem kleinen Bus sind zu laufen. Auf dem Weg dorthin sahen wir einen Stand mit kirchenkritischen Prospekten. Darauf stand zum Beispiel: „Kinderficker“. Inhaltlich teile ich natürlich vollkommen die Kritik, aber die Art, wie sie dargeboten wurde, schreckte die Leute eher ab. Es waren nur zwei Stände  inmitten all dieser Kirchenbefürworter, was dann eher destruktiv wirkte, und natürlich wieder Wasser auf die Mühlen derer war, die keine Kritik wollen . Die Stände nahmen sich so einsam aus, was wahrscheinlich auch so gewollt war. Es war irgendwie so inszeniert, dass jede Kritik schlecht sein soll. Natürlich regte sich mein Begleiter furchtbar darüber auf. Der andere, der mit dabei war eher gemäßigt. Als wir dann aus dem Bus ausgestiegen waren, fragte der eine Begleiter, ob wir zu McDonald's gehen wollten, bis der Zug kommt. Obwohl wir so unterschiedlicher Meinung waren, riefen wir wie aus einem Munde: „nein, niemals!  Hier sind sich konservative und progressive doch einig. Dann unterhielten wir uns noch etwas über die Rolle der Frau in der Kirche, Scheidung, und den Zölibat. Natürlich kannte ich seine Ansichten, aber es interessierte mich dennoch, und so hatten wir eigentlich unseren kleinen Katholikentag. Auch wenn ich kaum Workshops und Veranstaltungen besuchen konnte, war dies der interessanteste Teil.

 

Ich fuhr dann nachhause und traf auf die beiden Helfer vom Dunkelgang, die 2 Stunden früher als geplant nachhause fuhren, da fast nichts los war.

 

Insgesamt hätte ich mir diese Fahrt auch sparen können, und besonders die 20 € waren völlig fehlinvestiert, denn wenn ich mir ein Taxi vom Bahnhof genommen hätte, und hätte mich zur Stelle der Malteser-Jugend fahren lassen, und wäre dann mit dem Taxi wieder zurückgefahren, wäre es billiger gewesen, und niemand hätte auf den offenen Plätzen kontrolliert, ob ich eine Eintrittskarte für 20 € erworben hatte. Das Taxi wäre wahrscheinlich wesentlich günstiger gewesen. Aber das weiß man auch nicht. Nun bin ich um eine Erfahrung reicher, und es war überhaupt nicht so, wie ich es mir erhofft hatte, und es war sehr schade, dass ich den Katholikentag Plus nicht gefunden hatte. Das stellt man sich so einfach vor, man geht zum Katholikentag von unten, diskutiert mit, geht zu den Workshops und hat einen interessanten Tag. Dabei bin ich nur gelaufen, habe nur gesucht, und war immer zur falschen Zeit am falschen Ort, wie es halt so meine Art ist. Es war natürlich schön, dass es diese Helfer gab, ohne die es überhaupt nicht gegangen wäre. Aber nun weiß ich, auf einen Katholikentag Brauch ich so schnell nicht mehr zu gehen. So schnell wird auch keiner mehr in meiner Nähe stattfinden