Sonntag, 28. Juni 2015

Gott sei's getrommelt, gepfiffen und gebassgeigt!

Gott sei es getrommelt, gepfiffen und gebassgeigt!
Letzten Donnerstag war ich probehalber in der Gruppe von Menschen mit geistigen Behinderungen, um dort, wie mit der Lehrerin ausgemacht, mit zu musizieren. Ich hatte natürlich Bedenken, dass ich wieder mal enttäuscht werden würde, sei es, dass es für mich zu schwierig sei, oder das Niveau vielleicht zu niedrig wäre, oder die Stilrichtung eine ganz andere wäre. Immerhin hat sie mir gesagt, es sei auch Keyboard und Schlagwerk dabei. So fuhr ich mit gemischten Gefühlen und verhaltener Hoffnung zu der Musikschule, bei der ich schon einmal versucht hatte, bei einem Gitarrenkurs für Fortgeschrittene mitzukommen und mal wieder heftig an meine Grenzen gestoßen war.
Wir waren ganz oben, an diesem Tag war es besonders heiß, so dass sich der Raum  gut aufgeheitzt hatte. Ich war die 1., die eintraf, und so packte ich die Gitarre aus und stimmte sie schon einmal. Nach und nach trudelten die ersten Teilnehmer ein, die sich ziemlich lautstark und teilweise etwas unartikuliert unterhielten. Ich dachte, das kann ja was werden. Dann kam die Lehrerin und bat sie, etwas leiser zu sein. Jeder nahm sein Instrument, wobei mir die Lehrerin erklärte, dass einige auch flexibel seien und mehrere Instrumente spielen könnten. Ihr Mann war auch dabei, der normalerweise Gitarre spielt, sich aber an diesem Tag den Contra-Bass griff, da die Bassistin  nicht da war. Allein dieser Umstand, dass die Leute sogar an verschiedenen Instrumenten einsetzbar waren, beeindruckte mich bereits.
Da ich mir jegliche Art von Frustration ersparen wollte, bat ich sie, ein ganz einfaches Stück auszuwählen. Sie suchte eines mit nur 2 Griffen aus, bei dem ich mühelos mithalten konnte. Zu meinem allergrößten Erstaunen spielten die Leute alle ihr Instrument mit mehr oder weniger sehr großer Virtuosität. Einer der Behinderten spielte auf der Gitarre die Melodie des Stückes, ein junges Mädchen spielte Keyboard und konnte sogar improvisieren. Der Hammer  des Erstaunens für mich war aber ein junger behinderter Mann, der sich etwas unkoordiniert bewegte, mit  offensichtlich großen Schwierigkeiten zum Klavier lief und eine etwas undeutliche Sprache hatte , dann aber dermaßen virtuos in die Tasten haute, dass mir die Ohren abfielen. Er spielte die allerfeinsten Jazz- Akkorde und improvisierte, dass es eine Art hatte. Bei jedem Stück gab die Lehrerin ihm Gelegenheit, ein Solo mit Improvisation einzulegen, was auch das andere Mädchen mit Begeisterung tat. Wir spielten sehr einfache Stücke, unter anderem eine griechische Folkloremelodie, ein paar englische Stücke, die später sogar zu einem Schlager wurden, früher aber Volkslieder waren, und auch ein allseits beliebtes Igel-Lied, welches ich sehr nett fand. Zwischendurch kamen immer wieder Leute, da Tag der offenen Tür war. Ich hatte den Eindruck, dass die Leute, die uns zuhörten,  über unsere Fähigkeiten staunten. Es kam doch ein ordentlicher Sound zustande, und alles harmonierte prächtig. Es war ein etwas schweres Stück dabei, wobei sie versuchte, mir die Griffe zu erklären. Mein Problem ist, dass ich meistens nur die Vokale hören kann, wobei mir die Konsonanten nur verschwommen zu Ohren kommen, und ich dann nicht unterscheiden kann, ob ich ein Ge, ein Ce oder ein E spielen soll. So musste sie mir die Griffe mit Caesar, Gustav und Emil benennen. Bei dem schwereren Stück wollte sie mir erst gar nicht sagen, welche Griffe da kommen, da diese ziemlich abschreckend klangen. Allerdings hatte ich Mühe, mich an die Notierung der Akkorde zu gewöhnen, da ich es in England anders gelernt hatte. Ich war verwirrt, die ich doch viele englische Gitarrenbücher habe und mir in England mit einem englischen Buch mehr oder weniger selbst die 1. Schritte auf der Querflöte beibrachte, bedeutete hier doch C Major nichts weiter als C-Dur im Gegensatz zu C-minor, was C-Moll bedeutet. Somit dachte ich, dass demnach auch CM7 nichts weiter als ein C-Sept-Akkord sei . Sie sagte mir aber, CM7 ist etwas ganz anderes, da hier nicht B sondern H vorkommt. Ich zog daraus fälschlicherweise den Schluss, dass hier womöglich Missverständnisse wegen der unterschiedlichen Notierung  im Deutschen und Englischen vorlagen, da B im Deutschen H ist.  Doch wird hier ja ein deutsches Buch verwendet, dass ja ganz normal H schreibt.  Ich merkte also, dass ich mich hier mit den  Griffen wohl neu orientieren  und erst mal die englische Schreibweise vollkommen  außen vor lassen muss.
 
Ich bin sehr zufrieden, und ich werde in dieser Gruppe auch bleiben. Es ist wirklich schön, dass ich nach 20-30jähriger Suche – abgesehen von einigen Gelegenheiten, auf Musikfreizeiten mit anderen ein paar Lieder einzustudieren –,  endlich eine feste Musikgruppe gefunden habe. Zunächst einmal werde ich dort kostenlos bis zum Ende des Schuljahres hingehen, da es nur noch ein paar Stunden sind bis zu den Sommerferien. Danach werde ich mich einschreiben, was auch versicherungsrechtliche Vorteile hat.
 
Es bleibt noch ein Problem, welches gelöst werden will. Die Taxifahrt zu der Schule beträgt ungefähr 7-10 km einfach, sodass ich jede Woche 15-20 km meiner Taxikilometer ausgeben muss. Somit wären dies jeden Monat 60-80 km, die nur für diese eine Beschäftigung drauf gingen, und ich könnte fast keine anderen Unternehmungen mehr durchführen oder einmal zu einer anderen Veranstaltung fahren. Außerdem muss ich, da es in dieser Stadt, in der die Musikschule ist, nicht möglich ist, über die Zentrale ein Behinderten Taxi zu bestellen, jedes Mal in meinem Heimatort anrufen, und bis das Taxi bei mir ist, dauert dies schon einmal 20 Minuten. Die einzige Lösung bestünde darin, die vereinzelt existierenden Unternehmen in der anderen Stadt zu finden, die die Zulassung als Behinderten Taxi haben. Dann könnte ich mit der U-Bahn bis zu der Haltestelle fahren, die dieser Musikschule am nächsten ist, wobei ich zu einer festgesetzten Zeit dort sein müsste, damit das Taxi mich dort abholen und zur Schule bringen könnte. Das Taxi müsste dann nach 1 Stunde wieder da sein, um mich abzuholen und wieder zur U-Bahn zu fahren. Das wären dann höchstens 2 km einfach. Da muss man aber auch ein Taxiunternehmen finden, welches den ausreichenden Idealismus hat, wegen so einer kurzen Strecke zu einer festgelegten Zeit irgendwohin zu fahren, in der der Taxifahrer vielleicht sich dann eine schöne Fahrt entgehen lassen muss, die er an einem Taxistand hätte bekommen können. Mit einem Unternehmen habe ich es mir ja bereits verscherzt , da ich mit ihm zur Dialyse fuhr, und das Taxi wechselte, da er mich laufend zu spät abholte. Er war damals beleidigt, weil ich ihm erst dann gekündigt hatte, als ich schon ein anderes Unternehmen gefunden hatte, zu dem ich wechseln konnte. Nun muss ich einmal über unseren Bezirk anfragen, ob die eine Liste mit den aktuellen Unternehmen haben, die in dieser Stadt die Zulassung als Behinderten Taxi besitzen. Außerdem ist das Treppenhaus in der Musikschule ziemlich schwierig für mich ,  da zwei Häuser aneinandergebaut sind. Mit meiner schlechten Orientierung bräuchte ich hier immer Hilfe. Die behinderten Teilnehmer wären damit wahrscheinlich überfordert, mich mit nach unten zu nehmen. Daher bringt mich der Mann der Lehrerin  nach unten. Ich hatte schon angefragt, ob jemand von Ihnen zufällig in meine Stadt fährt, und ich vielleicht dorthin im Behindertentaxi mitfahren könnte, aber das hat nicht funktioniert. Eine Teilnehmerin  wohnt im selben  Wohnnprojekt wie eine Bekannte von mir , und ihr Freund holt sie  ab, dann kann ich mitfahren.  Sie ist nicht jedesmal dabei, aber ab und  an kann ich dann diese günstige  Gelegenheit  nutzen, wobei ihr Freund mir netterweise anbot, mich bis nach Hause zu fahren.
 
Außerdem bat ich die Lehrerin noch , ob sie mir die Sachen auf mein Notizgerät spielt.  Sie beruhigte mich aber,  wir würden sehr langsam vorgehen, sie würde sowieso nur selten ein neues Stück einführen, und wir würden dies oder jenes Stück sowieso noch öfter spielen. Ich zweifele aber, dass mir  Damit geholfen ist , denn davon, dass es häufiger gespielt wird, lerne ich es nicht, zumal einige sehr exotische Griffe dabei sind, wo ich erst lernen muss, wie man sie überhaupt greift, ohne sich die Finger zu verknoten. Ich muss erst immer jemanden haben, der mir die Griffe ausdrücklich sagt und mir erklärt, wann sie gespielt werden müssen. Nach mehreren solcher Probedurchgänge verstehe ich dann das Stück und kann es auch auswendig spielen. Die anderen können Noten lesen, oder sie können die Griffe aus dem Buch entnehmen. Dies ist mir natürlich nicht möglich, obwohl ich die meisten Griffe auch heraus hören kann, aber bei weitem nicht alle. Bei einem der Stücke hat sie mir die Abfolge der Griffe erklärt, die ich dann auch Verstand und mir merken konnte. Wenn ich einfach nur das Stück versuche nach zu spielen, gelingt es mir auch nicht, es mir anzueignen, selbst wenn es mehrmals gespielt wird. Ich hoffe, dass sie mir hier immer die Hilfestellung geben kann, die ich brauche, da es sich ja um eine Gruppe von Behinderten handelt, die alle ihre Aufmerksamkeit brauchen .
 
Ich hoffe also, dass all diese Hürden und Problemstellungen noch überwunden werden können, und dann kann ich das Musizieren auch in vollen Zügen genießen, und ich freue mich schon auf die nächste Stunde, wo wir sicher wieder einfache Stücke spielen, die aber doch aufgrund der Vielfalt der Instrumente und der Personen sehr viel her machen.

Sind das alles Zufälle?

 
Vor ein paar Wochen ist mir mal wieder meine Dusche kaputtgegangen. Dies passiert jetzt mittlerweile jedes halbe Jahr. Das Wasser spritzte zwischen Duschschlauch und Duschkopf an allen Seiten heraus. So kam der Handwerker von den Helfern und stellte fest, dass es nicht die Dichtung war, wie wir am Telefon besprochen hatten, das wäre dann leichter gewesen, da er bereits eine Dichtung besorgt hatte. Es war der Winkel, an dem man die Dusche auf den Stab an der Duschstange hängt. Er meinte, er könne dies bis zum kommenden Donnerstag besorgen. Am Donnerstag rief er an, er sei im Baumarkt gewesen, und habe nur die leere Schachtel vorgefunden. Ausgerechnet dieses Teil gab es genau an diesem Tag nicht. So versprach er mir, am darauffolgenden Montag zu kommen, um dann endlich das Teil einzubauen. Das hat dann zum Glück auch geklappt. Mal sehen, was nach dem nächsten halben Jahr dann passiert, nachdem zuerst die Duschstange unten abgerissen war, dann der Duschschlauch kaputt war, und jetzt dieses Teil. Er meinte, innen sei nur Plastik gewesen, die Qualität war schlecht, daher gab es Materialermüdung. Ich sage immer:  Plastik ist garstig! Wenn man dann noch, wie ich, dauernd nesteln muss, damit der Duschkopf endlich hängt, ist das Material halt auch viel schneller müde als normalerweise.
 
Vor einer Woche wollte ich mit meiner Helferin CD-Rohlinge kaufen. Wir gingen also zum nächsten Aldi, da dieser immer CD-Rohlinge hat. Ausgerechnet an diesem Tag hieß es, es gäbe keine CD-Rohlinge. Meine Helferin ging in einen speziellen Laden für PC-Zubehör, aber auch dort hatten sie keine Rohlinge. So fuhr sie in den nächsten Aldi, da ich zu Hause die Stellung halten musste, da jemand kam, um etwas von meinem PC zu kopieren. Beim 3. Anlauf wurde sie fündig, ein anderer Aldi hatte dann CD-Rohlinge. So konnte ich den 44. Teil eines Science-Fiction, der mir selbst gar nicht gefällt, den ich aber immer für einen Freund bekomme, diesem dann auf CD brennen. Da mein PC neu ist, hat sich an der Abfolge der Tasten, die man drücken muss, um die CD zu brennen, etwas geändert, und es gab neue Dialogfelder, die ich nicht verstand. Vielleicht hat deshalb die CD nicht funktioniert. Zumindest rief der Bekannte mich am Abend, nachdem ich ihm die CD übergeben hatte, ganz traurig an und erzählte mir, dass nichts auf der CD sei. Er hat sie dann noch einmal in seinen PC geschoben, und auch dieser sagte ihm, es sei kein Rohling im Laufwerk. Nun kann es durchaus sein, dass die Spindel oder vielleicht einzelne CDs der Spindel nicht in Ordnung sind. Immerhin ist mir das schon mal passiert, dass ich glaubte, mein CD-Brenner sei kaputt, wobei ich lediglich eine montags-Produktion im Rechner hatte, wobei 50 CDs der gesamten Spindel nicht funktionierten. Da geht man schon in 3 Läden, und dann erwischt man unter Umständen noch eine fehlerhafte Spindel.
Wegen meiner Erkrankungen muss ich laufen zur Apotheke, um irgendwelche Rezepte einzulösen. Dabei ist es mir fast noch nie passiert, dass sie das Medikament, was ich wollte, da hatten. Daher muss ich jedes Mal zweimal gehen, einmal, um das Rezept einzureichen und das Medikament zu bestellen, und noch einmal, um dann tatsächlich das Medikament abzuholen. Vor einigen Wochen gab mir die Apothekerin das Medikament sofort mit, wobei ich mich freute, dass auch ich endlich mal sofort das Medikament bekommen hatte. Als ich dann ein paar Tage später, als ich die Schachtel öffnen wollte, mit dem Finger über die Blindenschrift strich, fiel mir auf, dass die Stärke falsch war. Tatsächlich hatte der Arzt sich vertan und die falsche Dosierung aufgeschrieben. So musste ich also doch noch einmal hin, um das Medikament in der richtigen Dosierung abzuholen. Da hat man schon einmal Glück, und muss nicht jedes Mal zweimal laufen, und dann passiert ein Fehler, so das ich doch wieder ein 2. Mal gehen muss. Die Apothekerin weiß dies schon, daher hat sie mir das letzte Mal angeboten, dass ein Bote das Medikament abends vorbeibringen könnte. Dies geht natürlich nicht immer, da ich an 3 Abenden an der Dialyse bin, und dann ein Nachbar das Medikament in Empfang nehmen müsste, wobei ich es ja am Morgen schon wieder einnehmen muss und den Nachbarn abends nicht mehr stören möchte, um es abzuholen. Wenn ich spät abends heim komme, liegt er ja bereits im Bett.
Vor einer Woche war ich beim Bäcker und fragte, was sie an herzhaften Teilchen hätten. Unter anderem zählte sie mir eine Körnerschleife mit Hähnchen auf. Da ich mich schon für etwas anderes entschieden hatte, dachte ich mir, das kannst du dir beim nächsten Mal kaufen. Als ich dann das nächste Mal wieder zu diesem Becker lief, wusste ich bereits auf dem Weg dorthin, dass sie dieses Mal genau dieses Teilchen nicht haben würden. Und tatsächlich, als ich danach fragte, hieß es: die haben wir immer, aber ausgerechnet heute sind sie ausverkauft. Da ich dieses Muster bereits kenne, habe ich mir gewisse hellseherische Fähigkeiten auf diesem speziellen Gebiet erworben. So habe ich mir nun dieses Teil zurücklegen lassen. Es ist schon seltsam und fast schon wieder lächerlich, sich etwas so Einfaches zurücklegen lassen zu müssen. Normalerweise lassen sich Menschen nur dann Backwaren zurücklegen, wenn sie eine hohe Anzahl davon wünschen, oder wenn Sie bei Metzger mehrere Kilo einer bestimmten Fleischsorte haben möchten. Ich hingegen muss mir sogar Brezeln mit Kürbiskernen zurücklegen lassen oder eine bestimmte Sorte Brötchen, die es, wenn ich komme, entweder nicht mehr oder noch nicht gibt. Andere erzählen mir, dass sie normalerweise alles bekommen.
 
Vor einigen Wochen war ich beim Bäcker, da ich mir endlich die Gemüse-Stange kaufen wollte, mit der ich schon länger geliebäugelt hatte. Aber jedes Mal hatte ich schon etwas anderes besorgt, oder es passte nicht in meinen Speiseplan. Endlich nahm ich die Sache in Angriff, und da hieß es dann, es sei aus dem Sortiment genommen worden.
 
Jedes Mal nehme ich mir vor, sofort zuzuschlagen, egal, ob ich satt bin oder nicht. Aber dann denke ich jedes Mal wieder, die Sachen halten sich nicht, und meine Gefriertruhe ist voll. Komme ich dann wieder, um es endlich zu kaufen, gibt es das nicht mehr.
 
Und die Moral von der Geschicht':  Verzicht' nicht! Das nächste Mal kaufe ich mir das, was ich sehe, sobald es dies gibt, egal, ob ich Hunger habe oder nicht, und wenn ich es mir hineinpressen muss.
 
Auch meine Helferin hat neulich erzählt, sie sei in 3 verschiedenen Geschäften gewesen, um Druckerpapier zu bekommen. Ich fühle mich wie in der ehemaligen DDR, wo man froh sein musste, wenn es bestimmte Dinge gab, und man allem in mehreren Geschäften hinterher laufen musste. Ich frage mich, warum das mir immer so geht, obwohl wir doch in einer Überflussgesellschaft leben, wo es doch eigentlich alles zu kaufen gibt, nur das nicht, was ich gerade suche. Das mag anderen auch so gehen, aber bei mir geschieht dies in hoher Regelmäßigkeit und bei den lächerlichsten Kleinigkeiten, die man tagtäglich braucht. Bei mir muss man ja auch bedenken, dass jeder Gang anstrengender ist als für einen nicht behinderten Menschen, und das jede Besorgung immer die allerhöchste Konzentration von mir abverlangt. So ist zum Beispiel die Schiebetür der Apotheke schräg am Haus angebracht, und ich muss jedes Mal in einem bestimmten Winkel darauf zu laufen, damit die Türe auch aufgeht, und da stehen eine ganze Menge Dinge herum. Wenn ich etwas Bestimmtes will, muss ich für einen bestimmten Becker auch manchmal ein bis 2 km Laufen oder 2-3 Stationen mit der Straßenbahn fahren.  Hinzu kommt, dass meine Helferinnen nur einmal die Woche kommen, und dann die Dinge in den Geschäften, zu denen ich nicht alleine hinkommen kann, zu diesem Zeitpunkt  auch da sein müssen, da ich selbst unter der Woche nicht mehr alleine hingehen kann, um etwas abzuholen, was erst dann wieder vorrätig ist.
Neulich war ich beim Sommerfest der Musikschule, wo es ein gemeinsames Singen mit Instrumenten gab. Ich fragte, ob ich mich dazusetzen dürfe, und man riet mir, erst einmal zuzuhören, dann könne ich dazukommen. Ich merkte auch schnell, dass hier eine eingespielte Truppe am Werk war, wo ich vielleicht gar nicht mitkommen würde. So saß ich (wie bei allen Sessions, bei denen ich schon teilnehmen wollte) am Rand und spielte alleine ganz leise mit, wobei einige Zuhörer neben mir saßen und mein Spiel mitbekamen. Die rieten mir ebenfalls, erst einmal nicht in den Kreis dazu zu kommen, da sie merkten, dass diese Stücke originalgetreu nachgespielt wurden, und dies von den  übrigens noch sehr  jungen Teilnehmern offenbar schon häufig zusammen geübt worden war. Dann endlich wurde ein Platz frei, und ich setzte mich "mutig" in die Runde zum gemeinsamen Musizieren. Genau in dem Moment, wie sollte es auch anders sein, fing es zu regnen an, und der Leiter der Musikschule musste die Versammlung auflösen. Dasselbe ist mir vor mehreren Jahren in Irland passiert. Ich schlenderte durch die Straßen und kam in ein Hotel, welches trotz Sperrstunde noch offen hatte, und da sah ich eine Gruppe, die einfach zum Spaß musizierte. Ich fragte, ob ich eine Gitarre haben könne und mitspielen dürfte. Prompt gab man mir eine Gitarre, und ich konnte ein Stück mitspielen. Als das Stück zu Ende war, ging das Licht aus, es hieß, jetzt sei Feierabend, und die Musik-Session war zu Ende.
Manchmal frage ich mich, gibt es Zufälle, oder sitzt da jemand, der mich gezielt ärgern will. So langsam glaube ich: es gibt keine Zufälle. Wir leben zwar auf derselben erde aber nicht in derselben Welt. In meiner Welt gibt es halt nicht immer genau die Backwaren, die ich gerade möchte, auch wenn sie nicht selten sind sondern normale waren. Wären es ganz besondere oder riesengroße Dinge, die ich mir anschaffen wollte, würde mich dies nicht wundern. Was mich an der Sache so ärgert, ist gerade die Tatsache, dass es sich wirklich um viele lächerliche Kleinigkeiten handelt, die sich auch irgendwann summieren. Es ist einfach zermürbend und anstrengend, wenn man sowieso schon aufgrund seiner Behinderung nicht so mobil ist, dann auch noch für jeden Furz 2 bis dreimal laufen zu müssen. Ich glaube, ich wüsste gar nicht, wie mir geschieht, wenn ich eines Morgens aufwachen würde, Einkaufen ginge, und sie hätten einfach alles da, was ich gerade suche. Als ich das erste Mal in die Großstadt kam, bin ich fast aus den Latschen gekippt, als ich ein Buch in einer großen Buchhandlung kaufen wollte, und sie es mir prompt über die Ladentheke reichte. Im Normalfall musste ich jedes Buch bestellen, welches ich haben wollte, da ich in einer Kleinstadt lebte, wo es einen kleinen privaten Buchhandel gab, der sich hochtrabend Universitäts-Buchhandlung nannte. Da war mir klar, dass man wirklich alles erst vorbestellen muss. Nach diesem überwältigenden Erlebnis in der Großstadt ist mir dies aber auch dort so gut wie nie wieder so passiert.
 
Ich kann nur hoffen, dass ich irgendwann so geschickt mit dem Zeitstrom mit schwimme, das ist das, was ich will, halt einfach gibt, abgesehen von wirklich außerordentlichen und "ausgebrezelten" Dingen, die man sich nicht alle Tage anschafft. Sollen sie es doch ruhig auch mal nicht da haben, aber nicht immer ausgerechnet dann, wenn ich irgendein winziges Teil brauche! Dann trifft es halt einfach jeden Mal, und dann ist es Zufall!
Und als absoluter super-DAU (= dümmster anzunehmender User) habe ich dann noch den Mega- oder vielleicht Terra-oder gar Peta-Coup gelandet. Ich habe mir ein Programm aufgespielt, welches ich noch als gepackte  Exe-Datei in einem Ordner mit Treibern und Programmen zu liegen hatte. Ganz stolz installierte ich das Programm und wollte dann auch die entsprechenden Einstellungen vornehmen. Einige Kürzel und Zeichen und Fachbegriffe verstand ich nicht und versuchte aber, irgendetwas einzutragen. Da ich merkte, dass ich hier nicht weiter komme, habe ich dann meinen PC-Fachmann angerufen, mit dem ich dann per Fernwartung versuchen wollte, meine aktuellen Probleme zu lösen. Merkwürdigerweise ging auf einmal mein Headset aus, sobald ich an meinem USB-Hub ein anderes Gerät ein- oder aus steckte. Oder ich konnte auf meinem Headset nichts mehr hören, sobald ich den Windows Media Player zum Anhören eines Musikstückes  auf den PC-lautsprechern offen gehabt hatte. Niemand wusste, wo das herkommt. Dann kamen wir auf das Programm zu sprechen, welches mir der PC-Spezialist noch vollständig einrichten wollte. Als ich ihm stolz verkündete, eine ältere Version noch zu Hause gehabt und diese verwendet zu haben, schalt er mich, dass ich doch so etwas bitte nicht mehr tun soll. Ich hatte naiver Weise angenommen, wenn die Version alt ist, würde sich automatisch ein Fenster öffnen, um nach Updates zu suchen, und wenn dies nicht geschah, dann war dies halt die aktuelle Version. Er deinstallierte die alte Version, um die neu aus dem Internet gezogene aufzuspielen. Auf einmal ging meine Sprachausgabe nicht mehr, und es kam permanent dieselbe Fehlermeldung. Wir setzten den PC auf ein älteres Datum zurück, aber alles half nichts. Wir versuchten dies mehrmals mit verschiedenen älteren Daseins-Zuständen meines PCs, aber nichts fruchtete. Uns fiel aber zum Glück ein, dass ich ein Großschriftprogramm hatte, bei dem ich einmal eine Sprachausgabe mit dazu erworben hatte, die aber nicht alles vorliest. Mit viel Mühe und Not schafften wir es, dass ich diese Sprachausgabe aktivieren konnte, und irgendwann hatten wir es dann auch nach mehreren Anläufen geschafft, dass ich den Link, den mir mein PC-Experte zuschickte, öffnen und dann auch den Download starten konnte. Dies alles dauerte mindestens eineinhalb Stunden, und es ging langsam auf meine Dialyse zu, und ich wartete schon auf das Taxi. Obwohl der Download nur 5 Minuten gedauert hätte, musste ich den PC bis zum Abend laufen lassen, da mein Handy klingelte, und ich zu meinem Taxi musste. Als ich am Abend nach Hause kam, war der Download Gott sei Dank ordnungsgemäß vollendet worden. Ich wollte das Programm nun installieren, aber der PC schimpfte, ich solle erst einmal die alte Version der Sprachausgabe deinstallieren. Über die Suchfunktion fand ich dann auch die Stichworte Software installieren und deinstallieren, und da gab es von derselben Firma der Sprachausgabe 4 verschiedene Programme, Gott sei Dank waren diese aber gekennzeichnet. So fand ich das richtige, und bei der Deinstallation wurde ich sogar noch gefragt, ob ich die alten Einstellungen auch löschen wollte oder beibehalten wollte. Das freute mich, und so ließ ich die alten Einstellungen drauf. Als ich die Sprachausgabe einschaltete, gab es keine Fehlermeldung mehr. Zu meiner größten Überraschung und Freude lief die Sprachausgabe mit der zuvor eingestellten synthetischen Stimme. Als ich den Rechner probeweise einmal neu startete, hörte ich erst nichts und erschrak, jedoch fiel mir ein, dass ich die Sprachausgabe von Hand einschalten musste. Am nächsten Morgen funktionierte alles noch, und ich konnte sogar die Sprachausgabe so einstellen, dass sie jedes Mal automatisch mit startet, sobald ich den Rechner hochfahre. Ich habe aber die Lehre daraus gezogen, nie wieder selbst ein Programm zu installieren, sondern nur noch die Tasten zu drücken, die man mir vorher genannt hat. So hatte ich auch das Problem, dass ich die oben erwähnte CD nicht brennen konnte, da sich am Ablauf der Bedienung etwas geändert hat. Außerdem fehlt noch ein richtiges Brennprogramm, mit dem man auch CDs kopieren oder als Audio-CDs brennen kann, und mir fehlt noch ein Programm, um meine elektronischen Bücher lesen zu können. Ich habe aber im Moment wirklich die Schnauze voll und brauche erst mal eine Pause. Daher lebe ich jetzt erst einmal ohne diese Programme und werde am kommenden Dienstag mit meiner Helferin die Schritte einüben, um eine CD mit Windows zu brennen und mit ihr zusammen testen, ob das von dem PC-Experten neu heruntergeladene und installierte Programm nun alle notwendigen Voreinstellungen hat, damit ich mit ein paar wenigen Tastendrucken eine CD einlesen und in MP3 umwandeln kann. Ich bin nur noch froh, wenn der PC überhaupt läuft, ich werde keinerlei weitere Experimente mehr wagen. Wenn man dann zusätzlich zu dem Umstand, allem hinterherrennen zu müssen, auch noch so ungeschickt ist wie ich, sollte man sich wirklich auf ein Minimum an Aktivitäten beschränken und die Dinge tun, die man auch wirklich kann.

Montag, 22. Juni 2015

Leserbrief zum Thema Chor für Sehende

Sehr geehrte Damen und Herren, in der letzten Ausgabe der Verbandszeitschrift haben 2 Hörer über ihre gegenteiligen Erfahrungen in einem Chor mit Sehenden berichtet.

Ich habe nur einen Tag Erfahrungen machen dürfen, wie es in einem Chor mit lauter Sehenden zugeht. Eine ehemalige Mitpatientin von der Dialyse fragte mich, ob ich bei einem laut ihrer Aussage einfachen romantischen Chorstück mitsingen wolle, sie bräuchten noch Leute im Alt. Ich ging also hin und wurde auch sehr freundlich von der Organisatorin aufgenommen und zu einem Stuhl geführt. Dann kam der Chorleiter herein, es gab kein Ein Singen, er selbst hatte eine dementsprechend raue Stimme, es ging sofort los, wobei er die Nummer des Taktes angab, an dem gesungen werden musste. Ich bin spät erblindet und kann daher nur die Blindenkurzschrift aber keine blinden Noten. Die hätte es sowieso nicht gegeben. Er ging sofort in die Vollen, und aufgrund meines zusätzlich sehr schlechten Gedächtnisses konnte ich mir die Melodie nicht merken. Außerdem war es ein Jazz- Chor, und die Melodien waren extrem schwierig mit sehr vielen chromatischen Tonschritten.  Danach folgte ein englisches Stück, und ich muss zu meiner Schande gestehen, obwohl ich Englisch studiert habe, verstand ich kein einziges Wort. Selbst wenn ich den Text vor mir gehabt hätte, wäre mir jedes 3. Wort fremd gewesen. Ich erhielt dann netterweise von der Organisatorin ein Programm namens Capella,  bei dem man die Töne hören kann. Zunächst hörte ich mir einmal die Datei mit allen Stimmen, also Tutti an. Das angeblich einfache romantische Stück klang entsetzlich für meine doch sehr an Harmonie gewöhnten Ohren. Der Text stand darunter, aber es war nicht möglich, die Silben genau auf dem Ton zu hören, auf dem sie hätten kommen müssen. Die Sprachausgabe plapperte einfach den Text zu der ziemlich schauerlichen Musik. Es wäre absolut unrealistisch gewesen, mir hier den Text zu merken und zu lernen, wie ich ihn singen müsste. Mir den Text aus dem Internet zu ziehen, hätte auch keinen Zweck gehabt, da ich die passende Melodie dazu nicht hätte singen können. Es wäre auch nicht möglich gewesen, alles mit meinem Notizgerät aufzunehmen, da ich überhaupt nichts von den Worten verstand, die gesungen wurden. Die Einzelstimmen wurden auch kaum geprobt, da vorausgesetzt wurde, dass sowieso jeder Noten lesen kann. Weiter ging es mit Takt Nummer soundso, und der wurde dann zweimal durchgeprobt, dann sollte man es können.

 

In dem Chor auf der Musikfreizeit, auf der ich schon mehrmals in Wernigerode teilgenommen hatte, wurde für jede Stimme alles mehrmals geprobt, wobei die Worte zu den einzelnen Sequenzen der Melodie passten. Man konnte alles bequem aufnehmen und später einüben. Zusätzlich gab es dann Capella als Tutti- Version oder für die einzelnen Stimmen, da einige Chormitglieder dieses Programm auf ihrem Laptop dabei hatten. So konnte auch ich mit meinen mehrfachen Beeinträchtigungen gut klarkommen.

 

Da ich mir schon immer sehnlichst gewünscht hatte, in einer Gruppe mit zu musizieren, hatte ich mehrere Annoncen aufgegeben, wobei dann aber immer ziemlich zweifelhafte Antworten kamen, die mit allem Möglichen aber nichts mit Musik zu tun hatten. Wenn es doch einmal zu einer Zusammenkunft von Musikern kam, hat sich derjenige nicht mehr gemeldet, obwohl die Begegnung recht harmonisch verlaufen war. Ich hatte dann auch mit 2 anderen Blinden, die in meiner Ohrenblicke-Redaktion waren, musiziert, wir wurden nach unserer Darbietung beim Radio-Sommerfest vom Fleck weg für ein inklusives Fest engagiert, aber die beiden waren in ihrer Behindertenwerkstatt und für Proben und Workshops in ihrer dortigen Band so stark eingebunden, dass sich angeblich kein Termin zum Proben vor der Aufführung finden ließ, und wir das mit einer Gage von 50 € pro Person dotierte Engagement sausen lassen mussten, und sich auch keine weiteren Auftritte und Proben mehr ergaben.

 

Jetzt habe ich mich an einer inklusiven Musikschule angemeldet, um dort ein für mich passendes Ensemble zu suchen. [Näheres hierzu im vorherigen Blog-Eintrag. ]

Alles in allem muss ich sagen, dass ich aufgrund meiner mehrfachen Behinderung und der zahlreichen Grenzen, die sich mir an jeder denkbaren Front auftun, immer wieder an irgendeinem Punkt scheitere, der es verhindert, dass einer meiner größten Wünsche sich erfüllt, und sei es nur, dass ich, egal ob unter Sehenden oder Blinden, erst einmal in der eingeschworenen Gemeinschaft eines Chores oder einer Band Kontakt finden muss, was für mich auch nicht einfach war. Ich bewundere daher alle Blinden, die es schaffen, in einem Chor, zumal noch unter lauter Sehenden mit zu singen, sich die Melodien zu merken, die Texte mitlesen zu können oder zu hören, und die ein so großes Talent haben, dass sie ihre Behinderung so gut kompensieren können, was mir bei fast keiner meiner Tätigkeiten oder Vorhaben in meinem Leben bisher gelungen ist. Umso mehr lerne ich jetzt zu schätzen, was hier schon viele berichtet haben, und dass sie sogar in sehr anspruchsvollen Chören mitsingen. Hut ab und weiterhin gutes Gelingen wünscht [hier Steinböckle]

 

 

 

Sonntag, 21. Juni 2015

Sind alle Inkludierbar?

Ein provokantes Stück Text
 
Inklusion ist ein hehres Ziel, doch hat sie, wie die Autorin bisher erfahren hat, auch ihre Grenzen. Hier soll der Frage nachgegangen werden, welche Wünsche und Erwartungen die Inklusion erfüllen soll und kann, und welche Kosten hierfür realistischerweise eingesetzt werden können.
Was ist Inklusion, und was hat sie mit mir zu tun?
Inklusion bedeutet ja eigentlich, dass alle Menschen bereits einbezogen sind, so wie sie sind, und daher niemand integriert werden muss. Somit müssen Voraussetzungen geschaffen werden, bei denen alle Menschen automatisch teilhaben können. Ist dies wirklich für alle möglich? Ich möchte dies anhand meines eigenen Beispieles  diskutieren.
Ich bin fast blind, bin seit 9 Jahren an der Dialyse mit allen dazugehörigen Problemen wie Übelkeit, verringerte Merkfähigkeit, Schwäche und verringerte Leistungsfähigkeit. Im Rahmen meiner Grunderkrankung namens Senior-Loken-Syndrom stellt sich auch die Frage, ob die nun endlich diagnostizierte multimodale Wahrnehmungsstörung dazugehört, und eventuell auch der atypische Autismus, der im Jahre 2012 diagnostiziert wurde. Ich selbst betrachte mich als schwerstmehrfach behindert. Nach meiner Schulzeit, die ich zum Teil in einer integrativen Einrichtung verbracht hatte , deren Scheitern ich schon an anderen Stellen näher beschrieben hatte, habe ich mit Normalsehenden studiert, wobei die Universität aber prinzipiell auf alle sehbehinderten und blinden Rücksicht nahm, da das Studium der angewandten Sprach- und Kulturwissenschaft mit dem Berufsziel Übersetzer ideal für Sehgeschädigte zu sein schien. Nach meinem Studium tat ich alles erdenklich Mögliche, um Arbeit zu finden, bin aber kläglich gescheitert. Kein Arbeitgeber konnte sich vorstellen, eine blinde Frau einzustellen. Als Übersetzerin hätte ich nämlich auch andere Bürotätigkeiten machen müssen, die dann eine Arbeitsassistenz hätte erledigen müssen, wobei dieses Konzept zu derzeit noch nicht ausgereift war. Freiberuflich zu arbeiten war  ebenfalls keine Option, da ich aus welchen Gründen auch immer, trotz großer Bemühungen nie an Aufträge heran kam.
Es war dann ein Projekt im Dunkeln, dass mir zu meiner Arbeitsstelle verhalf, bei der ich 2 Jahre bleiben sollte. Nach der Arbeit im Dunkelgang, wo ausschließlich Sehgeschädigte arbeiteten, musste jeder von uns, der eine solche ABM bekommen hatte, ein Praktikum in einer anderen Einrichtung machen. Der Zufall wollte es, dass im Berufsförderungswerk eine Lehrerin kündigte, und ich spontan diese Chance ergriff, ihre Arbeit als englisch-Ausbilderin übernahm und mich dann mithilfe meines Abteilungsleiters für die vakante Stelle bewarb. Damals wurden von der Agentur für Arbeit im Rahmen eines Projektes 1000 Jobs für Schwerbehinderte geschaffen, wobei das BFW während der 2 Jahre ein Jahr mein Gehalt von der Arbeitsagentur bekam. Der Vertrag wurde nicht verlängert, da in diesem Fachbereich an Festanstellungen gekürzt wurde. Ich hätte auch nicht mehr als Honorarkraft dort arbeiten können, da ich als Schein selbstständig gegolten hätte, wenn ich meine Hilfsmittel dort untergebracht hätte, um in den Ausbildungs-Lücken meinen Unterricht vorzubereiten, wie ich es als fest angestellte in meinem eigenen Büro getan hatte. Zu dieser Zeit gab es noch keine Möglichkeit, mit dem öffentlichen Nahverkehr in dieser Einrichtung zu fahren, so das ich zwischen den Ausbildungs-Lücken auch nicht nach Hause hätte fahren können, um dort den Unterricht vorzubereiten und dann wieder ins BFW zu fahren, denn die Pendelbusse des BFW fuhren nur morgens und abends. Aus diesen und anderen Gründen war meine Arbeit dann nach 2 Jahren dort beendet. Ein Jahr später wurde ich dialysepflichtig und berentet.
Reicht Inklusion auch in Freizeit und Privatleben?
Was stellt man nun an, wenn man den ganzen Tag nichts zu tun hat? Ich unternahm mehrere erfolglose Versuche, mich bei verschiedenen Projekten zu bewerben. Schließlich hörte ich von einem Radioprojekt Namensohrenblicke, bei dem blinde und Sehbehinderte gesucht wurden, die Spaß daran hatten, Radio zu machen. Dieses Projekt läuft seit 2009, wobei alle 2 Monate 1 Stunde gesendet wird.  Mir macht diese Tätigkeit sehr viel Spaß, aber  als jemand, die hart für ihre Ausbildung gearbeitet hat, füllt mich dies natürlich vor allem intellektuell nicht aus. Ich hatte mir ein Leben als Übersetzerin vorgestellt, die an ihrem Schreibtisch zu Hause sitzt und an kniffligen Problemen arbeitet und so ihren – wenn vielleicht auch mageren – Lebensunterhalt verdient. Dieser Traum, der beinahe in einer Promotion gegipfelt hätte, ist nun ausgeträumt.
Einer meiner weiteren Träume war es, mit meiner Gitarre in einer Folk-Band mitzuspielen. Aufgrund meiner Probleme mit der Feinmotorik stieß ich aber an einen sogenannten "artistic celing", soviel ich auch übte. Dasselbe passierte mir mit meiner Querflöte, wo ich nach 7 Jahren disziplinierten Übens aufgab, da ich schon nach 3-4 Jahren absolut keinen Schritt mehr weitergekommen war. Ich suchte nach Musikpartnern und schaltete mehrere Inserate, die alle erfolglos blieben. Außer zweideutigen Zuschriften oder einmaligen Treffen mit Leuten, die entweder stark über oder stark unter meinem Niveau waren, ergab sich nichts. Nun hörte ich von einer inklusiven Musikschule. Dort fragte ich, ob es vielleicht ein Ensemble mit Saitenmusik gibt, bei dem ich mitwirken könnte. Ich las zu meiner Freude, dass die Lehrer eine spezielle Ausbildung durchlaufen hatten, um Behinderte besser unterrichten zu können. Somit schöpfte ich Hoffnung, hier einmal ein Erfolgserlebnis zu haben. Als ich dort hinkam, stellte ich mit Schrecken fest, dass alle wesentlich besser waren als ich. Der Lehrer war ziemlich im Stress, da bald einige Aufführungen anstanden, so konnte er mir nicht helfen. Da ich auch etwas langsamer begreife, und obendrein ein extrem schlechtes Gedächtnis habe, hätte er mir einige Dinge zeigen müssen, die ich mit den Augen nicht von seinem Griffbrett hätte abnehmen können, und er hätte mir auch einige Stücke nach der Stunde kurz auf mein Diktiergerät aufspielen sollen, damit ich diese mit nach Hause nehmen kann, da ich aufgrund meiner sehr schlechten Augen keine Noten mehr lesen kann. Als spät erblindete kann ich auch keine Braille-Noten, und der Aufwand, mir mit einer Hand die Stimme zu ertasten und mit der anderen Hand zu spielen, wie man es beim Klavier machen kann,  wäre einerseits nicht möglich, und selbst wenn, dann andererseits noch umständlicher, als die Musik gleich aufzuzeichnen , um sie mir bis zur nächsten Stunde  auditiv zu erarbeiten. Mir wurde angeboten, bis zu den Sommerferien erst einmal kostenlos dabei zu sein, und es wurde mir versichert, dass es nach den Sommerferien entspannter zugehen würde, und dann mehr Zeit bliebe, um mir etwas zu zeigen, doch befürchtete ich,  dass sich an den Anforderungen und auch am  Schwierigkeitsgrad nichts   Wesentliches ändern würde, und nach einigen Stunden mit Unterstützung das alte Tempo wieder aufgenommen werden würde, wenn dann wieder Aufführungen anstanden . Man schlug mir während der Schnuppertage vor, in eine Gruppe mit geistig Behinderten zu gehen, die von einer der Kursteilnehmerinnen  des schwereren Kurses ihrerseits wiederum selbst geleitet wurde, da ich dort mehr Aussichten darauf hatte, auf meinem Niveau mitzukommen. Bisher war ich ein paarmal dort ,  und bisher bin ich noch nicht an einer meiner  Zahlreichen Grenzen gescheitert.  Aber ich würde mir wünschen, dass sich bei uns  auch ein paar Nichtbehinderte  einfinden würden,  und ich finde es schade, dass   ich sozusagen wieder bei Behinderten, also bei meinesgleichen gelandet bin. Ich sprach dies gegenüber einer der Sekretärinnen der Schule an, und die meinte, es können in jede Gruppe auch Behinderte gehen. Ich frage mich, ob dann angesichts  des Probenstresses wirklich langsamer und rücksichtsvoller vorgegangen werden kann, oder ob der behinderte mehr Voraussetzungen mitbringen müsste, um genauso schnell wie die anderen in der Gruppe mitzukommen, oder zumindest nicht so extrem stark behindert sein darf , wie ich es z.B. bin.
 
Und was ist dann wirklich Inklusion, und wird es sie je für jeden geben?
Inklusion würde für mich bedeuten, einen Weg zu finden, dass ein behinderter mit seinen Einschränkungen tatsächlich in einer Gruppe von Nicht-Behinderten mitkommt. Inklusion bedeutet für mich nicht, wenn es in einer Schule für Nicht-Behinderte eine oder zwei Klassen mit Behinderten gibt. Wobei es natürlich ein Fortschritt ist, dass Behinderte nicht mehr komplett in separaten Einrichtungen unterrichtet werden, sondern in einer für alle zugänglichen Einrichtung sichtbar werden.
Ich frage mich daher, ob wirklich die volle Inklusion  mit gemischten Gruppen möglich ist, oder ob es immer wieder Menschen geben wird, die so stark behindert sind, dass sie nicht inkludiert werden können. Immerhin ergeben sich hier auch finanzielle Grenzen. Bei mir tut sich z.B. noch ein weiteres Problem auf, nämlich der Weg zu dieser Musikschule. Sie ist 10 km von mir entfernt, und ich komme aufgrund meiner schlechten Orientierung alleine dort nicht hin. Die Schule ist von der U-Bahn zu weit weg, als dass ich, die es gerade mal schafft, Nahziele wie Bäcker oder Metzger mit Mühe und Not zu erreichen, dort ohne größere Probleme selbst mit intensivem Üben des Weges hinfinden würde. So müsste ich die Hin-  und Rückfahrt mit dem Taxi bestreiten, wobei uns jährlich ein stattliches Kontingent von 1500 km vom Bezirk zur Verfügung gestellt wird. Ich würde also im Monat 80 km verbrauchen, wobei ich dann kaum noch andere Fahrten zu Veranstaltungen wie Kino oder Konzerten durchführen könnte. In dieser Schule gäbe es nun auch  ab nächstem Jahr die Möglichkeit, wieder Querflötenunterricht zu nehmen, und dann kostenlos in diesem Ensemble mitzuspielen. Wenn ich den  Flötenunterricht nicht nehme, zahle ich für das Ensemble eine geringere Jahresgebühr, habe aber dann nur einen Kurs . Daher wollte ich gerne beide Angebote wahrnehmen, da ich hoffte, dass man mir vielleicht dort auch ohne Noten und mit all meinen behinderungsbedingten Einschränkungen helfen könnte, zumindest einige Stücke auf meinem Niveau zu erlernen. Diese hätte ich dann auch gleich in dem Ensemble zum Einsatz bringen können. Denn jahrelang hatte ich nur gelernt, ohne meine musikalischen Kenntnisse einmal mit anderen umsetzen zu können, oder das schöne Gefühl zu erleben, in Gemeinschaft zu musizieren. Dann allerdings würde ich pro Monat 160 km verbrauchen, da ich ja dann zweimal zu dieser Schule fahren müsste. Es gibt für mich keine andere Möglichkeit, zu dieser Schule zu gelangen, es sei denn, ich fahre mit dem  ÖPNV zu einer nahegelegenen Haltestelle und lasse mich dort von einem Taxi abholen.  Dort kann man aber über die Zentrale kein Behindertentaxi bestellen, so dass ich mir ein zuverlässiges Taxiunternehmen suchen musste, welches bereit ist, mich diese zwei Kilometer von der Haltestelle zur Schule zu bringen und dort auch wieder abzuholen und zur U-Bahn zu chauffieren . Bei  zwei Kursen pro Woche  ergibt sich durch den immensen Zeitaufwand von einer Stunde einfacher Fahrt  mit ÖPNV und Taxi dann wieder einmal ein behinderungsspezifisches Problem.
Was darf Inklusion kosten, und lohnt sich der Aufwand für jeden?
Ich frage mich, inwieweit es möglich ist, einen Menschen mit so starken Behinderungen wie von meinem Ausmaß in der Gemeinschaft teilhaben zu lassen, und wie weit hierfür die Kosten übernommen werden können. Inklusion hat ihre Grenzen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass man zur Bespaßung einer einzelnen behinderten so einen hohen finanziellen Aufwand betreiben würde, mir zum Beispiel eine Möglichkeit zu schaffen, doch noch  ohne diesen beschriebenen Aufwand an diesem Unterricht teilzunehmen. Mir wird nichts anderes übrig bleiben, als mich wiederum einzuschränken.
Wie teuer Inklusion sein darf, hängt meiner Meinung nach sicher auch davon ab, welchen Nutzen ein behinderter noch bringt. Ein Steven Hawking wird sicher die hohen Kosten, die er verursacht, in vollem Umfange ersetzt bekommen. Eine mehrfach behinderte Rentnerin, sei sie auch erst 47, deren Hobbys aber niemandem mehr von Nutzen sind, wird für ihre Lieblingsbeschäftigungen, die sie nur für sich selbst unternimmt, keinen so hohen finanziellen Aufwand wert sein. Wie teuer darf also Inklusion sein, wenn es dabei ausschließlich um die Freude geht, Teilhabe an einer (z.B. musizierenden) Gruppe zu haben? Können wir uns dies leisten, und wenn nicht, ist dann die Inklusion nur eine Utopie?
Ist jeder inklusionsfähig, und wenn ja, warum dann doch nicht jeder?
Ich selbst halte mich für nicht Inklusionsfähig. Meine Behinderungen sind zu stark und zu vielfältig , und ich stoße bei jeder Tätigkeit, bei der ich mich verwirklichen und entfalten möchte, an irgend eine meiner Grenzen. Ich habe es beruflich nicht geschafft, mich in die Welt der sogenannten "Normalen" zu integrieren. Ich hatte auch später nie die Möglichkeit, meine Kompetenzen und Fertigkeiten und erworbenen Fähigkeiten in die Gemeinschaft einzubringen, worunter ich heute noch leide, da es auch in meinem privaten Leben nicht möglich ist, mein Wissen und meine Stärken anzubringen, da mir selbst mein Fachwissen von meiner Umwelt häufig nicht abgenommen wird, denn aufgrund meines Erscheinungsbildes werde ich gemeinhin unterschätzt. Es ist nahezu unmöglich, eine ehrenamtliche Tätigkeit zu finden, wo ich gebraucht werde  und mein mühevoll erworbenes Wissen vielleicht doch noch unterbringen könnte, da ich aufgrund meiner sozialen Schwierigkeiten andere häufig nicht von meinem Wissen und meiner Kompetenz überzeugen kann. Auch in meiner Freizeitgestaltung schaffe ich es häufig nicht, die sich mir darbietenden Herausforderungen zu überwinden, und ich habe auch nicht die speziellen Fähigkeiten , die sich zum Beispiel auf  die Teilnahme an einem Chor für Sehende oder an einem Gitarren-Ensemble ausgleichend auswirken würden , wie z. B.  ein absolutes Gehör oder  die Merkfähigkeit, die Stücke auswendig zu lernen.  Es gibt durchaus Behinderte, die so gut sind, dass sie durch ihre Stärken ihre Behinderung kompensieren können. Für durchschnittlich begabte Menschen wie mich gibt es keine Möglichkeit, meine großen behinderungsbedingten Defizite auszugleichen.
Ist eigentlich jeder behindert, und sind Nichtbehinderte auch exkludiert?
Wenn ich mit Nicht-Behinderten über meine Grenzen spreche, sagt man mir oft, jeder sei doch irgendwie behindert. Ich persönlich fühle mich dann regelmäßig verhöhnt, auch wenn solche Sätze gemeinhin gut gemeint sind. Es gibt wahrscheinlich wenige Menschen, die meine heftige emotionale Reaktion auf solche Äußerungen verstehen können. Ich habe nämlich noch nie einen Arbeitgeber erlebt, der mir sagte, jeder ist doch irgendwie behindert, sie haben eine gute Abschlussnote, andere Bewerber sind genauso behindert, daher suche ich mir sie aus. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass andere Menschen, die als nicht-behindert bezeichnet werden, permanent an solche Grenzen stoßen wie ich, auch wenn mir gegenüber die Menschen immer betonen, dass doch jeder seine Grenzen hat. Nun, es gibt Grenzen, mit denen man leben kann, es kann nicht jeder ein Flamenco-Meister werden. Meine Grenze tritt aber schon wesentlich früher auf, sodass meine Fertigkeiten nicht einmal ausreichen, um in einer Band die Gitarrenbegleitung vollständig zu übernehmen, oder nicht  einmal dazu, mich sozial in einen Chor für Sehgeschädigte zu integrieren, da ich aufgrund der oben erwähnten Problematik Kontaktschwierigkeiten habe. So frage ich mich, ob die Menschen, die jeden für irgendwie behindert halten, mit mir tauschen würden, und ob mir deren „Behinderung“ vielleicht doch besser gefallen würde. Nun gibt es ja die Aussage, wir sind nicht behindert, wir werden behindert, es läge also an der Umwelt, die nicht genügend für inklusive Bedingungen sorgen würde. Ich kann aber für mich ganz persönlich sagen, selbst wenn alle Bedingungen erfüllt wären, um behinderte zu inkludierem, hätte ich immer noch genügend eigene Schwierigkeiten, die es verhindern, dass ich in einem zufriedenstellenden Maße am Leben teilhaben könnte. Meine internistischen Probleme oder meine neurologischen und psychosozialen  und wahrnehmungsbedingten Schwierigkeiten würden sich durch eine vollständig barrierefreie Umwelt nicht beheben lassen.
Wieviel darf's denn sein, und was sollte man sich grundsätzlich abschminken?
Dauernd höre ich den Satz, ich hätte einfach zu hohe Ansprüche (an mich). Wenn man mich mit dem Maßstab misst, an dem man schwerst mehrfachbehinderte Menschen miteinander vergleicht, habe ich wahrscheinlich mehr erreicht als diejenigen, die als sogenannte geistig Behinderte in einer Behindertenwerkstatt landen. Im Zuge der Inklusion sollte man aber beginnen, uns behinderte an den allgemeinen Maßstäben der Welt der Nichtbehinderten zu messen. Und im Vergleich zu ausgerechnet denen, die mir ein hohes Anspruchsdenken vorhalten, lege ich auf der Skala ganz unten. Ich darf mir nicht anmaßen , dass es mir nicht ausreicht, nur alle 2 Monate eine Radiosendung zu machen, dass es mich nicht befriedigt, nur für mich alleine zu musizieren, und ansonsten einfach nur zu wohnen und zu existieren und zur Dialyse zu gehen. Ich habe keine eigene Familie und aufgrund zahlreicher Schwierigkeiten auch keine Katzen mehr, keine berufliche Perspektive, kann mich musikalisch nicht so verwirklichen, wie es ohne diese mannigfaltigen Hürden mit meinem großen Einsatz eigentlich möglich gewesen wäre,  konnte aufgrund meiner Probleme mit Gleichgewicht und Koordination keinen Führhund haben, und scheitere aufgrund meiner Probleme mit Sensibilität und Feinmotorik an der Nutzung eines iPhones oder iPads, welches als Hilfsmittel für blinde immer wichtiger wird, und ohne dies man langsam abgehängt wird. Meine Mobilität ist aufgrund meiner Dialysepflichtigkeit und der damit verbundenen Erschöpfung sowie wegen meiner Orientierungsprobleme und Verschlechterung meiner Augen geringer geworden, sodass sich mein Handlungsradius noch mehr eingeschränkt hat. Ich kann zu Hause Fernsehen und Hörbücher hören und habe auch einen einzigen Nachhilfe Schüler, der übrigens der Erste von zahlreichen Gitarren- und Nachhilfeschülern ist, der bei Nicht-erscheinen absagt und sich an die Grundregeln des menschlichen Umganges hält. Das muss reichen, der Wunsch nach Selbstverwirklichung, intellektuellem Austausch, bei dem ich auch mein Wissen anderen zur Verfügung stellen könnte, mein sehnlichster Wunsch nach wachsender musikalischer Entfaltung oder nach größerer Mobilität durch ein für mich nutzbares Navigationsgerät oder durch die gescheiterte Nutzung eines Führhundes sind für mich ein zu anspruchsvolles Unterfangen. Ich würde mir einfach wünschen, dass es Menschen gibt, die zumindest sehen können, dass meine Ansprüche weit unter dem liegen, was ein normaler Mensch in unseren Breitengraden alles unternehmen kann. Inklusion erschöpft sich aber bisher nur darin, dass angeblich alle irgendwie behindert sind, und dass es ein paar mehr Projekte gibt, wo Behinderte meist unter sich annähernd dieselben Dinge tun können, die Nichtbehinderte schon längst tun.
Wie weit muss also Inklusion gehen, damit sie wirklich jeden,  aber auch jeden mitnimmt, und können wir uns das überhaupt leisten?
Inklusion ist für mich dann erfüllt, wenn meine Wünsche nach beruflicher Teilhabe gemäß meines Abschlusses, nach angemessener Freizeitgestaltung und nach ausreichender Mobilität nicht mehr als anspruchsvoll oder als zu hoch gegriffen sondern als realistisch, legitim und machbar angesehen werden. Und als vollwertiger Mensch mit allen Grundbedürfnissen und Wünschen ernstgenommen fühle ich mich dann, wenn meine eigenen Ziele, Fortschritte bei Musik und Technik zu machen oder mich mit Nichtbehinderten messen zu können, nicht mehr als zu hohe Erwartungen an mich  selbst angesehen werden, sondern dass es Möglichkeiten gibt, die Geduld, die Zeit, die Ressourcen und das Geld aufzubringen, dass mir dies ermöglicht wird, zumal ja die geistigen Voraussetzungen vorhanden sind.
Was hat Inklusion mit Ernstnahme zu tun?
Ein geistiges Bewusstsein macht aber meine jetzige Situation nicht gerade einfacher sondern eher noch schlimmer, da ich das volle Ausmaß meiner Situation in vollem Umfange begreife. Und obwohl ich geistigfit bin und verbal ausreichend eloquent bin, um meine Situation zu schildern, erhalte ich von meinen Mitmenschen meistens nur gut gemeinte und schlicht gestrickte Ratschläge, nicht aufzugeben, mit dem zufrieden zu sein, was man hat, es könne ja noch schlimmer sein, und ich solle immer weiter alles probieren, und wie gesagt, nicht immer so schnell und gleich aufgeben. Ich frage mich, ob ich mein Anliegen überhaupt ausreichend klarmachen kann, oder ob man mir aufgrund meiner Wirkung überhaupt zutraut, schon jahrelang alles probiert zu haben und auf die meisten Ratschläge, die man mir angedeihen lässt, nicht auf schon selbst gekommen zu sein . Einen Menschen ernst nehmen bedeutet halt manchmal auch, ihn mit der Unabänderlichkeit seiner Situation auszuhalten und mitzutragen, oder wirklich und ehrlich nach Wegen zu suchen, echte Abhilfe zu schaffen. Dazu gehört eben auch der Fortschritt in der Inklusion, die aber leider Gottes, wie hier ausgeführt, eben auch ihre Grenzen hat.
 
Vita:
Geboren 1968, Besuch einer Sehbehindertenschule mit Internat von 1974-1980, Besuch eines integrativen Gymnasiums mit Internat von 1980-1989, Amerikaaufenthalt von 1989-1990, Studium der angewandten Sprach- und Kulturwissenschaft in Germersheim von 1990-1997, zwei Auslandssemester in England von 1993-1994, Arbeit im Berufsförderungswerk als Englisch-Ausbilderin von 2002-2004, Dialysepflichtigkeit seit 2006.

Freitag, 19. Juni 2015

Wie weit geht Toleranz?

Vor zwei Tagen hatte ich ein seltsames Erlebnis in der U-Bahn. Ich, stark sehbehindert, stieg in die U-Bahn ein und setzte mich. Da lief ein Mann herum, der permanent laut vor sich hin sang: „alle Damen haben schöne Augen. Was die Damen sonst noch haben, weiß ich nicht, da müsste ich in einem Fachbuch nachschauen.“ Dies wiederholte er in variieren der Lautstärke und näherte sich auch meinem Sitz. Ich bin leider häufig „Opfer“ von solchen Menschen, die in alkoholisiertem oder verwirrtem Zustand dann auf mich zukommen, mich mitunter sogar anfassen und sich an mich heften. Aus dieser Angst heraus sagte ich dann auchzu meiner Sitznachbarin , da ich immer laut denke: "was ist denn das für ein Depp, hoffentlich kommt er nicht zu mir, sie werden schon sehen.“ Tatsächlich kam er immer näher, und ich schaute demonstrativ zum Fenster hinaus. Dies bemerkte er auch, räsonierte dann weiterhin vor sich hin, „ich bin ja nur ein Depp, haben Sie gesagt, alle Damen haben schöne Augen usw.“. Ich ging dann zum Ausgang, wo einige Leute herumstanden, und ich bat sie, dass sie etwas aufpassen sollten, dass er mir nicht nachgeht. Da erhielt ich von einer Frau die Abfuhr: „Sie sind wirklich arrogant, wenn sie einen Menschen, der anders ist, so behandeln, wo bleibt hier die Toleranz?" Eigentlich müsste ich es ja besser wissen, nachdem ich selbst behindert bin. Nun möchte ich aber dazu anmerken, dass ich selbst mir oft so viel Zivilcourage von anderen gewünscht hätte, wenn ich in der Lage derjenigen war, die beschimpft, beleidigt oder angefasst wurde. Dies ist mir in meinem Leben häufig passiert, wobei ich aber keine solch „couragierten“ Zeitgenossen in der Nähe hatte, die so für mich in die Bresche gesprungen wären, wie es diese Frau für diesen Mann getan hat. Als ich einmal in die U-Bahn stieg, schrieen 2 Burschen mit rechter Gesinnung ganz laut: „da hilft nur noch Zyklon B.“ Ich finde so eine Bemerkung schlimmer, obwohl ich gleich gemerkt habe, wess´  Geistes Kind diese Jungs waren und daher die Bemerkung nicht sonderlich an mich heranließ. Ich bin aber häufig schon angefasst oder belästigt worden, wo niemand eingegriffen hat. Auch in meinem Alltag habe ich schon öfter Mobbing erlebt oder bin mit meinen Ansichten alleine dagestanden, wo niemand die Zivilcourage hatte, vor den anderen meine Ansicht mit zu vertreten.

 

Ich kann mich erinnern, dass ich in der Schule bis aufs Blut gequält wurde von meinen sehenden Mitschülern, dass ich aufgrund meiner Wehrlosigkeit auch später im Leben noch häufig nicht zum Zuge kam, wenn irgendetwas ausgeteilt wurde oder man einen Platz suchen musste usw. Wenn dieselbe Mahnung an diese Menschen gegangen wäre, doch mit mir toleranter umzugehen, wie sie mir heute zuteil wurde, hätte ich das verstehen können. Ich frage mich manchmal, ob es so etwas wie eine soziale Hierarchie gibt. Mit mir darf man umgehen, wie es einem beliebt, und selten greift eine ein. Wenn ich aber, da ich eben auch ein Mensch  mit Fehlern bin , obwohl ich einer Randgruppe angehöre , auch selbst einmal eine flapsige Bemerkung über jemanden fallen lasse, der sich ganz offenbar seltsam benimmt, bin ich arrogant und intolerant. Ich finde das heuchlerisch, zumal ich mir sicher bin, dass 99 % aller derjenigen, die in der Bahn saßen, genauso gedacht haben wie ich, und das in 50 % aller Fälle auch jemand einmal laut denkt und eine abfällige Bemerkung über einen merkwürdigen Zeitgenossen fallen lässt. Mir hingegen, die selbst einer Minderheit angehört, gesteht man dies offenbar nicht zu, obwohl man nicht automatisch tolerant wird, nur weil man mit einer Behinderung auf die Welt kommt. Mir sind negative Gefühle  anderen gegenüber genauso wenig fremd wie allen anderen Erdbewohnern auch. Ich kann mich aber nicht erinnern, zumindest im Erwachsenenalter, jemanden einfach aus einer Gruppe ausgestoßen zu haben, nur, weil er anders war, was mir aber sehr häufig passiert ist. So ein Verhalten fände ich dann wirklich arrogant und intolerant.

 

Zudem muss man mir zugestehen, dass ich große Angst hatte, aufgrund meiner Vorerfahrungen, die ich diesbezüglich gemacht habe, wo sogar Menschen daneben saßen und zusahen, wie ich belästigt und angefasst wurde, und dann diese "toleranten Zuschauer" auch noch bissige Bemerkungen darüber machten, dass ich nicht auf die Anmache des alkoholisierten "andersartigen Menschen" einging sondern wie jeder andere auch meine Ruhe haben wollte. Ich muss mich also mit jedem abgeben, während andere sich genau aussuchen, mit wem sie es zu tun haben wollen oder nicht. Immerhin habe ich dies schon häufig schmerzhaft erfahren, dass ich aufgrund meiner Behinderung und vielleicht auch aufgrund meiner Art und meines Wesens von anderen nicht in die Gemeinschaft aufgenommen wurde. Selbstverständlich bin ich daher sensibilisiert, da mir ja das gleiche auch schon passiert ist, daher habe ich auch mit meiner Sitznachbarin in der U-Bahn darüber nachgedacht, ob man eventuell die Polizei holen müsse, da der Mann, der auch noch eine Bierflasche in der Hand hielt, offenbar betrunken und verwirrt war. Ich beschied aber dann, dass er harmlos sei, und solange er niemandem etwas täte, nichts unternommen werden müsse. Wo beginnt hier die Toleranz, und wo hört sie auf? Was wäre gewesen, wenn der Mann angefangen hätte, andere zu belästigen? Wer hätte dann als 1. geschrien, dass keiner etwas getan hat?

 

Toleranz bedeutet, andere so zu lassen, wie sie sind. Die Freiheit und die Grenzen des einzelnen hören aber da auf, wo die Freiheit und die Grenzen des anderen beginnen.  Die Aufforderung zum mutigen Einschreiten sollte aber dann auch für alle Menschen gelten. Zivilcourage bedeutet, da einzugreifen, wo jemand wirklich verletzt wird. Das Eingreifen sollte aber nicht selektiv geschehen. Es ist leicht, Zivilcourage zu zeigen einer Frau wie mir gegenüber, die sowieso harmlos ist und sich nicht wehren kann, aber man sollte sich seine Energie dafür aufheben, dort Zivilcourage anzuwenden, wo jemand wirklich anderen Menschen intolerant, verletzend und beleidigend begegnet, also da, wo es wirklich Mut erfordert. Wenn sich also einmal jemand traut, einzuschreiten, wenn eine sozial niedere Person wie ich angegriffen wird, wo es also wirklich Mut erfordert, sich vor so eine Person zu stellen,  dann lasse ich mir auch sagen, dass mein Verhalten diesem armen und verwirrten Mann gegenüber nicht in Ordnung war. Mir aber Arroganz und Intoleranz vorzuwerfen, weil ich mich auch schützen möchte, und niemandem wirklich etwas getan habe, ist ziemlich billig.