Sonntag, 28. Juni 2015

Gott sei's getrommelt, gepfiffen und gebassgeigt!

Gott sei es getrommelt, gepfiffen und gebassgeigt!
Letzten Donnerstag war ich probehalber in der Gruppe von Menschen mit geistigen Behinderungen, um dort, wie mit der Lehrerin ausgemacht, mit zu musizieren. Ich hatte natürlich Bedenken, dass ich wieder mal enttäuscht werden würde, sei es, dass es für mich zu schwierig sei, oder das Niveau vielleicht zu niedrig wäre, oder die Stilrichtung eine ganz andere wäre. Immerhin hat sie mir gesagt, es sei auch Keyboard und Schlagwerk dabei. So fuhr ich mit gemischten Gefühlen und verhaltener Hoffnung zu der Musikschule, bei der ich schon einmal versucht hatte, bei einem Gitarrenkurs für Fortgeschrittene mitzukommen und mal wieder heftig an meine Grenzen gestoßen war.
Wir waren ganz oben, an diesem Tag war es besonders heiß, so dass sich der Raum  gut aufgeheitzt hatte. Ich war die 1., die eintraf, und so packte ich die Gitarre aus und stimmte sie schon einmal. Nach und nach trudelten die ersten Teilnehmer ein, die sich ziemlich lautstark und teilweise etwas unartikuliert unterhielten. Ich dachte, das kann ja was werden. Dann kam die Lehrerin und bat sie, etwas leiser zu sein. Jeder nahm sein Instrument, wobei mir die Lehrerin erklärte, dass einige auch flexibel seien und mehrere Instrumente spielen könnten. Ihr Mann war auch dabei, der normalerweise Gitarre spielt, sich aber an diesem Tag den Contra-Bass griff, da die Bassistin  nicht da war. Allein dieser Umstand, dass die Leute sogar an verschiedenen Instrumenten einsetzbar waren, beeindruckte mich bereits.
Da ich mir jegliche Art von Frustration ersparen wollte, bat ich sie, ein ganz einfaches Stück auszuwählen. Sie suchte eines mit nur 2 Griffen aus, bei dem ich mühelos mithalten konnte. Zu meinem allergrößten Erstaunen spielten die Leute alle ihr Instrument mit mehr oder weniger sehr großer Virtuosität. Einer der Behinderten spielte auf der Gitarre die Melodie des Stückes, ein junges Mädchen spielte Keyboard und konnte sogar improvisieren. Der Hammer  des Erstaunens für mich war aber ein junger behinderter Mann, der sich etwas unkoordiniert bewegte, mit  offensichtlich großen Schwierigkeiten zum Klavier lief und eine etwas undeutliche Sprache hatte , dann aber dermaßen virtuos in die Tasten haute, dass mir die Ohren abfielen. Er spielte die allerfeinsten Jazz- Akkorde und improvisierte, dass es eine Art hatte. Bei jedem Stück gab die Lehrerin ihm Gelegenheit, ein Solo mit Improvisation einzulegen, was auch das andere Mädchen mit Begeisterung tat. Wir spielten sehr einfache Stücke, unter anderem eine griechische Folkloremelodie, ein paar englische Stücke, die später sogar zu einem Schlager wurden, früher aber Volkslieder waren, und auch ein allseits beliebtes Igel-Lied, welches ich sehr nett fand. Zwischendurch kamen immer wieder Leute, da Tag der offenen Tür war. Ich hatte den Eindruck, dass die Leute, die uns zuhörten,  über unsere Fähigkeiten staunten. Es kam doch ein ordentlicher Sound zustande, und alles harmonierte prächtig. Es war ein etwas schweres Stück dabei, wobei sie versuchte, mir die Griffe zu erklären. Mein Problem ist, dass ich meistens nur die Vokale hören kann, wobei mir die Konsonanten nur verschwommen zu Ohren kommen, und ich dann nicht unterscheiden kann, ob ich ein Ge, ein Ce oder ein E spielen soll. So musste sie mir die Griffe mit Caesar, Gustav und Emil benennen. Bei dem schwereren Stück wollte sie mir erst gar nicht sagen, welche Griffe da kommen, da diese ziemlich abschreckend klangen. Allerdings hatte ich Mühe, mich an die Notierung der Akkorde zu gewöhnen, da ich es in England anders gelernt hatte. Ich war verwirrt, die ich doch viele englische Gitarrenbücher habe und mir in England mit einem englischen Buch mehr oder weniger selbst die 1. Schritte auf der Querflöte beibrachte, bedeutete hier doch C Major nichts weiter als C-Dur im Gegensatz zu C-minor, was C-Moll bedeutet. Somit dachte ich, dass demnach auch CM7 nichts weiter als ein C-Sept-Akkord sei . Sie sagte mir aber, CM7 ist etwas ganz anderes, da hier nicht B sondern H vorkommt. Ich zog daraus fälschlicherweise den Schluss, dass hier womöglich Missverständnisse wegen der unterschiedlichen Notierung  im Deutschen und Englischen vorlagen, da B im Deutschen H ist.  Doch wird hier ja ein deutsches Buch verwendet, dass ja ganz normal H schreibt.  Ich merkte also, dass ich mich hier mit den  Griffen wohl neu orientieren  und erst mal die englische Schreibweise vollkommen  außen vor lassen muss.
 
Ich bin sehr zufrieden, und ich werde in dieser Gruppe auch bleiben. Es ist wirklich schön, dass ich nach 20-30jähriger Suche – abgesehen von einigen Gelegenheiten, auf Musikfreizeiten mit anderen ein paar Lieder einzustudieren –,  endlich eine feste Musikgruppe gefunden habe. Zunächst einmal werde ich dort kostenlos bis zum Ende des Schuljahres hingehen, da es nur noch ein paar Stunden sind bis zu den Sommerferien. Danach werde ich mich einschreiben, was auch versicherungsrechtliche Vorteile hat.
 
Es bleibt noch ein Problem, welches gelöst werden will. Die Taxifahrt zu der Schule beträgt ungefähr 7-10 km einfach, sodass ich jede Woche 15-20 km meiner Taxikilometer ausgeben muss. Somit wären dies jeden Monat 60-80 km, die nur für diese eine Beschäftigung drauf gingen, und ich könnte fast keine anderen Unternehmungen mehr durchführen oder einmal zu einer anderen Veranstaltung fahren. Außerdem muss ich, da es in dieser Stadt, in der die Musikschule ist, nicht möglich ist, über die Zentrale ein Behinderten Taxi zu bestellen, jedes Mal in meinem Heimatort anrufen, und bis das Taxi bei mir ist, dauert dies schon einmal 20 Minuten. Die einzige Lösung bestünde darin, die vereinzelt existierenden Unternehmen in der anderen Stadt zu finden, die die Zulassung als Behinderten Taxi haben. Dann könnte ich mit der U-Bahn bis zu der Haltestelle fahren, die dieser Musikschule am nächsten ist, wobei ich zu einer festgesetzten Zeit dort sein müsste, damit das Taxi mich dort abholen und zur Schule bringen könnte. Das Taxi müsste dann nach 1 Stunde wieder da sein, um mich abzuholen und wieder zur U-Bahn zu fahren. Das wären dann höchstens 2 km einfach. Da muss man aber auch ein Taxiunternehmen finden, welches den ausreichenden Idealismus hat, wegen so einer kurzen Strecke zu einer festgelegten Zeit irgendwohin zu fahren, in der der Taxifahrer vielleicht sich dann eine schöne Fahrt entgehen lassen muss, die er an einem Taxistand hätte bekommen können. Mit einem Unternehmen habe ich es mir ja bereits verscherzt , da ich mit ihm zur Dialyse fuhr, und das Taxi wechselte, da er mich laufend zu spät abholte. Er war damals beleidigt, weil ich ihm erst dann gekündigt hatte, als ich schon ein anderes Unternehmen gefunden hatte, zu dem ich wechseln konnte. Nun muss ich einmal über unseren Bezirk anfragen, ob die eine Liste mit den aktuellen Unternehmen haben, die in dieser Stadt die Zulassung als Behinderten Taxi besitzen. Außerdem ist das Treppenhaus in der Musikschule ziemlich schwierig für mich ,  da zwei Häuser aneinandergebaut sind. Mit meiner schlechten Orientierung bräuchte ich hier immer Hilfe. Die behinderten Teilnehmer wären damit wahrscheinlich überfordert, mich mit nach unten zu nehmen. Daher bringt mich der Mann der Lehrerin  nach unten. Ich hatte schon angefragt, ob jemand von Ihnen zufällig in meine Stadt fährt, und ich vielleicht dorthin im Behindertentaxi mitfahren könnte, aber das hat nicht funktioniert. Eine Teilnehmerin  wohnt im selben  Wohnnprojekt wie eine Bekannte von mir , und ihr Freund holt sie  ab, dann kann ich mitfahren.  Sie ist nicht jedesmal dabei, aber ab und  an kann ich dann diese günstige  Gelegenheit  nutzen, wobei ihr Freund mir netterweise anbot, mich bis nach Hause zu fahren.
 
Außerdem bat ich die Lehrerin noch , ob sie mir die Sachen auf mein Notizgerät spielt.  Sie beruhigte mich aber,  wir würden sehr langsam vorgehen, sie würde sowieso nur selten ein neues Stück einführen, und wir würden dies oder jenes Stück sowieso noch öfter spielen. Ich zweifele aber, dass mir  Damit geholfen ist , denn davon, dass es häufiger gespielt wird, lerne ich es nicht, zumal einige sehr exotische Griffe dabei sind, wo ich erst lernen muss, wie man sie überhaupt greift, ohne sich die Finger zu verknoten. Ich muss erst immer jemanden haben, der mir die Griffe ausdrücklich sagt und mir erklärt, wann sie gespielt werden müssen. Nach mehreren solcher Probedurchgänge verstehe ich dann das Stück und kann es auch auswendig spielen. Die anderen können Noten lesen, oder sie können die Griffe aus dem Buch entnehmen. Dies ist mir natürlich nicht möglich, obwohl ich die meisten Griffe auch heraus hören kann, aber bei weitem nicht alle. Bei einem der Stücke hat sie mir die Abfolge der Griffe erklärt, die ich dann auch Verstand und mir merken konnte. Wenn ich einfach nur das Stück versuche nach zu spielen, gelingt es mir auch nicht, es mir anzueignen, selbst wenn es mehrmals gespielt wird. Ich hoffe, dass sie mir hier immer die Hilfestellung geben kann, die ich brauche, da es sich ja um eine Gruppe von Behinderten handelt, die alle ihre Aufmerksamkeit brauchen .
 
Ich hoffe also, dass all diese Hürden und Problemstellungen noch überwunden werden können, und dann kann ich das Musizieren auch in vollen Zügen genießen, und ich freue mich schon auf die nächste Stunde, wo wir sicher wieder einfache Stücke spielen, die aber doch aufgrund der Vielfalt der Instrumente und der Personen sehr viel her machen.

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