Sonntag, 21. November 2010

Alles was einen "verblöden" lassen kann

Dass ich an geistiger Leistungsfähigkeit einbüße, liegt freilich auch an der Dialyse, was mir aber keiner glauben will. Aber meine geistige Leistungskraft hat rapide nachgelassen. So könnte ich mir heutzutage beispielsweise nicht mehr vorstellen, nochmal eine Fremdsprache zu lernen, obwohl ich das ja sogar an der Uni tat. Auch bin ich im Alltag viel zerstreuter, vergeßlicher und unkonzentrierter geworden, was sicher auch an den Vergiftungserscheinungen der Dialyse liegt. Da das nicht bei jedem so ist, und da dies von vielen als Ausrede verwendet wird, ist das bereits inflationär, und daher glaubt mir das keiner. Außer dumme Sprüche wie "ich kann mir auch weniger merken, Du wirst halt alt", (mit 42, wo andere mit 80 noch ein Seniorenstudium machen), höre ich nichts Anteilnehmendes.

Aber es gibt noch einen viel tieferen und verheerenderen Grund als die allmählich chronisch werdenden Vergiftungserscheinungen, nämlich etwas Chronisches, was die Seele zermürben und den Menschen systematisch kaputtmachen kann.

Ich möchte hier meinen Schmerz in die Welt schreien! Ich habe ein vollwertiges Studium gemacht, habe viele Erfahrungen und Erlebnisse gehabt, war in vielen Ländern, bin viel gereist, wohne alleine,…..

Dennoch sind alle um mich herum Besserwisser. Was ich erlebe, sind immer die Ausnahmen, was mein Gegenüber erlebt, ist immer allgemeingültig und verallgemeinerbar. Deckt sich mein Erlebnis mit dem Erlebten des Gegenübers, habe ich Glück, und mir wird huldvoll zugestanden, dass ich „recht habe.“ Deckt es sich nicht, dann sind meine Erfahrungen nur meine privaten Erlebnisse, die „man“ nicht verallgemeinern kann, was natürlich mein Gegenüber bestimmt, beschlie0t und festlegt.

Wenn ich etwas weiß, was der andere nicht weiß, dann kommt bestenfalls ein „kann schon sein“, schlimmstenfalls wird meine Information mit „weiß ich nicht“, weggewischt und dann das Thema gewechselt. Habe ich Glück, und mein Gegenüber hat das, was ich erkläre, schon mal gehört, dann kommt: „jaja, das stimmt.“ Dass andere so ein Verhalten auch stört, merke ich daran, dass, wenn ich sage: „Ja, das stimmt“, andere dann lachen, grinsen und sagen: „NATÜRLICH stimmt das.“ Oder wenn ICH sage: „Kann sein“, ein entüstetes „Das KANN nicht nur so sein, das IST auch so“, kommt. Wenn ich einmal sage: „Weiß ich nicht“, wird mir ein verärgertes: „Aber ICH weiß es“, entgegengeschleudert. Man sieht, andere sind also genauso „empfindlich“ wie ich, wenn ihr Wissen nicht anerkannt oder von anderen ob seiner Richtigkeit taxiert wird.

Selbstverständlich passiert es mir auch mal, dass ich, wie oben erwähnt, sage: „weiß ich nicht“, oder „kann schon sein“, worauf dann die anderen ebenso verärgert reagieren wie ich in umgekehrtem Falle, aber mir passiert das IMMER, während anderen das nur ab und zu so geht. Im Großen und Ganzen wird das Wissen und Fachwissen der anderen meist respektiert. Sind doch mal ein paar Besserwisser dabei, können andere getrost den Kopf schütteln und sagen: „Auf DEN bin ich jetzt nicht gerade angewiesen, wenn er MEINT, dass das nicht stimmt, was ich sage.“

Ich hingegen erlebe IMMER, dass mir keiner auch nur das SCHWARZE unterm Fingernagel glaubt, und nicht mal da, wo mein Fachgebiet ist, oder wo ich mich aufgrund meiner Lebensumstände auskenne. Ich weiß, dass (noch) niemand verstehen kann, warum man unter so etwas leidet, aber wer das nicht selbst erlebt, kann das nicht beurteilen. Daher werde ich jetzt ein paar Szenen skizzieren, um das, was ich tagtäglich erlebe, einmal deutlich zu m achen, und das möge der Leser noch hundertfach potenzieren, dann hat er oder sie ungefähr meine Situation erfasst:

Szene Eins:
Taxifahrer S.: Blinde dürfen nicht unterschreiben.
Ich: Doch, Blinde müssen auch unterschreiben, sonst kriegt man keinen Mietvertrag, keinen Arbeitsvertrag etc. Ich bin ja in der Blindenszene und habe das ja jahrelang so erlebt.
Taxifahrer S.: Dann haben Sie das einfach falsch gelernt.
Ich: Ich hab mich aber beim Blindenbund rechtlich erkundigt.
Taxifahrer S.: Ich hab ja auch nicht gesagt, Blinde DÜRFEN nicht unterschreiben, ich habe gesagt, Blinde BRAUCHEN nicht zu unterschreiben. (vgl. Anfang der Konversation oben)
Ich: Aber wenn man nicht unterschreibt, dann bekommt man keinen Vertragsabschluß.
Taxifahrer S.: Ich könnte Ihnen ja Gott weiß was hinlegen.
Ich: Dann ist das meine Verantwortung, das nachprüfen zu lassen oder mit nach Hause zu nehmen oder einen Sehenden mitzunehmen.
Taxifahrer S.: Das sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand, dass ein Blinder nichts unterschreiben kann.
Ich: Wenn Sie mir die rechtliche Stelle nennen, wo das steht, lasse ich mich gerne belehren.
Taxifahrer S.: Belehren, ich will Sie ja nicht belehren, das sagt aber schon der gesunde Menschenverstand, das haben Sie eben falsch gelernt.
KEINE Chance.
MERKE: Ich will nicht IMMER Recht haben, aber da, wo ich mich auskenne, darf ich das auch beanspruchen, oder bin ich deshalb rechthaberisch? Wer ist in dem Beispiel rechthaberisch?

Szene zwei:
Schwester B. zu mir: Sie kriegen ja heute noch Ihr Cemplar.
Mitpatientin, Frau B.: Was ist Cemplar?
Ich: Das ist ein Vitamin-D-Analogon.
Schwester B. (mischt sich ein): Heißt das nicht AnalogA?
Ich: In der Einzahl ist es Analogon, in der Mehrzahl ist es AnalogA.
Schwester B.: Aber im Buch steht: „Vitamin D AnalogA“.
Ich: Weil es da in der Mehrzahl steh. Es ist wie mit PharmakON und PharmakA.
Mitpatientin Frau B.: Das heißt „PharmakUM“.
Ich: Das ist Griechisch, „um“ ist Lateinisch, und im Griechischen heißt es „ON“ in der Einzahl.
Mitpatientin Frau B.: Ich hab aber Pharmazie studiert, und da hieß es PharmaKUM.
Ich: Ich hab Sprachen studiert und bin medizinische Fachübersetzerin, und SIE sind zuständig, was in die Medizin reinkommt, und ICH dafür, wie es heißt.
Schwester B.: Das ist nur Ihre VERMUTUNG, dass es Pharmakon heißt, wir schauen das nach.
Ich: Ich vermute das nicht, ich weiß das, ich hab das im Studium gelernt.
Schwester B.: Sie haben doch nicht den Stein der Weisen oder sind allwissend.
Ich: Ich hab ja nicht gesagt, dass ich allwissend bin, aber das, was ich weiß, weiß ich ja.
Schwester B.: Wir können es doch nachschauen, man kann doch eine Vermutung haben.
Ich: Ich will nicht, dass das, was ich studiert habe, und worüber ich einen Abschluß gemacht habe, als eine bloße Vermutung dasteht, und dass andere es zur Vermutung herabstufen.
Schwester P., kommt dazu: Was heißt templum auf Deutsch: Tempel, und was ist die Merhzahl? -- templA.
Ich: Was ist die Einzahl von Lexika, etwa Lexikum? Ich bin medizinische Fachübersetzerin.
Schwester P.: Das mag ja sein.
Ich: Nein, das mag nicht so sein, das IST auch so.
Arzt kommt und wird gefragt und sagt „Pharmakon“.
Schwester P. schaut mich dabei an und sagt: DA, sehen Sie!
Ich: Warum, ICH hab doch gesagt, dass es Pharmakon heißt.
Schwester P. : Ich hab das ja auch zu Ihrer Bettnachbarin gesagt.
Ich zur Bettnachbarin: Glauben Sie mir jetzt.
Bettnachbarin Frau B.: Nein, ich glaube Ihnen nicht.

MERKE: Alle Leser werden mich jetzt wieder als rechthaberisch, belehrend, besserwisserisch, beharrlich und kindisch erleben und werden mir wieder raten, „Hauptsache, Du selbst weißt, dass es stimmt, was Du gelernt hast. Der Klügere gibt nach.“ Wenn das immer so ist, dass der Klügere nachgibt, und dass es egal ist, wer recht hat: WARUM FÄLLT es dann anderen so schwer, nachzugeben? Ich will ja nicht IMMER Recht haben, aber IMMER Unrecht haben, ist auch schlimm.

Szene drei:
Taxifahrer A.: Wir waren heute beim Mac und haben VEGIBURGERS gegessen.
Ich: Ja, die (vedschibörgers) kenne ich auch.
Taxifahrer A.: Ja, die vedschibörgers sind gut. (Ich wundere mich schon, dass der anstandslos meine nicht betont verbessernd vorgetragene sondern so nebenbei richtig ausgesprochene Variante übernimmt.“
Doch da kehrt der Teufel zurück.
Er sagt: ACH halt, NEIN, ICH sag „VEGIBURGERS“, denn ich kenn mich ja nicht aus.
(Dass ICH mich auskenne und er meiner Aussprache hätte vertrauen können, spielt ja wieder mal keine Rolle).
Ich: Mir glaubt ja wieder mal keiner.
Taxifahrer A.: Ich sag das so, weil ich das will.

Immer sind alle so störrisch. Mein Ex sagt auch immer Rezeiwer anstatt Receiver, und das mit Fleiß. Bei anderen ist man immer dankbar und vertraut deren Können und Kenntnissen, wenn sie etwas gesagt bekommen.

Szene vier:
Ich: Ich schau grad „In der Hitze der Nacht“, da ist dieser Schwarze, der den Fall aufklärt.
Taxifahrer T.: Das heißt nicht Schwarzer sondern Farbiger.
Ich: Aber die nennen sich doch selbst so.
Taxifahrer T.: Ja, die selbst dürfen sich ja auch so nennen.

Szene fünf:
Ich: Der XY ist doch Iraner.
Taxifahrer A.: Die Exil-Iraner sagen „PERSER“!


Dauernd müssen mir andere erklären, wie etwas heißt, wie man etwas richtig sagt, ob ich das wissen will oder nicht, ob es mich interessiert oder nicht. Jetzt kann man sagen, umgekehrt machst Du das doch bei anderen auch so. NEIN, ich spreche es ganz beiläufig richtig aus, und Menschen, die mich und meine Qualifikation kennen und mir vertrauen SOLLTEN, könnten das getrost übernehmen und nicht sagen: „Da kenn ich mich nicht mit aus.“ Ich bestehe nur darauf, dass das, was ich sage, so stimmt, wenn andere mich korrigieren. Von mir aus verbessere ich andere nicht, DAS LIEGT MIR FERN. Aber ich lasse mich auch nicht dauernd von anderen verbessern und bestehe dann schon darauf, dass das, wie ich es gelernt habe, so stimmt, da ich es begründen kann, und da gehe ich auch nicht von ab. Mir reicht das aber nicht, ich hätte schon auch gerne, dass mir mal jemand was glaubt, und nicht alle statisch bleiben und kein Austausch stattfindet, bzw. dieser nur eine Einbahnstraße in meine Richtung bleibt, umgekehrt aber andere nie was von MIR mal annehmen.

Szene sechs:
Ich: Du kannst mir noch das von silly überspielen.
Bekannter T.: DASS DU das englisch aussprichst, das ist eine DDR-Band.
Ich: Na und, deshalb ist silly doch englisch und heißt „albern“.
Bekannter T.: NEIN, das ist nicht englisch, das ist aus der DDR.
Ich: Ja, aber grade dort haben sie doch so viele ausländische Namen gehabt, wie Jacqueline, Maik (mit ai) etc.
Bekannter T.: Aber silly ist nicht englisch.
Ich: Freilich ist es englisch!
Bekannter T.: Wenn Du meinst. (Aha, es steht in jedem Wörterbuch, aber jetzt ist es mal wieder nur meine Privatlogik)
Ich (lautstark): Ich hab schließlich Englisch studiert, und wenn das nicht englisch ist und nicht „albern“ heißt, dann zerreiße ich hier und jetzt mein Diplom!
Bekannter T.: Wenn Du jetzt mal runterkommst mit Deinem „ich weiß“! Das ist eine Abkürzung, die die dort grade noch haben durchgehen lassen. Das steht irgendwo bei WIkipedia.
Ich: Von was soll das eine Abkürzung sein, und ist City, eine andere Band, dann auch eine Abkürzung und auch nicht englisch?
Bekannter T.: Das ist auch eine Abkürzung:
Ich: Ich sag aber silly auf Englisch.
Bekannter T. : Du wirst schon sehen, dass alle aus dem Osten lachen.
Ich: Andere nehmen doch von mir auch nichts an, dann darf ich das doch auch so sagen, wie ich will. Dauernd korrigieren andere meine Sprache.

Ich darf nicht so störrisch sein. Dass andere auch lachen, wenn jemand VEGIBURGER oder MAISONETE (anstatt maisonette) sagt, das rührt diejenigen, die so störrisch sind, ja auch nicht. ICH darf mir also nichtleisten, auch individuell etwas so zu machen, wie ICH es will!

Sage ich „Lükra“ zum Strechstoff namens Lycra, werde ich von der Verkäuferin kritisiert, das heißt LEIKRA. Sage ich LEIKRA, heißt es: DU musst aber auch immer alles Englisch aussprechen. Demnächst Frage ich vorher bei jedem Wort an, wie der andere es ausgesprochen wünscht. Ich bin mittlerweile zu einem geistigen Chamäleon geworden und passe mich nur noch dem Empfinden anderer an, ich selbst habe kein Recht auf Wissen, Meinung und eigene Erfahrungen.

Immer werde ich genau da kritisiert, wo ich eigentlich gut bin. Es ist das Letzte und Einzige, was ich kann, das Einzige, wo ich fit bin, und genau da wollen sie mich immer treffen. Ich glaube, dass andere mich unten haben wollen und bewusst oder unbewusst (vielleicht vom Teufel geleitet, der mich kaputtmachen will), immer genau da ansetzen, wo sie mich noch treffen können. Bei allem anderen habe ich mich ja bereits damit abgefunden, dass die anderen lebenserfahrener, lebensklüger und intelligenter sind, aber die Sprache ist das einzige, was mir geblieben ist. Auch finde ich es sehr übergriffig, jemanden gerade bei seiner Sprechweise zu kritisieren, denn das ist etwas Persönliches. Das erlaubt man sich bei anderen auch nicht, aber bei mir macht man das laufend so. Intuitiv spüren die Menschen, dass ich da fit bin, und dass ich in einer Sache überlegen bin, können sie nicht ab, denn das würde ihr Selbstbewusstsein und ihr Selbstwertgefühl und ihre Ehre zerstören, wenn jemand wie ich in einer Sache überlegen wäre.

Szene sieben:
Bettnachbarin Frau A.: Dass die immer Shunt sagen und dafür kein deutsches Wort haben.
Ich: Sagen Sie halt Fistel, das ist ein deutsches Wort.
Schwester M.: Das ist nicht Deutsch.
Ich: Doch, das kommt ja vom Lateinischen, fistula, und das ist ein Lehnwort, so wie fenestra zu Fenster wurde.
Schwester M.: Nein, das ist kein richtig deutsches Wort.
Ich: Ja, das ist ja eingedeutscht, so wie fenestra auch.
Schwester C kommt ins Zimmer.
Schwester M.: Ist Fistel ein deutsches Wort oder nicht?
Schwester C.: Ja freilich.
Ich: Ja, sehen Sie.
Schwester M. : Aber das ist doch kein deutsches Wort.
Schwester C: Nein, eigentlich nicht, wie Computer ja auch nicht.
Ich: Doch, es ist ja eingedeutscht.
Schwester M. : Ich bleibe dabei, Fistel ist vielleicht eingedeutscht, aber es ist KEIN deutsches Wort.

KEINE CHANCE!

Ich weiß, dass das für alle Leser wieder so rüberkommt, dass ich rechthaberisch bin. Mit mir streitet immer jeder, und immer bin ich der Verlierer, immer hab ich das Nachsehen, immer weiß der andere alles besser. Ich bin schuld daran, ich reize die anderen irgendwie, dass die das so machen MÜSSEN. Aber ich glaube nicht, dass ich das selbst tue. Es ist eine „Vorschaltung“. Ich spreche ganz normal, aber dann dreht irgend eine Energie das Ganze so um, dass es beim anderen so ankommt: DU MUSST ihr widersprechen, DU DARFST ihr nicht recht geben, Du DARFST nichts glauben.
Ich antizipiere schon die Gedanken der Leser: Ist doch egal, ob einem geglaubt wird. Es ist nicht egal, wenn das dauernd vorkommt. Frage: Wenn man sich um einen Cent streitet, und immer der andere den Cent kriegt, und man selbst immer leer ausgeht, und dies Milliardenmal im Leben so ausgeht, man aber NULLmal den Cent erhält, wer wird dann arm, und wer hat es dann dringend nötig, auch mal den Cent zu kriegen? Wenn es doch NUR ein Cent ist, warum kann der andere, der so viele davon hat, nicht mir wenigstens EINMAL einen Cent lassen? Ich meine jetzt nicht, dass mir betont gnädig recht gegeben wird, wobei das dann so aussieht, als hätte der andere doch recht, aber er würde mir mit „also GUUUUT“ zustimmen, damit ich Ruhe gebe, und damit die Arme auch mal recht hat. Dann steht er noch besser da und hat erst recht Recht.
ABER: Wenn das alles doch ACH so unwichtig ist, wer recht hat, warum bin dann immer ICH der Verlierer? Wenn andere so gut damit leben können, auch mal Unrecht zu haben, warum gewinnt dann doch immer der andere? Doch nicht etwa, weil die anderen tatsächlich wirklich immer recht haben? Kann es wirklich sein, dass ich tatsächlich NIE recht habe? Gibt es so jemanden überhaupt?
Es liegt sicher nicht an meiner Intensität, die andere dann dazu reizt, mich verlieren zu lassen. Das würde ja heißen, dass ich schon mit dieser Intensität auf die Welt gekommen bin, und dass andere mir daher von Geburt an nie recht geben konnten. Das stimmt aber nicht: Ich bin ganz normal auf die Welt gekommen, aber ich habe NIE Recht bekommen, und daher habe ich es so dringend nötig, und daher kommt auch meine Intensität, recht zu bekommen. Würde oder KÖNNTE ich das lassen, würden die anderen aber deshalb AUCH nicht nachgeben. Denn die anderen haben ein Problem damit, überhaupt auch nur EINMAL (gegenüber mir) im Unrecht zu sein, während MEIN Problem ja darin besteht, IMMER im Unrecht zu sein. Ich habe KEIN Problem damit, anderen mal Recht zu geben. Aber ich habe ein Problem damit, anderen IMMER recht geben zu müssen! Und deshalb werde ich als rechthaberisch hingestellt, während andere, die (mir gegenüber) nie nachgeben, als ganz gesund hingestellt werden. Klar können die souverän rüberkommen, und ich bin der Schreihals, und wer schreit, hat nie recht. Dass das aber ein Ausdruck meiner Schwäche und OHNMACHT ist und nicht ein Ausdruck meines mangelnden Wissens und UNVERMÖGENS, und dass das einfach ein scheiß Spiel ist, wo ich als der UNSOUVERÄN, der nie nachgeben kann, rüberkomme und daher als die Schwächere, das sieht keiner.

Um auf die Frage in der Überschriftszeile zu kommen: Ich bin deshalb so dumm geworden, da ich mir nichts mehr merken kann. Das liegt unter anderem daran, dass ich schon so oft vor lauter Verzweiflung über meine ohnmächtige Situation mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen bin, um dem inneren Schmerz einen fühlbaren Schmerz entgegenzusetzen. Aber es liegt auch daran, dass ich mich vor lauter Kummer auf nichts mehr konzentrieren kann und daher gar nicht aufpasse, was irgendwo erklärt wird. UND es liegt NICHT zuletzt an den anderen: Denn dadurch, dass ich immer denken muß, der nächste belehrt mich ohnehin wieder eines Besseren, merke ich mir nichts mehr und bin bei allem unsicher, ob ich es richtig verstanden habe, oder ob nicht wieder ein Besserwisser kommt und sagt, das sei nicht so. Ich denke dann: „Morgen sagt mir eh wieder jemand anderer, dass es anders ist, warum also mir das merken?“ Ich habe keine sichere Wahrnehmungsgrundlage mehr. Ein anderer kann sich sagen: Ich hab das studiert, ich weiß, dass das stimmt.“ Er kann sich sagen: „Ich kann a nderen viel erklären, die glauben mir das auch, weil sie meine Kompetenzen kennen.“ Das macht die Sicherheit, die man braucht, um sich etwas zu merken und es als Tatsache abspeichern zu können.

Bei mir läuft das aber so:
A sagt mir eine Tatsache, damit gehe ich zu B. B sagt, was A sagt, ist Blödsinn, Du darfst nicht immer allen alles glauben, B ist richtig. Mit B gehe ich dann zu A, der mir aber wiederum sagt: „WAS B Dir da gesagt hat, ist kompletter Blödsinn, Du musst auch mal was glauben, was man Dir sagt und sollst nicht alles in Zweifel ziehen.“ Dann kommt der schlaue C und sagt: „Sei doch EINFACH DU selbst und glaube, was DU willst.“ Aber D sagt dann wieder, ich solle nicht so stur sein, denn sonst würde mich jeder auslachen, wenn ich das nicht glaube.

Welcher Leser sich gedanklich jetzt noch nicht „aufgelöst“ hat, dem sei noch ein fiktives Beispiel zur Erläuterung hinzugefügt:


Ich: Die Erde ist eine Kugel.
Anderer: Nein, das ist doch eine Scheibe, man kann doch drauf herumlaufen.
Ich: Aber ich habe im Erdkundeunterricht…
Anderer: IM ERDKUNDEUNTERRICHT, was ist schon das, was man in der Schule lernt. Da hast Du nicht richtig aufgepasst, das hast Du verkehrt verstanden, und außerdem hat mir bisher noch kein Lehrer beweisen können, dass es eine Kugel ist.
Ich: Es gibt aber doch Luftaufnahmen.
Anderer: Wer sagt denn, dass die echt sind, heutzutage kann man doch alles fälschen.
Ich: Die kommen doch in den Nachrichten.
Anderer: Ja und, in den Nachrichten bringen sie auch öfter Falschmeldungen, und außerdem sind die Bilder so konstruiert, damit man die GANZE Erde auf einmal sehen kann, DESHALB ist das in Kugelform photographiert.
Ich: Glaub ich nicht. Kann ich mir nicht vorstellen. Die Wissenschaftler werden doch wohl wissen, was sie erforscht haben, und daher habe ich es ja.
Anderer: Was ist schon Wissenschaft.
Ich: Aber viele sagen, dass die Erde eine runde Kugel ist.
Anderer: Wie viele sagen das, Du kennst halt nur die Ausnahmen, die so was sagen.
Ich: Das wäre ja reiner Zufall, wenn ich nur Ausnahmen kennen würde.
Anderer: Das wird nur so propagiert, weil die Leute es glauben wollen.
Ich: Das kann ich mir nicht vorstellen.
Anderer: Dann reicht Deine Vorstellungskraft aber nicht sehr weit.
Ich: Aber so vorstellungsarm bin ich ja auch nicht, aber DAS kann nicht sein, das ist doch seit Galilei bewiesen..
Anderer: Also gut, wenn DU das so siehst, dann ist die Erde eben eine Kugel.
Ich: Aber es steht überall in den Büchern.
Anderer: Jaja = Leck mich,! (Schneller Themenwechsel, ich bleibe als Verlierer zurück.)

Oft weiß ich genau, dass das stimmt, was ich sage, aber ich komme argumentativ nicht gegen andere an.

Szene acht:
Taxifahrer A: Ich glaube, dass es einige Dialysepatienten gibt, die eigentlich gar nicht an die Dialyse müssten, sondern die man Gehirn gewaschen hat, damit die Ärzte was verdienen, und die Werte sind vielleicht an der Grenze.
Ich: Das kann ich mir nicht vorstellen.
Taxifahrer A: Dann reicht Ihre Vorstellungskraft aber nicht sehr weit.
Ich: Ja, dass Bandscheiben operiert werden, wo es nicht nötig ist, und dass Gebärmuttern entfernt werden, wo es unnötig ist, damit die ihren Schein kriegen, das kann ich mir aber durchaus vorstellen.
Themenwechsel.

Regel: Bin ich skeptischer und pessimistischer als mein Gegenüber, habe ich eine blühende Phantasie und denke zu negativ. Bin ich optimistischer und glaube solche Räuberpistolen nicht, dann habe ich ein nicht sehr weitreichendes Vorstellungsvermögen.
Ergo: Die Weite meines Vorstellungsvermögens hängt von der Einschätzung der Welt meines Gegenübers ab.

Wie soll mensch sich da noch irgend etwas merken oder vorstellen?

Ein paar Ansätze zur Verbesserung gibt es bereits. Im Chor habe ich es jetztschon erreicht, daß sie mir bei englischen und spanischen Liedern mal glauben, wie es ausgesprochen wird. Mir ist das oft so peinlich, daß ich einfach etwas sagen MUSS, und da geht es ja um öffentliche Auftritte. Vorher hat mich eine lahmgelegt mit dem Argument, der Henrico Iglesias singt das auch so, und daher gehört es so. KEINE CHANCE. Aber ich hab mir ein Herz gefaßt und bin zur Chorleiterin und sagte, daß ich es SEHR schade finde, daß sie nicht davon profitieren, jemanden im Chor zu habem, der ihnen die Aussprache beibringen kann und diese Gelegenheit verstreichen lassen. Das nächste Mal kam sie und meinte, "Ja, Du hast recht, ich hab den südamerikanischen Schüler gefragt, das D wird wirklich nicht mitgesprochen." Na super, das lernte ich in der ERSTEN Spanischstunde. Da darf ich mir ja wirklich was drauf einbilden, daß mir da eine sagt, daß ich recht habe, 'TÜRLICH hab ich recht, bei so einer banalen und trivialen Sache. Wäre ja noch schöner, wenn ich DAS nicht wüßte. Das wäre so, als ginge ich zu ihr und würde sagen: "Ja, ich hab meinen BRuder gefragt, der ist Musiker, und der hat bestätigt, daß das D nach dem C auf der Tonleiter kommt. Es ging ja schließlich nicht um hochtrabende Fragen, wo ich mir auch unsicher gewesen wäre, und wo wir beide hätten nachfragen müssen. .WENN ICH mir nämlich bei etwas unsicher bin, dann sage ich das IMMER dazu. ICH behaupte nichts, was ich nicht wirklich sicher weiß, ansonsten sage ich: "ich vermute, ich denke, ich meine, ich glaube, ich finde..." Aber was ich weiß, das weiß ich. Und da sollte ich auch ENDLICH mal Vertrauensvorschuß und Vorschußlorbeeren kriegen, denn ich hab das gelernt, und da sollte man mir SOVIEL für FÜNF CENT zutrauen!

Einmal hatte ich Glück.
Bekannter R.: Fürth gehört NICHT zu Franken, es gehört NUR zu Bayern.
Ich: Das gehört auch zu Franken.
Bekannter R.: Warum sagen sie dann im Zug immer „Fürth, Bayern, Hauptbahnhof“?
Ich: Weil es auch ein Fürth in Hessen gibt.
Bekannter R.: Das gehört aber NICHt zu Franken, es ist nur Bayern unterstellt.
Da kamen Gott sei Dank zwei Bedienungen, und ich, ganz verzweifelt, dass ich jahrelang was Falsches geglaubt haben soll: Gehört Fürht auch zu Franken?
Bedienungen: Wir fragen unseren Chef. -- (wenig später): Der Chef meint, es gehört nicht nur zu Bayern, sondern auch zu Franken.
Bekannter R. glaubt es aber immer noch nicht, aber auch die Überzeugungsversuche der zwei Bedienungen haben nicht gefruchtet.

Bin ich jetzt zufällig immer nur von störrischen Leuten umgeben, oder werden die so, weil ICH so stur bin? Bin ich besserwisserisch? Ich halte mich sehr zurück, korrigiere nichts, weil es mir nicht zusteht, oder zumindest wenig.

Einmal ist mir genau dies dann zum „ Verhängnis geworden.
Pfleger M: „Architektisch ist das aber nicht sehr schön.
Ich weiß, wie es richtig heißt, sag aber nichts, da ich ja weiß, was er meinte.
Pfleger M.: Das heißt ja eigentlich „architektonisch“, Frau … wissen Sie das nicht, da hätten Sie mich doch korrigieren müssen.
Ich bin die Blamierte, denn wie soll ich im Nachhinein „beweisen“, dass ich es gewusst hätte, und das war mir dann auch zu blöd. WIEDER einen Cent verloren! Wäre nicht so schlimm, wenn es nicht schon der schätzungsweise 123556666777. wäre. Soviele Gehirnzellen sind mir sicher auch schon kaputtgegangen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Biete den Zweiflern doch mal eine Wette an!
Auch an meinen Äußerungen werden öfter Zweifel laut. So habe ich am Stammtisch gesagt, das der letzte bayerische König der Ludwig III war. Alle haben gelacht und gemeint, das wäre doch Ludwig II gewesen. Nach einigem hin und her ließ sich einer auf eine Wette um ein komplettes Essen incl. Getränken mit mir ein. Da habe ich natürlich nicht nein gesagt.
Gruß
Milian