Dienstag, 12. Juli 2011

Der Fehlerteufel

Wer kann mir helfen?


In letzter Zeit ist bei mir der Fehlerteufel arg am Werk. Es ist eine Phase, in der fast überhaupt nichts mehr klappt. Dabei hat sich folgendes Muster etabliert:

1. Planungsphase: Ich plane etwas, rufe an, bespreche, bitte, erkläre.

2. Es wird mir bestätigt, daß dies oder jenes klappt.

3. Dann klappt es doch nicht, weil etwas falsch weiter gegeben wurde, etwas doch kaputt ist, jemand entgegen seiner vorherigen Zusage doch nicht kann oder will, ich versetzt oder vergessen werde.

1. Beispiel: Ich habe am 26. Juni bei der Mobilzentrale der Bahn angerufen und eine Fahrt nach Hause für den 1. Juli bestellt. Einerseits wollte ich die Fahrkarte, zum anderen brauchte ich eine Umsteigehilfe. Alles wurde mir zugesagt. Als ich nach meiner Kontonummer fragte, um einen Abgleich zu machen, hieß es, alles sei eingetragen. Die Fahrkarte erhielt ich plangemäß per E-Mail. Als ich am Bahnhof stand, kam niemand. Ich fragte mich durch zur Reiseauskunft. Dort erklärte man mir, der Bahnangestellte hätte einen anderen Behinderten, einen verspätet eingetroffenen Rollstuhlfarer, betreuen müssen, und er sei alleine gewesen. Normalerweise stellt man zwei Helfer ab, wenn zwei Behinderte sich ankündigen, zumal ja laufend Züge verspätet sind, und man mit so etwas immer rechnen muß. Am Dienstag den 5. Erhielt ich einen Brief, die Kontonummer sei falsch, der Betrag sei wieder zurück gebucht worden, und nun stünde er offen, da die Kontonummer falsch gewesen sei. Ich rief bei der Mobilzentrale an. Dort wurde die Kontonummer richtig eingetragen. Ich fragte, ob nun eine zweite Abbuchung vorgenommen würde. Die Frau rief zurück und sagte, sie habe es geklärt, die Abbuchung würde nochmals vorgenommen. Am 8. bekam ich eine Mail, daß der Betrag plus Rücklastschriftgebühr noch offen stünde. Ich schrieb, daß bitte nochmals die Abbuchung wie besprochen veranlaßt werden sollte. Auf Anraten meiner Betreuerin überwies ich das Geld abzüglich der Rückgebühren und benachrichtigte die Bahn, daß ich nun selbst die Überweisung vorgenommen hätte, und daß ich, falls die Bahn das Geld abbucht, es wieder zurückholen würde, um eine Doppelzahlung zu vermeiden. Am Montag den 11. Kam dann die Benachrichtigung, daß eine erneute Abbuchung veranlaßt worden sei. Wieder schrieb ich, daß ich das Geld bereits selbst überwiesenhätte und den von der Bahn abgebuchten Betrag wieder zurückholen würde, falls die Bahn nochmals abbucht. Ich wette, daß sie mir nun das von mir gezahlte Geld rücküberweisen, gleichzeitig, wenn ich den Betrag von der Bahn zurückhole, und dann steht der Betrag wieder offen, und der Kreislauf beginnt von Neuem.

2. Ich habe meinen Kater Isidor zum Tierarzt gebracht, un das Geschlecht endgültig bestimmen zu lassen. Sie sagte, es sei ein Männchen. Der Kater wurde gechippt, und ich bat sie, dies an den TASSO Tiersuchdienst zu melden. Nach mehreren Tagen kam immer noch keine Meldung von TASSO, daß der Kater Isidor registriert sei. Ich ging nochmals zur Tierärztin, da ich Isidor scheren lassen mußte, da er wegen Durchfall dauernd Katzenkot um den Po herum hatte. Dabei sagte die Vertretung: „Es ist doch ein Weibchen, oder?“ Ich: „Nein, es ist ein Männchen.“ Ich hatte sie nur zufällig mit der Sprechstundenhilfe reden hören, als sie meinen Tierausweis in Händen hielt. Ich bat sie dann, das bei TASSO zu berichtigen. Ja, sie würde das tun, aber ich könne ja selbst die Anmeldung mit Hilfe von außen vornehmen bzw. die Katze im Internet registrieren lassen. Ich wollte es aber EINMAL etwas leichter haben und hatte daher die Praxis gebeten, dies für mich zu tun. Ein paar Tage später kam die Registrierungsbestätigung für Isidor, Geschlecht: Weiblich! Ich rief dreimal bei TASSO an, bis ich durchkam, und der Mann am Telefon führte die „Geschlechtsumwandlung“ auch kurz und schmerzlos durch. Da ich aber dem Ganzen nicht traue, habe ich meine Nachbarin gebeten, wenn sie die Kotprobe von Isidor entnimmt, bei TASSO nochmals anzurufen und das nochmals durchzugeben, daß sie mir NOCHMAL die Registrierung mit dem richtigen Geschlecht schicken. Wenn Isidor verloren geht, würde ich ihn sonst nicht mehr wieder bekommen, da es sich ja dann angeblich um ein Weibchen handelt. Wieder ein Kampf, bis die Bestätigung kommt.

3. Ich will eine Zahnzusatzversicherung. Hierfür hat meine ehemalige Helferin vorgeschlagen, ich solle mit der Nachfolgerin einen Termin ausmachen, an welchem eine Versicherungsmaklerin oder ein Vertreter ins Haus kommt, damit jemand dabei ist, wenn mir die Unterschiede zwischen den einzelnen Versicherungen erklärt werden. Wir machten einen Termin für Dienstag den 12. Um 9 Uhr aus. Die Helferin war da, wer nicht kam, war die Versicherungsmaklerin, die zugesagt hatte, höchst selbst zu mir zu kommen. Als meine Helferin anrief, entschuldigte sie sich, sie sei im Streß und ganz alleine da. Bei mir hätte sie sich sicher nicht entschuldigt, da wäre dann wieder ich schuld gewesen und hätte etwas Falsches ausgemacht. Aber nun müssen wir nochmals um kurz vor neun am nächsten Dienstag ein Treffen machen, damit dies endlich über die Bühne geht. Ich hatte vorgeschlagen, daß diesmal WIR zu der Versicherung hinfahren, damit die Dame nicht zuviel Zeit durch Anfahrten verliert. Nun bin ich die Kundin und darf wieder mal allem hinterherlaufen.

4. Heute am Dienstag wollten wir ein Interview mit einer Bekannten machen, die als Ehrenamtlerin im Dunkelcafé arbeitet. Ich bat eines meiner Redaktionsmitglieder (wir sind ein Team blinder, die von der EU gefördert werden und alle zwei Monate eine Radiosendung bei einem freien Radio machen), daß er mitkommt und das von der EU gesponserte Aufnahmegerät mitbringt. Ich selbsthabe auch ein Gerät, aber dies geht mit einer höheren BIT-Rate nur, wenn man ein externes Mikro anschließt, welches ich noch nicht angeschafft habe. Ich konnte ihr also zusagen, daß wir uns um 17 Uhr beim Blindenbund treffen. HEUTE rief der junge Mann an, das Aufnahmegerät sei kaputt, es ließe sich nicht mehr laden. Er habe aber einen Laptop, der ebenfalls aufnimmt. Ich bat ihn, nachzusehen, wie hoch die BIT-Rate sei, aber das könne er mir erst um 15:30 sagen, da er vorher noch arbeitet. Natürlich hat ihm jemand abgeraten, das Laptop für radiotaugliche Aufnahmen zu verwenden, und die Sache muß bis auf Weiteres, bis das Gerät repariert ist, aufgeschoben werden. Wieder einmal ist kurz vor dem Ziel etwas dazwischen gekommen.

5. In unserer Radiosendung haben wir von einer blinden Autorin einige Hörproben vorgespielt. Ich hatte aber einige Hörproben auch von einem anderen Autoren, die ich beide unserem Medienpädagogen gemailt hatte. Aus der Mail mußte eigentlich hervorgegangen sein, welche Hörprobe von welchem Autor war. Als ich dann die Sendung später nachhörte, merkte ich, daß die Hörproben dieses anderen Autoren versehentlich unter die der blinden Autorin gemischt worden sind. Als ich dann nachsuchte, wo die Hörproben des anderen Autors auf meinem PC sind, damit wir nach einer Richtigstellung das nächste Mal dann noch einige seiner Gedichte senden könnten, war aus unerfindlichen Gründen der ganze Ordner gelöscht. Ich erinnere mich, daß ich NUR die ZIP-Dateien gelöscht, den Ordner mit den entpackten Sachen aber in Ruhe gelassen hatte.

6. Da von Isidor drei Tage hintereinander eine Kotprobe auf Giardien entnommen werden mußte, organisierte ich dies mit drei Personen: Einmal mit den beiden Helferinnen und einmal mit der Nachbarin, die mir schon damals den Stoffel gebracht hatte. Montags sollte die Nachbarin kommen, dienstags kam die eine Helferin sowieso, und die andere wollte am Mittwoch nach der Schule bei mir vorbeikommen, da sie Schulbegleiterin für ein autistisches Kind ist. Am Montag klappte es hervorragend, meine Nachbarin kam, und ich vergütete ihr das mit einer Tafel Schokolade, die ich für sie bereit gelegt hatte. Heute kam die andere Helferin, und obwohl wir vorher schon über das Thema gesprochen hatten, teilte sie mir dann beim Hinausgehen noch eben mal mit, daß die andere Helferin am Mittwoch nicht kommen könne, es sei ihr doch zuviel, sie würde wie sonst auch, am Donnerstag kommen. Die Helferin hatte sie gebeten, statt ihrer bei mir vorbeizukommen, sie köne aber erst um vier. Als ich ihr erklärte, daß ich ab halb vier zur Dialyse abgeholt wurde, meinte sie, naja, um drei ginge es auch, dann müsse halt mal eine andere Kundin zurückstecken. Mir war das zu blöd, da ich fürchtete, daß sie es bis halbvier dann vielleichtdoch nicht schaffte. Ich rief also wiederum die Nachbarin an, die, ein GOLDSTÜCK!, doch nochmal einspringen würde. Ich rief die Helferin an und habe es durch die Blume am AB gesagt, da ich noch etwas anderes wollte , und da meinte ich dann: „Da Sie ja entgegen unserer vorherigen Absprache nun doch am Mittwoch nicht können, habe ich notgedrungen nochmals die Nachbarin gefragt, da die andere Helferin auch nur sehr unsicher kann, naja Gott sei Dank konnte ich grade noch mal umdisponieren….“ Abends, als ich vom Chor kam, sollte ich laut AB die Helferin zurückrufen. Es sei ein Mißverständnis, sie könne freilich am Mittwoch, die andere habe das irgendwie falsch ausgerichtet, sie könne sogar früher kommen. Wieso die andere das so seltsam übermittelt hatte, weiß ich auch nicht. Wenn es klappt, dann können wir sogar noch am Mittwoch vor Schluß die Kotprobe zum Tierarzt schaffen, da dieser am Mittwochnachmittag zu hat.

7. Heute soll ich ein Paket bekommen. Ich habe bei der Post eine Nummer, die man bei Anmeldung zu diesem Verfahren bekommt, so daß man dann per SMS benachrichtigt wird, wann das Paket kommt, und man dann einen Wunschtag eingeben kann. Eigentlich wollte ich grade mit der Helferin los, um eine neue Kaffeemaschine zu kaufen, da die alte kaputt gegangen ist, aber da ich an den anderen Tagen auch nicht konnte, habe ich mich für heute entschieden und den nicht lebensnotwendigen Kaffeemaschinenkauf abgesagt. Nun sitze ich zu Hause, aber was nicht kommt, ist das Paket. Ich bin nun unsicher, ob ich hätte zurück-SMS-sen müssen, um den heutigen Termin zu bestätigen, oder ob bei Nichtangabe eines anderen Wunschtages das Paket dann automatisch am angegebenen Tag kommt. Nun ist Gott sei DANK dieses Paket gekommen, und meine Entscheidung, NICHT zurück zu SMS-en, war richtig gewesen, wie ich aufgeklärt wurde. Eine Sache hat nun geklappt!!!

8. Vor einigen Monaten habe ich mein Konto so umgestellt, daß ich immer eine Mail bekomme, wenn neue Kontoauszüge da sind, damit ich keinen verpasse. Ich ging in die Bank und veranlaßte die Umstellung. Dann fiel mir auf, daß die ja gar nicht nach meiner Mailadresse gefragt hatten. Ich rief also bei der entsprechenden Service-Stelle an und gab die aktuelle Mailadresse bekannt. Denn ich hatte vor Jahren schon mal diese Mailbenachrichtigung, diese wurde aber dann irgendwie eingestellt, und da hatten die noch eine ganz alte Mailadresse von mir. Nun wartete ich vergebens auf eine Mail. Was kam, war der zwangsverschickte Kontoauszug, natürlich auf meine Kosten. Ich ging zur Bank und reklamierte dies. Die Dame wußte gar nichts von einer Mailbenachrichtigung. Somit erklärte ich ihr das Verfahren, sie machte sich kundig und sagte mir, daß das für sie etwas ganz Neues sei. Ich sollte also zum Ultimo jedes Monats dann eine Benachrichtigung erhalten. Wieder wartete ich vergebens. Somit rief ich nochmals bei der Bank an. Ich hätte dies zu spät im Monat beantragt, somit sei das diesen Monat noch nicht möglich gewesen. Ich hatte es am 25. Mai reklamiert, somit wäre genug Zeit gewesen, bis zum 31. Mai eine Mail zu schicken. Nun sollte es allerdings klappen. Die Kosten für die Zwangsverschickung der Auszüge wurden wieder zurückgebucht, so daß ich keinen Schaden hatte. Nun kam nur für EIN Konto die Benachrichtigung. Für mein Budgetkonto, welches ich separat führen muß, kam keine Mail. Ich holte die Auszüge dann so ab, bin aber nun nicht sicher, ob mir damit welche durch die Lappen gegangen sind. Heute riefen wir wieder an und veranlaßten auch für DIESES Konto eine Mailbenachrichtigung. OB allerdings dann ZWEI Mails kommen, und ob alles im SELBEN Postfach ist, wußte die Dame am Telefon nicht! Sie hätte auch nicht gewußt, daß es eine Mailbenachrichtigung gibt, hätte ich nicht drauf bestanden, daß das tatsächlich so ist. Sie erklärte mir dann logisch, daß jede Änderung im Postfach und jede neue Nachricht dort eine Mail auslösen würde. Nun kann ich nur hoffen, daß dies vielleicht nach nochmaligem Nachharken klappen wird.

9. Bei der Krankenkasse muß ich nun doch diese acht Euro Zusatzbeitrag zahlen. Die Begründung lautet, daß die Kasse für Hartz-IV-Empfänger eine Ausgleichszahlung aus dem Gesundheitsfond bekommt, dies aber für Grundsicherungsempfänger nicht so ist. Ich solle mich an meinen Kostenträger wenden, wenn ich die acht Euro gezahlt haben wollte. Nun gab ich erst mal bei der Kasse an, daß ich die acht Euro zahle, und daß sie diese nicht wie letztes Jahr, vom Konto meines Vaters sondern von MEINEM Konto abbuchen sollen. Ich gab genau meine Kontonummer an. Aber ich bin sicher, daß es wieder schief gehen wird. Ich höre schon die Vorstanzungen: „Wenn man sich schon einredet, daß es schief geht, dannwird es auch schiefgehen.“

10. Noch ein läppisches, aber typisches Beispiel, woran man genau sieht, wie und warum es so oft schiefläuft: Schwester: „Was wollen Sie trinken?“ Ich: „Zwei Kaffee und eine Grapefruitlimo.“ Die Schwester geht, eine andere übernimmt, und sie sagt zu dieser: „Zwei Kaffee und ein Wasser.“ Ich höre die leise geführte Konversation und sage: „Ein Grapefruitlimo.“ Die übernehmende Schwester: „JA, ich bin nichtso schnell, GLEICH!“ Ich: „Ich sag es ja nur, weil von Wasser die Rede war.“ Was bringt sie mir: Ein Wasser! Ich: „Aber ich wollte doch ein Grapefruitlimo!“ Sie: „Meine Kollegin hat aber Wasser gesagt.“ Ich: „Drum hab ich doch nochmal Grapefruitlimo gesagt, um es zu berichtigen.“ Sie hört mir nicht weiter zu und stellt genervt das Limo hin.

Mein Ex meinte, als ich kürzlich mal wieder mit ihm telefonierte, ich solle IMMER bei jeder Angabe, die ich mache, nachprüfen, ob sie auch richtig aufnotiert wurde. Ich sagte, daß ich das nicht schaffe, weil sich die Leute sonst auch vorgeführt vorkommen, und daß sie es ja von selbst vorlesen könnten. Es kostet eine Menge Kraft und Energie, immer alles nochmal gegenchecken zu lassen. Daran denkt man nicht, und das tut auch sonst keiner, denn dann käme man aus dem Nachkontrollieren nie mehr heraus. Er meinte natürlich: WENN ICH blind wäre, ICH würde das IMMER so machen. ER macht ja immer alles besser und würde auch immer alles besser machen in meiner Situation. Das heißt übersetzt nichts anderes als: „DU machst es nichtso gut, ich würde in Deiner Situation besser klarkommen und es besser machen.“ Ich finde das sehr überheblich. Ich wünsche mir mehr Demut und mehr Mitgefühl. Demut: Wer weiß, wie ich in der Situation dieser Frau wäre. Mitgefühl: Dafür, daß es Dich ziemlich hart getroffen hat, ist das schon eine Leistung, und da kann man verstehen, daß viele Sachen extrem anstrengend sind. Wer weiß, wie ich es schaffen würde.

Das tut gut, denn dann fühle ich mich nicht noch zusätzlich schlecht, daß ich nichts schaffe, sondern erhalte die Anerkennung für realistisch schwierige Situationen. Das hat nichts mit Bedauern oder Bemitleiden zu tun. Man sagt immer, wenn man jemanden noch in seinem Leiden bestärkt, wird es noch schlimmer. Aber so stimmt das nicht, denn es ist noch ein zusätzlicher Schlag ins Gesicht, wenn man dann auch noch hört, so schlimm sei es doch gar nicht und doch eigentlich GANZ einfach zu lösen, und andere würden das viel besser machen. Da ist es wie Balsam auf die Wunden, wenn andere auch mal realistisch anerkennen, daß es schwierig ist.



Meine Theorie: Es gibt einen Fehlerteufel. Die Dinge klappen anfangs, ich organisiere es gar nicht mal so falsch, obwohl ich vielleicht durch meine Kommunikationsprobleme vieles ungünstig rüberbringe, wodurch andere verwirrt sind. Hinzu kommt, daß andere denken: „Laß sie labern“, und mir einfach nicht (bis zu Ende) zuhören (siehe Krankenschwester). Ich werde nicht so ganz für voll genommen, und man ist dann eher genervt und will gar nichts weiter wissen. Bei mir ist alles etwas umständlicher, und dafür hat nicht jeder die Geduld. Wenn ich doch mal rück-koppele, was ich verstanden habe, um zu checken, ob das so richtig ist und dabei das vom Gegenüber Gesagte nochmal zusammenfasse, wird mir oft schon ins Wort gefahren, da ich Mühe habe, durchzusetzen, daß man mich ausreden läßt. Ich werde einfach nicht ganz für voll genommen.

Aber warum verdrehen sich dann auch so viele Dinge, gehen so viele Dinge unerwartet kaputt, schleichen sich komische Fehler in die Angaben ein, ist ausgerechnet DANN immer niemand da, wenn ich etwas brauche, oder die Arbeitskraft ist alleine, der Zug kommt zu spät, ausgerechnet ICH werde vergessen etc. Ich denke, daß ich vom Ablauf her alles korrekt mache, daß aber dann irgend ein Fehlerteufel oder irgend eine „böse Macht“ dann am Ende doch noch einen Fehler einschmuggelt, damit es schiefgeht. Dann verschwinden Daten, werden Sachen nicht oder verdreht weiter gegeben. Mit zwischenmenschlichen Problemen und menschlichem Versagen alleine ist das nicht mehr zu erklären. Warum geht genau an dem Tag, an dem wir es brauchen, das Gerät kaputt, warum klappt dann genau an dem Tag, wo ich einen Termin habe, etwas nicht? Warum schreibt eine Tierärztin nach der Geschlechtsbestimmung eines Katers „weiblich“ hinein? Warum muß ich allem so hinterherlaufen, obwohl ich alles so minutiös organisiert habe. Meine Theorie ist die, daß das mein Kismet, meine Ananke, mein Karma ist. Es ist so vorbestimmt. Und wenn es doch mal klappt, dann denkt der Fehler-Luzifer: Was, das klappt, das DARF doch gar nicht sein, da muß ich ganz schnell eingreifen und was durcheinanderbringen, da geh ich mal rein und lösche ein paar Daten, da lasse ich mal einige Dinge verschwinden, da lasse ich mal etwas dazwischen kommen, damit die nicht reibungslos abgeholt wird usw…

Ich höre schon wieder die vorgestanzten Sätze: Das geht doch uns auch so. Ja, jeder Mensch erlebt diese Dinge. Aber bei mir ist das anders. Bei mir häufen sich diese Dinge. Es ist bei anderen die Regel, daß es klappt und eher ein besonderes Vorkommnis, daß es nicht funktioniert. Bei mir hingegen verhält es sich genau umgekehrt. Es ist eher eine Ausnahme, wenn es mal einfach klappt. Außerdem bin ich in viel stärkerem Maße von der Hilfe anderer abhängig, so daß solche Situationen viel eher dazu prädestiniert sind, schief zu gehen. Außerdem habe ich weniger Möglichkeiten, etwas zu korrigieren, was schiefgegangen ist aufgrund meiner Einschränkungen. Und ich bin viel stärker drauf angewiesen, daß Dinge klappen. Und die Regelmäßigkeit, die Systematik, die Wiederholung, mit der Dinge schieflaufen, zeigt, daß da ein höheres Prinzip dran beteiligt ist.

Wer kennt sich aus mit solchen Dingen, wer kann so etwas umstellen? Wer weiß, wie man so etwas ausmerzen kann?

Auch die Tatsache, daß andere immer wie vorgestanzt und ganz automatisch ausstoßen: „DAS geht mir doch genauso“, zeigt, daß da was nicht stimmt. Bei einem anderen Behinderten würde man sagen: „Ja, das ist schwieriger, das kann ich mir denken.“ Mit mir hingegen vergleichen sich Linkshänder, Kurz- und Alterssichtige und wollen nicht begreifen, daß es nochmal was ganz anderes ist, blind und dialysepflichtig zu sein. Somit leide ich in doppelter Form: An dem Problem selbst und an der mangelnden Einschätzung des Problems seitens der anderen. Es würde mich schon entlasten, wenn mein Problem einmal realistisch wahrgenommen würde und kein falscher pädagogischer Trost angewandt würde, der mir nur noch mehr wehtut. Aber auch das ist Teil meiner „Verhexung“, das gehört dazu. Ich nenne das „magische Ausblendung“. Denn eigentlich rein logisch und rein naturgesetzlich müßte doch jedem einleuchten, daß es einem mit Behinderung schwerer fällt und mehr schiefgeht als ohne, und daß fast blind zu sein schwieriger ist als Kurzsichtigkeit oder Linkshändigkeit. Das ist es im Normalfall auch. Nur mir wird diese Empathie verweigert, weil meine Schwierigkeiten „magisch“ ausgeblendet werden, man SIEHT sie einfach nicht! Sie sind für das Gegenüber nicht vorhanden. Der andere ist physikalisch nicht in der Lage, das Realistische und Offensichtliche zu sehen, was ihm bei jedem anderen mit meinen Behinderungen sofort ins Auge springen würde. So wird meine Lage immer unterschätzt und bagatellisiert, mit einfachen Wehwehchen verglichen, was mir und meiner Situation dann einfach nicht gerecht wird. Außerdem löse ich bei anderen Trostreflexe aus, weil man mich nicht für voll nimmt und immer meint, erzieherisch auf mich einwirken zu müssen und mir beibringen will, daß doch andere dasselbe Problem haben. Das soll als Trost gemeint sein, damit ich etwas daraus lerne und meine Situation angenehmer betrachte. Aber davon wird die Situation auch nichtbesser, verscheißern kann ich mich selbst. Es hilft nur dem anderen, wenn er sich über mich stellt, aber mir nicht. Bei anderen Behinderten wird deren Problematik ganz einfach kommentarlos angenommen und geglaubt, da sie ernst genommen werden, und alle wissen, daß derjenige selbstam besten weiß, worüber er spricht, und sich kein anderer anmaßen kann, es mit irgenwas anderen zu vergleichen oder es zu verharmlosen.

Ich sehe, ich schreibe und schreibe, aber leider wird nie jemand das verstehen, was mich drückt, obwohl es eigentlich doch verständlich sein müßte. Aber es ist eben wiederum nicht verständlich, genauso wie niemand einsieht, daß es objektiv schwieriger ist. Genauso wird mein Wunsch nach Würdigung und realistischer Einschätzung meiner Situation und deren Einordnung nicht verstanden. Also höre ich auf.



Ich kann mir nur wünschen, daß die Verhexung eines Tages gelöst wird:

1. Dann wird nicht mehr GANZ soviel schiefgehen, sondern nur noch das, was durchschnittlich bei jedem anderen auch schiefgeht.

2. Dann wird es ein paar Menschen geben, die sehen, daß es ein härterer Kampf ist und dies auch würdigen und mir gerecht werden, so daß ich mich verstanden fühle und wieder neue Kraft schöpfen kann.

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