Dienstag, 13. Oktober 2015

Gen gefunden!

Morgens, halb zehn, irgendwo in Deutschland: In Deutschland wurde vor einigen Wochen bei einem gewissen Steinböckle eine wichtige Entdeckung gemacht. Das Gen , welches ihrer Erkrankung zu Grunde legt, wurde im Juli 2015 in einem nahegelegenen Genetiklabor entdeckt. Es handelt sich hierbei um das berüchtigte CEP 290, welches Unheil in den Zilien des menschlichen Körpers anrichtet. Dieses Gen ist mutmaßlich dafür verantwortlich , Augen, Nieren und eventuell auch das Kleinhirn zu beeinflussen. Die Betroffenen leiden unter Sehstörungen, Nierenversagen, Problemen mit der Feinmotorik und der Koordination, sowie unter Problemen mit den Nebenhöhlen. Das auch als BBS14 bekannte Gen kann aber auch für Autismus und sogar für schnellere Gewichtszunahme verantwortlich sein. Der Übeltäter ist bereits seit 2000 bekannt, konnte aber im hier genannten Individuum erst nach längeren Recherchen und verstärkter Fahndung aufgefunden werden. Das Wetter: überwiegend sonnig und kalt, Höchsttemperaturen bis zu 16°. Wir melden uns wieder, sobald es weitere Nachrichten über das Corpus Delicti zu berichten gibt. Soweit die Weltsensation, die sich im Sommer dieses Jahres bei mir abgespielt hat. Das Zentrum für seltene Erkrankungen hatte veranlasst, dass eine genetische Untersuchung gemacht wird. Daraufhin fand ich einen Genetiker in meiner Stadt, den mir meine Helferin empfohlen hatte. Dieser wollte zunächst bei der Kasse eine normalerweise nicht genehmigte Untersuchung beantragen, da diese günstiger wäre. Hierbei würden dann neun verschiedene Gene auf einem Chip gleichzeitig untersucht. Sonst müsste man jede verdächtige Mutation einzeln nachweisen, was wesentlich teurer kommen würde. Bereits im Jahre 2007 hatte ich einmal eine genetische Untersuchung machen lassen, wobei aber absolut nichts herauskam. Ich erfuhr dann, dass lediglich ein einziges Gen untersucht wurde, und zwar NPHP 1, bei dessen Mutationen neben Nephronophthise (Augen- und Nierenerkrankung) auch Autismus im Spiel sein kann. Es wurde aber zu dieser Zeit nichts auffälliges gefunden, wobei man mir im Zentrum für seltene Erkrankungen sagte, dass das Jahr 2007 in genetischer Hinsicht in der Steinzeit läge. Ich hatte dem Genetiker meine Probleme mit der Koordination, der Feinmotorik und dem Gleichgewicht beschrieben. Er äußerte die Vermutung, dass , auch wenn es keine sichtbaren Auffälligkeiten des Kleinhirns im MRT gäbe, durchaus eine Veränderung vorliegen könnte, die diese Probleme hervorruft. Es gibt ein ähnliches Syndrom, welches auch durch eine Fehlbildung der sogenannten Zilien hervorgerufen wird, das sogenannte Joubert- Syndrom (JS). Hierbei kann es zu ähnlichen Symptomen wie die von mir beschriebenen kommen. Zilien gibt es überall im Körper, dies sind kleine Härchen, die sich außerdem noch bewegen, wobei dieser Zilienschlag sogar festlegt, wie die Organe eines Embryos sich ausbilden. Ist dieser Zilienschlag verkehrt herum, kann es dazu kommen, dass die Organe spiegelverkehrt angeordnet sind, was man dann situs inversus nennt. Diese Härchen gibt es als Fotorezeptoraußensegmente in der Netzhaut, als Nierenkanälchen, in der Nase und den Atemwegen und auch in den Ohren als vibrierende Hörhaare. Somit können sehr viele Organsysteme von einer genetischen Veränderung betroffen sein. Eine Zeit lang hörte ich dann nichts mehr von dieser Praxis, und dann kam auf einmal ein Arztbrief. Der Genetiker hatte nun doch nicht, wie er mir zunächst vorschlug, einen Kostenvoranschlag für die günstigere Untersuchung an mich geschickt, den ich bei der Kasse hätte einreichen müssen, sondern eher fing dann einfach an, einzelne Gene untersuchen zu lassen. Als ich ihn anrief, meinte er, den Chip mit den 9 Mutationen würde die Kasse sowieso nicht zahlen, man hätte ihm davon abgeraten, es überhaupt erst zu versuchen. In dem Arztbrief stand auch nichts von Veränderungen im Kleinhirn, die meine Probleme erklären könnten. Als ich ihn darauf ansprach, behauptete er, er habe dies nie gesagt, er hätte lediglich erklärt, dass dies beim JS vorkommen könnte. Ich war ziemlich sauer und dachte, jetzt ist die Sache sowieso gelaufen. Er meinte, er wisse gar nicht, wo er suchen solle, es gäbe so viele einzelne Familien, die jeweils ganz eigene Genveränderungen hätten. Nach einer Weile jedoch kam auf einmal ein Brief, den mir meine Helferin vorlas. Darin stand, dass eine Mutation in dem CEP290-Gen gefunden worden sei. Es gäbe sogar zwei verschiedene Mutationen, eine von meiner Mutter und eine von meinem Vater, die dann zusammen zu dieser Erkrankung führen. Es sei in der Literatur von jemandem berichtet worden, der ebenfalls diese Mutationen im CEP290 und Probleme mit Augen und Nieren und zusätzlich noch Epilepsie hätte, und er vermutet, dass es sich hierbei um meinen Bruder handeln könnte. Meine Helferin meinte, er hat sich ganz schön weit mit dieser Aussage aus dem Fenster gelehnt. Tatsächlich befragte ich später meinen Bruder, ob er sich einmal einer genetischen Untersuchung unterzogen hätte. Er erzählte mir, dass während seiner Nierentransplantation im Jahre 2000 jemand auf ihn zugekommen sei und gefragt hätte, ob er bereit wäre, eine Blutuntersuchung durchführen zu lassen. Ich hätte nicht gedacht, dass es sich hierbei um meinen Bruder handelt, da dieser immer sehr wenig interessiert war an genetischen Untersuchungen, und da er dies nie mitmachen wollte. Daher war ich ziemlich überrascht, als ich mit ihm darüber gesprochen hatte. In diesem Arztbrief des Genetikers stand auch, dass diese Mutationen auch für Autismus und Probleme mit der Eigenwahrnehmung, der sogenannten Propriozeption , also dem Lage- und Stellungssinn verantwortlich sein kann. Selbst Menschen ohne Probleme mit den Augen und den Nieren, die autistisch sind, können eine Mutation in diesem Gen haben. Es gibt aber auch Zilienerkrankungen, bei denen eine Nephronophthise (Erkrankung der Augen und der Nieren) und Autismus vorliegt. Somit ist nun mein langjähriger Verdacht, dass bei mir tatsächlich Autismus und Probleme mit der Feinmotorik vorliegen, bestätigt. Ich suchte nun im Internet nach Ärzten, die sich mit dieser Mutation auskennen, und ich wurde tatsächlich fündig. Es gibt ein Nephronophthise-Register in Münster, wo sich jeder eintragen lassen kann, der eine Augen- und Nierenerkrankung hat. Dorthin schrieb ich eine Mail, und prompt antwortete mir ein sehr netter Arzt, dass diese Symptome, die ich beschrieb, durchaus von diesem Gen kommen könnten. Ich bat ihn, mir dies in einem Brief schwarz auf weiß zuzuschicken, da man mir vielleicht sonst wieder nicht glauben würde. Tatsächlich kam ein dreiseitiges Schreiben, in dem er schilderte, dass dieses Gen auch BBS14 genannt wird, wobei es von dem hier erwähnten Bardet-Biedl-Syndrom schon sehr viele Unterformen gibt, meines Wissens sogar bis BBS16 oder gar höher. Ich habe mehrere Jahre lang für die Gruppe von Menschen mit BBS die wissenschaftlichen Artikel übersetzt, in denen dieses Syndrom genau beschrieben wurde. Unter anderem kommt es neben Retinitis pigmentosa, Vielfingrigkeit, Unterentwicklung der Geschlechtsorgane und manchmal auch Problemen mit den Nieren hier eben auch dazu, dass Menschen sehr stark zunehmen. Über dieses Problem habe ich ja schon länger geklagt. Der Arzt meinte aber, da ich mit Disziplin und Sport mein Gewicht halten konnte, könnte bei mir diese Problematik nicht vorliegen, denn diese Menschen könnten selbst mit größter Anstrengung ihr Gewicht nicht halten. Zum einen kenne ich mindestens zwei BBS-Betroffene, die unter der Aufsicht ihrer Eltern nicht dick wurden, und zum anderen finde ich es unlogisch, denn nur deshalb, weil ich durch eigene Anstrengung verhindert habe, dick zu werden, kann man ja nicht sagen, dass ich deshalb das Problem nicht hätte. Hätte ich alle viere gerade sein lassen, mich nicht angestrengt und wäre nun kugelrund, würde man mir diese Schwierigkeiten zugestehen. Dadurch aber, dass ich „so blöd war“ und mir Mühe gegeben habe, werde ich jetzt auch noch bestraft, indem es nicht anerkannt wird. Daher habe ich gleich alles an das Zentrum für seltene Erkrankungen geschickt, wobei ich sogar den Arztbrief als Entwurf lesen und kommentieren durfte. Da habe ich dies gleich angemerkt, wobei mir dann angeboten wurde, diesen Abschnitt über das Gewicht und die Probleme damit selbst zu formulieren. Bisher habe ich den Arztbrief noch nicht, aber ich habe schon gehört, dass meine Kommentare mit einbezogen wurden. Auch die Probleme mit der und der Feinmotorik Eigenwahrnehmung wurden in dem Brief von diesem Arzt bestätigt, und auch, dass dieses Gen mit Autismus in Zusammenhang steht. Allerdings ist einschränkend zu sagen, dass es nicht 100-prozentig nachweisbar ist, dass es bei mir einen genetischen Zusammenhang mit all diesen Problemen gibt, da man dies nie endgültig nachweisen kann. Aufgrund meiner Beschreibung der Symptome und der bekannten Genveränderungen liegt dieser Verdacht jedoch nahe. Natürlich habe ich mich auch in das Nephronophthise-Register eintragen lassen. Allerdings habe ich noch nichts erfahren, wie ich nun weiter mithelfen kann, oder welche Unterlagen ich wann und wie einschicken muss. Aber das Register soll dazu dienen, die Symptome und Beschwerden der Betroffenen zu sammeln, damit man herausbekommen kann, welche Probleme mit der Erkrankung in Zusammenhang stehen und welche nicht. Im Zentrum für seltene Erkrankungen ist man sogar so weit gegangen, sich zu fragen, ob ich dann überhaupt ein Senior-Loken-Syndrom habe, oder ob man die Erkrankung um kaufen sollte. Wir haben es aber dabei belassen, dass es sich um ein SLS auf der Grundlage vom CEP290 handelt. Auch bei Menschen mit SLS wurde beobachtet, dass sie stärker auf ihr Gewicht achten müssen. Dies ist aber wissenschaftlich noch nicht nachgewiesen. Die anderen Symptome, die ich in punkto Gleichgewicht oder Autismus an mir beobachtet habe, gibt es bei den meisten Menschen mit SLS nicht. Da kommt es vorwiegend zu Problemen mit den Augen, den Nieren und den Nebenhöhlen. Wer aber fundierte oder fachliche Informationen wünscht, sollte sich an eines der Zentren für seltene Erkrankungen wenden. Ich habe hier nur das zusammengestellt, was ich gehört, gelesen und an mir selbst erfahren habe. Ich habe zum Beispiel meinem Ergotherapeuten auch von diesem Gen-Befund erzählt. Bisher hat er irgendwie noch nicht wirklich geglaubt, dass bei mir außer den Augen auch noch andere Probleme vorliegen. Meine Schwierigkeiten erklärt er sich mehr mit meinem Sehvermögen, wobei ich jedes Mal entgegne, dass andere blinde diese Probleme nicht haben. Ich habe eher das Gefühl, dass er denkt, es sei lediglich ein Problem in meinem „Kopf“, oder es hinge mit meiner Ungeduld oder meiner angeblich geringeren Frustrationstoleranz zusammen. Ich hätte mir gewünscht, dass ich endlich einmal die passenden Übungen und die passenden Erklärungen zu meinen Problemen erhalten würde. Zumindest nimmt das Zentrum für seltene Erkrankungen die Erklärungen des Arztes aus Münster in den Arztbrief auf, und ich habe veranlasst, dass der Arztbrief an möglichst viele Ärzte und Institutionen, die mit mir zu tun haben, verteilt wird. Ich hoffe, dass man dann vielleicht bestimmte Probleme, die ich habe, besser einordnen kann. Zumindest ist einmal bestätigt, dass meine Schwierigkeiten, unter denen ich schon seit Jahren leide, nicht einfach nur Einbildung sind. Ich selbst habe den Brief des Arztes aus Münster zum Beispiel auch an Leute geschickt, die bei mir den atypischen Autismus oder die multimodalen Wahrnehmungsstörungen (Tastsinn, Kraftdosierung, Gehörsverarbeitung usw.) diagnostiziert haben. Leider habe ich aber keine Antwort erhalten. Ich dachte, dies würde für diese Leute vielleicht von Interesse sein, da sie dann auch allgemeine Zusammenhänge dieser Symptomatik mit anderen Leuten oder anderen gesundheitlichen Problemen und Syndromen herstellen könnten. Ich hoffe, dass noch einige Dinge sich klären lassen, und dass sich vieles besser verstehen läßt, und ich somit endlich an die passenden und kompetenten Leute komme, die mir spezieller helfen können.

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