Samstag, 21. Mai 2016

Ich armes Opfer!

Kommentar zu SWR-Beitrag Von Beate Krol Dies war noch vor meiner Transplantation, aber da ich vom SWR bis heute keine Antwort erhalten habe außer die Eingangsbestätigung, möchte ich meinen Kommentar hier veröffentlichen. Vor einigen Tagen hörte ich den Beitrag „Ich armes Opfer!“ Als ich diesen Beitrag hörte, kam in mir die Wut hoch. Es wurden einige Menschen beschrieben, die sich als Opfer darstellten und angeblich keines seien. Dann wurde der Bogen geschlagen zu Menschen, die sich prinzipiell als Opfer fühlen, wobei dann diese Menschen in einem Atemzug mit PEGIDA genannt wurden, da diese Gruppierung sich benachteiligt fühlt und daher gegen Ausländer vorgeht. Es wurde kritisiert, dass es Gruppen gibt, die den Menschen raten, sich zu wehren. Dies seien Menschen, die sich aus falschem Verständnis heraus als gekränkte Opfer fühlen. Ich persönlich rate jedem, der sich gegenüber Ausländern benachteiligt fühlt, sich nicht gegen die Ausländer zu wenden, sondern sich gegen die zu wehren, die ihm diese Schikanen und Zumutungen, die ihm widerfahren, zugefügt haben. Es ist heutzutage ein legitimes Recht, sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen. Dies als falsch verstandenes Opfertum abzustempeln, finde ich unangebracht, da man hier versucht, Menschen ruhig zu stellen. Behinderte, Flüchtlinge, dunkelhäutige Menschen, Hartz-IV-Empfänger, etc., die sich gegen Benachteiligungen wären, sind wahre Opfer. Es gibt Menschen, die sich zu Recht zu kurz gekommen fühlen. Ich bin schwerbehindert, bin fast blind, bin an der Dialyse und habe trotz eines hoch qualifizierten Abschlusses keine Arbeit gefunden. Ich stamme aus einer dysfunktionalen Familie, wo ich häufig der Sündenbock war. Ich war in einem Internat, untersehenden, wo ich von morgens bis abends über mehrere Jahre hin weg gequält und gemobbt wurde. Diese Art, die ihre Experten hier an den Tag gelegt haben, dass Menschen sich als Opfer fühlen und nur jammern und andere Nerven, und dass sie ihr Leben nicht in die Hand nehmen, habe ich dauernd von Psychologen zu spüren bekommen. Ich habe in meinem Leben wahrlich alles getan, was Menschen möglich ist. Ich habe auf meine Quälereien hingewiesen, was mir schon so ausgelegt wurde, als würde ich mich zum Opfer machen. Ich habe dafür gekämpft, in eine andere Schule zu kommen, was nicht bezahlt wurde. Ich war bei Psychologen und wollte, dass sie mich trösten und mir Mut machen, mich zur Wehr zu setzen, stattdessen wurde das Mobbing auf mein Verhalten zurückgeführt, das ich einfach ändern müsste. Dabei gibt es kein Verhalten auf der Welt, das Mobbing und Quälereien und andere Formen von Gewalt rechtfertigt. Bei meiner Arbeitssuche habe ich alles menschenmögliche getan, ich habe mein Leben in die Hand genommen, aber es kam nichts dabei heraus. Dennoch haben mir Psychologen häufig gesagt, man sei ja nicht nur Opfer, man sei ja auch Täter. Dass man mein Wissen nicht anerkennt und mich oft nicht für voll nimmt, habe mit mir zu tun. Eine Frau sagte einer Psychologin im Radio, dass man ihr häufig in den Arsch getreten hätte, dass man sie häufig gequält hätte. Da erwiderte die Psychologin: „Dafür haben sie ihren Hintern ja auch hingehalten.“ Opferbeschuldigung gilt heute als Kunstfehler. Auch mir wurde von einer selbstblinden Psychologin gesagt, die Menschen, die sich nicht wehren, würden über ihre Spiegelneuronen ausstrahlen, dass man es mit ihnen machen könne. Sie habe sich sehr gewährt, daher haben ihr die anderen nichts mehr getan. Was kann ich für meine Spiegelneuronen? Darf man deswegen alles mit mir machen, nur weil man es kann? Wo bleibt hier der Humanismus? Sind wir Menschen, oder sind wir Tiere? Was ist mit denen, die sich gar nicht wehren können, wie zum Beispiel ich, da ich aufgrund einer Wahrnehmungsstörung überhaupt nicht in der Lage bin, und aufgrund meiner Blindheit und eines atypischen Autismus, adäquate Grenzen zu setzen? Muss ich dann nach dem alten Motto leben, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen? Die Welt ist halt nun mal grausam, passe dich an, oder du hast eben Pech gehabt? In diesem Beitrag wurden Menschen mit einer unterschwelligen Aggression so dargestellt, als würden Opfer einen sekundären Krankheitsgewinn für sich herausschlagen. Man spürte die unterschwelligen Schuldgefühle und die Aggressivität und genervt reiht, die von dem Beitrag gegen Menschen ausgingen, die sich nicht gut zur Wehr setzen können, die häufig anderen gegenüber ihr Herz ausschütten, und die weniger in der Lage sind, ihr Leben zu beeinflussen als andere. Woher wollen Sie wissen, dass eine Frau, die über ihren Mann klagt, vielleicht finanziell oder durch ein Unternehmen oder durch eine Wohnung oder durch die Kinder an einen Mann gebunden ist, und ihn daher nicht verlassen kann, dennoch aber gerne einmal ihr Herz bei ihrer Freundin ausschüttet? Woher wollen Sie wissen, dass jemand, der über seinen Chef klagt, vielleicht gar keine Wahl hat, und sich gar nicht zur Wehr setzen kann, weil er vielleicht zuvor jahrelang arbeitslos war und froh ist, endlich überhaupt mal Arbeit zu haben? Dennoch, auch wenn man nichts dran ändern kann, möchte man auch einmal oder mehrmals sein Herz ausschütten. Es sind nicht alle in der privilegierten Situation, ihr Leben in der Hand zu haben. Wer will hier urteilen, der nicht selbst in dieser Situation ist, was jemand real ändern kann oder nicht? Ich habe das Gefühl, die Verfasserin dieses Beitrages hat selber einen manipulativen Menschen um sich gehabt, der ihr das Opfer vorgespielt hat, demgegenüber sie sich schuldig fühlte, und daher überträgt sie dies auf alle Menschen in einer hilflosen Situation. Von Psychologen erwarte ich nichts anderes, für die sind alle Menschen manipulativ, die ausdrücken, dass sie hilflos sind und ohne fremde Hilfe nicht klarkommen. Ich hätte aber von einem Psychologen erwartet, dass er erkennt, dass seine Kollegin, die traumatisierte Menschen therapiert hat, und die jetzt selbst eine solche Rolle einer kranken Frau spielt, wahrscheinlich sekundär traumatisiert wurde, durch die Erzählungen ihrer Patienten, vielleicht eine schlechte Supervision oder gar keine hatte, und dann unbewusst oder bewusst einmal das Gefühl hatte, jetzt selbst einmal gerne in der Rolle zu sein, bedauert und verwöhnt zu werden. Es überrascht mich auch nicht, dass der junge Mann, der sich als Überlebender des Holocaust darstellt, selbst in seiner Kindheit ähnliche Dinge erlebt hat, dies aber in eine andere Erzählung kleidet, da er vielleicht seine eigene Geschichte nicht ausdrücken kann. Jeder halbwegs gebildete Mensch mit etwas Herz und Verstand weiß, dass Kinder häufig lügen und behaupten, geschlagen zu werden, wenn etwas anderes dahintersteckt, was sie nicht in Worte fassen können, was aber genauso traumatisierend und gewalttätig ist wie Schläge. Statt also die Leute zu fragen, was brauchst du wirklich, was steckt eigentlich dahinter, werden Menschen sofort als manipulativ, verlogen und ausbeuterisch dargestellt. Die Psychologin unterschied zwischen Kränkungs-Wut und echter Wut. Ich kann hier keinen Unterschied erkennen. Selbstverständlich ist es destruktiv, sich immer als das letzte Arsch Loch und als eine arme Sau zu empfinden. Natürlich beinhaltet dies häufig, dass Menschen dann aggressiv sind und sich und andere auf destruktive Weise behandeln. Aber gekränkt zu sein, und zwar zu Recht, wenn man zum Beispiel wie ich trotz hoher Qualifikation aus dem Leben ausgeschieden wurde, oder wenn man früh in Rente muss usw., bedeutet nicht, dass man eine neurotische oder narzisstische Störung hat. Ich finde, dass man auch zu Recht gekränkt sein kann. Dies wird dauernd mit verletztem Stolz gleichgesetzt. Warum darf man denn keinen Stolz und keine Ehre haben? Warum darf man seine Ehre und seine Integrität nicht schützen dürfen? Was ist nun der Unterschied, ob man sich selbst leid tut, oder ob man Mitgefühl mit sich hat? Selbst wenn ich mit mir selbst mit Gefühl habe, bekomme ich es doch ganz selten von anderen Menschen, sondern ich kriege eher Ratschläge oder man versucht, meine Situation weg zu diskutieren. Jedes Mitgefühl, dass ich mit mir selbst habe, wird doch von der Umwelt schon als Selbstmitleid angesehen. Ich glaube nicht, dass man dies immer so genau voneinander unterscheiden kann. Außerdem ist Mitleid etwas, wo man mit dem anderen leidet, und wenn man ihn aus diesem Gefühl heraus hilft, was ist daran so schlimm? Einzusehen, dass manche Menschen es nicht schaffen, ihr Leben zu beeinflussen und Opfer sind, bedeutet doch auch, dass man ihnen die adäquaten Hilfestellungen, die sie nun mal brauchen, eben zur Verfügung stellt. Damit ist doch nur ein Nachteilsausgleich geschaffen! In dem Beitrag wird so getan, als ob Opfer sich prinzipiell immer als die besseren Menschen fühlen. Nur, weil sich jemand als Opfer fühlt, da ihm Unrecht geschehen ist, bedeutet es ja nicht, dass er denkt, er habe selbst keine Fehler. Aber in dem Moment, wo er von seinem Opferstatus spricht, spricht er eben davon, was ihm angetan wurde. Dies schließt ja nicht aus, dass er selbst weiß, dass er nicht unfehlbar ist. Auch ich habe, bevor ich Mobbing erlebt habe, ein Mädchen in einem Ferienlager gemobbt. Dies heißt aber nicht, dass ich deswegen jetzt darum selbst gemobbt wurde, da ich vorher ein schlechtes Mädchen war. Was ist daran so schlimm, sich als Opfer zu fühlen? Wenn ein Mensch vergewaltigt wurde, zu Unrecht entlassen wurde, gemobbt wurde, hintergangen wurde und vernachlässigt wurde usw., warum darf er sich dann nicht als Opfer fühlen? Das ist doch dann eine Tatsache. Warum wird einem dann zusätzlich zu dem, was einem widerfahren ist, auch noch ein Vorwurf gemacht, dass man sich dementsprechend fühlt? Ich finde, ein Opfer zu sein, ist ein großer Schmerz. Warum darf man den in dieser heutigen Gesellschaft nicht mehr zeigen, ohne gleich so dargestellt zu werden, als würde man andere manipulieren wollen? Es gibt Menschen, die zeitweilig Opfer waren. DAS muss auch einmal anerkannt werden. Ich hätte mir zu der Zeit, als ich in der Schule gemobbt wurde, nichts Sehnlicheres gewünscht, als dass dies endlich einmal jemand sieht. Es hätte mir und meiner Wahrnehmung gut getan, wenn mir jemand meine Empfindungen bestätigt hätte. Bis heute kämpfe ich darum, dass meine Opfer schafft zu diesem Zeitpunkt anerkannt wird. Man kann, glaube ich, nur etwas überwinden, wenn auch anerkannt wird, dass dieses Ereignis außergewöhnlich war, und dass man tatsächlich zu der Zeit hilflos und schutzlos war. Zeit allein heilt keine Wunden, und manche Ereignisse haben eben auch Spätfolgen, die nur mit größter Unterstützung oder vielleicht auch gar nicht weggehen. Daher bleibt man, auch wenn das Ereignis längst vorbei ist, immer irgendwie gezeichnet davon. Mir zum Beispiel wurde, bevor man überhaupt anerkannte, dass ich Opfer war, bereits die Verantwortung für die Taten der anderen aufgedrückt, ich solle doch meinen Anteil daran sehen. Ich finde, der Mensch hat ein Recht darauf, erst einmal das zu verarbeiten, was ihm widerfahren ist und mit diesem Schmerz umzugehen, ehe er sich seinem eigenen Anteil daran und seinem eigenen Verhalten zuwendet. Außerdem gibt es Menschen wie mich, die das Leben nicht so sehr bevorzugt hat. Es liegt nicht an mir sondern an meiner Erkrankung und auch an den gesellschaftlichen Bedingungen, dass ich keine Arbeit gefunden habe. Es liegt nicht etwa daran, dass ich mein Leben nicht in die Hand nehmen wollte, dass so viele Dinge bei mir schief gelaufen sind. Und ja, ich bin eine, die häufig als letzte bedient wird. An der Dialyse wird immer an der anderen Seite angefangen, und ich bekomme als letztes mein Essen. Es gibt unbewusste Hierarchien, ich habe festgestellt, auch wenn ich an einem anderen Platz liege, wird dann am anderen Ende mit dem Austeilen angefangen. Auch habe ich bis über mein 20. Lebensjahr hinaus immer als letzte mein Essen in einem Restaurant bekommen, da ich immer noch den Status eines Kindes hatte, und zu derzeit Kinder prinzipiell immer als letztes bedient wurden. Zudem fehlt mir der Blickkontakt, so das ich den Kellner nicht rufen kann, dann häufig einen Tischnachbarn zu Hilfe bitten muss, der mit ihm Kontakt aufnimmt, und häufig werde ich nicht ganz für voll genommen, einfach angefasst, oder man spricht mit meiner Begleitperson. Dies sind alles Dinge, die mich in eine Opferrolle drängen. Sie sollten sich bei solchen Beiträgen überlegen, dass es Menschen gibt, die sie damit verletzen. Es gibt Menschen, die zum Beispiel sexuell missbraucht wurden, und die sich wünschen, endlich Anerkennung zu finden. Lange hat man Opfern von Vergewaltigung selbst die Schuld gegeben, durch ihr Verhalten und ihr Auftreten die Vergewaltigung hervorgerufen zu haben. Dasselbe geschieht heute noch bei Mobbing oder bei anderen Situationen, wo ein Mensch zum Opfer wird. Es gibt heute noch Menschen, die früher in Heimen misshandelt wurden und sich wünschen, dass sie endlich als Opfer von Misshandlungen anerkannt werden. Mit ihrem Beitrag arbeiten sie dagegen, dass Menschen Opfer sein dürfen, da ihnen dann immer, wenn sie auf ihre Opferrolle hinweisen, ein sekundärer Krankheitsgewinn unterstellt wird. Außerdem lasse ich mich ungern mit PEGIDisten in einen Topf werfen, wenn ich mich in unserer Gesellschaft benachteiligt fühle. Wenn für die Verfasserin es so schlimm ist, wenn Menschen ihre Hilflosigkeit vor sich her tragen, muss sie vielleicht selbst lernen, sich besser abzugrenzen und sich nicht zum Opfer von Opfern zu machen.

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