Dienstag, 29. Juni 2021

Ha-Ha-Ha-Hauptsache, Du selbst weißt, was Du wert bist....

Es heißt zwar immer, Hauptsache, man selbst ist sich was wert, aber stellt man sich mal folgendes vor: es gäbe eine alte Kommode, die hat 3 Beine, sie sieht sehr alt und wurmstichig aus. Alles ist schon abgeblättert. Morgen kommt jemand, und schmeißt sie auf den Sperrmüll. Doch dann geschieht ein Wunder: ein Restaurator kommt und sieht, dass es sich um eine Kommode aus dem vorherigen Jahrhundert handelt, dass sie in einem reichen Haushalt gestanden war, und dass sie zu einem Möbelensemble gehört, und somit eine Rarität und eine Antiquität darstellt. Daher wird sie abgebeizt, das fehlende Bein wird ersetzt, und die Kommode wird gesäubert. Sie wird nicht weggeworfen. Sie kommt in die Ausstellung mit den anderen Möbeln des Ensembles und liefert für Besucher wertvolle Informationen aus der entsprechenden Zeit. Einer Kommode kann das natürlich egal sein, was mit ihr passiert, oder ob man sie überhaupt sieht und sie wertschätzt. Einem Menschen ist es aber nicht egal. Es gibt ja im Internet so nette kleine Vorträge darüber, dass ein 50 € Schein zerrissen, zertreten, zerknüllt, verschluckt, verbrannt etc. werden könne, er bliebe immer noch 50 € wert. Auf Gold muss aber immer Licht fallen, ohne Licht glänzt Gold nicht. Manche Menschen scheinen wohl von innen heraus zu leuchten, mir gelingt das offenbar nicht so sehr. Ich finde schon, dass man auch von außen definiert wird, und dass der soziale Wert, nicht der menschliche Wert an sich schon von der Gesellschaft mit definiert wird. Was nützt es mir, wenn ich selbst weiß, was und wer ich bin, wenn es sonst keiner weiß? Das soll jetzt nicht narzisstisch klingen, auch wenn man es wahrscheinlich nicht äußerlich von Nazismus unterscheiden kann, wenn ich sage, ich werde unterschätzt. Oft wird meine Behinderung unterschätzt, meine Möglichkeiten werden überschätzt, und mein Können wird unterschätzt. Es gibt jetzt zum Beispiel bei uns die Möglichkeit, zusammen mit behinderten und nicht behinderten eine Stadtführung zu machen, ich bot auch an, auf Englisch Stadtführungen zu machen, da ich ein Jahr in England und ein Jahr in Amerika gelebt habe. Es stellte sich dann raus, dass die Dame, die all das koordiniert, sogar als Dolmetscherin schon gearbeitet hat und auf der gleichen Universität war wie ich. Sie meinte dann, ja, das kriegt auch ein Übersetzer hin. Ich finde aber auch, dass das wenig mit Übersetzen zu tun hat, wenn ich einen Text selbst hervorbringe und mich dann hinsichtlich der Terminologie zuvor in Ruhe vorbereiten kann. Selbst jemand mit einem englischsprachigen Elternteil, der nicht Übersetzer oder Dolmetscher ist kann das. Außerdem habe ich einmal eine Quereinsteigerrin erlebt, die gedolmetscht hat, was für mich wirklich zum Niederknien war. Das hätte ich im Leben nie so hingekriegt, und ich schwärme heute noch davon. Es läge mir aber fern, ihr zu sagen, das haben sie aber gut gemacht, denn in dieser Position bin ich nicht. Dennoch habe ich ihr gegenüber meine Begeisterung ausgedrückt. Lob finde ich immer ziemlich gönnerhaft. Mir sagte mal einer, als ich über meine technischen Probleme erzählte, und wie ich sie dann überwunden habe, „du bist über Dich hinausgewachsen“, was für mich wie die Kopfnote auf einem Halbjahreszeugnis klang. Es ist noch nicht klar, ob ich damit machen kann, da viele bereits als Tandem gekommen sind, und nun komme ich in die 2. Ausbildungsgruppe. Aber ich hoffe, dass es klappt. Sinnesbehinderte sind ja bereits in der Arbeitswelt schon eine Herausforderung für die Umwelt, und wahrscheinlich auch in der Freizeitgestaltung. Ich wurde nochmals angerufen, um mir Bescheid zu geben, dass ich noch im Rennen für die zweite Runde bin, und dass man dran ist. Einige Tests wurden jetzt angeboten, zum Beispiel von einer Supermarktkette, die Probanden suchte, die die Barrierefreiheit ihrer Homepage testen. Man musste ein Casting durchlaufen, indem man kurz erklärt, warum man dort mitmachen wollte. Ich sagte, dass ich so ziemlich die unterste Grenze bin, wenn ich es schaffe, diese Homepage zu bedienen, dann schafft es jeder. Ich erhielt erst einmal wochenlang keine Antwort, und danach bekam ich eine E-Mail, das Los habe entschieden, und ich sei leider nicht dabei. Warum die dann aber ein Casting machen, verstehe ich nicht, und warum ich mich dann hinsetze und das Ganze aufnehme, was ja für mich auch einen gewissen Aufwand bedeutet. Zum Glück war das nicht so umständlich, aber dennoch hätte dann auch eine kurze Bewerbung per E-Mail gereicht. Dann wurde noch die Ästhetik von Blinden getestet, denn man wollte Tastenfelder und Bedienelemente haptisch anders gestalten, oder zum Beispiel mehr Kontrast verwenden. Auch hier war alles schon voll, kein Platz mehr. Nun habe ich mich noch für eine Studie beworben, die ausgeschrieben wurde, wo es um die Entwicklung eines offline-Sprachsystems ging. Ich fragte auch gleich nach, ob ich für unseren Radiosender ein Interview machen könnte. Man wolle den Professor fragen, ob das geht. Ich bin gespannt, ob ich da noch mal was höre. Ich finde das schon irgendwie traurig, früher habe ich mich immer auf Arbeitsstellen beworben und bin abgelehnt worden, jetzt suchen diese Leute schon Probanden und Probandinnen , und eigentlich bin ich doch jetzt diejenige, die etwas anbietet, nämlich mich selbst, meine Erfahrungen und meine Bedürfnisse, damit die etwas dementsprechendes entwickeln können, und trotzdem muss ich klinken putzen. So langsam habe ich keine Lust mehr. Auch finde ich im Moment kaum eine Assistenz. Meine Assistenz ist ja leider nicht mehr im Einsatz, da sie sich noch mal den Fuß gezerrt hat. Die andere hatte ich nicht mehr haben wollen, da die Zusammenarbeit mit ihr nicht mehr so gut war. Eine habe ich noch, die kann aber aufgrund ihrer Weiterbildung oft nicht kommen. Nun kam wieder einer, der bereits einmal bei mir war, der sich aber jetzt weitergebildet hatte. Aber der ist weder geimpft noch getestet, und er möchte keine Maske tragen, er hätte damit Probleme. Ich kann also mit ihm kaum wohin. Und das sagte er mir, nachdem bereits alle Termine mit den Geschäften klargemacht waren. Eine andere Assistenz sollte ich dann kriegen, aber die ist jetzt auch schon voll, obwohl sie neu ist. Ich frage mich, ob da vielleicht frühere Assistenten schon ihren Erfahrungsaustausch über die Kunden mit den neuen machen. Eigentlich heißt es immer, der Kunde soll König, aber ich bleibe immer der die Bettlerin. Außerdem habe ich eine Heilerziehungspflegerin, mit der ich abgesprochen hatte, dass sie nur bei Bedarf zu mir kommt. Es bringt mir nichts, wenn jemand regelmäßig bei mir aufschlägt, wenn ich in der Zeit Besseres zu tun habe, denn meine Probleme kommen nicht nach Stundenplan. Es kann sein, dass ich relativ spontan jemanden brauche, da ich ins Krankenhaus muss, dort vielleicht Unterstützung bräuchte, oder da etwas besorgt werden muss. Das kann sie allerdings nicht leisten, sie hat nur einige kleine Zeitfenster. Ich hatte aber schon erwartet, dass sie ab und zu einfach mal nachfragt, wie es mir geht. Es kam über ein Jahr fast nichts, und wenn ich etwas von ihr wollte, dann hatte sie keine Zeit, und diesbezüglich gab sie mir auch erst kurz vor dem Termin nach Aufforderung Bescheid. Da jetzt wieder die Frage anstand, ob mein persönliches Budget so weiter fortgesetzt wird, bat ich meine Betreuerin, ihr doch mal zu schreiben und zu fragen, ob sie denn noch Lust hätte, mit mir zu arbeiten. Daraufhin kam dann eine relativ förmliche E-Mail, ich hätte nur vor einem Jahr etwas von ihr gewollt, ich hätte ja mit ihr abgesprochen, dass sie sich nur bei Bedarf meldet, und sie habe nur 2 kleine Zeitfenster dann und dann und könne nicht spontan zu mir kommen. Ich schrieb ihr daraufhin persönlich und meinte, ob sie denn nicht Lust hätte, ab und zu mal nach mir zu fragen, wie es mir geht, damit wir vielleicht kurz besprechen, was in der Zwischenzeit passiert war, um sie auf dem Laufenden zu halten, denn ich dachte eigentlich, bei ihr läge ein intrinsisches Interesse an mir vor. Denn die Präsenztermine lassen sich doch auch besser gestalten, wenn man weiß, wie es dem anderen in der Zwischenzeit ergangen ist. Meine Betreuerin meinte, das könne sie doch nicht abrechnen. Natürlich kann sie das, denn sie kann ja 10 Minuten jeweils zusammenzählen, sodass es dann 1 Stunde gibt. Außerdem hat sie mir auf einige Anfragen, auf die sie mir keine hilfreichen Antworten gegeben hat, nicht weiter reagiert, nachdem ich ihr rückgemeldet hatte, dass mir das bisher nichts geholfen hat. Da hätte sie ja normalerweise weiter dranbleiben müssen. Die Betreuerin nahm sie aber mehr oder weniger in Schutz, der Brief sei doch freundlich gewesen, und sie habe vielleicht auch geglaubt, der Vertrag sei beendet. Aber ein Vertrag endet ja nicht einfach so, wenn ich ihn nicht aktiv storniere. Und normalerweise fragt man daher noch mal nach, wenn man den Eindruck hat, die Zusammenarbeit sei nicht mehr erwünscht. Die Nachfrage ging aber jetzt von mir aus. Die Heilerziehungspflegerin meldete sich noch mal bei mir und meinte, ich könne ja von dann bis dann kurz mit ihr telefonieren. Ich bekam also mehr oder weniger eine halbe Stunde, um ihr im Schweinsgalopp ein Update darüber zu liefern, was innerhalb der letzten eineinhalb Jahre passiert ist. Wir könnten das jetzt alle Monate so machen, wenn ich das wollte. Mir reichen auch alle 2-3 Monate, aber dies wäre eigentlich die Grundlage für Präsenztermine. Daher fragte ich sie, ob sie denn auch mal mit mir Schuhe kaufen wollte, da ich gerade neue Sandalen bräuchte. Da meinte sie sofort, das wird aber dann bestimmt länger dauern als die 2 Stunden, die sie jeweils als Zeitfenster zur Verfügung hätte. Sie hat also den Fall der Fälle bereits vorweggenommen, ohne einfach mal zu sagen, klar, machen wir, vorausgesetzt, es dauert nicht länger als 2 Stunden. Sie weiß ja gar nicht, wie lange ich zum Kauf von Schuhen brauche. Ich hatte somit den Eindruck, dass sie gar kein sonderliches Bestreben hat, dass wir auch mal sowas mit einander machen. Vielleicht müsste ich sie dann regelmäßig nehmen, und dann würde sie 2 Stunden hier sitzen und sich mit mir unterhalten. Keine Ahnung, ich kann den Leuten nur vor die Stirn schauen. Ich bräuchte aber jemanden, der mit einem gewissen Vorlauf auch mal spontan etwas für mich tun kann, mit dem ich auch kurz mal telefonieren kann, wenn was ist, ich glaube aber, das würde sie dann schon machen. Ich habe nur das Gefühl, ich muss alles aus der Nase ziehen. Selbst meine Friseurin hat zwischendurch mal nachgefragt, wie es ihren Kunden geht, und das kann sie auch nicht abrechnen, ich fühle mich bei dieser Dame daher mehr wie bei einem Nagelstudio, wo man nur hingeht, wenn man zu lange Nägel hat. Das ist aber eine andere Art der Zusammenarbeit. Seit 20 Jahren gehe ich zur selben Kosmetikerin. Die arbeitet mit Wachs für die Haarentfernung, sie macht mir die Füße, wir haben Freud und Leid geteilt, ich bin immer in dieses Geschäft gegangen, es gab dort mehrere Beschäftigte, Eigentümerinnen und Mitarbeiterinnen. Ich hatte also dort einen Termin für die Fußpflege, und die war ja auch nun in Zeiten von Corona wieder erlaubt. Als ich hinkam, war die Türe zu, man hatte mir den Termin nicht abgesagt. Mittlerweile habe ich jemand anderen, die in der Zwischenzeit eingesprungen ist, und die macht jetzt eigentlich das Meiste. Zufällig war ich mal wieder in dieser Gegend, und meine Taxifahrerin sah, dass an dem Laden ein Schild hing, zu verkaufen. Ich sagte, du irrst dich, das ist ein alteingesessener Laden, das kann nicht sein. Ich wählte also deren Nummer, dort ging dann auch die Juniorchefin hin. Sie erklärte mir, sie seien umgezogen, sie wären jetzt in einem Ort in der Nähe, aber der käme ich ja sowieso nicht hin. Ihre Mutter und sie würden das jetzt alleine weitermachen, die Angestellte sei nicht mehr da. Es wurde also auch wieder bereits vorweggenommen, dass ich da sowieso nicht hinkomme. Ich hätte schon erwartet, dass man zumindest ein Kärtchen allen Stammkundinnen in den Briefkasten wirft und sagt, wir sind umgezogen. Es müsste ja dann der Kundin überlassen sein, ob sie dorthin will und den Weg auf sich nehmen möchte, um sich dort behandeln zu lassen. Ich wurde auch nicht angerufen, ich erhielt keinerlei Nachricht. Rein zufällig bin ich dort vorbeigekommen, und meine Taxifahrerin musste mir sagen, dass der Laden weg ist. Und nur nach einem Anruf dort hat man mir erklärt, dass man nicht mehr dort ist. Und das nach über 20 Jahren. Das bin ich als Kundin wert. Man könnte jetzt spekulieren, dass ich denen sowieso zu viel war, sie mussten mir helfen, sie mussten mich führen, sie mussten sich meine Erzählungen anhören, vielleicht war mein Trinkgeld auch nicht groß genug. Es gebe auch noch andere Spekulationen, warum das jetzt nur noch zu zweit gemacht wird, ich weiß ja nicht, wo die beiden privat wohnen. Ich habe jetzt versucht, mir meine traumatische Zeit im Internat anerkennen zu lassen. Es kam also eine Frau, die mit solchen Leuten spricht. Allerdings falle ich nicht in den genannten Zeitraum, indirekt ist ja auch meine frühere Sehbehindertenschule mit verantwortlich , was danach an heftigem Mobbing in der Regelschule und im dortigen Internat passiert ist, denn sie hätten ja erkennen müssen, dass ich mehrfach behindert bin, und dann hätte man mich auch auf ein Gymnasium für Blinde und nicht in ein Gymnasium für Sehende schicken können. Damals gab es dieses Pilotprojekt, in dem ich extrem unglücklich war, wovon ich auch hier in diesem Blog berichtet habe. In der Sehbehindertenschule haben sie zunächst einmal lange mein eingeschränktes Gesichtsfeld nicht erkannt. Sie haben auch nicht mitbekommen, dass ich Probleme mit der Motorik, der Koordination und im Gleichgewicht hatte, und dass ich einen atypischen Autismus und eine ADHS habe. Viele dieser Diagnosen gab es damals einfach noch nicht, aber es gab eine Frühförderung, und es gab die Möglichkeit, motorische Entwicklungsverzögerungen zu erkennen. Und man hätte auch eine Frühförderung einleiten können. Dafür hat man mich 3 Stunden jeden Freitag und 3 Stunden jeden Sonntag mit dem Bus durch die Gegend gekarrt, um alle behinderten einzusammeln und sie in die entsprechenden Heime zu verfrachten. Unser Heimweh wurde nicht sonderlich beachtet, wenn man wegen vieler Dinge geweint hat, wurde man noch geschimpft, mir wurde verboten, mit den Händen zu tasten, ich solle bitte schauen und nicht fühlen. Emotional wurden wir ziemlich auf uns selbst zurückgeworfen, die Erzieher durften uns auch nicht in den Arm nehmen, und außerdem hatten wir ziemlich viele dieser psychologischen Maßnahmen. Wir hatten ein Punktesystem, wer sich gut verhalten hat, bekam ein Kärtchen, und wer bestimmte an Gewohnheiten, die zuvor in einer Liste an einer Pinnwand festgelegt wurden, nicht abstellte, bekam. Punktabzug und kein Kärtchen und durfte dann somit nicht mit zu den Gruppenaktivitäten. Ich finde es nicht schlimm, Konsequenzen einzuleiten, aber Ausschluss von Gruppenaktivitäten sollten niemals stattfinden. Es gibt auch andere Möglichkeiten, negative Konsequenzen folgen zu lassen. Außerdem war alles immer ziemlich förmlich, jegliche Nestwärme hat gefehlt, wir wurden häufig mal in irgend so einem Stuhlkreis mit der Kamera aufgenommen, was dann auch, ohne uns zu fragen, weitergegeben wurde, das hat mich dann auch während der Integration, wo wir uns zu bestimmten Wochenenden in der sehbehinderten Schule trafen, ziemlich geärgert. Ich sagte damals, ich bin doch auch eine Persönlichkeit und möchte nicht, dass ungefragt irgendwelche Filme von mir weitergegeben werden. Den Status eines Kindes verliert man hier wohl nie, das wurde dann auch belächelt. Wir mussten uns selbst oder andere spielen, um bestimmte negative Eigenschaften an uns zu zeigen oder an anderen, es gab diese merkwürdigen heißen Stühle, die in den siebziger Jahren total modern waren. Ich fand diese psychologischen Spielchen im Nachhinein fürchterlich. Sie haben nur meinen Selbsthass gefördert, denn ich habe mich immer als jemanden gespielt, die überall anstößt, und eigentlich hätte das Betroffenheit bei den Erziehern auslösen müssen. Wenn ein Kind sich so sieht, dann ist das eigentlich schlimm. Denn ich wurde noch immer als Träumerin hingestellt, wenn ich überall dagegen lief, wenn ich Dinge über Saar oder Leute umrannte. Außerdem hat man mich immer verdächtigt, das zu sehen, was ich sehen will, oder dass ich einfach nur faul bin. Dafür hätte man mich nicht in eine Sehbehindertenschule stecken müssen. Daher lautete eben mein Vorwurf, hätte man damals bemerkt, dass ich nicht nur einfach sehbehindert, sondern fast blind und mehrfach behindert bin, hätte man mich ganz anders behandelt, hätte ein ganz anderes Verständnis für mich gehabt, und man hätte mich auch nicht auf diese schreckliche weiterführende Schule geschickt. Die Frau meinte dann, es täte ihr leid, dass mir das alles passiert sei. Ich freute mich, endlich erkennt das mal jemand an. Dann aber schwenkte sie wieder um, wie ferngesteuert und meinte, es täte ihr leid, dass ich das subjektiv so empfunden hätte, für andere sei das vielleicht gar nicht schlimm gewesen, für andere sei wieder etwas anderes schlimm gewesen, und es sei aber nicht ihre Aufgabe, das zu beurteilen. Ich finde, das ist schon ihre Aufgabe, denn hätte ich ihr lauter Blödsinn erzählt von wegen, ich durfte nicht so lange Fernsehen, wie ich wollte, oder ich habe nicht genügend Süßigkeiten gekriegt, oder ich durfte kein Kaninchen im Zimmer halten, dann wäre das zwar vielleicht subjektiv für einige Menschen auch schlimm gewesen, aber es geht ja nicht darum, dass ich anerkannt werde, weil für mich etwas schlimm war, sondern Anerkennung bedeutet ja, dass andere sehen und erkennen, dass es wirklich schlimm war. Es gibt ja schon ein gewisses Maß, welches objektiv anzulegen ist. Wenn ich zum Beispiel nicht genügend zu essen bekommen hätte, oder wenn ich nicht genügend Schlaf gehabt hätte, gibt es ja da auch ein objektives Maß und ein subjektives Bedürfnis. Ich finde schon, dass man das unterscheiden muss. Und ich finde, es gibt auch ein objektives Maß an emotionaler Zuwendung und Förderung, und es gibt Menschen, die subjektiv den Eindruck haben, man habe ihnen nicht genügend gegeben, obwohl es schon im Bereich des Normalen war. Aber ich finde, wir hatten auch objektiv sehr wenig an emotionaler Unterstützung, die man gerade als schwer mehrfach behindertes Kind braucht. Sonst hätte ich auch zu Hause bleiben können. Es gibt natürlich auch Schlimmeres, Kinder, die geschlagen wurden, oder die ihr Erbrochenes aufessen mussten, oder die sogar sexuell missbraucht wurden, aber ich sagte ihr, es ärgert mich, wenn man nur dann anerkannt wird, wenn man geschlagen wurde, oder wenn sexueller Missbrauch im Spiel war. Sie sagte, dass, was mir passiert sei, sei emotionale Verwahrlosung. Aber dann kam natürlich gleich wieder das obligatorische Gerede: manche Kinder hätten sich das woanders holen können, manche Kinder hätten auch nicht so viel gebraucht. Das ist aber doch nicht deren Verdienst. Da hatten die einfach Glück. Außerdem suggeriert sie mir ja damit, ich sei einfach nur besonders sensibel und besonders bedürftig. Und man kriegt keine Anerkennung dafür, dass man einfach nur eben besonders sensibel und besonders bedürftig ist, sondern, dass objektiv Dinge gefehlt haben. Damit gibt sie mir ja eine Teilschuld und befreit mich nicht davon, es einfach nur falsch empfunden zu haben. Früher sagte man mir, du bildest dir das alles nur ein, heute sagt man, es war eben für dich so. Das ist aber das gleiche, als wenn man mir sagen würde, es war nur in deinem Kopf. Das wäre so, als würde ich zu einem Schreiner gehen und ihm ein Brett mit 4 Kugeln hinhalten und sagen, das ist doch kein Tisch. Und er sagt dann, wenn das für Sie kein Tisch ist, dann ist das für Sie kein Tisch. Vielleicht möchte ich aber sein objektives Urteil darüber, ob es wirklich ein Tisch ist, da man mir das Ding für einen Tisch verkauft hat, und ich jetzt wissen möchte, ob ich das wirklich zahlen muss, oder ob ich Nachbesserung verlangen kann. Dann hilft mir die Aussage, für sie ist das eben kein Tisch, herzlich wenig. D. h. ja geradezu, eigentlich hattest du genug, aber du bist eben nicht zufriedenzustellen. Ich habe ihr dann noch mal das Gutachten geschickt, dass ich wegen meiner Diagnostik hinsichtlich eines Traumas habe machen lassen, und sie schrieb mir dann, es täte ihr leid, dass bei mir der Eindruck entstanden sei, dass sie mir nicht geglaubt hätte. Ich schrieb ihr, natürlich habe ich bemerkt, dass sie mir glaubt, nur habe sie das Ganze eben so eingeschätzt, dass es für mich subjektiv schlimm sei, und dafür sei eine Anerkennung ja nutzlos, denn es ging mir um die ideelle Anerkennung dessen, was mir passiert war. Wenn es nur mein Eindruck gewesen wäre, dass sie es nicht anerkennt, müsste ich mich eigentlich bei ihr entschuldigen. Das sage ich jetzt immer, wenn ich solche Entschuldigungen 2. Klasse kriege. Politiker sagen auch immer, es tut mir leid, wenn sie sich auf den Schlips getreten fühlen. Das wäre ja so, als wenn ich jemanden schlagen würde und dann sage, es tut mir leid, dass der Schlag ihnen so wehgetan hat, andere empfinden das nicht so. Man stelle sich mal vor, ein Kardinal würde sich hinstellen und zu den Missbrauchsopfern sagen, es tut mir leid, dass sie sich missbraucht gefühlt haben. Warum tun ihm die Gefühle des anderen Leid? Das ist wie ein Freispruch 2. Klasse. Eigentlich kann einem doch nur das leid tun, was man getan hat und nicht das, was der andere wegen einer vermeintlich harmlosen Geste fühlt. Damit wird der Geschädigte mit ins Boot der Verantwortung genommen. Mir ging es nur darum, dass mir einfach mal jemand sagt, das war objektiv schlimm, nicht nur, weil du irgendwie besonders komisch bist, und es tut uns leid, dass dir das passiert ist. Das wäre eine Erlösung für mich gewesen davon, dass ich einfach nur selbst schuld war, oder dass ich mir alles nur eingebildet habe. Es hätte meine Wahrnehmung bestätigt. Das Gefühl zu haben, heute würde man das nicht mehr so machen, das war tatsächlich falsch. Irgendwie bin ich in der alten Zeitschleife hängen geblieben, bei anderen heißt es immer, man müsse deren herausfordernde Verhaltensweisen als einen Versuch werten, mit den Dingen klarzukommen. Das hätte ich mir damals gewünscht, als ich im Internat war und dort dann, da mich niemand hörte, ziemlich viele dieser Art von Verhaltensweisen an den Tag gelegt hatte. Heute heißt es überall, man müsse solche Verhaltensweisen deuten, meistens sei es ein Problem der Umwelt. Wenn ich aber komme, heißt es, du musst dich anpassen, die Welt ist nun mal böse, mit unsichtbaren Behinderungen kann man eben nicht umgehen, und du möchtest doch integriert werden, also musst du dich behandeln lassen, um dich zu verändern. Bei anderen heißt es, es ist normal, verschieden zu sein, Mobbing ist immer falsch, es ist nie das Opfer schuld, und jeder darf so sein, wie er ist, und wenn er sich merkwürdig verhält, dann liegt das vielleicht an den Umständen um ihn herum, mit denen er nicht mehr klarkommt. Man achtet immer mehr darauf, dass die Umwelt weiß, was ein behinderter Mensch braucht. Ich würde mir auch wünschen, dass man dies bei mir tun würde, aber da heißt es, sie müssen sich anpassen. Damals hieß es auch immer, wenn du integriert werden möchtest, musst du dich ändern, die anderen kannst du nicht ändern. Bei einem Rollstuhlfahrer würde niemand sagen, du musst eben laufen lernen, wir machen die Stufen nicht weg. Wenn ich mir aber wünsche, dass sich die Umwelt auf meine Behinderungen einstellt, wird dies als mein Freibrief gewertet, dass ich mich schlecht verhalten möchte, um meine Behinderung als Entschuldigung herzunehmen, bequem zu sein. Dabei habe ich mich nie besonders extrem schlecht verhalten, ich habe niemandem geschadet, ich bin nicht besser oder schlechter als andere. Es geht mir nur darum, dass meine Behinderungen nicht als ein schlechter Charakter, als Faulheit, als Ungeduld, Egoismus und anderes angesehen werden, sondern dass man all dies im Licht meiner Behinderungen sieht. Ich bemühe mich redlich, und ich finde es menschenverachtend und eine böswillige Unterstellung, wenn man immer gleich die schwarze Pädagogik anwendet, der Mensch müsse sich anpassen, sonst würde er ja seine Behinderung als Entschuldigung hernehmen, um sich schlimm zu verhalten, oder um sich bedienen zu lassen. Als ob ich jetzt den Paragraf 51 oder einen „Jagdschein“ beantragen wollte, um munter drauf los Leute umzubringen, um das dann auf meine Behinderung zu schieben. Andere Menschen in anderen Kontexten, zum Beispiel die Umpolung von Linkshänder auf Rechtshänderin, oder von homosexuell auf heterosexuell wird ja heutzutage auch nicht mehr praktiziert, man würde sich bei diesen Leuten heute entschuldigen und sagen, es tut uns leid, dass sie so ein Leid erfahren haben. DA würde ja auch keiner hergehen und sagen, bei dir machen wir eine Ausnahme, du musst weiterhin um trainiert werden. Aber sobald ich komme, wird mir erklärt, dass die Welt nun mal böse ist, und dass die Menschen halt so sind, und dass ich mich bitteschön damit abfinden soll. Ich soll bitteschön in Reparatur gehen, so wie man es früher während meiner Zeit im Internat auch mit mir gemacht hat, du musst halt lernen, mit den Dingen klarzukommen. Denn bei mir sei es ja angeblich der Charakter, keine Behinderung, die mein nahes Umfeld verstehen und sich dementsprechend anpassen könnte. Es wäre eine Dreistigkeit, so hat mir das mal eine Ergotherapeutin gesagt, dass zu erwarten. Selbst von meinem engsten Umfeld könne ich das nicht verlangen. Da müsse ich schon eine Therapie machen, den Leuten klarzumachen, was ich brauche. Da müsse ich schon selbst auf den Tisch hauen, und sie belehrte mich eben, dass die Welt nun einmal ganz, ganz böse sei. Das hat man mir schon in den achtziger Jahren gesagt. Kinder sind eben grausam, das ist eben so. Für mich hat sich also nichts geändert, während es heute sehr viele Aktionen gegen Mobbing gibt, bei denen ganz klipp und klar gesagt wird, so etwas geht nicht, egal, wie man ist. Es gibt reihenweise Vorträge von Autismusexperten, wie man mit Autisten umgeht, und dass man sie und ihr Verhalten besser versteht. Und wenn sie sich irgendwie anders verhalten, dann müsse man das als Versuch verstehen, die Situation zu bewältigen. Daher fühle ich mich selbst sozial so Unwert, denn ich habe immer eher das Gefühl, die Leute sind noch oft genauso genervt, passiv aggressiv, abwehrend und ablehnend mir gegenüber, wie sie es damals waren, als ich im Internat so verzweifelt war und mit allen Mitteln um Hilfe gerufen habe. Und das einzige an Anerkennung und Würdigung, wohlwollender Betrachtung und Verständnis, was ich kriege, ist dann, es tut mir leid, wenn das für Sie so schlimm war. Solange die Außenwelt nicht anerkennt, dass es nicht an mir gelegen hat, sondern dass die Bedingungen gerade in diesem Internat und auch heute manchmal für mich zu schwer sind, und dass ich nicht nur einfach faul oder bequem, ungeduldig, unreif, verwöhnt oder naiv bin, oder keine Frustrationstoleranz hätte, und dass auch die Außenwelt hier mehr tun müsste, um diese sozialen Barrieren für mich abzubauen, wird sich daran auch nicht viel ändern. Wenn mal jemand sehen würde, dass ich mir viel Mühe gebe, dass ich vieles aushalte, und dass ich mich sehr anstrenge, würde mir das auch mal guttun. Ich nehme wirklich die Dinge in die Hand, bin wirklich kreativ und aktiv, aber es stellt sich viel in den Weg, statt das dann mal einer sagt, Mensch, du machst wirklich viel und gibst dir Mühe, ergreifst die Initiative, aber es ist wirklich schwer, komme ich mir noch vor, als sei ich einfach nur jemand, die er rummeckert, wenn nicht alles gleich auf Anhieb klappt. Aber die Dinge summieren sich eben auch. Und das sieht keiner. Und dann kommen so Sätze wie, das Leben verläuft eben nicht immer gerade, das Leben ist nun mal ein Kampf, das Leben ist nun mal kein Ponyhof, es kann ja nicht immer alles glatt gehen, das wäre ja langweilig. Ich habe dann mal zu einer Assistentin gesagt, wenn ihnen ihr Leben zu langweilig ist, können wir gerne tauschen. Solange alle gnädig etwas für mich tun, und ich nicht als Kundin die Königin bin, sondern auch noch dankbar sein darf, dass man sich mit mir abgibt, obwohl ich auch Geld bringe, werde ich weiterhin in der Rolle der dankbaren oder undankbaren Bettlerin bleiben und als jemand gesehen werden, die einfach nur zu anspruchsvoll ist. Du weißt halt auch, was du willst. Das kann man zwar als Lob auffassen, aber in gewissen Kontexten klingt das mehr, als sei man einfach nur besonders fordernd und anspruchsvoll. Und das sogar dann, wenn es sich um ganz selbst verständliche Dinge handelt, für die man ja auch bezahlt hat, und die man ja dann auch schön haben will. Ich kann schon zwischen Schikane und einer berechtigten Forderung eines Kunden unterscheiden. Nur wurde ich halt nie darin bestärkt, selbst dann nicht, wenn es berechtigt gewesen wäre. Wer zahlt, schafft an, und wer zahlt, bestimmt die Musik. Das sollte zumindest so weit gelten, dass man nicht noch auf Knien rutschen muss, damit einem jemand hilft. Dafür hat man doch als behinderter jetzt diese vielen Möglichkeiten. Aber offenbar hat sich da noch nicht wirklich viel geändert.

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