Sonntag, 11. September 2011

Leserbrief von mir in der Zeitung

Hier habe ich einen Leserbrief veröffentlicht, den ich auf einen Artikel in der taz  hin geschrieben habe.  Was in Klammern steht, wurde herausgekürzt.
LESERINNENBRIEFE

Ich vermisse die Glühbirne nicht

betr.: "Im Lichte einer neuen Zeit" von Kerstin Decker,
taz vom 31. 8. 11

Ihre philosophische Abhandlung über die Glühbirne:


(Ich habe Ihre Ode an die Glühbirne und Ihren Trauertext über deren Erlöschen gelesen und möchte hier einige Dinge aus anderer Sicht darstellen. Ich war eine der ersten, die in den Neunzigern bereits Sparbirnen eingesetzt hat. Im Jahr 2000 kaufte ich mir für damals je 25 Mark insgesamt vier Birnen für meinen Deckenstrahler. Raten Sie mal, wann die erste Sparbirne kaputt ging: 2010. Und raten Sie mal, wieviele heute noch davon brennen: immerhin noch eine. Bisher bin ich noch nicht verstrahlt, habe keine – zumindest meß- oder sichtbaren -- Schäden durch elektromagnetische Felder, denn die Dinger hängen bei mir oben an der Decke, und ich stehe nicht fünf Stunden täglich auf dem Tisch, um eine geeignete Strahlendosis aus dem unmittelbar um die Sparbirne herum bestehenden Magnetfeld, die dafür stark genug wäre, abzukriegen. Da mir bisher noch keine Sparbirne zerbrochen ist, kann ich nichts über Quecksilbervergiftungen berichten, allerdings muß man dazusagen, daß durch den höheren Energieverbrauch der Glühbirne wesentlich mehr Quecksilber als Nebenprodukt in Kohlekraftwerken erzeugt wird.

Hauptsächlich wird ja in dem Beitrag über das kalte Licht geklagt. Es gibt mittlerweile Sparbirnen in allen Farbtönen, auch in dem ach so geliebten Gelbton. Ob immer nur Glühbirnen in Museen und Ausstellungen benutzt werden, kann ich nicht sagen, denn meines Erachtens werden Bilder auch oft mit Halogenlampen angestrahlt, die ja wegen ihres etwas geringeren Energieverbrauches noch erlaubt sind. Auch gibt es ja inzwischen gute LED-Lampen, die in allen gewünschten Farben leuchten.)

Über den Abschied der Glühbirne zu weinen wäre so, als würde man die Dampflok
vermissen, die so schön langsam fuhr und dabei so schön romantische
Rauchschwaden ausgestoßen hat und damit die Landschaft mit Wattebäuschen
verschönerte. Ob dies einen Einfluss auf die Literatur hat, wie Sie es für
die Glühbirne postulieren, kann ich auch nicht sagen. Aber sicher hat der
Wechsel von der mechanischen Schreibmaschine auf den PC einen wesentlich
größeren Einfluss auf die Art, wie heute geschrieben wird und auch auf den
Inhalt, weil man zum Beispiel schneller ausbessern kann, sich weniger
überlegt, was man schreibt, oder weil alles viel schneller von allen und
jedem veröffentlicht wird.

Für die Zukunft unseres Klimas und aus ökologischer Sicht bin ich froh, dass
es bessere und effizientere Lichtquellen gibt. Wir werden deshalb nicht durch
kaltes Weiß zu kälteren Menschen gemacht, und unser Geist wird sicher auch
nicht wegen der Elektromagnetfelder verblöden.

Sehen Sie diese Entwicklung so pragmatisch wie alle anderen technischen
Entwicklungen, nämlich ganz unphilosophisch und profan als technische
Möglichkeit, uns an die Anforderungen des Umweltschutzes und der
Ressourcenersparnis anzupassen, was übrigens hohe geistige Anstrengungen von
uns allen abfordert. Ich zumindest vermisse die Glühbirne nicht, habe meine
Reste nur noch in einigen Steh- oder Hängelampen, die man nur mal kurz und
schnell ein- und ausschaltet. Und es gibt mittlerweile auch sehr formschöne
Sparbirnen, über die man sicher in ein paar Jahrzehnten auch schöne
literarische Ergüsse lesen wird.

Ganz geistlos und sprichwörtlich: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und hat
sich schon an so manche technische Neuerung angepasst, die wir heute als
selbstverständlich nehmen.

(Mit hellmat-weißen Grüßen
alias Cordula Schönebös)

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