Donnerstag, 19. Januar 2017

Der Bösewicht heißt Charles Bonnet

Jetzt war ich bei meiner Augenärztin. Ich habe ihr zunächst einmal von den Beschwerden berichtet, wobei sie mir zuvor schon einen kurzen Bericht unserer letzten Begegnung gab, was ich damals alles angegeben hatte, wo das Augenflimmern schon eine Rolle gespielt hatte. Damals war ich ja noch an der Dialyse. Ich gab ihr einen kurzen Abriss und erklärte ihr, dass ich mittlerweile transplantiert worden sei, und dass mir vor kurzem die Schilddrüse und Nebenschilddrüsen entfernt worden seien. Ich sagte ihr auch, dass ich teilweise auf dem einen Auge alles in Rosa, auf dem anderen in Grün, oder in anderen Komplementärfarben jeweils auf dem einen Auge alles in Blau und auf dem anderen alles in Gelb sehen würde. Das fand sie ziemlich extrem. Ihr erster Satz lautete: „das kann man aber an den Augen gar nicht sehen, das kommt doch alles von ihren ganzen organischen Erkrankungen.“ Ich sagte daraufhin leicht ironisch: „darf ich Sie mitnehmen, sagen Sie das bitte mal meinem Nephrologen, das sage ich denen schon seit Wochen, aber ich bin ja nicht Frau Doktor sondern lediglich medizinische Fachübersetzerin.“ Daraufhin meinte sie, es sei aber dennoch gut, dass ich mal wieder hier sei. Sie untersuchte mich gründlich und erzählte mir dabei, dass ich wahrscheinlich so etwas hätte wie ihre Schwiegermutter, und dass viele ältere Patienten, die z.B. eine Makuladegeneration hätten, Dinge sehen, die gar nicht da wären. Da fiel mir sofort der Name Charles Bonnet ein. In diesem Blog hatte ich schon einmal über dieses Phänomen berichtet, als ich merkwürdige Bildschirme oder andere Dinge an der Wand sah, die gar nicht vorhanden waren. Ich fragte sie, ob denn diese Farbschleier auch damit zusammenhängen, und sie meinte, das ist durchaus der Fall. Ich bat sie, dies unbedingt in den Bericht reinzuschreiben, damit man mich nicht länger nur für überempfindlich hielte. Sie meinte, sie würde das tun, damit ich einen Beweis hätte. Normalerweise hätten dies eben ältere Patienten, aber da ich zahlreiche Augenerkrankungen hätte, und das Sehen durch das Hirn durch strahlen würde, hätte ich das eben auch. Ich fragte sie, ob dann, wenn meine internistischen Probleme besser in den Griff gebracht würden, sich die Sache bessern würde, und sie meinte, "ich sage mal ja.“ Ich präsentierte ihr die Theorie, dass das Auge bei mir wahrscheinlich das schwächste Glied sei, und dass ich daher, wenn ich irgendwelche organischen Beschwerden hätte, mit Symptomen an den Augen reagieren würde, wobei das Problem nicht primär von den Augen kommt. Sie meinte, das sei durchaus möglich. Die Ursachen für das Charles-Bonnet-Syndrom sind nicht bekannt. Ich dachte immer, das sei so eine Art Phantom sehen, sowie Menschen, denen Gliedmaßen fehlen, Phantom Schmerzen haben, da die entsprechende Stelle im Gehirn ja noch vorhanden ist. Aber sie meinte, die Ursachen seien absolut unklar. Aber es gebe eben bei mir zahlreiche Probleme , die in der Sehbahn vorhanden seien, daher hätte ich dieses Problem. Auch viele ältere Menschen mit sehr schwachen Augen würden über Augenflimmern berichten, und ich würde mir das durchaus nicht einbilden. Nun war ich schon mal erleichtert, dass das Kind einen Namen hat. Es ist zwar immer noch vorhanden, doch habe ich jetzt nicht mehr das Gefühl, ich sei der einzige Mensch auf der Welt, der so etwas hat, und die Erkrankung kommt vom Teufel persönlich. Mag sein, dass der Teufel persönlich sie sich ausgedacht hat, wie z.B. auch die Neurodermitis, aber zumindest gibt es viele Menschen, die solche Folgen aufgrund schlechten Sehens haben. Im Internet habe ich gelesen, dass 10-7 50 % aller Menschen mit Sehschädigungen ein Charles-Bonnet-Syndrom hätten. Zumindest bin ich froh, dass dies jetzt endlich einmal amtlich ist, und das diese Störung dann hoffentlich auch in dem Kanon meiner Diagnosen auftaucht, damit Ärzte anderer Fachrichtungen dies dann auch lesen können. Somit können Sie dann auch darauf zurückgreifen und sehen vielleicht schneller ein, dass bestimmte Erkrankungen bei mir, da ich ja verschiedene Krankheitsbilder habe, eben einfach durchaus möglich sind, und dass ich mir das meiste, was ich so berichte, nicht einbilde. Die Ärztin meinte, viele würden auf Homöopathie ansprechen. Aber sie sei nicht sicher, wie das bei mir sei, da ich ja noch mit der Schilddrüse und mit dem Kalziumhaushalt Probleme hätte. Ich selbst bin sowieso kein Freund von Homöopathie, denn diese ist ja längst widerlegt und kommt aus einer Zeit, wo die Medizin noch ganz anders gestrickt war. Ich selbst halte sehr viel von Hausmitteln oder von pflanzlichen Stoffen, aber ein Medikament, das vorwiegend aus Zucker oder Alkohol besteht, und wo eine immer stärkere Verdünnung einer Substanz dazu beitragen soll, dass es einem besser geht, daran kann ich einfach nicht glauben. Und bei der Homöopathie spielt der Glaube eine große Rolle. Allerdings spielt natürlich der Glaube bei jeder Art von Medizin eine Rolle. Irgendwann werde ich mir aber doch mal überlegen, vielleicht für diese ganzen unspezifischen Beschwerden Hilfe anderer Art zu suchen, zum Beispiel auch bei Heilpraktikern oder anderen Leuten, aber nicht bei welchen, die Esoterik betreiben. Immerhin mache ich jetzt einen Kurs in Chigong. Das ist ja eine anerkannte Entspannungsmeditation. Die Ärztin stellte dann auch noch fest, dass ich auf beiden Augen das sogenannte Danziger Goldwasser hätte, das sind kleine glitzernde Punkte. Ich habe schon immer fliegende Mücken, sie meinte aber, diese kleinen Punkte seien noch einmal zehn mal kleiner. Schon mein Augenarzt, der mich von Kindesbeinen an kennt, und der schon seit fast 20 Jahren in Rente ist, hat dies festgestellt bei mir. Dieses Phänomen nennt sich entweder Synchisis scintillans oder asteroide Hyalose. Bei Wikipedia habe ich gelesen, dass dies zwei unterschiedliche Sachen seien. Dennoch hat mir die Augenärztin gesagt, es ist dasselbe. Die fliegenden Mücken, die ich ebenfalls habe, die aber laut Wikipedia jeder Mensch hat, und die auch eigentlich keine Krankheit sind, sind aber zehnmal so groß. Das Danziger Goldwasser hingegen ist wesentlich kleiner, daher ist es eher wie ein Nebel. Diese Synchisis scintillans kommt durch Ausflockungen und Ausseifungen des Glaskörpers, zum Beispiel Cholesterin oder auch Kalziumphosphat. Das wäre natürlich in meinem Fall durch die Dialyse zu erklären, da ich ja jahrelang ein zu hohes Kalzium und ein zu hohes Phosphat und damit natürlich auch ein zu hohes Kalziumphosphatprodukt hatte. Cholesterin war bei mir auch immer zu hoch. Die fliegenden Mücken sind einfach ein Kondensat des Glaskörpers. Bei mir kommt eben alles drei vor, da der Glaskörper einfach nicht so ist, wie er sein sollte. Das Problem war jetzt nur, dass ich auf dem linken Auge einen leichten grauen Star habe, und so sehe ich alles wie durch eine schmutzige Scheibe. Die Ärztin aber rät mir davon ab, diesen grauen Star operieren zu lassen, ich würde dann bitter enttäuscht werden. Nun, das möchte ich mir ersparen. Der graue Star sei bei mir auf dem linken Auge noch nicht sehr weit gediehen, das könnte man durchaus noch so lassen, es sei eine minimale Linsentrübung, das Schlimmere sei eben das Danziger Goldwasser, und das könnte man ja nicht weg bekommen. Auf dem rechten Auge wurde ja der graue Star im Jahre 2008 operiert, ich glaube, hierüber habe ich auch in meinem Blog geschrieben. Der Nachstar wurde damals weggelasert, und er sei auch nicht wieder nachgekommen. Sie meinte, ein Nachstar würde nicht ein zweites Mal wiederkehren. Doch kenne ich einige Mitpatienten mit ebenfalls Retinitis pigmentosa , bei denen genau dies geschehen ist. Was nun wirklich offenbar schwer zu erklären ist, ist die Tatsache, dass ich zuvor auf dem linken Auge 15 % und auf dem rechten Auge 5 % gesehen habe, wobei ich auf dem rechten Auge heute gerade einmal die Zahlen erahnen konnte, da ich es gewohnt bin, mir aus kleinsten Informationsteilchen Buchstaben und Zahlen zusammenzusuchen. Auf dem linken Auge konnte ich die Zahlen zwar deutlicher und schärfer erkennen, kam aber bei dem Sehtest auch nicht weiter als auf dem rechten Auge. Obwohl mein subjektiver Seheindruck auf beiden Augen unterschiedlich ist, sehe ich auf beiden Augen rund 10 %.Die Ärztin hatte keine so rechte Erklärung, warum ich auf dem rechten Auge dann wesentlich undeutlichere Formen erkennen konnte als auf dem linken, aber immerhin habe ich links schon immer besser gesehen. Auf dem linken Auge sei aber das Danziger Goldwasser wesentlich stärker. Daher würde es dann auch keinen Sinn machen, den grauen Star zu operieren, da damit der Schleier ja nicht wegzubringen sei. Ich fragte sie noch, ob die Membran, die sich auf der Makula des rechten Auges vor einigen Jahren gebildet hatte, noch da sei, und sie meinte, die würde nie mehr weggehen. Sie hätte zwei andere Patienten mit Retinitis pigmentosa, die hätten sich diese Membranweg operieren lassen und hätten Schäden an der Netzhaut davongetragen, diese Operation sei sehr gefährlich, und deren Sehschärfe hätte sich dadurch verschlechtert. Auch riet sie mir daher von der Operation des grauen Stars ab, da sich dies negativ auf die Netzhaut auswirken könnte. Ich fragte sie auch, warum ich denn schon seit so vielen Jahren nicht einmal mehr sehen könnte, ob etwas auf dem Papier steht oder nicht, woraufhin sie mir sagte, dass 10 % eben wahnsinnig wenig ist. Ich kenne aber eine Frau, die sieht gerade mal 2 % und kann uns noch die Speisekarte vorlesen. Sie meinte, man könne unterschiedliche Augenkrankheiten einfach nicht vergleichen, ich hätte eben eine Retinitis pigmentosa, und da spielt eben auch das stark eingeschränkte Gesichtsfeld eine Rolle. Ich glaube, dass neben dem Visus, der ja unter optimalen Bedingungen beim Augenarzt gemessen wird, eben auch der Kontrast und die Graustufenwahrnehmung und all diese Dinge zusätzlich eine Rolle spielen. Nun, mit der Blindenschrift komme ich gut zurecht, was ich hier ebenfalls schon im Blog erzählt habe. Es wäre halt schön, wenn es alles in Punktschrift geben würde. Ich hoffe, dass ich einmal mit dem Smartphone in der Lage sein werde, einen Text abzufotografieren und ihn mir mit einer OCR-Software vorlesen zu lassen. Dies bedarf aber sehr viel Übung, und im Moment habe ich weder die Nerven noch die Kraft dazu. Zumindest ist der Augendruck traumhaft, links 13 und rechts 14. Es muss ja auch mal einen Wert geben, der passt. Insgesamt war ich recht zufrieden bei der Augenärztin, die sich sehr viel Zeit für mich genommen hat, um meine vielen Fragen zu beantworten, und ich fragte sie noch, ob ich denn nun noch alleine raus könnte, da mich das Augenflimmern ja auch unterwegs überraschen könnte. Sie meinte, das könne sie nicht beurteilen, aber ich solle mit der Sehschwäche sowieso nicht alleine rausgehen. Ich sagte ihr, dass ich ja ein Mobilitätstraining gemacht hätte und einen Blindenstock hätte. Ich habe ja aber auch Assistenz und Taxischeine. Es geht mir ja auch nicht darum, noch mehr Unterstützung heraus zu holen, sondern einfach darum, nicht weiter für übersensibel oder verrückt gehalten zu werden. Vielleicht werden jetzt auch einmal die anderen Beschwerden, zum Beispiel die Gelenkschmerzen oder alle anderen Dinge, die ich sonst dazu habe, erklärbar werden. Vielleicht sind auch die Schmerzen unter den Rippen Gelenkschmerzen, denn ich habe manchmal unter den Rippen eingeklemmte Nerven. Das hatte ich schon im jugendlichen Alter, dagegen kann man nichts anderes tun als ein Schmerzmittel zu nehmen, ein Wärmekissen zu verwenden und dann eben trotzdem zu atmen, auch wenn's weh tut, wie mir eine Krankengymnastin auf der Kur einmal sagte. Schließlich muss man ja atmen. Vielleicht muss man alles nach und nach bearbeiten und dann die Gesamtsituation etwas verbessern. Das Charles-Bonnet-Syndrom soll sich auch bessern, wenn man eine stärkere soziale Anbindung hat. Nun, am Montag den 23. fange ich an, Rumänen Deutschunterricht zu geben, und morgen feiere ich meinen Geburtstag, und am Sonntag kommen dann noch Geburtstagsgäste zum Kaffee. Vielleicht hilft diese Art von soziale Anbindung schon, dieses Phänomen zu verbessern, oder vielleicht werde ich durch diese Aktivitäten zumindest etwas davon abgelenkt. Wenn ich es schaffe, überhaupt nicht mehr dran zu denken, ist das am besten, nur gelingt mir das selten. Jetzt weiß ich auch, warum bei mir nachts immer "Licht an" ist, obwohl es stockdunkel ist, und die Augen in gelb und blau leuchten, als hätte jemand vor meinen Augen eine Lampe aufgestellt. Ich habe gelesen, dass dagegen am besten hilft, eine Lichtquelle brennen zu lassen. Ich stelle auch immer wieder fest, dass diese leuchtenden Farben, die mich im Dunkeln so quälen, am besten dadurch verschwinden, dass ich mit den Augen irgendetwas ansehe, oder Licht gemacht wird. Zumindest bin ich froh, dass ich jetzt nicht mehr ganz alleine mit diesem Phänomen bin, und dass ich nicht, zumindest damit nicht, verhext bin. In anderen Punkten werde ich es wohl bleiben, was zum Beispiel eine Auseinandersetzung mit meiner Friseurin heute bewies. Als ich ihr sagte, dass ich aufgrund meiner Schilddrüsenwerte ziemlich schlapp war, führte sie gleich wieder das Wetter als Begründung dafür an. Außerdem meinte sie, als ich ihr sagte, dass ich schon ein paar Mal besser drauf war, aber jedes Mal wieder einen Nackenschlag kriege, sobald es mir besser geht, das könnte man ja doch nicht ändern. Ich sagte ihr, auch wenn man es nicht ändern könne, müsse man doch das Recht haben, darüber zu reden. Ja, das hätte man ja, aber man könnte es trotzdem nicht ändern. Nun, was soll man denn dann noch mit wem und wo darüber reden, wenn man nur solche Sätze zur Antwort bekommen kann, die einen dazu anregen, dann lieber den Mund zu halten? Auf der anderen Seite meinte sie, es sei doch gut, wenn man über etwas spricht, andere würden alles in sich reinfressen. Ich bin immerhin schon fast 20 Jahre bei dieser Friseurin. Als ich ihr sagte, dass meine Helferin mich damals, als ich meine ganzen Beschwerden für einen Fragebogen aufzählen musste, mit dem Spruch „Alt werden ist nichts für Feiglinge“ so verletzt hätte, meinte sie gleich wieder zu deren Verteidigung, die Leute wüssten halt nicht Bescheid. Davon abgesehen, dass ich erst einmal mit ihr darüber diskutieren musste, von wem und von welchen nahestehenden Personen und von welchen Berufsgruppen man erwarten darf, dass sie das Ausmaß einer Erkrankung beurteilen können, meinte sie dann gleich wieder, sie würde ja beide Seiten sehen, und man müsse ja objektiv sein. Ich sagte ihr, Objektivität sei hier lediglich eine Flucht, um nicht mitfühlen zu müssen, und ich möchte jetzt auch mal egoistisch sein, und es reicht mir, dass immer andere in Schutz genommen würden, man könnte ja auch erst einmal meine Situation sehen, wie verletzend das für mich sei, dass ich laufend solche Sprüche hören müsse, bevor man dann gleich wieder dazu übergeht, andere in Schutz zu nehmen, die sich so unqualifiziert äußern. Dabei wurde ich etwas lauter, nachdem wir sowieso gerade dabei waren, meine Haare zu fönen, und schließlich war ich dabei, wild zu gestikulierend und ziemlich zornig meine Argumente vorzubringen. Dann meinte sie, ich solle sie gefälligst nicht so anschreien, das könne man schließlich auch anders sagen, und außerdem würden sonst alle mithören. Ich sagte ihr, ich hätte nicht sie angeschrien, sondern ich hätte lediglich meinem Ärger Luft gemacht, ich hätte aber nicht sie damit angeschrien. Dann kam natürlich gleich wieder der Spruch, sie hätte mich doch schon die ganze Zeit verstanden, ich hätte doch schließlich schon oft genug erzählt, dass man mich nicht ernst genommen habe. Warum sie dann trotzdem solchen Blödsinn von sich gibt, den ich laufend hören muss, von dem sie angeblich schon weiß, dass er mir auf die Nerven geht, wie zum Beispiel, man könne es ja sowieso nicht ändern, und ich müsse die anderen doch verstehen, die meinten es doch nicht so, warum sie dann dennoch solche Phrasen drischt, wenn sie doch angeblich schon längst alles verstanden hat, weiß ich auch nicht. Statt dass eine auch mal zugibt, dass er was von mir gelernt hat, und dass er jetzt einmal ein Lehrstück erlebt hat, und dann vielleicht auch mal überlegt, dass er vielleicht etwas dazugelernt hat und jetzt erst vielleicht einiges besser versteht, wird immer behauptet, man habe mich doch längst verstanden. Schließlich bin ich jetzt erwachsen genug, habe mir oft genug diese Lehren anhören müssen, Dinge hinzunehmen, die man nicht ändern kann, und das andere es doch schließlich nicht so meinen, und ich doch die andere Seite sehen müsse. Statt das andere, die gar nicht in meiner Situation sind, laufend Erklärungen abgeben, es ginge doch vielen so, es läge am Wetter, und ich müsse das einfach hinnehmen, wenn man es doch nicht ändern könne, ich würde es doch damit nicht besser machen, wenn ich es beklagen würde, sollten jetzt eigentlich auch mal die anderen von mir was lernen. Eigentlich sollte ich Leute einmal zum Nachdenken bringen, normale Menschen, die so emotional werden wie ich und ihre Verletztheit zeigen, würden wahrscheinlich andere betroffen machen, und sie würden einmal über ihre Worte nachdenken und hinterher nicht immer alles wieder abstreiten. Ich würde mir wünschen, dass andere, wenn ich erwähne, dass ich zum Beispiel wegen bestimmter Beschwerden gar nicht aus dem Bett kam, nicht jedes Mal zwanghaft eine Erklärung dafür suchen würden, das ist doch nur am Wetter läge usw., sondern, dass sie auch einfach mal meine Schilderungen mitfühlend hinnehmen könnten. Das hat nichts mit Jammern und Klagen zu tun, ich kenne auch andere Kranke, die auch bei ganz normalen Leuten, die sie halt schon länger kennen, auch mal beiläufig erwähnen, dass sie in dieser oder jener Sache Beschwerden oder Schmerzen hätten, oder ihnen übel sei. Die werden ja auch nicht gleich erzogen, das es doch wahrscheinlich am Wetter läge, oder dass man Dinge, die man nicht ändern könnte, einfach hinzunehmen hätte. Ich möchte nicht laufend erzogen werden, sondern ich möchte Respekt haben für die Beschwerden, die ich habe, und dass man sie mir einfach abnimmt, und dass andere sie nicht laufend diskutieren oder zur Disposition stellen. Außerdem ging das mir auf die Nerven, dass sie mir laufend erklärte, welche Hormone welche Auswirkungen hätten, und dass doch alle Hormone irgendwie irgendwelche Auswirkungen haben, obwohl ich ihr gerade erklären wollte, dass Schilddrüsenhormone sich eben nicht nur negativ auf die Haare auswirken, was wir heute leider schmerzlich feststellen mussten, sondern dass sie sich eben auch auf die Aktivität eines Menschen auswirken können. Als ich ihr dann meine neue Tinktur vom Hautarzt präsentierte, damit sie mir zeigen möge, wie ich sie anwenden musste, sagte ich ihr, was drin sei, und sie lobte mich dann, dass das doch toll sei, dass ich das wüsste. Da platzte ich dann heraus und meinte, ich habe schließlich Medizin studiert, wenn auch nur als medizinische Fachübersetzerin. Damit wollte ich sie auf keinen Fall bloßstellen, da sie dann hinterher damit kam, sie sei halt nur eine Friseurin, sie könnte nur lesen, was auf der Packung steht, sie wüsste aber nicht von selbst, was drin ist. Sie wüsste eben nur, wie es sich auf die Haare auswirkt, und ich meinte, genau das wollte ich eben von ihr wissen. Ich mag es nur nicht, wenn ich dauernd gelobt werde, als sei ich Klein -Doofi, wenn ich mal etwas von mir gebe, bei dem andere nicht erwarten, dass ich es weiß. Schließlich hat mir die Hautärztin ja gesagt, was drin ist. Ich habe einfach keine Lust, dauernd unterschätzt und hinterher gelobt zu werden, wenn man dann darüber erstaunt ist, was ich alles weiß. Ich habe ja schließlich auch mal was Gescheites gelernt. Schließlich war unsere Mitpatientin, die ebenfalls Retinitis pigmentosa hat, und die mir diesen Frisörladen empfohlen hatte, jahrelang dort, und als sie an Krebs erkrankt war, hat mir die Friseurin laufend erzählt, wie schlecht es ihr doch ging, und dass sie ihr so viel dabei geholfen hat, dass sie sich ein bisschen besser fühlt, um ihr mindestens die Haare zu machen. Der hat sie schließlich sicher auch nicht dauernd erzählt, dass ihre Müdigkeit vom Wetter kommt, und dass sie das hinnehmen müsse, was sie nicht ändern kann, wenn sie einmal sagte, dass es ihr nicht gut geht. Aber andere sind halt erwachsen, die muss man nicht mehr erziehen im Gegensatz zu mir. Und außerdem hatte die ja Krebs. Zumindest habe ich keine Lust mehr, alle Erkrankungen, die ich irgendwann einmal im Rahmen meines Studiums im Ergänzungsfach Medizin durch genommen habe, dann auch am eigenen Leib erleben zu müssen. Erst vor einigen Jahren habe ich in einer Doktorarbeit, die unsere Haus- und Hofpsychologin über die Bewältigung von Retinitis pigmentosa und allgemein von Erblindung geschrieben hat, gelesen, das ist das Charles-Bonnet-Syndrom gibt. Es ist zwar praktisch, über die Erkrankungen, die man bekommt, so viele Informationen zu haben, ich muss aber nicht jedes Mal am eigenen Leibe erfahren, wie das dann tatsächlich ist. Ich weiß auch bei den meisten Krankheiten so, dass sie schrecklich sind, soviel zum Thema, die anderen könnten sich halt da nicht hineinversetzen und wüssten einfach nicht, wie es ist. Ich weiß auch bei vielen Erkrankungen nicht am eigenen Leibe, wie sie sind, dennoch kann ich mir vom Kopf her schon vorstellen, dass sie kein Spaziergang sind. Und genau dasselbe erwarte ich eben von anderen auch, nämlich, dass sie, wenn sie für fünf Cent Verstand haben, zumindest in der Lage sind einzusehen, dass es zwischen einem normalen Alterungsprozess und den Erkrankungen, die ich durchmachen muss, noch einen gewaltigen Unterschied gibt, und dass daher ihr ignorantes Verhalten nicht dauernd in Schutz genommen wird. Schließlich wird von mir auch Taktgefühl erwartet, und ich werde auch gerügt, wenn ich in meinen Äußerungen forsch oder taktlos bin. Zumindest wurde ich so erzogen. D.h. nicht, dass man anderen nicht mehr die Wahrheit sagen soll, aber man sollte sich zumindest etwas darüber Gedanken machen, was man so von sich gibt. Es geht mir nicht darum, diese Leute anzuklagen, oder das mir jemand bestätigt, diese Leute seien blöd, aber ich möchte so gerne, dass sich jemand mal zu allererst und vorwiegend in mich hineinversetzt und meine Wut darüber versteht, was es mit MIR macht, dass ich mir laufend, die ich sowieso schon mit meinen Erkrankungen zu kämpfen habe, dann auch noch so blöde Kommentare anhören muss und dann noch Verständnis für die Unwissenheit anderer haben soll. Dennoch kann ich nun auf weitere Erkrankungen verzichten, wenn mich auch das Thema Medizin weiterhin interessiert, aber ich möchte nicht alles, worüber ich lese, auch gleich selbst haben. Im nächsten Leben werde ich entweder Ärztin oder Katze. Falls ich dann irgendwelche Erkenntnisse aus diesem Leben in ein neues Leben mitnehmen könnte, würde ich mir wünschen, durch meine in diesem Leben gemachten Erfahrungen einfühlsam und mitfühlend mit potentiellen Patienten, die ich vielleicht in einem anderen späteren Leben einmal als Ärztin haben würde, und auch mit anderen Menschen zu sein, oder dass ich eine gute Katze werden würde wie mein Kater Jakob, der mich durch so viele schwere Stunden getragen hat, ohne, dass er irgendetwas sagen musste.

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