Dienstag, 2. August 2011

Ich hasse die Menschen

Dieses Jahr war wieder unser Musikfestival in der Stadt. Da kam wieder mein Bekannter zu Besuch, den ich letztes Jahr über meinen Ex kennen gelernthatte. Dieser ist im Dachgeberverband, und da rief ihn letztes Jahr ein Blinder an, ob er bei ihm übernachten könne. Da rief mein Ex mich an und fragte, ob ich den Mann bei dem Festival begleiten könne. Ich wollte nicht, da ich als fast Blinde genug mit mir selbst zu tun hatte. Aber ich lud beide zum Frühstück ein, und da verstanden wir uns so gut, daß ich doch gemeinsam mit ihm loszog. Wir blieben in Kontakt, tauschten Musik-CDs aus, schrieben uns Mails, riefen einander an, und ich schickte ihm Briefe in Blindenkurzschrift, um das zu üben. Daher freute ich mich auf seinen Besuch, da er auch dieses Jahr wieder bei meinem Ex übernachten und zu mir zum Frühstück kommen wollte. Mein Ex hat mittlerweile eine neue Freundin, die keine Lust hatte, mitzukommen, und so „lieferte“ mein Ex ihn nur bei mir ab und verschwand wieder.

Als ich am Samstag dann bei einer Band stand und ihn anrief, stellte sich heraus, daß er nur ein paar Meter von mir entfernt gestanden hatte, da er eine sehende Begleitung dabei hatte. Eine Bekannte besuchte ihren Sohn und ging auch auf das Festival, und so hatten wir jemanden, der uns führte, da es doch immer schwierig ist, durch dieses Gedränge zu den einzelnen Spielstätten zu kommen, ohne die Hälfte der Konzerte zu verpassen und die Zeit mit Herumlaufen und sich-Durchwursteln zu vertun.

Die erste Zeit klappte das auch sehr gut. Da ich wegen meines Krankenhausaufenthaltes keinen „Schlachtplan“ ausarbeiten konnte, zu welchen Bands ich wollte, und da ich keine Zeit hatte, die Beschreibungen der Gruppen vorher im Internet durchzulesen, ging ich aufs Geratewohl zu den Gruppen. Leider war ich da oft enttäuscht, da ich kein gutes Händchen bei der spontanen Auswahl der Gruppen bewies. Diesmal brach ich auch mit der Tradition, das Festival unter keinen Umständen zu verlassen, um nur JA nichts zuverpassen, da ich so gefrustet und durchgefroren war, daß ich nach Hause fuhr, um mir etwas Wärmeres anzuziehen. Ich packte mich in vier Schichten Kleidung. Danach rief ich bei meinem Bekannten auf dem Handy an und meinte, daß ich um zehn vor sieben an der Schräge der U-Bahnstation stehen würde, und daß sie mich da abholen könnten. Ich wartete vergebens. Ich rief mehrmals an, ja, sie würden kommen. Als ich dann um Viertel nach sieben wieder anrief, meinte die sehende Begleiterin, sie hätten nun alle U-Bahnaufgänge abgeklappert, aber ich sei nirgendwo. Dann endlich entdeckte sie mich, sie waren genau am selben U-Bahnaufgang wie ich und hatten mich nicht gesehen. Ich war leicht entfernt von der Schräge gestanden, da ich dachte, sie würden nicht aus der U-Bahn sondern vom Festival kommen, und da vor meiner Nase ein Lastwagen geparkt hatte, stellte ich mich etwa 10 Meter weiter weg von der Schräge. Da meinte mein Bekannter, er hätte mich ja fragen können, welche Musik ich höre, und dann hätten wir es ja rausbekommen, daß wir am selben Aufgang stehen. Ich meinte, er hätte doch die Musik sicher durch mein Handy auch gehört. Er erwiderte, ICH hätte ja fragen können: „Welche Musik hört Ihr gerade“, und dann hätten sie ja sagen können, daß sie einen Gitarrenspieler hören. Da aber der ganze Platzvoller Straßenmusiker war, wäre diese Angabe ohnehin recht nichtssagen gewesen. Die Begleiterin meinte dann noch, ICH sei ja viel zu weit weg von der Schräge gestanden, da hätte man mich ja nicht sehen können. Jaja, typisch, also war wieder mal ich schuld! Ich war schon sauer, daß sie ihre „Blindheit“ gleich wieder auf mich schob. Und als ich das abwehrte und meinte, daß ich nicht weit weg gestanden hätte, kam auch noch begütigend: „Ist ja auch egal, wir haben uns ja gefunden“, nachdem die Schuldige ausgemacht war, und sie nicht schuld waren. Ich sprach das meinem Bekannten gegenüber nochmal an, aber er tätschelte mich nur begütigend und meinte, ach ist doch nicht schlimm. Mich ärgert so etwas, weil immer so lange ein Schuldiger gesucht wird, bis ich als Schuldige erkannt werde, und dann heißt es immer: „Ist doch auch egal, ist ja nicht schlimm!“ Dann wäre es ja auch nicht schlimm, wenn mal ein anderer schuld wäre, aber DAS geht natürlich nicht! Statt daß man einfach sagt, es ist blöd gelaufen, niemand hat jetzt direkt Schuld, ich bin eben nicht sehr groß und leicht mal zu übersehen und hab nichts falsch gemacht, oder statt daß man mal sagt: „Ich hab nicht richtig geschaut, ist ja nicht schlimm, Irren ist menschlich“. Aber immer nur MEIN Irren ist menschlich!

Am Sonntagmorgen kam er dann zum Frühstück, warf sein Gepäck auf den Sofahocker und frühstückte mit mir. Als wir gehen wollten, suchte er krampfhaft seine Mütze, die ich ihm auch nicht suchen helfen konnte, da ich ja auch nicht viel sehe. Da meinte er: „Die Mütze hat die Katze mitgeschleppt. Du solltest Deinen Besuchern immer sagen, daß Du Katzen hast, und daß die Sachen mitnehmen.“ Aha, dachte ich, schon bin wieder ICH verantwortlich. „DU kannst doch auf Dein Zeugs aufpassen, ich bin doch nicht dafür verantwortlich.“ „Ja, aber DU hast Katzen, und Du mußt das sagen.“ "Aber ich sehe doch nicht, ob einer eine Mütze aufhat.  "Dann mußt Du die Leute halt fragen,  ob sie eine aufhaben."  „Aber jeder andere hängt halt seine Mütze an die Garderobe.“ „Ja, das tut aber nicht jeder, und Du hast junge Katzen.“ Ich war schon sauer, daß jetzt wieder ich schuldsein sollte und meinte, daß ich daran nicht schuld sei. „Das darfst DU doch nicht so nehmen, das geht doch nicht um Schuld.“ „Warum hängst DU denn Dein Zeug nicht an die Garderobe?“ „Ich hab erst meinen Rucksack reingetragen.“ NA also, da kann ja ich nix dafür, wenn der keinen Mund hat und nach einer Garderobe fragen kann und über seinen Rucksack vergißt, seine Klamotten aufzuhängen. Dann räumte ergnädig ein, daß er ja, als die Katzen an sein Brötchen im Rucksack gingen, hätte drauf kommen können, daß er seine Mütze in Sicherheit bringt. Ich meinte noch ziemlich ärgerlich, daß ich nicht an allem Schuld sei. Er meinte, er habe das doch gar nicht gesagt. Als ich ihm seine Vorhaltung vortrug, meinte er: „DAS hab ICH gesagt? OK, ich nehme es zurück. Ich fühlte mich zwar nicht ganz ernstgenommen, denn er konnte das doch nicht vergessen haben, nachdem wir eine halbe Stunde darüber debattiert hatten, aber um des lieben Friedens Willen sagte ich nichts mehr.

Am Telefon dann, als er wieder zu Hause war und mich anrief, meinte er: „Als wir da beinahe aneinandergerieten, hab ich nochmal nachgedacht, das war doch nur Spaß, und Du hast halt schon so schlechte Erfahrungen gemacht, und da bist Du halt empfindlich.“ „Das ist ja allerhand, daß es jetzt auf einmal Spaß gewesen sein soll, wo Du doch eine halbe Stunde herumdebattiert hast. Und außerdem ist es übel, wenn sich jemand zu Recht über etwas ärgert, ihm seine schlechten Lebenserfahrungen vorzuhalten. Schließlich kümmert sich ja sonst auch keiner um meine schlechten Erfahrungen, die werden nur wie ein Trumpf aus dem Ärmel gezogen, wenn man seine eigenen schlechten Verhaltensweisen damit relativieren will.“ „Ich hab ja auch nicht gesagt, daß ich nur Spaß gemacht habe.“ „Ach, vor fünf Minuten hast DU mir erklärt, daß das alles nur Spaß gewesen sei, und ich sei nur besonders empfindlich. Einmal so und einmal so!“ „Es war ja auch nicht sehr lustig, auf dem Boden herumzurobben. Und daß DU schlechte Erfahrungen gemacht hast, war ja nur eine Frage und eine Vermutung von mir.“ „Ach so, das war nur eine Vermutung von Dir. Das hörte sich aber grade noch ganz anders an. Ich kann Deutsch, und ich kann eine Vermutung bzw. Frage von einer Aussage unterscheiden.“ „Ich sehe, ich habe mich verstrickt.“ Dann gab er gnädig zu, daß das nicht OK war, was er gesagt hatte, und daß´ich nicht bloß empfindlich sei. Wir unterhielten uns dann noch über andere Sachen. Am Ende hätte ich erwartet, daß er von sich aus nochmal drauf zu sprechen kommt und nochmals sagt: „Also, es tut mir Leid, ich hoffe, daß wir dann alles so geklärt haben, ich wollte das nicht ….“ Aber da mußte dan ICH wieder betteln, ob das nun geklärt sei, und ob er nun immer noch denkt, daß das nur Spaß war, und ich nur empfindlich sei. Gnädig hat er es nochmal zugestanden.

Ich finde es allerhand, daß man eine Entschuldigung, die man macht, indem manetwas zurücknimmt, dann hinterher wieder revidiert und sagt, das sei nur Spaß gewesen, und somit eigentlich die Entschuldigung wieder aufhebt. Eine Sache, an die er sich gar nicht mehr erinnert haben wollte, hatte er auf einmal wieder genau als Spaß im Gedächtnis. Und dann war es auf einmal kein Spaß. Und ich sei nur besonders empfindlich. Aber das sei ja nur eine Vermutung oder eine Frage gewesen.

Es ist immer dasselbe Muster. Ich glaube langsam, der Teufel hat die Mütze versteckt, die bis heute nicht aufgetaucht ist, damit wir uns streiten. Es sind immer dieselben Aussagen und dieselben Muster. Jemand sagt etwas, dann habe er es nie gesagt, dann hat er NIE abgestritten, daß er es gesagt hat. Dann war alles nur Spaß, aber dann hat man NIE behauptet, daß es nur Spaß war. Dann läßt man auch das übelste Argument nicht aus, um sich rauszureden und sagt, Du bist halt nur besonders empfindlich, und dann will man das ja nur als VERMUTUNG geäußert haben, aber hinterher hat man doch gar nicht abgestritten, daß man so was gesagt hat.

Es ist egal, wie oft man etwas erlebt, es wird dadurch nicht relativiert. Wenn man geschlagen wird, ist es das erste Mal blöd, und es ist das hundertste Mal genauso gemein, und der Schläger kann nicht sagen: „Du hast das ja schon so oft erlebt, daher bist Du da eben besonders empfindlich.“ Das soll so verständnisvoll und gütig und nachsichtig klingen, ist aber übel, da man damit seine eigenen Taten relativieren und es sich bequem machen kann.

Jeder andere hätte sich über solches Verhalten seinem Gastgeber gegenüber genauso geärgert, aber andere können sich halt wehren und hätten gleich zurückgepfeffert: „Dann paß halt auf Deinen Krempel besser auf, Du weißt, daß hier Katzen sind, und wer sagt, daß die das überhaupt waren, Du Hirni!“ Bei jedem anderen hätte das gesessen, der andere wäre ruhig gewesen, hätte zerknirscht recht gegeben und hätte „verloren“. Aber ich bin die ewige Verliererin, ich bin immer schuld, wenn mir einer auf den Fuß tritt, heißt es noch: „Was stehst DU auch mit Deinem Fuß unter meinem!“ Ich kann mich nicht wehren, habe nie recht und bin immer schuld.

Es ist ein Teufelsmuster, und es geht automatisch. Ich kann dagegen nichts tun, es läuft einfach von selbst so, es entsteht ein Anlaß von selbst, der sich dann von selbst so abspielt. ES sollte so sein, daß das so passiert, dagegen bin ich machtlos, es war vorgesehen. Diese Freundschaft ist nun auch wieder aus. Ich habe ihm eine Mail geschrieben, alles nochmals aufgerollt und ihn gebeten, mir zu beweisen, daß es auch noch Menschen gibt, vor denen man Achtung haben kann, die nicht so sind wie bisher alle anderen, die auch mal anders reagieren, die mir zeigen, daß nicht alle Menschen schlechtsind.

Ich muß diesen Automatismus, der offenbar von außen (unten aus der Hölle) inszeniert ist (Mütze weg, wo, wie, Streit, fertig!) durchbrechen, notfalls mit mittelalterlichen Methoden, um diese Umsessenheit zu beenden. Es ist unheimlich, daß alle Menschen wie automatisch auf dieselbe Art und Weise reagieren. Ich nenne das „den Teleprompter des Teufels“, denn es ist so, als ob die das wie in einem vorgegebenen Text eines Theaterstückes ablesen.

Auch, daß sich bei mir niemand entschuldigen kann, und daß bei mir, wie bei niemandem sonst, Entschuldigungen sogar wieder zurückgenommen werden, ist mir unheimlich und macht mir Angst.

Jedenfalls habe ich mal wieder gelernt, daß die Menschen alle der gleiche Dreck und Abschaum sind. Das macht mich unendlich traurig.  Ich würde doch auch so gerne mal jemanden haben,  vor dem ich Achtung haben kann, der mir zeigt, daß es auch andere Meschen  gibt.  Ich hätte die Menschen auch gerne lieb, aber für mich gibt es keinen Grund dazu.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Steinböckle,
bin leider eben erst dazu gekommen, Deinen Post zu lesen. Ich kann Dich sehr gut verstehen! Es sind so einfache Dinge, die Du erwartest, und es ist traurig, dass Du immer wieder enttäuscht wirst...
Das beobachte ich auch zunehmend, dass alles auf andere abgewälzt wird. Ist ein simples menschliches Verhaltensmuster. Denn es ist doch nur allzu leicht,alles auf andere zu schieben! Dann muss man sich nicht mit sich selbst beschäftigen. Ja nicht selber nachdenken...
Du brauchst Dir aber diese Schuhe gar nicht anziehen, sie sind nicht für Dich bestimmt. Sie sind ganz allgemein. ;-)))))
Und leider werden wir die Menschen nicht ändern können, sondern nur uns selbst.
DU hast alle Kraft in Dir und bewältigst so viele Dinge, die andere Menschen nicht mal erahnen können. DU bist wichtig. Nicht die Mütze....
Erlaube den schlechten Dingen in Deinem Leben nicht, so viel Macht über Dich zu haben.
Die Menschen sind so komisch, und in letzter Zeit finde ich, werde sie immer "drolliger". Kein Wunder bei dem, was alles in der Welt geschieht. Jeder sucht oder braucht ein Ventil, und oft ist es gedankenloses Verhalten gegenüber Mitmenschen.
DU bist nicht Schuld, die Dinge sind, wie sie sind, mal klappt es so, mal klappt es anders.
Konzentriere Dich auf die schönen Dinge in Deinem Leben, z. B. Deine Katzen! ;-)))
Es gibt sooooooooo viel Schönes auf dieser WElt....
Vergiss den Ärger! ;-)))))
Liebes Grüßle
Hedschie