Sonntag, 27. September 2015

Die besondere Warteschleife – der übernächste Platz ist ihrer

Vor einigen Monaten fing es an, dass mein Blutdruck nicht mehr in den Griff zu bekommen war. Dann auf einmal merkte ich, dass ich an der Dialyse eine so starke innere Unruhe hatte, dass ich dauernd herumzappeln musste. Die innere Unruhe fing immer früher an. Zuerst waren es die letzten 10 Minuten, dann die letzte halbe Stunde, dann die letzte Stunde usw. Nach der Dialyse hatte ich dann entsetzliche Kopfschmerzen, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Eigentlich hatte ich zuvor noch nie Kopfschmerzen, ich wusste gar nicht, dass ich einen Kopf habe. Dafür bekam ich jetzt alle Kopfschmerzen meines Lebens auf einmal, es pochte und hämmerte gegen meinen Schädel, mir war total schlecht und übel. Niemand wusste, woher das kam. Ich hoffe auch, dass das nicht noch mal in Erscheinung tritt. In der Nacht konnte ich dann überhaupt nicht schlafen, die Kopfschmerzen wollten nicht weg gehen, und wenn ich mich trete, da ich diese innere Unruhe hatte, stellte sich noch ein Lagerungsschwindel ein. Jedes Mal, wenn ich die Seite wechselte, fuhr ich erst einmal eine Runde Karussell, und es ging dabei auch noch abwärts. Es war gelinde gesagt entsetzlich. Ich sprach mit meinen Ärzten darüber, die auch nicht wussten, woher das kommen könnte. In meiner Not schrieb ich dann an das Transplantationszentrum und bat darum, mich auf die Liste für hohe Dringlichkeit zu setzen. Daraufhin schrieb mir die Ärztin dort, ich solle durchhalten, ich sei bereits auf Platz zwei. Ich hätte die zweitlängste Wartezeit aller Patienten mit Blutgruppe null. Ich müsse also bald dran sein. Sie bot mir einen Gesprächstermin an, der jetzt im November stattfindet. Dabei hatte ich auch noch eine Diskussion mit dem Pfleger, der den Termin aufnahm, da er behauptete, meine Dialysezeit von 5 Stunden sei zu lang, wenn ich die letzte Stunde beschwerten hätte, müsse ich 4 Stunden machen. Ich sagte ihm, dann sei ich ja noch stärker vergiftet, und dann müsse alles in 4 Stunden erledigt werden, was ich sonst in 5 Stunden mache, und das sei ja eher noch eine größere Belastung. Er war der erste, der mir erklärte, 4 Stunden sein besser als fünf, das wäre ausreichend, das sei ja sowieso die Norm. Ich bin ja immer in Diskussionen der Verlierer, selbst wenn ich recht habe, daher habe ich vergessen ihm zu sagen, dass seine Nieren 24 Stunden am Tag funktionieren. Was wir dann im Transplantationszentrum bei dem Termin besprechen, weiß ich noch nicht, denn eigentlich kann sie auch nichts machen, außer mir zu sagen, dass ich nicht den Mut verlieren soll, da ich in absehbarer Zeit vielleicht transplantiert werde. Als ich vor drei Jahren das zweite Mal in dem Transplantationszentrum war, da alle fünf Jahre die Tauglichkeit für eine Transplantation kontrolliert wird, habe ich der Ärztin begeistert geschildert, dass mir gesagt wurde, ich sei auf Platz 30. Da meinte sie noch, die Platzangabe hätte keine Bedeutung, denn es gäbe Menschen, die sich nicht für eine Transplantation entschieden hätten und schon länger an der Dialyse seien als ich. Wenn diese jetzt auf einmal doch die Entscheidung treffen, sich transplantieren zu lassen, würde deren Wartezeit natürlich angerechnet, und die würden dann vor mir sein, so würde ich dann ein paar Plätze zurückrutschen. Das kann ja jetzt auch passieren. Dennoch habe ich jetzt neun Jahre hinter mir, und da ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich auf einem der vorderen Plätze bin, wesentlich höher. Man hat mir zwölf Jahre Wartezeit „prophezeit“, da Empfänger mit Blutgruppe null eben nur Nieren von Spendern mit Blutgruppe null vertragen. Mir hat ein Arzt einmal gesagt, dass früher die Nieren von Spendern mit Blutgruppe null an alle Spender vergeben werden durften , da Spender mit Blutgruppe null Universalspender sind. Angeblich sei diese Vorgehensweise erst seit dem Jahr 2011 verboten, so das jetzt Nieren von Spendern der Blutgruppe null nur noch an Empfänger der Blutgruppe null vermittelt werden dürfen. Ob das stimmt, oder ob ich das richtig verstanden habe, kann jetzt hier nicht garantiert werden. Auf jeden Fall bin ich total happy , dass jetzt zumindest eine Transplantation nicht mehr ganz unwahrscheinlich ist, zumal ich zuvor schon gedacht hatte, ich würde leer ausgehen, oder man habe mich vergessen. Ein paar Mal zu häufig ist es mittlerweile vorgekommen, dass Patienten ohne ihr Wissen von der Liste genommen wurden, ob versehentlich oder absichtlich. Daher ist es immer ratsam, ab und zu mal nachzufragen und sich beim Transplantationszentrum in Erinnerung zu bringen. Dies tue ich natürlich nicht jedes Jahr sondern vielleicht alle 2-3 Jahre. Nun kommt es natürlich darauf an, wie hoch die Spendebereitschaft ist, da ja dieser Skandal mit den gefälschten Dringlichkeiten stattgefunden hat. Die Spendebereitschaft ist nun gesunken, wobei aber hier die Falschen bestraft werden. Davon abgesehen, dass die Ärzte vielleicht noch nicht einmal aus Profitgier sondern aus Hilflosigkeit gehandelt haben, gab es niemanden, der kein Organ gebraucht hätte. Obwohl hier Betrug im Spiel war, aus welchen Motiven auch immer, hat es nie einen verkehrten getroffen, da ja alle ein Organ brauchten. Aber nun müssen die Patienten unter dem Rückgang der Spendebereitschaft leiden. Und selbst wenn die Bereitschaft zur Organspende wieder ansteigt, dauert es eine Weile, bis ein passendes Organ für Platz eins zur Verfügung steht. Und selbst wenn ich dann immer noch vor dem Hintergrund der oben genannten Erklärungen mit der Platzvergabe auf Platz zwei bin, dauert es dann immer noch eine Weile, bis dann auch für mich das passende Organ da ist. Dies klingt alles furchtbar berechnend, aber so ist nun mal die Realität. Mittlerweile sind meine Beschwerden verschwunden. Ich nahm an, dass es vielleicht mit dem Eisen zu tun hat. Ich bekomme zweimal die Woche an der Dialyse Eisen gespritzt, wobei die Spritze an einem sogenannten"Gummischnerlzel" am Schlauch festgeklemmt ist, und die Schwester in Abständen von 1 Stunde immer wieder einen Schluck spritzt. Man soll Eisen nie auf einmal geben, da es sonst nicht vertragen wird. Vor meiner Dialysepflichtigkeit bekam ich dasselbe Präparat, wobei dies innerhalb von 5 Minuten langsam gespritzt wurde. Dies habe ich nicht vertragen, wobei sich dies bei mir nicht sofort bemerkbar machte , sondern erst nachts Symptome auftraten. Das ist bei mir bei allen Präparaten so, wenn Unverträglichkeiten auftreten. Somit wurde das Präparat damals abgesetzt, und ich stellte fest, dass die Sprechstundenhilfe zahlreiche angebrochene Schachteln mit Eisenspritzen von anderen Patienten da hatte, die ebenfalls die Behandlung abgebrochen hatten. Ich musste damals ziemlich grinsen, da ich dachte, dieses Zeug scheint ja wirklich schlimm zu sein, es bestätigt meine Unverträglichkeit, wenn hier so viele Schachteln herumliegen, dass sie meine gar nicht mehr findet. An der Dialyse dann bekam ich ein anderes teureres Präparat, welches seinen eigenen Eisenspeicher mitbringt. Da ich dennoch Bedenken hatte, es nicht zu vertragen, wurde es über den Perfusor, einen Spritzenautomaten, der die Dosis einteilt, in das Schlauchsystem der Dialyse gespritzt, oder es wurde fraktioniert, also in kleinen Schlucken über den Schnerzel gespritzt. An meiner jetzigen Dialyse haben sie das teurere Präparat nicht, so das wir versuchten, das Eisen zu nehmen, welches ich vor der Dialyse nicht vertragen hatte. Ich dachte, wenn es langsam gespritzt wird über die ganze Dialyse, werde ich es schon vertragen. Außerdem hatte ich es bei meiner alten Dialyse manchmal versehentlich erhalten, wobei ich das gar nicht gemerkt hatte, sondern es erst hinterher herauskam. Da hatte ich es ja auch vertragen. Nun aber stellten sich diese schlimmen Beschwerden ein, und zwar immer dann, wenn ich Eisen bekam. Es kamen auch so schon mal diese Symptome, aber da kann ich mich nicht mehr erinnern, ob mir vielleicht nicht dann doch an diesem Tag ausnahmsweise Eisen gespritzt wurde, da es vielleicht an einem anderen Tag nicht gemacht worden war. Der Arzt meinte, man könne es weglassen. Dies sagte ich der Schwester, die mich anhängte. Doch die andere Schwester, die in unserem Zimmerdienst hatte, hat dies nicht mitbekommen und in meiner Akte gelesen, dass Eisen an diesem Tag dran war. Sie hat mich nicht gefragt, sondern einfach das Eisen an die Dialyse gehängt. Auf einmal schmeckte ich den typischen Lakritzgeschmack vom Eisen und fragte nach. Die Schwester war seltsam still und gab keine Antwort. Mein Zimmerkollege behauptete, sie habe nichts gespritzt. Dann nahm sie das Eisen weg, es stellte sich heraus, dass sie doch schon einen Schluck gespritzt hatte. Prompt stellten sich dann die schrecklichen Symptome wieder ein. Vielleicht war das dann auch Einbildung, da ich gewusst hatte, dass Eisen gegeben wird. Zumindest wird es seither ganz weggelassen, und ich habe keine Probleme mehr. Es kann aber auch daran gelegen haben, dass zu viel Wasser entzogen wurde, und sich daher die Kopfschmerzen einstellten. Daher hoben wir das Gewicht an, was natürlich nicht so gut für den Blutdruck ist. Ich merke aber, dass ich stark zugenommen habe, denn sonst habe ich zwischen den Dialysen immer nur maximal ein Kilo an Wasser eingelagert, und jetzt sind es zwei. Das bedeutet, dass dem Körper ziemlich viel Flüssigkeit fehlt. Im Moment nehme ich wieder sehr zu, es sind jede Woche um die 200-400 g. Ich weiß nicht, wie ich das stoppen kann. Ich habe Phasen, in denen ich stärker zunehme. Vielleicht habe ich etwas mehr Hunger, aber dies ist nur geringfügig. Ich hoffe, das hält irgendwann an, sonst wären das im Jahr über zehn Kilo, die ich zunehmen würde. Vielleicht müssen wir mit dem Gewicht sogar noch höher gehen, aber vielleicht geht dann der Blutdruck noch höher, da ja dann mehr Wasser in den Gefäßen ist. Ich nehme jetzt fünf verschiedene Medikamente für den Blutdruck, und er ist gerade mal um 20 mm Quecksilbersäule gesunken. Allerdings habe ich verschiedene Blutdruckgeräte, da ich gerade aufgrund meiner Probleme mit der Feinmotorik ein neues bekommen habe, an welches man eine Hartmanschette anschließen kann. Hierdurch können aber die Werte verfälscht werden, da die Hartmanschette von einer anderen Firma ist. Daher messe ich immer noch mit dem alten Gerät nach und stecke bei dem neuen die ebenfalls mitgelieferte Bügelmanschette an. Das kann bis zu drei verschiedene Werte ergeben. Als ich meine ganzen Blutdruckgeräte einmal mit zur Ärztin nahm, haben natürlich alle Geräte gestimmt, was dem sogenannten Vorführeffekt geschuldet ist. Ich möchte ja schließlich wissen, ob bei mir daheim der Blutdruck höher ist, was ja wichtiger wäre als die Werte von den paar Stunden an der Dialyse, oder ob einfach das Blutdruckgerät falsch misst. Das habe ich neulich einem Pfleger erzählt, der meinte dann, ich solle mich doch nicht verrückt machen. Ich versuchte vergeblich, ihm die Situation zu erklären. Da drehte er sich einfach zu meiner Nachbarin um und sagte: „Frau x ist nicht normal, die braucht immer alles extra.“ Ich sagte ihm, dass dies nichts mit normal oder unnormal zu tun hätte. Irgendwann meinte er dann, ich solle das Gerät mit der Hartmanschette nehmen, denn das sei am sichersten, da ich wegen meiner schlechten Augen mit diesem besser klar käme und es auch immer richtig anlegen würde. Ich kann nur hoffen, dass der Blutdruck irgendwann mal wieder sinkt. Leider bewirken die Blutdruckmedikamente, dass mehr Blut in die Füße und auch in meine operierte Nase geht. Diese schwillt dadurch stark an, wodurch ich in der Nacht wieder so schlecht Luftkriege wie unmittelbar nach der Operation. Das ist ein ziemlich schwerer Rückfall. Dadurch kann ich natürlich erst recht nicht schlafen. Zuerst konnte ich im Januar wegen der Nasen-OP nicht schlafen, dann ließen mir die Katzen keine Ruhe, danach fingen diese Symptome mit der inneren Unruhe und dem hohen Blutdruck an. Und jetzt ist wieder die Nase dran, wodurch ich keine Luft kriege, der Mund trocken wird, und ich dann nicht schlafen kann. Irgendwer gönnt mir meinen Schlaf nicht. Ich glaube nicht, dass viele dieser Probleme nach einer Transplantation gelöst werden. Im Gegenteil, der Blutdruck kann durch das vielleicht notwendige Cortison noch stärker ansteigen. Auch habe ich von transplantierten gehört, die sogar Wasser in den Beinen haben. Und wenn man noch keinen Zucker hat, kann man ihn durch das Cortison auch noch kriegen. Es werden einige Probleme gelöst, doch kommen wieder neue hinzu. Irgendwie kann man immer nur ein Problem gegen ein anderes austauschen, die Summe der Probleme bleibt aber doch gleich. Dennoch hoffe ich, dass ich irgendwann mal transplantiert werde, und es wieder mal mit einem Päckchen von anderen Problemen zu tun habe, um mich von den jetzigen zu erholen. Immerhin habe ich dann mehr Unabhängigkeit, mehr Zeit und vielleicht auch ein besseres Befinden, wenn nicht die Nebenwirkungen der Medikamente, die ich dann nehmen muss, zu stark sind. Daher hoffe ich, dass ich bald auf Platz eins sein werde, und es dann auch irgendwann losgeht. Alleine schon die Aussicht darauf gibt mir ein besseres Gefühl.

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