Sonntag, 8. Oktober 2017

Das rote Telefon


ich hatte schon immer einen Hang dazu, oder das falsche Händchen, die kaputten Sachen zu erwischen. So ging es mir zum Beispiel bei Personenwaagen, denn  wenn ich früher eine kaufte, war sie kaputt, ging sie kaputt, oder war gleich die Batterie kaputt oder leer. So hatte ich vor vielen Jahren, ungefähr 1994, einen Anrufbeantworter gekauft, der auch Gespräche mit schneiden kann, damit ich nicht jedes Mal alles selbst mitschreiben musste, was sich hinterher nicht mehr lesen konnte. Die Qualität der digitalen Aufnahmen war aber so schlecht, dass wir ihn wieder zu dem Elektrohandel zurück brachten. Zufällig waren Freunde von mir dar, da konnte ich den Weg bewältigen, denn alleine hätte ich mit dem öffentlichen Nahverkehr bis in den anderen Ort auf der grünen Wiese, wo  der Markt stand, gar nicht fahren können. Daher tauschten wir das Gerät um, und man gab mir einen anderen. Ich hatte darum gebeten, ihn gleich ausprobieren zu dürfen, mit der Begründung, dass ich aufgrund meiner Behinderung, falls wieder etwas dran nicht in Ordnung war, nicht wieder alleine in diesen Ort kommen könnte, und meine Bekannten ja dann wieder weg seien. Nach Rücksprache mit dem Abteilungsleiter wurde dies genehmigt. Auch der nächste Anrufbeantworter war tatsächlich kaputt. So ging dies bei zwei oder drei Anrufbeantwortern. Am Ende gab mir die Frau vor lauter Verzweiflung ein rotes Telefon, in dem ein Siemens-Chip drin steckte. Es hatte einen eingebauten Anrufbeantworter mit Mitschneidefunktion. Man sagte mir damals, wenn dieses Telefon je kaputtgeht, dann bestimmt nicht wegen des Chips. So war es auch, dieses Telefon hielt mir bis heute die Treue. Alle rieten mir, doch andere Telefone, eines mit ISDN oder Hallo eines von der FRITZ!Box zu benutzen, das leichter zu den neueren Geräten passen würde. Aber ich hielt an meinem roten Telefon fest, dessen Mitschneidefunktion  und  Fernabfragefunktion  in  einem Gerät  ich nicht mehr missen wollte. Im Schlafzimmer, wo ich auch meinen Schreibtisch habe, möchte ich kein schnurloses Telefon. Zum einen möchte ich nicht in einem Notfall ewig nach einem schnurlosen Teil suchen, sondern ich möchte ein schnurgebundenes Gerät, zu dem ich schnell hinkomme. Zum anderen möchte ich nicht, wenn ich am Schreibtisch sitze, und das Telefon klingelt, erst zwischen Bergen von Papier herumwühlen müssen, um endlich das Mobilteil zu finden, und dann ist der Anruf weg. Daher habe ich Mobilteile nur dort, wo es wirklich bequem ist, nämlich im Wohnzimmer, und jetzt habe ich auch eines auf meiner Hutablage der Garderobe im Flur. Wir haben es geschafft, das rote Telefon mithilfe eines Adapters an einen der beiden Anschlüsse bei der FRITZ!Box zu montieren, sodass ich sowohl das schnurgebundene als auch das schnurlose benutzen kann. Dies ist eine gute Lösung.

 

Als eine meiner Helferinnen zufällig einmal da war, wischte sie mit einem etwas feuchten Lappen über das rote Telefon mit der Bemerkung, auch ihre Eltern seien blind, sie wisse, wie das ist, und das Telefon hätte ziemlich viele Fingerabdrücke. Eigentlich wurde es noch nie sauber gemacht, es hatte den Dreck von fast 25 Jahren zwischen den Tasten. Als wir dann versuchten, wieder das Telefon zu bedienen, funktionierte es nicht mehr. Meine Helferin ist sehr begabt darin, Dinge zu finden, so fotografierte sie das Telefon und fand tatsächlich ein schwarzes für zwölf Euro und ein rotes für zehn Euro. Ich dachte nicht, dass es überhaupt noch so ein Telefon gibt. Bis dann das Telefon da war, hatten sich die Tasten fast alle wieder erholt. Eine nach der anderen Taste nahm wieder ihre Funktion auf. Ich konnte mit diesem Telefon angerufen werden und auch hinaus rufen, solange nicht die Ziffer sechs in der Nummer enthalten war, da diese bis zum Schluss nicht funktionierte. Wir hatten also die ganze Anlage nun etabliert, und meine Helferin brachte das Telefon. Sie musste nur die Stecker aus dem alten herausziehen, denn das neue hatte kein Netzteil dabei. Es war also ein Leichtes, einfach nur das Telefon wieder anzuschließen, und es ging. Es sieht genau identisch aus wie mein vorheriges, man merkt gar nicht, dass es ausgetauscht wurde. So gibt es Geräte, die ewig halten, und die wahrscheinlich erst dann kaputtgehen, wenn man ihre Schmutzschicht, also ihre Schutzschicht entfernt. An seinem Chip ist es also nicht gestorben, sondern an sauber machen. Und wahrscheinlich am Wasser, das in die Zahlenmatte rein geflossen ist. Irgendwie musste ich schon schmunzeln, dass dieses Telefon, das so lange gehalten hatte, so ein Ende gefunden hatte.

 

Später hörte ich dann von einem Bekannten, dass es für blinde längst ein Telefon gibt, dass ein schnurgebundenes Element und ein schnurloses Element besitzt, sodass man genau die gewünschte Funktion erzielt hätte, die ich eigentlich wollte. Es hätte aber 200 EUR gekostet. Als ich damals die eine Hilfsmittelfirma anrief, um nachzufragen, welche Lösungen es gibt, da sich das alte Siemens Gigaset nicht wirklich über DECT an  die Fritz box anschließen ließ, hatten die zufällig Betriebsferien. Das war mein Pech, oder eigentlich mein Glück, denn so habe ich 200 EUR gespart. Das Siemens Gigaset ist jetzt über einen Adapter so angeschlossen, dass eben beide Telefone funktionieren, und im Wohnzimmer habe ich eben noch ein DECT-Telefon, das wir gekauft hatten, bevor  ichdas mit dem Adapter wusste. Dieses sagt sogar die Zahlen an, wenn man wählt. Das Siemens sagt ja dann die Zahlen an, wenn jemand anruft, oder wenn man in Abwesenheit herausfinden will, wer angerufen hat. Somit habe ich eigentlich alle Funktionen, die das Teil für 200 EUR auch hat, nur auf verschiedene Telefone aufgeteilt. Damit ich mir nicht den Hals breche, wenn ich im Flur bin und schnell  ans Telefon muss, haben wir eben eine Ladeschale organisiert, in die dann das Mobilteil von Siemens reinkommt, damit ich es nicht immer wieder auf die Basis zurückbringen muss, und da die Akkus schon recht alt sind, und es sonst keinen ganzen Tag durchhält. Das soll jetzt natürlich keine Werbung für Siemens sein, aber blinde, die das lesen, wissen, wie wertvoll diese Telefone waren, die man jetzt wahrscheinlich nur noch im Internet bekommt. Das war also die Geschichte vom roten Telefon, die noch im Zuge meines Umzugs passiert ist. Die anderen Sachen, wie mein Krankenhausaufenthalt oder die Auseinandersetzungen mit meiner Vermieterin, die auch im Rahmen des Umzugs stattgefunden haben, waren dagegen nicht so schön. Dieses Problem hier konnte man ja einfach lösen, im Gegensatz zu den anderen. Aber auch der Krankenhausaufenthalt ist ja dann doch gut ausgegangen, aber dazu noch in einem anderen Eintrag.

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