Montag, 6. April 2020

was die Ausgangssperre mit den Menschen macht, Thema Kontaktarmut, Einsamkeit und Alleinsein

Meine Ausgangssperre dauert jetzt schon seit dem 2. März an, da meine Leukozyten so niedrig waren. Dies war noch unabhängig vom Coronavirus. Daher genieße ich es, dass ich so viel Zeit habe und nicht dauernd von einer Veranstaltung zur anderen hetzen muss. Mein Blutdruck ist wesentlich niedriger, vielleicht auch dank der falsch niedrigen Werte meines leicht defekten Blutdruckgeräts, mein Gewicht ist niedriger, da meine Niere mehr Wasser ausscheiden kann und dazu mehr Zeit und Gelegenheit hat, weil ich die Füße oft hochnehmen kann. Ich brauche weniger Blutdruckmedikamente. Ich nehme derzeit auch kein Magenmittel, da es auch die Leukozyten senkt, aber vielleicht habe ich auch weniger Ärger, aber das Schlechte kommt ja immer von selbst. Daher mangelt es auch in diesen Zeiten nicht daran. Ich lese viel, höre viele höre viele Hörbücher und versuche gerade, mein Handy um zu funktionieren, da ich meinen PC nicht habe. Dies übt auch gewaltig. Außerdem quäle ich mich jetzt gerade durch Heinrich Manns Kaiserreich Trilogie, da ich aber von diesen Dingen so gut wie - 0 verstehe, muss ich jeden Absatz mehrfach lesen. Das wird das schwerste Buch meines Lebens werden. Nebenher versuche ich noch, mit all diesen Nachrichten Schritt zu halten, werde aber von außen gut versorgt, weil andere immer alles schneller und viel besser wissen als ich. Ich habe aber trotzdem niemals Langeweile, denn ich bekomme tausende von Whatsapp, bin in einigen Listen, versuche, mein neues Handy als Ersatz für meinen Computer zu dressieren, höre viele verbandszeitschriften oder andere medienerzeugnisse. Außerdem habe ich jetzt auch noch, um hier mal kurz Werbung zu machen, von der Firma Gruner und Jahr gehört, dass für eine gewisse Zeit im Rahmen der Kampagne wir bleiben zu Hause, deren Hefte kostenlos zum Download zur Verfügung stehen. Der Stoff geht also nie aus. In meiner mentalen Warteschleife hängt noch ein Hörspiel eines Freundes, welches ich unbedingt noch anhören wollte. Umso mehr wundert es mich, dass die Menschen schon nach einer Woche nach Lockerungen der Ausgangssperre geschrien haben. Manchmal beneide ich die Menschen, wie reich diese an Kontakten sind, dass sie diese schon nach einer Woche vermissen. Ich, die immer dazu gezwungen war, sich alleine und selbst zu beschäftigen, habe das gelernt und kenne es daher nicht anders. Aus der Not geboren, da ich während meiner Jugend und auch sonst immer Außenseiterin war, musste ich mich zwangsläufig selbst beschäftigen und habe auch ein dementSprechend großes Bedürfnis danach. Daher befremdet es mich, dass so viele Leute so sehr klagen, als ob sonst, wenn es keine Ausgangssperre gibt, alle Menschen immer nur lieb zueinander sein, kollektives gruppenkuscheln auf der Straße angesagt wäre, und alle ständig und pausenlos miteinander Kontakt hätten. Sobald die Ausgangssperre wieder vorbei ist, schubsen, stoßen und drängen die Menschen sowieso wieder, streiten und haben Konflikte. Ich fühle mich manchmal wie jemand, der in der Armut gelernt hat zu leben, und der jetzt mit Befremden die vielen reichen sieht, denen man mal ihren Swimmingpool wegnimmt, und die dann nach einer Woche schon auf dem Trockenen sitzen und nach Champagner, Kaviar, Schalentieren und Swimmingpool schreien. Überall hört man jetzt, Einsamkeit macht krank, der Mensch braucht soziale Kontakte. Ich habe zwar zahlreiche soziale Kontakte, die ich aber nicht sehe als befriedigend erlebe. Es sind einerseits zu wenige, andererseits auch zu wenig im Gleichklang, zu wenige in meiner Nähe, und viele Veranstaltungen meide ich, wie z.b. Seminare, Gruppenveranstaltungen etc, da ich lieber alleine für mich als alleine unter vielen bin. Ich frage mich, wie andere das anstellen, dass sie sofort mit anderen in Kontakt kommen. Wenn ich mich nicht rühren würde, brächte ich es in der Tat fertig, einen ganzen Abend ohne auch nur einen einzigen menschlichen Kontakt abgesehen von Hilfe aufgrund der Blindheit zu verbringen. Ich bin nicht schüchtern, aber es kommt einfach keine Resonanz. In Konzerten sitze ich häufig in einer Reihe, die erst dann neben mir besetzt wird, wenn ansonsten kein anderer Platz mehr frei ist. In Kontakten bin ich selten auf Augenhöhe, meistens erklären mir die anderen die Welt, es findet nicht wirklich ein Austausch Stadt, sondern ich bin die unterlegene. Zu Konflikten kommt es dann, wenn ich nicht gegen diese Rolle auf Lehne. In vielen Gruppen werde ich auch nur auf Hilfe reduziert, die Menschen sind nett und hilfsbereit, aber es geht nie darüber hinaus. Ich kann nicht über Unmenschlichkeit klagen, aber auch nicht über soziale Wärme, Mitgefühl, Anteilnahme oder sonderlich viel Interesse , denn die meisten wollen gar nicht immer so genau im Detail alles hören, was man so von sich gibt. Bei mir wäre da eine Menge, was ich zu erzählen hätte, und das hält nicht jeder aus. Bei manchen Menschen habe ich auch den Eindruck, sie kontaktieren mich nur deshalb, da sie einen Tennisspieler suchen, der ihnen unterlegen ist. Bei mir wissen sie genau, ich bin argumentativ und verbal unterlegen, deswegen sage ich auch häufig, zu diesem oder jenem Thema weiß ich zu wenig, da kann mir jeder weiß Gott was erzählen, such dir einfach jemanden, der dir gewachsen ist. Meine Ressourcen oder meine Erfahrungen werden häufig gar nicht erst angenommen. Ich kann mich aber nun wirklich nicht über einen Mangel an Wissensvermittlung seitens meiner Umwelt beschweren. Mein Wissensstand oder das, was ich erzähle, wird ihm aber immer nur am Wissensstand meines Gegenübers bewertet. Wenn ich also Pech habe und an jemanden gerate, der wenig weiß oder kann, ist alles das, was ich an Kenntnissen über diese Person hinaus habe, hinfällig. Wenn ich etwas weiß, wird es von der anderen Person nicht angenommen, wenn die es nicht schon von einer vertrauenswürdigen Quelle als die meine gehört hat. Solange ich in dieser Rolle bleibe, ist die Welt auch für meine Umwelt in Ordnung. Da ich diese als unbefriedigend erlebe und häufig das Gefühl habe, jetzt bin ich satt, jetzt ist mein Hirn voll, jetzt möchte ich nicht weiter die Welt erklärt kriegen, ziehe ich mich dann auch irgendwann zurück. Und dann gibt es viele Menschen, die einem laufend ihre Krankengeschichte erzählen, meine Geschichte aber gar nicht hören wollen. Da vermisse ich es, dass auch mal nach meinem Befinden gefragt wird. Und die Menschen versuchen immer, einen zu übertrumpfen. Bei jeder Erkrankung, die ich habe, setzt der andere noch einen drauf. Voll gesunde, die soll es ja auch geben, behaupten immer, es ging ihnen genauso wie mir. Ich werde also mit Maßstäben gemessen, die mir nicht gerecht werden und dementsprechend auch beurteilt. Daher brauche ich heute mal eine Pause von meiner Umwelt. Somit habe ich es gelernt, mich selbst zu beschäftigen, viel für mich alleine zu machen, schaue mir viele Dinge regelmäßig im Fernsehen an, lade mir ziemlich viele Bücher herunter oder kommuniziere mehr aus der Distanz. Somit habe ich das, was die anderen jetzt in Zeiten des Corona haben, eigentlich immer. Aber jetzt auf einmal schreit jeder, es sei doch so schädlich, keine körperliche Nähe zu haben, sozial isoliert zu sein oder alleine zu leben. Der Witz ist aber der, dass wenn ich früher über Einsamkeit oder mangelnde befriedigte Kontakte oder mangelnde befriedigende Austauschmöglichkeiten geklagt habe, hieß es immer, das geht uns allen so, und man muss sich auch mal alleine beschäftigen können. Man soll sich nicht von der Umwelt abhängig machen, man muss aus sich selbst heraus leben und nicht so viel vom außen Leben erwarten, sondern alles in sich selbst finden. Daher glaubte ich eben immer, allen anderen ging es ebenso, die kämen einfach nur lockerer und besser damit zurecht, sein sich selbst genug und würden immer alles alleine und ohne Hilfe erledigen. Ich habe sehr viel Hilfe, ich bekomme sehr viel praktische Unterstützung, wobei mir aber die mentale Unterstützung und der mentale Rückhalt und auch die mentale Vertretung meiner Interessen oder eine Rückendeckung häufig fehlen. Ich dachte immer, alle anderen sein so selbstbewusst und bräuchten all dies nicht, und ich soll einfach nur schwächer. Daher wundert es mich jetzt eben in diesen Seiten sehr, dass so viele Menschen über Langeweile klagen und über mangelnde soziale Kontakte, das Einsamkeit krank macht, wohingegen keiner fragt, ob es nicht Menschen gibt, die daran gewöhnt sind und das eigentlich als Normalzustand erleben. Zuvor habe ich nie eine Sendung darüber gehört, dass Isolation oder das Alleinsein in der Menge schädlich sein. Jetzt stelle ich fest, offenbar kannten die meisten Menschen diesen Zustand bis zur Ausgangssperre nicht. Abends weggehen, gemeinsam im Kino, Konzert und Theater gehen und nicht für sich, und viele Dinge mehr, die viele jetzt vermissen. Daran sieht man, dass es nur eine Frage des Standards ist. Wenn nur wenige an den sozial geringeren Standard gewohnt sind, ist das kein Thema in der Öffentlichkeit. Da gewinnt man eher den Eindruck, dass es offenbar nicht sehr schädlich sein, und dass es eigentlich nichts ausmacht und nur reine Einstellungssache sein. Wenn jemand darunter leidet, sozial nicht so gut im Leben und in der Welt zu stehen, wurde die es eher so gesehen, als ob der eine einfach ein höheres Kontaktbedürfnis hätte als der andere. Der eine könnte eben besser allein sein und sei stärker, der andere halt nicht. Nun, da ich aber sehe, dass es viele Menschen gibt, die jetzt schon wieder nach sozialen Kontakten lechzen, kann ich doch erkennen, dass ich nicht verweichlicht bin und mit Einsamkeit etwa nicht klar käme, oder einfach nur ein höheres Kontaktbedürfnis hätte als andere, sondern im Gegenteil hier schon sehr gut trainiert bin. Offenbar geht es den meisten normalerweise nicht so, sonst würden sie jetzt, da sie einmal in derselben Situation sind wie ich die ganze Zeit, doch ziemlich lautstark kundtun, wie sehr Ihnen soziale Kontakte fehlen, und wie wichtig diese sind. Natürlich will ich nicht verschweigen, dass es immer an einem selbst liegt, ob man viele befriedigende Sozialkontakte hat oder nicht, aber Mühe habe ich mir immer gegeben. Es gibt in der Tat auch Menschen, die das einfach gar nicht brauchen, und die sich tatsächlich selbst genug sind. Bei mir war es eher ein Gewöhnungseffekt, aus der Not eine Tugend zu machen. Auf der einen Seite lache ich daher etwas über die vielen Schreie der Langeweile oder der Kontaktarmut, die schon nach einer Woche Ausgangssperre zu hören sind, auf der anderen Seite denke ich dann, Mensch, die haben es ja ansonsten scheinbar recht gut, wenn Sie das jetzt so vermissen. Aber denkt immer daran, sobald die Ausgangssperre vorbei ist, trifft man auch wieder auf die, die man am liebsten nicht sieht, und man hat auch wieder derlei Begegnungen im Bus, in Geschäften und so weiter, die man während der Ausgangssperre vielleicht nicht unbedingt vermisst hat. Daher genieß die Zeit, lernt, euch auch mal selbst zu beschäftigen, die es noch nicht können.

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