Freitag, 2. Oktober 2009

Dr. Esperanto wird 150

Vor einiger Zeit erhielt ich eine Einladung zur 150. Geburtstagsfeier von Dr. Ludwig Zamenhof. Da stellte sich doch glatt heraus, daß ich an diesem Tag ohnehin in München sein würde, und so dachte ich, es sei jammerschade, diese Gelegenheit nicht zu nutzen, um auf dieseFeier zu gehen.

Ich mußte mir nun also eine Übernachtung organisieren. Dies gestaltete sich auch wegen des beginnenden OKtoberfestes nicht einfach. Zunächst bekam ich keine Resonanz, als ich unter den mir bekannten bayrischen Esperantisten mal vorsichtig anfragte. Aus meinem Ort fuhr auch niemand mit, so daß ich auch nicht mehr am selben Abend mit jemandem hätte zurückfahren können. Ich wurde dann an einen Esperantisten in München verwiesen, der hatte aber schon vier Gäste. Ich harkte nochmals nach und wies dezent drauf hin, daß meine Mutter schon sehr oft Esperanto-Gäste hatte, und ich war ja auch schon oft gastfreundlich und wollte daher nun auch einmal Glück haben. Ich setzte mich, da ich keinerlei Resonanz bekam, dann mit meiner Nichte in Verbindung. Aber aufeinmal klingelte mein Handy, und dran war jemand, den ich zusammen mit einem Bekannten einmal auf der Münchner Bundesgartenschau kennen gelernt hatte, als dieser Bekannte "Der Münchner im Himmel" auf Esperanto aufgeführt hat. Einer der Organisatoren, den wir angeschrieben hatten, hatte eine Rundmail gestartet, wer mich aufnehmen könnte, und so hatte sich Ulli gemeldet. Er war bereit, mich bei sich übernachten zu lassen, wies mich aber drauf hin, daß die Liegestatt sehr einfach sein würde, und daß ich einen Schlafsack mitbringen sollte. Ich war froh, überhaupt einen Platz für mein müdes Haupt gefunden zu haben. Ich ließ mir noch genau beschreiben, wo die Feier denn stattfinden sollte. Man erklärte mir, daß man zwar sehr einfach zum Kulturhaus Gasteig gelangt, aber dieser Gebäudekomplex so groß sei, daß man innerhalb des Gebäudes die "Black box", wie der Veranstaltungsort hieß, schwer finden kann. Ich ließ mir zwei Handynummern geben, sowohl die von meinem Gastgeber als auch die des Mit-Organisators, und so ausgerüstet hatte ich wenig Bedenken.

Nach meinem Arzttermin in München aß ich erst mal was in der schwer überteuerten Maximilian-Schicky-Micky-Straße. Ein Zwiebelkuchen mit reichlich Ruccola-Salat und Dipp, ein Cappuccino und ein Wasser kosteten ganze ACHTZEHN Euro. Das Stück Zwiebelkuchen war fast unter dem Salat versteckt. Dann suchte ich noch einen Laden, um ein MItbringsel für meinen Gastgeber zu kaufen. Alles hatte aber schon zu. Ein sehr netter Herr begleitete mich zur S-Bahn inRichtung Ostbahnhof. Als ich dort einstieg, sprach mich sofort eine Frau an: "Sie wollen auch zu dem Esperantotreffen?" -- "Woher wissen SIe das denn? Sieht man mir das etwa an, daß ich Esperantistin bin?" -- "Nein, mein Mann hat mir erzählt, daß SIekommen." So war es die Frau des Herren, dessen Handynummer ich hatte, und so blieb mir der Anruf erspart, und ich hatte schon automatisch die Richtige Begleitung zur "black box" dabei. So ein Zufall! Sie hatte noch zwei Däninnen und einen Dänen mit sich, drei der vier Leute, die bei ihnen übernachten sollten, weswegen sie mich nicht mehr aufnehmen konnten. Oben traf ich dann sofort Ulli, der mich zu sich aufnahm. Der spendierte mir auch noch die Eintrittskarte von 10 Euro, obwohl ich schon meine Börse gezückt hatte, aber er winkte ab, und ich sei sein Gast, das Lager sei ja nicht so üppig, und er wolle mir daher den Eintritt spendieren. Dabei war ich ja froh, überhaupt was gefunden zu haben. Alswir uns unterhielten, stellte sich auch noch heraus, daß er ebenfalls in meiner Heimatstadt geboren war, und daß er sogar zwei Ärzte dort kennt, die Esperanto sprechen, die mir auch bekannt sind, und mit einem sei er schon im Kindergarten befreundet gewesen. Ich hatte als Jugendliche den Hund der Schwester dieses Arztes ausgeführt, da sie tödlich verunglückt war, und die Mutter wegen Asthma nicht soviel mit Hippie rauskonnte. Ich habe die HIppie noch immer in sehr guter Erinnerung. So ergaben sich doch einige Anknüpfungspunkte. Dann fragte ich, wie es einer gewissen Esperantistin ginge, die ich aus München kannte, da meint er doch glatt: "DAS ist meine FREUNDIN!" So stellte sich obendrein noch heraus, daß er schon jahrelang mit einer Frau zussammen ist, die ich vor ca. 25 Jahren beim Universala kongreso in Augsburg kennengelernt hatte, und die so nett war. Ich richtete sofort Grüße aus.

Dann ging es in den Saal, der so groß war wie ein Theater. Zunächst wurden wir vom Vorsitzenden des Münchner Esperantoclubs begrüßt. Dann kam die polnische Konsulin, die eigentlich die EInladende war, und sie erzählte, das hier alles sei ein "Familientreffen". Zwischen den einzelnen Reden sang ein japanischer Chor geleitet von einer koreanischen Musikdozentin. Außer der Chorleiterin waren alle in bunte Kimonos gehüllt, was sehr schön anzusehen war. Sie sangen japanische Volkslieder, die ein Sprachgenie aus München unmittelbar vorher mal eben schnell ins Esperanto übersetzt hatte. Sie gaben dann aber auch ein Lied in Japanisch zum Besten. Dann kam ein Mensch auf die Bühne, den der Vorsitzende des Esperantoclubs gleich mit Einstein assoziierte, und als ich ihn sah, war mir auch sofort klar, wwarum. Fehlte noch die herausgestreckte Zunge, die wirren Haare waren vorhanden, und auch das wissenschaftliche Verhalten war sehr deutlich zu bemerken. Er hielt eine Rede über Dr. Zamenhof, wo dieser herkam, aus dem damals nicht existierenden Polen, das damals unter dem russischen Zarenreich stand. Er erklärte, wie viele unterschiedliche Ethnien in Bialistok beheimatet waren, daß viele unterschiedliche Sprachen gesprochen wurden, daß der Vater den Gehsteig verlassen mußte, wenn ein russischer Offizier entlanglief, und daß der kleine Ludwig das nicht so einsehen wollte. Dann gab er noch die Anekdote zum Besten, daß der Vater die ersten Entwürfe der Sprache Esperanto einfach ins Feuer warf, aber daß sie der Augenarzt Dr. Zamenhof gleich wieder neu auswendig aufschrieb. Dann wurde noch erklärt, daß Nürnberg die erste Esperantogruppe hatte, daß von dort aus die erste Zeitung gemacht wurde, die in Rußland verboten war. Der Vortrag war schier endlos, aber es war doch interessant, dies alles mal zu hören. Nach einer Pause ging es dann mit Jazz weiter. Ein Jazz-Professor mit Lehrstuhl in Würzburg, der aber seiner Sprache nach wohl Schweizer war, kam mit seiner Kombo auf die Bühne. Sie hatten einige LIeder auf Esperanto dabei. So trug die polnische Sängerin "Route 66" auf Esperanto vor: "Voj sesdekses", was sehr gut klang. Der Professor kündigte die Stücke, die auch teilweise er selbst geschrieben hatte, immer auf Esperanto an, wobei er es sich aber einfach machte und immer nur sagte: "Ni ludas, das und das und das..." Es kamen dann auch ein paar englisch vorgetragene Lieder. Jedenfalls war es zwar gewöhnungsbedürftige aber auch interessante Musik. So klang der Abend aus. Wir alle waren erstaunt, was der Vorsitzende des Münchner Esperantoclubs auf die Beine gestellt hatte.

Am Samstagmorgen lud ich Ulli dann zum Frühstück ein, und wir gingen in seine Stammbäckerei an der Straßenbahnhaltestelle. Da wir recht früh schon fertig waren, setzte er mich eine Stunde früher in den Zug. So hatte ich daheim noch genügend Zeit, meinen Rucksack für die Dialyse zu packen. Es war doch ein sehr schönes Erlebnis, und ich hatte wieder eine Menge Neues gesehen und erfahren.

Eine Kostprobe von der beschriebenen Musik auf Esperanto findet man unter:

http://www.youtube.com/watch?v=4vi7m3Ao2k0

Saluton, via kaprikorneto

1 Kommentar:

frali hat gesagt…

Ja, so selbstverständlich hilfsbereit untereinander sind Esperantofreunde. Erfrischend, wie so ein Tag in einem Esperantoleben geschildert wird, als sei das ganz normal. Ich wünschte, das würde bald normaler, sprich: Leute lernt Esperanto und ihr eröffnet euch ganz menschliche Netzwerke!