Freitag, 2. Oktober 2009

Nase vergessen

Da auch nach der zweiten Nasen-OP das Ergebnis noch ziemlich unbefriedigend ist, habe ich beschlossen, bei niemand Geringerem als Professor Mang, DEM plastischen Chirurgen Deutschlands, vorstellig zu werden. Als ich dort anrief, sagte man mir, daß er auch nach München kommt, und das ist ja viel näher bei mir. So machte ich für den 18. September einen Termin bei ihm in einer Zahnarztpraxis in der Maximiliansstraße aus, einer der schicksten Straßen Münchens. Da an diesem Abend auch die 150. Geburtstagsfeier des Begründers von Esperanto, Dr. Ludwig Zamenhof, stattfand, organisierte ich gleich eine Übernachtung. Die Dialyse machte ich dann einfach am Freitagmorgen, wobei ich aus organisatorischen Gründen in das Zimmer des berüchtigtesten Patienten der Station eingeteilt war, der dafür bekannt ist, Patienten rauszuekeln, mit Tabletts nach Schwestern zu werfen oder sie gar gleich selbst aus dem Fenster werfen zu wollen, der wüsteste Entlassungsdrohungen und Beschimpfungen und Beleidigungen ausstößt und überhaupt ein furchtbarer Zeitgenosse ist. Sonst ist er alleine in einem Vierbettzimmer, aber diesmal war noch Laufkundschaft in Form von Klinikpatienten und Gastdialysepatienten mit dabei. Zu mir war er recht manierlich, plapperte aber in einer Tour, und man wußte nicht so recht, was man ihm glauben soll. Schon beim Hereinkommen hörte ich, wie er die Schwester zusammenschrie, weil sie seinen Shunt nicht punktieren konnte: "Anfängerin, Du kannst nichts!" Als der Arzt reinkam, rief er: "Du, geh mal her, ich hab was mit Dir zu bereden!"

Später ging es dann mit dem Zug nach München, und am nächsten Tag war die Rückfahrt geplant, um wieder pünktlich zur Zwischendialyse am Samstag dazu sein.

Ich kam um 16:00 Uhr in München an und wurde von einer Mitreisenden an zwei Polizisten vermittelt, die mich zur U-BBahn "abführten". An der richtigen Haltestelle angekommen, kam ich mit Hilfe einer sehr netten Passantin direkt zur besagten Zahnarztpraxis. Ich war schon eine Stunde zu früh dort und fragte deshalb, ob ich mein Gepäck abstellen könne und nochmal eben schnell was essen gehen könnte. Aber sie behielt mich gleich da und meinte, ich würde bald der Oberärztin vorgestellt, und zwischen Oberärztin und Professor sei etwas Zeit, um einen Kaffee trinken zu gehen. Ich kam auch relativ schnell zur Oberärztin. Sie fragte mich über meine Krankengeschichte und die OPs aus. Dann kam die übliche Frage, WER denn die OPs durchgeführt habe. Ich erklärte ihr, daß ich keine Kollegenschelte betreiben wolle sondern nur wissen wollte, was man da noch machen kann, nannte aber dann doch den Namen. Am Tresen erklärte man mir dann, ich könne nun entweder Essen gehen und käme dann sofort dran, oder ich könne nun 20-30 Minuten warten und würde dann zum Professor reingerufen. Da in der Nähe nur eine Sushi-Bar war, entschied ich mich, lieber dazubleiben und mir später was in Ruhe zu suchen, wenn alles vorbei sei, dann müßte ich auch nicht so hetzen. So wartete ich und wartete. Um 18 Uhr wurde es mir dann zu bunt, und ich stand auf, um den Helferinnen mitzuteilen, daß ich jetzt doch erst mal was essen gehen wollte. Da meinte sie, ich sei jetzt auch schon dran. Vorher sei noch zu erwähnen, daß ich im Wartezimmer eine recht aufgebrachte Frau mit ihrer Tochter erlebt hatte, die meinte: "Das ist hier die reinste Abzocke, man geht erst zur Oberärztin, die redet schon von der OP, obwohl noch gar nichts klar ist, und dann darf man mal eben kurz zum Professor rein." Ich dachte, vielleicht habe ich einen anderen Eindruck als sie, und man muß sich selbst ein Bild machen. Ich sagte noch zur Helferin: "Gott sei Dank, ich wäre jetzt gestorben vor Hunger und hätte mir erst mal was zu Essen geholt." Ich habe nicht gemerkt, daß der Professor schon da saß. Als ich nun reinkam, brummelte der Herr Professor: "Bleiben Sie mal da!" Ich wußte gar nicht, daß er schon mit mir sprach. Dann brummelte er weiter: "Also das wird nichts, ich habe mich schon erkundigt, also das geht nicht, das wird nichts..." Da merkte ich erst, daß er sich unvermittelt auf meine Nase bezog und setzte mich erst einmal hin. Dann meinte er: "Sie haben eine zu dicke Haut", zupfte an meiner Backe herum und brummt weiter: "Was haben SIe denn, die Nase ist doch in Ordnung, was stört Sie denn so?" -- "Die Nase spannt, sie ist zu dick, da ist eine Narbe, die das Loch nach innenzieht und sie schief macht, sie ist zu breit und zu hoch." -- "Da ist doch alles in Ordnung, was wollen Sie denn. SIE KRIEGEN doch LUFT; ODER!!!!???" -- Ich sagte kleinlaut: "Ja". "Wenn es zweimal nicht geklappt hat, dann klappt es auch ein drittes Mal nicht, warum soll man Ihnen dann noch mehr Geld aus der Tasche ziehen." -- "Aber da oben am Nasenrücken hat es doch..." -- "WAAAS!!!??" Das WAAAS , mit dem er mich anherrschte, schüchterte mich dann vollends ein. Auf die Spannung hingewiesen, wo die Nase extrem stramm an der Oberlippe angenäht ist und sie hochzieht, meinte er: "Wenn SIe noch mehr operieren, wird es noch mehr spannen. SIE SIND für eine RHINOPLASTIK überhaupt nicht GEEIGNET!!!" -- "Ja, hätte ich es denn dann erst gar nicht machen lassen sollen?" -- "SIE SIND für eine RHINOPLASTIK wegen IHRER DICKEN HAUT nicht GEEIGNET!" -- "Kann das noch etwas abschwellen?" -- "Ja, das wird vielleicht noch kleiner, etwas Geduld." -- "Ja, was kann ich denn nun dann noch tun?" -- "Die Nase VERGESSEN!" -- "Ich nehme noch homöopathische Abschwellmittel wie Traumeel und Arnika. Soll ich nochmal Cortison spritzen lassen?" -- "Das GEHT doch bei Ihrem Krankheitsbild gar nicht." -- "Das haben wir aber nach Rücksprache mit meinen Nephrologen gemacht." -- "DAS ZEUG hält ein halbes Jahr, dann sagen Sie mal dem Dr. G. einen schönen Gruß, er soll Ihnen im Januar nochmal Cortison spritzen." -- "Haben Sie mit Dr. G telefoniert?" (Ich war etwas ängstlich, da ich ihm nicht verraten habe, daß ich zu Professor Mang gehe.) "Neinein. Ich habe nur Ihre Unterlagen hier gelesen." Dann kamen noch ewig viele Fragen zu meiner Behinderung, meinen Augen, meinen NIeren, denn die Fachärzte sämtlicher Richtungen wollen immer alles über meine Augen wissen, obwohl ich wegen eines ganz anderen Leidens hergekommen bin. Sonst tun sie immer so hektisch und nehmen sich wenig Zeit, aber zum Ausfragen über meine für sie seltene Erkrankung geht die Hälfte der Sprechzeit, die für mich zur Verfügung steht, drauf. Dann meinte er noch: "Wie kommen SIe denn jetzt weiter?" -- "Ich habe hier noch ein Treffen." -- "SEIEN Sie FROH, daß Sie noch so alleine herumlaufen können, und daß das noch geht. Da sieht man mal, was man für Krankheiten haben kann." -- "Auch die Vollblinden laufen noch alleine herum." -- "Sagen Sie dem G. einen schönen Gruß, er soll im Januar nochmal Cortison spritzen", sprachs und stand grußlos auf und verließ das Zimmer. Ich schloß daraus, daß die Audienz beendet war.

Am Tresen mußte ich dann noch die 100 Euro zahlen, die für die "Beratung" berechnet wurden. Immerhin weiß ich nun, leider zwei OPs zu spät, daß ich nicht für eine plastische Nasen-OP geeignet bin, daß es vielleicht noch etwas kleiner wird, und daß ich FROH sein kann, noch alleine herumlaufen zu können, das muß man mir ja immer mal reindrücken, wie dankbar und froh ich noch sein kann, doch noch soviel machen zu können. Wie dankbar und froh dann erst die ohne Dialyse und Augenleiden sein müßten, das wird immer verschwiegen. Wie dankbar der sein darf, daß er sich im wahrsten Sinne des Wortes eine "goldene Nase" an uns mit seinen begnadeten Händen verdient, das sagt ihm ja schließlich auch niemand.

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