Dienstag, 1. Mai 2012

Anleitung zum (Nicht-)Ratschlagen oder gut Meinen ist das Gegenteil von gut

Dies  ist kein Rat-Geber, wie man ein Rad schlägt oder wie man sich beratschlägt. Dies ist ein Anti-Rat-Schläger.   Als Nicht-Fach-Frau aber als unmittelbar Betroffene möchte ich hier einmal ein paar Beispiele geben, wie "man" es nicht machen sollte.  Und dazu gehört erst einmal, das Wort "man"  komplett aus seinem Wortschatz zu streichen.  Daher sage ich nun,  dies ist  eine Anleitung, wie  ICH  es haben will, und wie ich es versuche, bei anderen zu machen.

Zur Illustration gebe ich erst ein paar  Negativbeispiele,  und dann beschreibe ich, wie ich es mir wünschen würde.  Vielleicht deckt sich das sogar mit den zumindest theoretischen und oft  als Vorsatz formulierten  Formen, wie Leute in Hilfsberufen angeleitet werden, ihrer Klientel beim Problemelösen zu helfen.. Aber  die  Wünsche, die ich hier formuliere, entstanden hauptsächlich aus eigenen Erfahrungen, wie  ich  es nicht haben möchte, gut gemeinte Rat-Schläge zu erhalten.

Was ich absolut fehl am Platz finde:
Beispiel:  Ich bekomme vom Arzt nahegelegt, eine schwierige Untersuchung machen zu lassen.  Dabei sollte Kontrastmittel  in die Vene gespritzt, oral eingenommen und rektal eingeflößt werden, dann sollte ich  ins CT.  Ich fürchtete mich sehr  vor dieser Untersuchung.  Ich erzählte dies einer Frau, die mir zur Hand geht,  die aber auch einen Heil und Hilfsberuf hat.  Ihre Erwiderung darauf war: "Da derf ma sich net so viel  Gedank'n drüber machen.  Des derf ma net so nah an sich rankommen lassen."   Ich fragte sie daraufhin:  "Ist das nicht verständlich, wenn man da Angst hat?"  Wieder die Erwiderung: "Da derf ma net soviel Angst haben."  Ich sagte ihr,  daß sie ja nicht in meiner Situation sei, damit war das Gespräch beendet.
Nur nebenbei,  es steht einem Gesprächspartner ja auch frei,  zu sagen, daß man damit überfordert ist, und daß  man jetzt keinen Nerv für solche Sachen hat.  Das ist ehrlich, würdigt aber dennoch die schwierige Situation desjenigen mit dem Problem.
Gewünscht hätte ich mir, daß meine Angst wahrgenommen wird, und daß dies auch deutlich gemacht wird.  Man muß  nicht unbedingt Psychologe sein oder klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie gelernt haben,  um  zu sagen: "Das  hört sich ja ziemlich beängstigend an."   Eigentlich ist dies sogar der ganz normale  Vorgang, wenn man von jemandem so etwas erzählt bekommt.   Damit stellt man sich mit dem anderen auf eine Stufe, anstatt sich über den anderen zu stellen, und ihm zu sagen, wie unnötig doch seine Angst sei, und daß man so klug sei, und wisse, daß "man" die  doch gar nicht zu haben brauchte.  Damit wird das Problem selbst zwar nicht gelöst, kann es aber  auch nicht, denn die drohende Untersuchung wäre dann ja immer noch da.  Aber es fühlt sich einfach besser an, nicht mehr mit der Situation alleine zu sein.   Stattdessen wird die eigene Unsicherheit, möglichst schnell aus dieser unangenehmen Situation rauszuwollen, für die es grad keine Lösung gibt, "pädagogisch verbrämt", indem eine Schein-Lösung angeboten wird.

Es soll nicht heißen, daß man vor Mitleid zerfließt und ausruft: "ACH DU ARME!"  Auch das hilft nicht viel, sondern verschlimmert alles nur noch, weil die Sache nun  gar nicht mehr rational gesehen  werden kann. 
Am geschicktesten sind konkrete Ratschläge, wobei ein konkretes Angebot gemacht wird  wie:  "Ich kann gerne mitgehen, wenn das für Dich hilfreich ist."  Das habe ich übrigens auch einmal einer Freundin angeboten.   Die Untersuchung mußte zum Glück dann  doch  nicht gemacht werden, aber zu dem  Zeitpunkt war das nicht klar, im Gegenteil, mir wurde damals gesagt, ohne diese Untersuchung käme ich von der Transplantationsliste.

Ein anderes Beispiel:
Ich suchte eine Möglichkeit, Kaffee zu kochen, wobei ich nicht in der Lage bin,  das Wasser mit der Kanne in den Wassertank zu füllen, sondern eine Maschine brauche, bei der man den Tank abnehmen kann.  Dies erklärte ich einer Hilfsperson.   Ich dachte, es sei sinnvoll, ihr meine Schwierigkeiten konkret zu schildern, damit sie sich ein Bild von der Sachlage machen  konnte.  Stattdessen rief ich, ohne es zu wollen, ihren Trösterinstinkt auf den Plan.   Trösten ist hier aber nicht so gemeint, daß jemand in den Arm genommen wird und etwas bekommt, sondern eher ein Hinwegtrösten.  Sie "löste" die Situation, indem sie mir sagte: "Ich bin Linkshänder, ich tu mir auch schwer mit dem Einschenken, so hat halt jeder seines."   Ich werde wohl nicht in den Verdacht kommen, überheblich zu sein, wenn ich sage, daß Linkshändertum nicht so schwierig ist wie  blind zu sein, und daher die Herausforderungen bei Letzterem deutlich größer sind. 
Das Schema dieser Vorgehensweise ist leicht erklärt:
1.  Der Zuhörer versetzt sich nicht in die Lage seines Gegenübers sondern setzt seine Situation mit der des Gegenübers gleich. "Mir geht es doch  auch so."  Damit wird eine falsche Ausgangsbasis geschaffen,  die der Realität aber nicht gerecht wird.  
2. Der Sprecher suggeriert seinem Gegenüber, daß er,  wo er doch in derselben Lage ist,  dennoch zu einer Lösung gekommen ist, nämlich dahingehend, daß er diese gemeinsame Lage  selbst gar nicht so schlimm findet.
3.  So kann er zeigen, daß er viel besser mit der vermeintlich gleichen  Lage klarkommt.
4.  Und er muß sich nicht weiter damit auseinandersetzen,  eine passende  Lösung für den höheren Schwierigkeitsgrad der Situation seines Gegenübers zu überlegen.
5. Und raus ist er aus der Klemme, während der, der das Problem hat,  immer noch in derselben Lage ist und sich obendrein nicht ernstgenommen fühlt.  Es ist  nicht jeder verpflichtet,  zu helfen,  aber die, die dafür  professionell zuständig sind,  von denen sollte man das erwarten dürfen.

Ich würde mir wünschen:
1.  Der Zuhörer soll den Schwierigkeitsgrad der Situation  anerkennen.  Dazu muß man weder Arzt noch Psychologe sein, sondern es ist eine  Binsenweisheit, daß jemand mit einer anerkannten Behinderung in einigen Dingen größere Hindernisse zu überwinden hat.  Das bedeutet mehr Streß.
2.  Es ist eine Entlastung für jemanden wie mich, daß andere sehen, die spinnt nicht einfach nur oder stellt sich dumm an oder jammert über Dinge, die doch jeder hat.  Damit wird auch gewürdigt, daß sich so jemand   wirklich  plagen muß und oft eine anstrengende Situation hat, und das tut gut und bringt  wieder neue Kraft.
3.  So fühle ich mich auch nicht dauernd unzulänglich oder  schwach,  weil  ich  ein Problem bei einer Sache habe,  die doch schließlich ALLEN Schwierigkeiten bereitet, wobei die anderen sich doch auch nicht so anstellen.  Ich muß mich dann auch nicht dauernd rechtfertigen oder erklären.
4.  Wenn das  Problem und dessen Tragweite gesehen wird, dann kann der Zuhörer entweder eine konkrete Lösung vorschlagen oder eingestehen, daß ihm im Moment auch nichts Gescheites einfällt. 
5.  Das muß aber dann ausgehalten werden, und zwar von beiden.  Der Zuhörer wird nun denken,  er habe den anderen enttäuscht, weil er keine Patentlösung gefunden hat und weil er meint, der andere erwarte dies von ihm.  Ich zum Beispiel erwarte keine Patentlösungen,  bin dankbar  für konkrete Infos zu Hilfsmitteln, aber ich möchte auch nicht, daß meine Situation dauernd bagatellisiert wird.
Es kann sich auch mal um was anderes als eine Kaffeemaschine handeln.  Dies ist ja nur ein Modellbeispiel.   Ich habe auch schon total verschimmeltes Brot gegessen, da ich nicht sehen konnte, daß es schon grün war, und es schmeckte und roch nicht irgendwie moderig.  Da fing mein Gegenüber auch an: "Ist schwierig, wenn man nichts sieht...Was macht man denn da?...."  Ich hatte schon die Hoffnung, daß mich da jemand wirklich ernst nimmt mit diesem Problem.  Dann kam aber sofort:  "...., aber ich hab neulich auch schimmeliges Brot gegessen, weil ich meine Brille nicht aufhatte."   DAS tröstet mich jetzt ungemein, zumal es bei mir für so etwas kein Mitleid gibt sondern nur den hier tatsächlich angebrachten Ratschlag: "In Zukunft also immer die Brille aufsetzen beim Essen!"

Kurze  Zwischenbemerkung:  Ehe ich fortfahre wähne ich schon die Kommentatoren, die nun wiederum den Eindruck bekommen, ich würde unbedingt einen RAT brauchen, wie ich mit sowas umgehen kann.  "Da darf man sich nicht so drüber ärgern über solche  Klugscheißer."   "Da muß man drüber stehen,  das darf man nicht so arg an sich heranlassen."   Merken Sie was?  Also gleich vorab,  dies ist  nicht für mich gedacht,  um einen Rat in Lebensfragen zu erhalten, oder weil ich eine Telefonseelsorge brauche.  Genau das will ich ja eben NICHT!  Es soll eher ein "Geschenk"  an meine Umwelt sein, die  vielleicht auch für ihr eigenes Leben und ihren Umgang mit schwierigen Situationen etwas davon profitieren.  Vielleicht gibt es den einen oder die andere, die einmal für sich selbst überlegt, warum es für sie oder ihn so schwierig ist, mit mehr oder weniger lösbaren Problemen  von anderen konfrontiert zu werden, und warum  sie dann so oft den Reflex haben, sofort  mit Ratschlägen das Gefühl von Hilflosigkeit abzuwehren.   Dabei lernt man auch sich selbst besser kennen.   Davon werden beide Seiten einen Schritt weiter kommen, derjenige, der ein Problem schildert, und derjenige, der damit konfrontiert wird.  Es dient also eher als  Spiegel für die Umwelt.  Denn die meisten Ratschläge, so habe ich die Erfahrung gemacht,  die mir gegeben wurden,  hatte der, der sie mir gab, am meisten selbst nötig.   Wie oft hörte ich den Satz: "Das darf man nicht so schwer nehmen."  Ich dachte immer, die anderen sind alle so super toll,  die kommen mit allem  klar.  Daß das aber nur Lippenbekenntnisse sind, die man sich mantra-artig eigentlich selbst dauernd suggeriert, darauf bin ich erst spät gekommen.  Mehr Ehrlichkeit  mit sich und dem Hilfesuchenden würde Vieles entkrampfen und entlasten,  anstatt, daß sich alles  nur im Kreise dreht:  Der Helfer gibt einen Ratschlag, der Hilfesuchende kommt sich  belehrt vor und beweist, daß er es doch schon probiert hat, es aber nicht gelungen ist und rechtfertigt den Schwierigkeitsgrad seiner Situation, woraufhin der Helfer erst recht das Gefühl hat, er müsse nun  unbedingt eine Lösung finden.  Ich zum Beispiel will gar keine Lösung, denn  ich bin selbst schlau,  und  wenn ich keine Lösung gefunden habe, warum sollte dann der andere eine haben?  Kommt der sich etwa besser und schlauer vor?  Wenn ich  eine lösung  möchte,  frage ich KONKRET nach.  Wie gesagt, konkrete Hinweise auf Einrichtungen, Anlaufstellen, technische Hilfen, Initiativen etc.  sind nie falsch.  Sie bieten eine rationale  Möglichkeit zu überprüfen, ob die Situation WIRKLICH ausweglos ist, und man vielleicht  nur einen  Weg übersehen hat. "Moralisch gut gemeinte"  Kummerkastentantensätze , die einem nur nahelegen, "es doch nicht so schwer zu nehmen, schließlich geht es  doch allen so",  sind nur verletzend, davon abgesehen, daß  sie nicht stimmen  und sachlich falsch sind und der Sache nicht gerecht werden.

Also,  noch ein Beispiel:
Ich suchte einen neuen Kühlschrank, wollte aber einen deutschen oder zumindest  keinen billigen aus Asien oder von Elektrolux oder sonst einer "Heuschrecke".  Die meisten hatten jedoch  nur noch  einen Touch-Screen, um die Temperatur einzustellen.   Das ist für jemanden wie mich nicht lesbar.  Wenn es doch mal einen mit Drehregler gab, wobei ich da die Einstellung taktil erfassen kann, dann war er entweder zu schmal oder hatte ein Gefrierfach, was ich nicht wollte.  So  blieb am  Ende wieder nur einer übrig, der breit genug war, kein Gefrierfach hatte und noch mit algmotdischem Drehregler einzustellen war.  Und das war genau die Marke, die ich  aus politischen Gründen eigentlich NICHT wollte. So  mußte ich meinen Idealismus über Bord werfen und dieses Modell kaufen.  Dies erzählte ich auch wieder  einer Helferin.   Ihr Kommentar war: "Ich hab auch so meine Vorstellungen, ich suche schon seit Monaten einen Kühlschrank, der farblich zu meiner Küche paßt."   Meine Erwiderung, daß  es bei mir nicht um optische Schönheitsvorstellungen ging, sondern um die Möglichkeit, das  Ding  überhaupt zu bedienen, und daß ich keine paar Monate mehr Zeit hatte, da mein  alter kaputt war und dringend ausgetauscht werden mußte, und daß ich nicht wie ein Sehender in der ganzen Stadt umherfahren kann, um mir in zig Läden die Kühlschränke anzusehen, und ich dabei außerdem auch wieder auf Hilfe angewiesen sein würde, wurde nicht mehr weiter beachtet.  Hier greift wieder das System von dem zweiten Beispiel, allerdings etwas anders.  Die Situation  wird fälschlicherweise gleich gesetzt, und damit soll eine Scheinsolidarität  erklärt werden. Die ist gut gemeint,  aber  es ist einfach nicht wahr.  Dieses Beispiel könnte mit der Überschrift "Jammern auf  hohem Niveau"  überschrieben werden.    Jeder  hat  dasRecht, sich einen farblich passenden Kühlschrank zu wünschen,  aber  ihn überhaupt  bedienen zu können ist  noch elementarer. Das wäre so,  als würde einem ein Hartz-IV-ler sagen,  er könne sich am  Monatsende kein Brot mehr  kaufen, und ein anderer würde sagen,  ich hab neulich  im  Restaurant auch keinen Schellfisch mehr bekommen.  ."   Der Sprecher ist hier aus dem Schneider , und der andere bleibt  unverstanden und mißverstanden zurück.

Ein ganz deutliches Beispiel,  wo man dann obendrein zu seinem Kummer auch noch  zusätzlich ein schlechtes Gewissen gemacht kriegt ist folgendes Beispiel:

Ich erzählte einer Frau, daß ich öfter mal angerempelt oder von älteren Leuten beiseite  geboxt werde.    Ich sagte ihr, daß ich da oft nicht weiß, was ich in so einem  Moment tun soll.  Da meinte sie:  "Das würde mir genauso gehen."  Ich war schon ganz stolz und ganz überrascht,  daß mal jemand mit mir  solidarisch ist und sich NEBEN mich auf eine Stufe setzt und sein eigenes Unvermögen zugibt, nicht immer so toll zu sein.  Aber die Freude währte nicht lange,  als solle es nicht sein, daß ich das mal genießen darf, kam dann prompt der Vorwurf: "ANDERE sind da VIEL selbstbewußter,  die würden sich dagegen wehren."  Das mag ja als gut gemeinte Aufforderung gedacht   gewesen sein, daß ich das Recht habe, mich gegen solche Dinge zur Wehr zu setzen.  Aber    zusätzlich zu dem,  daß ich sowieso unter so etwas leide, bin ich jetzt auch noch "unselbstbewußt", und andere können das viel besser und  sind viel mutiger.  DAS steigert nun wiederum mein Selbstbewußtsein ungemein!!!   Ich hätte mich besser gefühlt,  wenn sie bei ihrer ersten Variante geblieben wäre, und ich  für mich das Gefhül hätte haben können,  daß ich mich in guter Gesellschaft befinde.

ICH wünsche mir in solchen Situationen jemanden, der mir zeigt, daß  ich deswegen kein Schlappschwanz bin, weil ich mich nicht wehren kann, und daß  andere auch nicht immer so fix und so  schlagfertig sind.  Das hätte mich entlastet.  Es hätte mich allerdings NICHT daran gehindert, daß mir das nächste Mal vielleicht DOCH was eingefallen wäre.    Daß andere auch nicht immer so super drauf sind, ist ja deshalb nicht gleich ein Freibrief,  sich immer schweigend davonzustehlen, wenn einem sowas passiert.  Aber wenn man mal nicht so toll und brillant reagiert hat, kann man dann wenigstens gut zu sich sein und sich sagen, daß man trotzdem OK ist, und daß man vielleicht beim nächsten Mal  schneller reagieren kann.  UND: Man würde sich nicht noch minderwertiger fühlen, weil man nicht so toll und schlagfertig und selbstbewußt ist wie all die anderen  Und da ist es eben SCHON wichtig,  was andere denken,  und daß die einen eher aufbauen und einem sagen, daß sie auch nicht immer so super drauf sind und sich immer wehren können.  Und wer weiß,  die,  die sich so  super  toll  verteidigen können,  sind ja  vielleicht auch wieder in einer ganz anderen Situation und können sich daher leichter zur Wehr setzen als  jemand, der klein  ist und  eine Frau und  so  unbeholfen wie ich.   Da  reden sich  wieder mal viele sehr leicht.  Ob das auch immer so stimmt, wie  toll sich andere wehren, oder ob das manchmal auch Münchausiaden sind, das kann  ja sowieso  niemand nachprüfen..

Es geht nicht darum, dauernd zu erklären, wie arm man dran ist.  Es geht um eine  Einordnung  und um eine Verhältnismäßigkeit der Probleme.   Und es geht darum, daß ich mir wünsche, daß die Menschen  mir  gerecht werden und das Ausmaß der Situation verstehen.  Sonst wird man als Mimose oder als gering frustrationstolerant angesehen, weil man sich über eine lächerliche Sache wie  mangelnde Drehregler an Kühlschränken beklagt, wo doch andere schließlich dasselbe Problem haben und keinen farblich passenden Schrank finden und sich doch  schließlich auch nicht dauernd beklagen.  Daß aber ich dann das ganze Gerät nicht mehr BEDIENEN kann und auf dieses Merkmal essentiell angewiesen bin, während der andere sehr wohl seine Farbansprüche  herunterschrauben kann, das wird dabei nicht gesehen.    Es soll ein Trost sein,  der aber  MICH nicht tröstet, sondern nur den Zuhörer beruhigt.

Eine Rat-Schlag-Variante, die sogar ziemlich unangenehm  und übel ist,  sind  Sätze, die mit  "Das solltest Du ändern",  "DAS solltest Du mal ablegen", "DAS solltest Du Dir mal abgewöhnen" enden.  Dann schwingt immer noch mit: "MIR kann das ja egal sein, aber ich  sag es Dir ja nur, weil ich es gut mit Dir meine."   Das läßt dann den Kritiker noch toll dastehen, daß er so nett ist, und einem das Unangenehme sagt, und es noch so aussehen läßt, als müsse man ihm dafür auch noch dankbar sein.  Vielleicht ist es aber nur etwas, was ihn persönlich stört und mehr mit ihm selbst zu tun  hat, das wird aber durch solchen selbstlosen Edelmut übertüncht.

Und nun zum Schluß noch ein richtig böses Beispiel, wo ich aber die Person ziemlich an den Rand der Verzweiflung gebracht habe, und das mit Genuß, wartet es ab, es ist lustig!

Ich saß im Taxi,  und da meinte die Fahrerin:  "Ich weiß, wie das ist,  ich brauche jetzt im Dunkeln auch langsam eine Lesebrille."  Da sagte ich ihr: "WAS SOOO schlecht sehen Sie,  und da  dürfen Sie noch Autofahren!  Das kann doch nicht sein,  daß Sie da noch eine Taxilizenz haben!"  Da beeilte sich die Frau aber ganz schnell zu sagen: "NEINEIN,  ich kann zum Beispiel das Blatt da vorne auf dem Boden noch gut sehen.  Ich sehe WIRKLICH noch sehr gut, wirklich !"
Etwas  Ähnliches ist mir mal mit einem  anderen Taxifahrer passiert, und da fiel mir prompt die Antwort ein: "Wenn Sie SO schlecht sehen, dann lassen Sie doch besser MICH fahren!"  Ich hatte nur nicht den Mut, es laut zu sagen, denn sonst wäre der gute Mann vor Schreck vermutlich in das nächste Auto reingerast.

Nun also doch noch ein paar konkrete Rat-Hauer:
1.   Wenn ich einen Ratschlag bekommen will, sollte der andere immer von sich selbst reden.  Er sollte sagen: "Ich hab das neulich so und so gemacht."  Oder  er  könnte auch ehrlich sein und sagen:  "Ich sage mir auch immer vor, daß ich das und jenes das nächste Mal besser machen will, und  mir gelingt es auch nicht immer."   Das schafft Nähe und echte Beziehung.  Es macht dem anderen nicht noch Vorwürfe , daß er zu schwach ist,  die  tollen Ratschläge zu befolgen.
2.  Eine Sache, die MIR geholfen hat, muß  nicht zwangsläufig auch dem anderen helfen.  Der andere ist nicht in meiner Situation.
3  Auch wenn jemand wie ich vielleicht schwach wirkt,  sieht das nur für Außenstehende so aus, denn wer will denn wirklich genau wissen,  wie schwer und wie groß das Paket tatsächlich ist.
4.  Gut meinen ist das Gegenteil von gut, es behandelt den anderen von oben herab.  Ich weiß, was für Dich gut ist.  Das ist bemutterung und Bevormundung.
5.  Ich wünsche mir lieber konkrete Hilfe oder konkrete Angebote.
6.  Eine Klage ist KEIN ARBEITSAUFTRAG für mein Gegenüber,  nun sofort einen Rat-Hauer  rauszuschleudern, sondern manchmal will  frau einfach nur  ablästern oder mal Dampf ablassen  und Solitdarität.
7.  Manchmal tut es einfach gut, wenn andere dasselbe fühlen und  mir sagen: "DAS ist  wirklich doof, das stimmt."  Erstens bestätigt das mein Gefühl,  und das brauche ich unbedingt, da mein Empfinden so  oft schon abgesprochen oder ausgeredet wurde.  Dann weiß ich, daß ich  nicht einfach nur überempfindlich bin oder nicht bei klarem Verstand.  Und es bedeutet Solidarität,  ich bin nicht mehr so alleine damit und weiß, daß mein Gefühl nicht verzerrt oder unangemessen ist..
8.   Eine Sache wird nicht schlimmer dadurch, wenn man sie bestätigt.  Der Satz: "Wenn ich Dir das   noch bestätige, dann wird es ja nur noch schlimmer,"  ist irrational.  Es ist so schlimm, wie es eben ist.  Jemandem aus Gut-Meinen heraus etwas anderes einzureden  ist so, als wolle man den anderen "erziehen" und ihm die Sache ausreden.   Rational und erwachsen ist es, jemandem zu sagen: "Ja,  das ist so, es ist schwierig."  Denn alles andere wäre den anderen zu verschaukeln.   Ich  zum Beispiel  bin ja nicht blöd, und man kann
 mir kein X für ein U vormachen.  Das hieße, den anderen für  dumm zu verkaufen.
9.  Mir ist wichtig, was andere denken.  Der tolle Ratschlag,  es sei doch Wurscht, ob die anderen einen für  schwach halten oder nicht, ist wieder so ein Super-Mensch-Satz. Wem ist denn wirklich egal, was andere denken?  Ich nöchte einfach, daß mich andere sehen und mir gerecht werden und mich gerecht beurteilen.   WER will das nicht? Und dazu gehört, die Situationen zu würdigen, in denen jemand ist und sie realistisch zu sehen und den Schwierigkeitsgrad auch zu sehen.

Der Text ist keine Aufforderung, mich zu trösten, daß man die anderen doch sowieso nicht ändern kann, sondern nur sich selbst usw.  Ich mag mich aber nicht mehr ändern,  ich  will auch  mal so bleiben dürfen,  wie ich bin.   Dieser Text ist nun dafür da, daß sich  Menschen darüber Gedanken machen, was sie selbst empfinden, wenn sie hilflos einem Hilfesuchenden  gegenüber sind.  Der ist übrigens  nicht schwächer, weil er Hilfe sucht, und muß daher auch nicht  so behandelt werden.  Im Gegenteil!  Ich jedenfalls bin es Leid, mit lauter Supermenschen  zusammen zu sein, die immer genau wissen, was "man" in der Situation tun soll, die immer einen  guten Rat parat haben oder einem dauernd Ratgeber in Lebensfragen sein wollen.  Ich will endlich mal Menschen um mich haben, die  auch Schwächen und Fragen haben, die auch nicht immer alles toll meistern, und die auch mal einräumen : "In der Hinsicht muß ich zugeben, daß ich es da ja auch einfacher habe und ich da leicht rede."  Nicht jeder, der vermeintlich nicht so "weit und abgeklärt" ist, wie der Rest der Welt,  meistert alles schlechter.  Vieleicht hat er einfach nur eine Menge mehr an Sachen, die er meistern muß und ist daher weiter hinten auf seinem Weg.  Somit relativiert sich die scheinbare  Schwäche und vermeintliche Hilflosigkeit wieder.

Übrigens,  Lisa Fitz sagte   mal:  Der   Weg ist das Ziel, und dann ist das Ziel weg!   Ich mag nicht reifen, ich bin doch kein KÄSE!  So geht's mir dann auch!

Also, keine Kummerkastentantenkommentare wie: "SIEH doch,  es gibt doch auch soviel Positives, das Leben ist doch  auch schön."

Das Leben ist so, wie es ist, und nicht weniger und nicht mehr!
Respekt ist eher angebracht!

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