Donnerstag, 30. Juli 2009

Will ich noch die Transplantation?

Da ich nun so viele Mißerfolge hatte, siehe andere Einträge, überlege ich mir, ob es besser ist, mich nicht transplantieren zu lassen. Bisher läuft es immer nach demselben Muster: Ich will etwas verbessern, ich strenge mich an, ich unternehme etwas, es wird minimal besser, ich hoffe, und es geht wieder denselben Schritt zurück. Dann geht es wieder vorwärts, wieder zurück, wieder suche ich kleine Anhaltspunkte, daß es doch besser geworden ist, wieder gibt es einen Rückschlag, und amEnde sehe ich ein, daß ich aufgeben muß.

Bei der Transplantation würde sich dann sicher folgendes Muster ergeben: Ich würde transplantiert, es würde mir durch die starken Medikamente ewig nicht besser gehen, die Ärzte würden um Geduld bitten, daß es ja noch kommen kann, daß es besser wird. Es würde minimal besser, aber keine denkwürdige oder merkliche und deutliche Verbesserung des Befindens geben. Wir würden alle Maßnahmen ausprobieren, es würde wieder Anlaß zur HOffnung geben, es würde minimal besser, dann würde es wieder einen Schritt zurück gehen, dann würde ich wieder etwas probieren, die Medikation ändern lassen, und dann würde es minimal besser, aber dann gleich auch wieder nicht, so würde es wieder vor und zurück schaukeln, und am Ende müßte ich wieder aufstecken und einsehen, daß die Hoffnung, daß es mir doch besser gehen würde, wiederum vergebens war. Dann kann man die Niere nicht mehr ausbauen, und ich müßte weiter dise Medikamente nehmen.

Das Prinzip, die Summe aller Probleme ist immer die Gleiche, würde auch wieder greifen: Ich würde mich zwar fitter fühlen mit neuer Niere, aber die Nebenwirkungen der sehr starken Medikamente würden das wieder wettmachen, und unterm Strich würde es mir genauso gehen wie an der Dialyse, ich würde nur die einen gegen die anderen Beschwerden austauschen, also den Teufel mit dem Belzebub austreiben. Auch die Liste aller Nebenwirkungen, die Gefahren, die Berichte, die man von Unverträglichkeiten liest, machen mir keinen Mut mehr.

Auch höre ich laufend, wenn ich das Thema anspreche, von Leuten irgendwelche Beispiele, wo es Leuten nach der Transplantation richtig schlecht gegangen ist. Da mein Bruder die TX sehr gut zweimal sogar schon relativ lange Jahre überstanden hat und sich sogar ein drittes Mal auf die Liste setzen will, habe ich zuvor niemals überlegt, ob ich das will, sondern es war für mich selbstverständlich, mich natürlich transplantieren zu lassen, da dies die Erlösung vonder Dialyse ist. Aber in meinem Zimmer ist nun auch eine Frau, die keine guten Erfahrungen mit der Transplantation gemacht hat.

Auch fürchte ich, daß ich wieder mal zu dieser "schlechten Gruppe" gehören würde. Der Arzt meint, ein Drittel ist sehr dankbar für die Transplantation, ein Drittel denkt so lala, und ein Drittel denkt, hätte ich das doch niemals gemacht. Bei meinem Glück komme ich sicher in die dritte Gruppe. Das kann man nun wieder als sich selbst erfüllende Prophezeiung ansehen, aber bisher war es haltauch immer so.

Und noch ein Muster würde mir eventuell blühen: Bisher war es immer so, daß ich bei einer Erkrankung Bestimmte Beschwerden hatte, daß ich es den Ärzten jedesmal sagte, die mir das nicht glaubten, ich sie dazu überredete, eine Untersuchung zu machen, und hinterher stellte sich immer heraus, daß ich recht hatte. Aber das nächste Mal, wenn ich wieder Beschwerden kundtat, glaubte mir wieder keiner. Dieses Muster ist schon so eingefahren, daß ich Angst habe, daß ich beispielsweise den Ärzten sage, daß ich die Medikamente nicht vertrage, die mir dann nicht glauben, und es mir laufend schlecht geht. Oder, es könnte sein, ich bemerke eine Abstoßung, es wird mir nicht geglaubt, die Ärzte halten mich wieder mal für psychisch und denken, ich hätte nur Angst vor der Abstoßung und würde mir daher was einbilden, aber wenn ich dann auf die Untersuchung gedrängt habe, stellt es sich wieder als wahr heraus, und das nächste Mal glauben sie mir aber dann wieder nicht, und das Spiel geht ewig so weiter, wie es derzeit beim Shunt ist. Beim Shunt glauben sie mir auch nicht, daß etwas ist, ich muß jedesmal um eine Untersuchung kämpfen, und hinterher stimmt es aber immer, und das nächste Mal glauben sie mir wieder nicht. Immer erst dann, wenn es bereits zu spät ist, stellt sich heraus, daß ich endgültig recht hatte, so wie sich das mit dem Pfeiffer'schen Drüsenfieber auch erst herausgestellt hatte, als es schon jahrelang vorbei war, aber vorher hatte ich drei Jahre lang gelitten, weil mir keiner glaubte. Wenn sich nun NACH der Transplantation herausstellt, daß ich wirklich etwas mit dem Shunt hatte, und daß ich wirklich schlecht dialysiert war und das der Grund für meine derzeitigen Beschwerden ist, und sich dies aber wie immer erst im Nachhinein herausgestellt hat, nämlich genau nach der Transplantation, wo es mir dann aber nichts mehr hilft, dann würde ich wirklich einen Schreikrampf kriegen. Jahrelang kämpfe ich wegen Augenflimmern, Rosa-Grün-Farbsehen, Müdigkeit, Mattigkeit, Übelkeit, alle denken, die spinnt, und genau dann, wenn es mir nichts mehr mützt, nämlich wenn ich transplantiert bin, stellt sich heraus, daß ich richtig gelegen habe, und der Shunt jahrelang nicht in Ordnung war. Und dennoch zieht keiner der Ärzte die Lehre daraus, mir das nächste Mal bei ähnlich gelagerten Situationen mal schneller zu glauben.

Und das Schlimmste wäre, wenn es mir grade so gut ginge, daß ich nicht an die Dialyse muß, die Transplantatniere also grade so gut geht, daß ich ohne Dialyse auskomme, daß es aber nicht gut genug ist, damit gut zu leben, sondern, daß es nur am untersten Level herumkrebst, so wie es mir unmittelbar vor der Dialyse ging. Es ging mir zu "gut", als daß sie mich an die Maschine ließen, aber zu schlecht, als daß ich das noch als Leben bezeichnen konnte. Wenn ich mir vorstelle, vielleicht drei-vier-fünf Jahre mit einer chronischen oder nur etwas bestehenden Abstoßung herumlaufen zu müssen, die aber nicht schlimm genug ist, daß man was tun muß, aber grade so schlimm ist, daß sie mir zumindest Beschwerden macht, dann kann ich auch gleich an der Dialyse bleiben.

DA weiß ich, was ich habe, und ich weiß, auch wenn es elend ist, was es ist, und womit ich leben und rechnen kann. Bei einer Transplantation weiß ich nicht, was rauskommt, und da gibt es dann kein Zurück mehr.

Ich esse alles, ich kann eingeschränkt reisen, mir eine Feriendialyse organisieren, bin an der Maschine selbst sehr zufrieden, kann meine Hörbücherlesen, lerne was Interessantes dazu wie neulich beim Besuch des Dialysemuseums und bei dem Vortrag über Jacob Henle. Wären die Intervalle dazwischen nicht so elend, würde ich sowieso gleich lieber an der Dialyse bleiben.

Auch sind mir zuviele Mißerfolge passiert, und ich bin es Leid, immer nur zwischen Hoffnung und Enttäuschung zu pendeln. ich habe einfach grade die Nase voll von noch mehr Enttäuschungen. Der Arzt meint, ich solle auf der Liste bleiben, ich könne ja, wenn ich mich mental nicht bereit fühlte, immer noch ablehnen, so oft ich wolle. Aber da gehört eine Menge dazu, dauernd ein Transplantat abzulehnen. Das wäre so, als klopft das Glück dreimal an Deine Tür, und Du schickst es weg. Es ist einfach ein Roulette-Spiel.

Ich werde mal warten, was die Nase macht. Wenn ich DA sehe, daß auch MIR mal was gelingen kann, daß auch MIR mal eine Maßnahme hilft, und daß sich auch bei MIR mal Schmerzen und Mühen lohnen, dann werde ich es mir nochmal mit der TX überlegen. Aber wenn das nicht klappt, dann habe ich keine Lust mehr, und dann bleibe ich lieber den Rest meines Lebens an der Dialyse, auch wenn diese einen auslaugt, und sich dadurch das Leben sicher verkürzt. Sonst muß ich ja noch länger in diesem Jammertal zubringen, und das habe ich nur so lange vor wie nötig.

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