Donnerstag, 11. Februar 2016

Haarige Angelegenheit

Wie hier schon in den einzelnen Beiträgen berichtet, musste ich eine Zeit lang ein Blutdruckmedikament einnehmen, welches die Haare wachsen lässt. Der Handelsname ist Lonolox, der Wirkstoff heißt Minoxidil. Dieser Wirkstoff wird äußerlich auch als Haarwuchsmittel verkauft, und das nicht billig. Als ich im Sommer mit diesem Medikament anfing, war ich zunächst verwundert, dass ich dieses Medikament so freizügig bekam, nachdem es erst dann eingesetzt wird, wenn nichts anderes mehr hilft. Im Jahre 2006 sollte ich es schon einmal bekommen, da ich auch hier vielerlei verschiedene Blutdruckmedikamente eingenommen hatte, die keine Wirkung mehr zeigten. Ich hatte mich damals in meiner Verzweiflung rundweg auf eigene Initiative an eine Universitätsklinik gewendet, bei der ich während meines Studiums immer zur Kontrolle war, in der Zeit, als ich noch nicht an der Dialyse war, aber der Blutdruck schon sehr hoch war, und ich wegen meiner Nierenschwäche in ärztliche Behandlung gehen musste. Ich dachte, die können mir sicher helfen. Als ich damals dort ankam, sollte ich auf Lonolox eingestellt werden, was damals nur im Krankenhaus möglich war, da das Medikament so stark ist. Damals reichte es aber aus, dass man lediglich das Dialyseentgewicht senkte, um Volumen aus den Gefäßen zu nehmen, wodurch der Druck sinkt. Damals verließ ich ganz enttäuscht die Klinik, da der Blutdruck noch für meine Begriffe relativ hoch war, und man mich einfach entließ. Jedoch hatte diese Maßnahme dann vier Wochen später endlich angeschlagen, mein Blutdruck sank, und ein Medikament nach dem anderen konnte abgesetzt werden. Viele Jahre konnte ich dann ganz ohne Blutdruckmedikamente auskommen. Letztes Jahr ging es ja wieder los, dass der Blutdruck einfach stieg und stieg, und nichts half. Woher so etwas kommt, wissen nur die Götter. Mehr Wasser zu ziehen half nicht, da ich dann jedes Mal starke Kopfschmerzen bekam. So dachten wir zunächst, dass es nichts mit einem zu hohen Blutvolumen zu tun haben kann. Die Ärztin probierte bei mir mehrere Blutdruckmedikamente aus. Doch hatte ich jedes Mal Probleme, da durch die Gefäßerweiterung das Wasser ins Gewebe ging, und meine Gliedmaßen oder meine frisch operierte Nase anschwollen, und ich keine Luft mehr bekam und nur noch mit erhöhtem Kopfteil schlafen konnte. Sie bat mich also noch einmal in ihre Sprechstunde und gab mir ein Rezept für Lonolox. Ich wusste schon, welchen Wirkstoff das Medikament enthielt, und dass die Haare wachsen würden. Ich stellte mir dies lediglich so vor, dass mein Haupthaar schneller wachsen würde, was mir eigentlich gelegen kam, und dass ich vielleicht an den Stellen, die ich sowieso entwachsen lassen musste, wie Kinn, Beine etc. , mehr Haare haben würde, die vielleicht etwas hartnäckiger sein würden. So nahm ich das Medikament relativ unbedarft ein. Allerdings wirkte es kaum. An der Dialyse war der Blutdruck wie immer gut, während er zu Hause doch noch ziemlich hoch war. Irgendwann hatte ich auch keine Lust mehr zu messen. Anfang Dezember, oder war es Ende November, stellte ich mit Entsetzen fest, dass sich auf meinen Wangen ein Flaum bildete, wie er bei Jünglingen in der Adoleszenz zu sehen ist. Vor Schreck rief ich sofort meine Ärztin an, und diese meinte, ich könne das Medikament absetzen. Damals dachte ich schon, vielleicht sollte man es ausschleichen, aber, wie schon beschrieben, dachte ich, wenn mir erlaubt wird, das Medikament abzusetzen, lasse ich mir das kein zweites Mal sagen. Die Quittung erhielt ich ja dann um Silvester herum, wo ich dann mit einer Hochdruck Krise im Krankenhaus lag. Das war nicht das einzige Problem. Ich stellte fest, dass der Flaum fester wurde und länger. Während ich mich abtrocknete, nachdem ich geduscht hatte, stellte ich mit Entsetzen fest, dass sich an Armen und Beinen Haare gebildet hatten. An den Unterarmen sowie an Ober- und Unterschenkeln entstand derselbe Flaum. Mein Bekannter, der zu der Zeit zu Besuch war, meinte, dass an den Armen sogar schwarze lange Haare waren. Bei jedem Duschen ließ ich einen Schreckensschrei los, denn ich fand immer mehr Behaarung. Nun waren die Haare sogar schon im Lendenbereich, wo sich ein Dreieck gebildet hatte. Die Haare entstanden am Po und an allen möglichen und unmöglichen Stellen. Diese möchte ich hier nicht weiter ausführen, der geneigte Leser kann sich seinen Teil denken. Als mein Bekannter zwei Wochen später wieder da war, da wir ja meinen Geburtstag feiern wollten (siehe den Bericht über die Geburtstagsfeier), stellte er fest, dass man die Haare im Gesicht schon richtig greifen und daran ziehen konnte. Auch die Haare am Körper waren dunkler geworden. Es ist für mich mittlerweile entsetzlich, mich abzutrocknen, mich einzucremen oder mich anzuziehen, da ich dann mit diesen Haaren in Berührung komme. Nun habe ich etwa eine Vorstellung davon, wie sich ein Mensch im falschen Körper fühlen kann. Es gibt Frauen, die in einem Männerkörper gefangen sind und angeekelt sind, wenn in ihrer Pubertät dann die ersten Haare sprießen. So in etwa muss sich ein transsexueller Mensch fühlen, der sich in dem falschen Körper befindet. Optisch ist nicht sehr viel zu erkennen, zumindest sorgt meine Lockenpracht dafür, dass man den Flaum an den Koteletten nicht sieht. Rein taktil kann man es deutlich merken, sodass es wahrscheinlich schlimmer wirkt als es für andere aussieht. Dennoch bin ich entsetzt und habe einen extrem hohen Leidensdruck. Ich habe sogar schon über Selbstmord nachgedacht. Ich habe sowieso ein Problem mit meiner weiblichen Identität, da ich als Behinderte häufig als Neutrum angesehen werde, man mir über das Gesicht streichelt, mich auf die Schulter klopft oder über den Arm streichelt, als sei ich ein Kleinkind. Es gibt wenige Momente, in denen ich mich wirklich als Frau wahrnehmen durfte, wenn mal jemand mir etwas nachrief, einer mal mit mir flirtete, oder wenn ich auch mal mit jemandem schäkern konnte. Ich fühle mich eher als kleinen Zwerg oder als Wurzelmännchen oder als kleinen Hobbit. Neulich hat mir sogar jemand gesagt, ich sähe aus wie von einem anderen Stern oder wie ein kleiner Hobbit, weil ich so klein bin und eine knollige Nase hätte wie ein Alkoholiker, obwohl sie nicht so rot gefärbt sei wie bei einem Trinker. Wäre eine U-Bahn in der Nähe gewesen, ich glaube, ich wäre gesprungen. Derjenige hat es auch noch gut gemeint, ihm gefällt das, er findet es niedlich. Gut meinen ist das Gegenteil von gut, und niedlich ist die kleine Schwester von doof. Mit meinen Haaren seitlich im Gesicht habe ich jetzt das Gefühl, dass ich wie ein kleines Äffchen aussehe. Ich habe Angst, dass man mich irgendwann einmal anstarren wird, dass man beim Einkaufen in Geschäften mit befremden auf mich reagieren könnte, dass Leute sich weg setzen oder laut reden. Vielleicht ruft dann irgendjemand mal meine Begleitperson: „na, führst du dein Äffchen spazieren!?“ Vielleicht reden dann die Leute noch mehr so mit mir, als sei ich ein kleines Kind. Ich werde sowieso auf der Straße sehr häufig Mitdu angeredet. Mir wurde auch gesagt, ich hätte das Gesicht einer pubertierenden 16-jährigen. Eigentlich müsste mir das mit 48 Jahren schmeicheln, aber biologisch gesehen werde ich schon alt, dennoch wirke ich nicht wie eine erwachsene Frau, was mich immer sehr betrübt. Wenn dann auch noch ein Bad dazu käme, wäre das der absolute super-Gau. Es ekelt mich ja jetzt schon, obwohl ich es hier schreibe, wo es jeder lesen kann. Ich würde mich aber niemals so im Schwimmbad zeigen. Das Problem ist auch, dass ich Neurodermitis habe, und das Entwachsen großer Flächen sehr schmerzhaft sein wird und wahrscheinlich die Haut sehr reizen würde. Im Gesicht, besonders an den Wangen, wo keine Knochen sind, und die Haut sich dann richtig mitzieht, muss das extrem schmerzhaft sein. Ich bin sowieso schon sehr schmerzempfindlich, und ich entwachse ja schon am Kinn seit Jahren. Das tut auch immer ganz schön weh. Wenn ich mir dann vorstelle, dass ich diese Prozedur alle 4-6 Wochen durchführen lassen muss, graut es mir schon. Arme und Beine brauche ich ja nur im Sommer machen zu lassen. Aber ich habe ja auch einen Shunt am linken Arm, und an dieser Stelle sollte man nicht entwachsen. Somit kommen bei mir sehr viele Probleme zusammen. Ich frage mich, warum ich zu alldem, was ich sowieso schon habe, jetzt auch noch das haben muss. Ich stelle mir voller Abscheu vor, dass ich mich irgendwann rasieren muss, und wenn ich dies vergesse, dann kleine Badstoppeln in meinem Gesicht sind. Wenn dann am Morgen der Postbote klingelt, und ich noch nicht rasiert bin, steht er einer kleinen Frau mit Bartstoppeln gegenüber. Voller masochistischem Ekel stelle ich mir vor, dass ich vielleicht am Wochenende das Rasieren bleiben lasse, da mich niemand sieht, und dann am Montagmorgen einen Dreitagebart habe, und dann vielleicht jemand an meiner Tür klingelt und mich sieht. Bei dieser Vorstellung fühle ich mich schon wie eine ganz arme Sau. Es kann sein, dass es gar nichts mit dem Medikament zu tun hat, denn die meisten Haare kamen ja erst dann, als ich das Medikament längst abgesetzt hatte. Es ist ja normal, dass Haare nicht von heute auf morgen ausfallen, und das, was während der Zeit der Medikamenteneinnahme gewachsen ist, nicht einfach so weg geht, sondern es schon eine Zeit lang dauert, bis man nichts mehr sieht. Es beunruhigt mich aber, dass die Haare weiter gewachsen sind. Es könnte also sein, dass das Medikament lediglich einen Prozess losgetreten hat, der jetzt nicht mehr zu stoppen ist. In meiner Verzweiflung sprach ich zunächst einmal die Nephrologin an. Ich hatte zuvor bereits einen Termin bei einer Endokrinologin ausgemacht. Ich hatte mich im Internet schlau gemacht über Hirsutismus. Dieser Begriff benennt das Phänomen, wenn ein männliches Haarwuchsmuster entsteht. Normalerweise kommt es bei der Einnahme von Lonolox eher zu einer Hypertrichose, d.h., es wachsen vermehrt Haare, aber nicht nach einem bestimmten Muster. In der Gebrauchsinformation, die ich mir im Internet vorlesen ließ, hieß es lediglich, dass eine stärkere Pigmentierung der Haare stattfindet, dass also weißes Haar schwarz wird (dies bedeutet nicht, dass grauhaarige Menschen auf einmal wieder schwarze Haare bekommen), dass zwischen den Augenbrauenhaare wachsen können oder eben vermehrt im Gesicht. Bei mir ist es aber ein richtiger Bartschnitt. Den sieht man Gott sei Dank noch nicht, aber ich kann ihn ertasten. Es könnte also sein, dass ich (die ich vielleicht jetzt in die Wechseljahre komme), einfach zu viele männliche Hormone habe. Dies möchte ich eben bei einer Spezialistin abklären lassen. Meine Nephrologin meint, dass es ein halbes Jahr dauert, bis die Haare weg sind. Wie gesagt, das Wachstum ging ja weiter, nachdem ich das Medikament bereits abgesetzt hatte. Es könnte nun sein, dass lediglich noch ein Spiegel dieses Medikamentes vorhanden ist, wobei ich ja regelmäßig zur Dialyse gehe, und das Medikament längst aus dem System meines Körpers heraus sein müsste. Es könnte aber sein, dass einfach die Haare noch einen bestimmten Zyklus durchlaufen, auch wenn das Medikament längst nicht mehr wirkt, und dass Haare eine bestimmte Zeit lang wachsen, bis der Zyklus durchlaufen ist, und somit das Wachstum gestoppt ist. Dies sind nun alle Spekulationen. Was ich aber besonders schlimm finde ist, dass ich meiner Ärztin gegenüber meine Verzweiflung ausgedrückt habe und ihr auch sagte, dass ich mich am liebsten umbringen würde, und dass ich konkrete Gedanken dazu habe. Sie meinte nur, das sei doch Quatsch. Ach was, deswegen bringt man sich doch nicht um. So reagierte zunächst auch meine Kosmetikerin, aber als ich ihr meine Beweggründe und meine Sorgen genauer schilderte, was ich auch hier in den oberen Absätzen getan habe, hatte sie Verständnis und meinte, wenn ich dies meiner Endokrinologin so erklären würde, würde sie mich bestimmt verstehen. Die Nephrologin riet mir auch, einen Hautarzt aufzusuchen, wo ich jetzt auch bald einen Termin habe. Vielleicht weiß die Hautärztin ein Mittel, wie man die Haare so entfernen kann, ohne, dass ich dann jedes Mal Neurodermitis bekomme. Natürlich meinte meine Helferin gleich wieder, sie habe zwar keine Neurodermitis, aber auch sie hätte Probleme, wenn ihre Haare mit Wachs entfernt würden. Jaja, es geht uns ja allen so, das kennen wir ja schon. Sie benutzt aber auch einen Epilierstab, den ich aufgrund meiner Probleme mit der Feinmotorik wie sie meinte, nicht benutzen könnte. Bei mir kommt schon ein ganzes Konglomerat an Schwierigkeiten zusammen. Es ist schon schlimm genug, wenn dies eine nicht behinderte Person trifft, die sich aber wenigstens noch irgendwie behelfen kann. Ich habe vor Jahren einmal für 800 € das Kinn und die Oberlippe mit Laser behandeln lassen. Dies war extrem schmerzhaft, der Erfolg war gleich null. Die 800 € tun mir heute noch weh. Daher sehe ich wenige Möglichkeiten und Chancen, den ganzen Körper mit Laser zu behandeln. Abgesehen davon, dass dies sehr schmerzhaft würde, kostet es wahrscheinlich eine sehr große Stange Geld. Außerdem habe ich mich dann auch noch in meiner Wut an die Firma gewandt, die dieses Medikament herstellt und gefordert, dass sie mir die Laserbehandlung oder die lebenslange Entwachsung zahlen müssen. Ich hörte erst einmal tagelang nichts. Danach schrieb ich Ihnen, dass ich mich umbringe, wenn sie mir nicht endlich helfen. Dies ist zwar krass, aber leider ist es meiner Erfahrung nach die einzige Möglichkeit, dass Menschen aufwachen und mich endlich ernst nehmen. So bekam ich eine automatisch generierte Mail mit einem angehängten PDF-Dokument, welches ich mit meiner Sprachausgabe nicht lesen kann. Ich bat also die Firma, mir ein barrierefreies Dokument zukommen zu lassen. Es kam erneut dasselbe Dokument, welches ich nicht lesen kann. Somit fuhr ich härtere Geschütze auf und drohte damit, zu einem Anwalt zu gehen, falls ich nicht endlich ein gemäß der Behindertenrechtskonvention barrierefreies Dokument erhalten würde. Auf Briefe mit Schadenersatzforderungen reagiert natürlich keine Pharmafirma freiwillig. Als ich aber mit dem Einschalten eines Anwalts drohte, ging der Firma doch der Arsch auf Grundeis. Sie riefen bei mir an und boten mir an, mir die Dokumente zu diesem Medikament per Post zu schicken. Dies ist leider bisher noch nicht erfolgt. Das Gespräch wurde aufgezeichnet, in welchem ich die Fragestellung anbrachte, ob das Medikament etwas mit dem Haarwuchs zu tun hat, den Haarwuchs vielleicht angestoßen hat, oder ob es reiner Zufall sei, dass die Medikamenteneinnahme zeitlich mit dem beginnenden Haarwuchs zusammengefallen sein könnte. Dies wolle man untersuchen und sich dann mit mir in Verbindung setzen. Bislang ist noch nichts erfolgt. Ich wandte mich außerdem wieder einmal an das Zentrum für seltene Erkrankungen. Von dort hatte ich schon wochenlang nichts gehört, obwohl ich mich auch wegen anderer Dinge erkundigt hatte, wegen derer ich Auskunft wollte. Ich fragte dort an, ob grundsätzlich der Kontakt weiter ginge, oder ob mit der Zusendung des Arztbriefes meine Begleitung beendet sei, ich erhielt aber keinerlei Antwort. Somit schaltete ich meine Sozialpädagogin ein, und tatsächlich wurde ihr gesagt, dass ich doch immer bisher Antwort bekommen hätte, dass ich auch weiterhin dorthin schreiben könnte, und dass ich zunächst einmal mit meiner Nierenärztin wegen der Nebenwirkungen des Medikamentes sprechen sollte. Ich schrieb also auch an diese Ärztin vom Zentrum für seltene Erkrankungen und erklärte ihr die Sachlage, dass ich bereits mit meiner Nephrologin gesprochen hätte, dass ich ihr auch gesagt hätte, dass ich so nicht mehr leben wolle, dass sie dies als Quatsch abgetan hätte, und dass ich Unterstützung vom Zentrum für seltene Erkrankungen haben wollte. Diese Unterstützung stelle ich mir so vor, dass man notfalls auch einmal einen anderen Endokrinologen oder einen weiteren zuständigen Facharzt hinzuzieht, falls der Termin bei der Endokrinologin erfolglos wird, dass man sich vielleicht zuvor schon mit ihr in Verbindung setzt und sie um eine Blutabnahme und dem entsprechende Untersuchungen bittet, und dass man mit mir Kontakt hält, was denn nun bei den ganzen Untersuchungen herausgekommen ist. Es tut einfach gut, wenn die Fäden bei einem Organisator zusammenlaufen, wenn sich jemand dafür interessiert und sich darum kümmert. Normalerweise muss ich immer alles alleine machen, muss die Ärzte alleine aufsuchen, muss mir selber ausdenken, welcher Facharzt zuständig sein könnte, muss mir den entsprechenden Facharzt heraussuchen und ihn dazu bewegen, mich zu untersuchen, ihm erklären, was los ist und ihn bitten, die entsprechenden Verfahren der Diagnostik einzuleiten. Ich möchte, dass ich nicht jedes Mal alleine kämpfen muss. Dieses Mal wird eine meiner Helferinnen mitgehen, und wir werden es mit vereinten Kräften hoffentlich schaffen, die Endokrinologin dazu zu bewegen, ein dem entsprechendes Blutbild anfertigen zu lassen. Ich hoffe nur, dass sie dann auch etwas findet. Im Januar war ich beim Frauenarzt und habe auch ihm die beunruhigende Beobachtung mitgeteilt , dass sich bei mir ein männlicher Haarwuchs eingestellt hat. Er hat aber keinerlei weitere Untersuchungen veranlasst und gemeint, es hinge wahrscheinlich nur mit dem Medikament zusammen, ich müsse einfach Geduld haben. Wenn es nicht so entsetzlich wäre, wäre es nachgerade erstaunlich, wie hoch der Grad an INDIFFERENZ und Gleichgültigkeit seitens der Ärzte ist, mir endlich einmal zu helfen. Keiner meldet sich, keiner hilft mir. Ich habe auch mit einer Kosmetikerin Kontakt aufgenommen, die im Internet über Hirsutismus und dementsprechende Verfahren zur Entfernung der Haare eine Internetseite eingestellt hat. Auch hier habe ich keinerlei Antwort erhalten. Es ist auch irgendwie absonderlich, dass keiner darauf reagiert, wenn ich sage, ich hege konkrete Selbstmordgedanken. Ich würde mir wünschen, dass einer der Ärzte zum Beispiel einmal nachfragt, oder mir anbietet, dass ich mich an ihn wenden kann, wenn es mir schlecht geht. Es könnte ja auch sein, dass einer einmal wirklich die Ernsthaftigkeit meiner Aussage prüft oder mit mir einen Vertrag macht, dass ich mir nichts antue, oder dass er mir anbietet, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Es werden auch keinerlei Anlaufstellen mit mir abgesprochen, wo ich mich in einer Krise hinwenden könnte. Natürlich kenne ich solche Anlaufstellen, daher braucht jetzt niemand Panik zu schieben. Aber es zeigt mir, wie egal ich eigentlich der Menschheit bin. Ich sage eines: sollten die Haare an der Brust wachsen, ist für mich die rote Linie überschritten, und ich werde mir umgehend das Leben nehmen. Es bringt nichts, wenn man das Problem nicht löst, und ich einfach in eine Klinik für Krisenintervention gehe, wenn es mir mit diesem männlichen Haarwuchs so psychisch schlecht geht. Es müsste auch jemand einmal anpacken und mir damit helfen, das eigentliche Problem zu beseitigen. Ewig kann man mich ja nicht unter Beobachtung stellen, damit ich mir nichts antue. Vielleicht würde ich dann auch mal die Erfahrung machen, dass mich mal jemand unterstützt und mit anpackt. Dies zeigt mir auch, dass das Leben wirklich grausam sein kann, und das der liebe Gott vor nichts halt macht. Jetzt habe ich schon so viele Erkrankungen, aber das ist jetzt noch das Tüpfelchen auf dem I. Es gibt nur 5-10 % aller Frauen, die Hirsutismus haben, und ausgerechnet muss ich wieder dazugehören. Ich kann nur beten, dass der Spuk in einem halben Jahr vorbei ist. Aber in diesem halben Jahr möchte ich nicht untätig herum sitzen. Ich muss es einmal frei nach Goethe sagen: was hat man dir, du armes Ding, nur angetan! Ich hoffe, dass ich jetzt nicht wieder böse Kommentare bekomme, wie selbst mitleidig ich doch sei. Ich wünsche niemandem, nicht einmal meinem Todfeind, dass er oder sie den Haarwuchs des anderen Geschlechts bekommt. Ich würde mir so sehr wünschen, dass es jemanden gibt, der mir hier weiterhelfen kann. Nun weiß ich schon mal, wie es sein kann, wenn ich dann transplantiert werde und Immunsuppressiva bekomme, denn auch bei der Einnahme von Cyklosporinen wie Sandimmun kann es zu Haarwuchs kommen. So hat auch dieser Horror sein Gutes, denn nun kann ich mir schon mal überlegen, ob ich seelisch in der Lage bin, diesen Haarwuchs auszuhalten, wenn ich mal eine Niere bekomme. Vielleicht ist es dann nicht so schlimm, aber wenn dann mal die Niere drin ist, kann man sie ja nicht mehr ausbauen. Ich werde mich nun erkundigen, ob das passieren kann, und werde beim Transplantationszentrum darum bitten, mir im Falle, dass ich eine neue Niere bekomme, ein Mittel zu geben, wo die Haare nicht wachsen. Hätte ich nun dieses schreckliche Erlebnis nicht, könnte ich das Transplantationszentrum nicht vorwarnen und würde vielleicht auf ein solches Mittel eingestellt bei einer Transplantation, und dann gäbe es kein Zurück mehr. Somit habe ich jetzt die Chance, dieses Unglück zu verhindern. Denn jetzt wissen wir, dass ich zu vermehrtem Haarwuchs und zu Hirsutismus neige und können im Vorfeld schon auf ein anderes Präparat ausweichen, wenn es denn einmal zu einer Transplantation kommen sollte. Das ist aber auch das einzig Gute an diesem Unglück. Ich bin nur froh, dass man es noch nicht wirklich sieht, und dass mich bisher noch keiner darauf angesprochen hat, à la: was hast du denn da? Betet für mich, dass dieser Horrortrip, der leider kein Albtraum ist, bald aufhören möge!!!

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