Donnerstag, 31. Dezember 2009

Darf es noch was sein?

Gestern ging ich zum Metzger, da ich für Sylvester etwas Besonderes zu Essen kaufen wollte. Ich war vorher schon beim Obsthändler, und da dieser die Filiale in meiner Nähe geschlossenhatte, musste ich eine ganze Strecke weiter gehen bzw. Mit der Straßenbahn fahren. Ich war schon ziemlich ko, als ich daheim wieder ankam, aber es blieb mir nichts anderes übrig, als zum Metzger zu traben, wenn ich etwas Gutes für Sylvester haben wollte und nicht nur das Übliche essen wollte, was ich so daheim habe. Vor mir war nur ein einziger Kunde. Genauestens wurde besprochen, welchen Teil vom Schinken er haben wollte. Alles wurde haarklein angegeben. Da es mir schon wie immer vor der Dialyse, ganz schön schlecht war, und ich nicht mehr stehen konnte, setzte ich mich auf die Taschenablage vor der Glasvitrine. Der Einkauf des Kunden vor mir ging weiter. „Darf es noch etwas sein?“ „30g Gelbwurst, bitte“. Nach 3 Minuten ertönte wieder die Frage: „Darf es noch etwas sein?“ „Dann bitte noch 50g Fleischwurst.“ -- „Darf es noch etwas sein?“ -- „Dann bitte noch 30g….“ Da hielt ich es nicht mehr aus und ging. Ich hatte ca. 15 Minuten vergeblich drauf gewartet, bedient zu werden. Wäre vor mir eine lange Schlange gewesen, und jeder hätte zügig eingekauft, wäre es wahrscheinlich schneller gegangen. Die Schlange wäre geschrumpft, und man hätte ein Ende absehen können. Zudem hätte ich dann jemanden fragen können, ob er mich vorlässt, weil es mir schlecht ist, und ich nicht mehr stehen kann. Aber dieser Kunde hörte einfach nicht auf einzukaufen. Ich war nahe dran, ihm zu sagen: „Bitte hören Sie doch jetzt auf, andere möchten auch noch einkaufen heute.“ Aber das kann man ja schlecht tun. Ich ging also total entkräftet und verzweifelt nach Hause. Auf dem Weg begegnete mir noch eine Nachbarin, der ich die Begebenheit fast schon unter Tränen erzählte. Es wäre eine Fügung des Himmels gewesen, wenn sie jetzt einfach gesagt hätte, sie habe ein Stück Butter und eine Bratwurst, die sie mir für ein Entgelt abgeben könnte, oder sie würde mir beim Metzger was mit für mich einkaufen. Aber so weit geht die menschliche Nächstenliebe nun doch nicht. Ich bat sie auch nicht darum, hoffte aber insgeheim, sie würde selbst drauf kommen. Mir wäre das in umgekehrter Rollenverteilung sicher eingefallen. Ich suchte daheim im Internet die Nummer der Metzgerei heraus, erklärte meine Situation und wurde auch gleich identifiziert. „Sie sind die blinde Frau, ich erkenne Sie an der Stimme.“ Sie meinte, der Laden sei dann ganz leer gewesen, nachdem ich gegangen bin. Manchmal frage ich mich schon, ob es Tücken gibt, die absichtlich so ablaufen. Wäre ich dort geblieben, hätte der Mann noch scheibchenweise die ganze Theke leergekauft, aber sowie ich gegangen bin, löste sich der Knoten. Ich suchte mir zwei Wienerle im Blätterteigmantel aus, bestellte das benötigte Päckchen Butter, und wir machten aus, dass ich am nächsten Tag kommen sollte, mich hinsetzen konnte, und dann jemand nach mir schauen würde, da ich ja auf einem Stuhl schlecht zu bemerken bin. Ich ging also sehr früh los, damit ich nicht in eine komplett volle Metzgerei kommen würde. Ich stellte mich an die hintere Theke mit den warmen Speisen. Da hörte ich scho nwieder so einen alten Knörz: „Ich hätte gern zwei Flaschen Bier, die eine trinke ich daheim, die andere gleich hier. Ich will noch einpaar Bratwürste, einen Leberkäs, aber bitte mit Brötchen, haben Sie auch die Brötchen? Und ich will die zwei Flaschen Bier, und sowohl beim Leberkäs als auch bei den Bratwürsten zwei Brötchen dazu. Das alles im schönsten schwäbischen Dialekt, der in unserer Region ganz ungewöhnlich und daher noch auffälliger ist. Ich saß da, und als der Mann endlich seine ellenlange Rechnung mit all diesen Posten bezahlt hatte, die lediglich 7 Euro machte, spritzte ich auf und ging sofort auf die Theke zu. Die Metzgerin hatte noch nicht mit meinem Erscheinen gerechnet. So musste ich mich nochmals hinsetzen und warten, bis sie die Wienerle im Blätterteig zurecht gemacht hatte. Da ich noch nicht gefrühstückt hatte und vorhatte, mir ein paar Brötchen mitzunehmen, überlegte ich, ob ich lieber heimgehen und später nochmals kommen sollte. Aber da wäre der Laden dann sicher brechend voll gewesen, und ich hätte ein DRITTES MAL für diese vermalledeihten Wienerle anstehen bzw. ansitzen müssen. So entschied ich mich zu warten, und bald waren die Wienerle fertig. Ich nahm noch die Butter und die beiden Brötchen mit und trottete zufrieden nach Hause.

Komisch, dass immer grad vor den Feiertagen die Leute einkaufen, als stünde der 3. Weltkrieg bevor. Man kann doch am Samstag wieder Einkaufen gehen. Und man kann auch ¼ gemischten Aufschnitt, oder 150g gemischten Käseaufschnitt kaufen, anstatt jede Scheibe einzeln anzugeben. So mache ich es zumindest immer.

Diese Art von Einkäufen kennt sicher jeder, wo irgendjemand ohne Rücksicht auf die hinten Anstehenden jedes Fitzelchen einzeln einkauft und eine Auswahl trifft, als ginge es um eine Lebensentscheidung und nicht um drei Scheiben Wurst, die nach zwei Minuten verschlungen sind. Aber es ist schon ein Unterschied, ob einem dabei hundeelend ist, und man keine andere Wahl hat, wenn man was Gescheites zu Essen haben möchte. Meine Katzen kann ich ja schlecht schicken, die würden alles gleich vor Ort verzehren.

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