Sonntag, 23. August 2009

Der schöne Ostsee-Urlaub

Donnerstag der 13. August

Als ich aufstand, regnete es in Strömen. Ich dachte schon, dieser Urlaub fällt im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Als Lutz kam, ließ ich gleich den Sonnenhut daheim und entschied mich für die dickeren schwarzen festen Schuhe in der pessimistischen Annahme, daß die Sonne ohnehin nicht scheinen würde. Als wir aus dem Haus gingen, hörte der Regen sofort auf. So wie wir in den Zug stiegen, regnete es sofort wieder los. Im Abteil erwartete unsere Mitreisenden eine böse Überraschung, da sie das Abteil wegen ihres Babys extra für sich allein bestellt hatten, aber nun waren ja noch wir da, aber wir verhielten uns ruhig, und daher störten wir nicht weiter. Die Reise verlief gut, nur in Hamburg hatten wir 30 Minuten plus 10 Minuten wegen Verspätung Aufenthalt, und ich fror wie ein Schneiderlein, so daß Lutz mich warmhalten mußte. Als wir jedoch in Timmendorf ankamen, schien sofort die allerwärmste Sonne. Wir wurden abgeholt, und alles lief glatt.

Wir bekamen eine Hausführung von einer Mobilitätslehrerin, was mir sofort auffiel, da kein anderer Sehender so gut ein Haus erklären kann. Abends gingen wir auf ihre Empfehlung hin nach Niendorf und sahen uns den romantischen Sonnenuntergang am Hafenbecken an.

Freitag der 14. August

Wir bekamen leider trotz inständigem Bitten kein Täßchen Kaffee vor unserer Taxifahrt zur Dialyse, das ginge nicht. So nahm ich ein trockenes Brötchen mit. Die Schwester dort konnte es nicht mit ansehen, entriß mir das alte Brötchen, das ich vom vorherigen Abend vom Buffett genommen hatte und gab mir sofort ein frisches. Da hielt ich es dann bis zum Frühstück um acht aus, wo es Obst und Brötchen und Kaffee gab, alles liebevoll mit Gemüse garniert. Dann kam der Herr Professor, der noch mit 38 sehr jung war. Er erkannte meine Erkrankung sofort, da er mit den einschlägigen Professoren aus Freiburg zusammen gearbeitet hatte, und wir konnten etwas fachsimpeln. Er war sehr gesprächig, und so bekam ich ein paar neue Informationen, die mir teilweise aber bereits bekannt waren. Er empfahl uns auch ein paar schöne Sehenswürdigkeiten in Lübeck.

Nach der Dialyse gingen wir zum Shoppen. In Travemünde gibt es eine Straße, die "Vordere Reihe" heißt, da gibt es genügend Läden. Erst kauften wir zwei DVDs, die wir für meine Schwester kopieren werden für das Schweden-Paket. Sie liebt deutsche Filme. Danach suchten wir ein braunes Träger-Top, passend zu meiner Blusenjacke, die ich für zwei Euro damals bei W-W gekauft hatte. Wir klapperten sämtliche Läden ab, und es fand sich nichts. Dann hatten wir eine etwas engagiertere Verkäuferin, und ich kaufte ein gestreirtes Top mit Blumenmuster, das auch sehr nett aussah. Danach gingen wir am Kaufhaus Matzen vorbei, und da sah Lutz das heiß ersehnte Teil, das genau zu mir paßte. Es ist sehr niedlich, und dann fanden wir noch ein Bustier. So zufrieden gingen wir zum Niederegger und aßen ein kleines Pralinchen mit Marzipan, aber das große Stück hoben wir uns für den Sonntag auf, wo wir einen Lübeck-Ausflug machen wollten. Am 30-stöckigen Maritim bestellten wir dann das Taxi nach Hause. Als wir am Strand entlangliefen, rief plötzlich jemand meinen Namen. Es war der Professor mit seinen Kindern. Das fand ich total nett. Wir liefen durch das Maritim, und ich benutzte gleich den Schuhputzautomaten, so daß meine Schuhe glänzten wie schon lange nicht mehr.

Abends gingen wir dann nach einigen Postkarten-Diktaten, die ich Lutz gab, da ich selbst nicht mal mehr meinen Namen auf eine Karte an die richtige Stelle schreiben kann, so wenig sehe ich mittlerweile, zum Strand und liefen sogar barfuß herum. Ich streckte mal meinen Fuß in die Ostsee und ertastete vorsichtig eine Qualle, was sich ziemlich komisch angefühlt hat. Das muß ich wirklich nicht haben. Die Steine pieksen, das Wasser ist kalt und salzig, und überall wimmelt es von Quallen.

Samstag, 15. August

Am Morgen war ja wieder die vierte Dialyse der Woche dran. Wir hatten ein sehr kleines Zentrum erwischt, wo es nur acht Betten gab, und am Samstag waren nur drei Leute da. Schwester Silke hatte also nur uns zu betreuen. Wir bekamen den DVD-Player ausgeliehen, damit wir unsere neue DVD gucken konnten. Es ist ein sehr süßer Film, und so ging die Zeit schnell vorbei. Lutz war wieder fast bis zum Ende dabei. Danach gingen wir auf ein großes Schiff, wo eine Hafenrundfahrt auf uns wartete. Ich hatte anfangs große Angst, daß ich die See nicht vertragen würde, aber ich merkte es ab einem gewissen Punkt gar nichtmehr und konnte sogar einen günstigen Kaffee und Kuchen zu mirn ehmen, genug Eintritt fürs Schiff hatten wir ja ohnehin bereits gezahlt. Der Kapitän nuschelte etwas, und ich konnte ihn schlecht verstehen. Dennoch durften wir mal kurz zu ihm in die Kabine und uns die Instrumente ansehen, er war sehr nett. Wir fuhren auch auf der Trave, wo man einen extra Schein braucht als Kapitän. Wenn ein Schiff vorbeifuhr, schlugen die Wellen hoch, und ich erschrak richtig. Die Fahrt war aber sehr interessant. Die Ostsee ist an dieser Stelle 25 Meter tief, an ihrer tiefsten Stelle 440 Meter. Sie hat keine Gezeiten, da sie durch die Meerenge abgeschirmt ist. Es gibt die Lübecker, die Mecklenburger und die Neustädter Bucht.
Abends aßen wir wieder im Hotel. Diesmal wurde gegrillt. Zum Nachtisch gab es wie immer Obstsalat, Grießpudding und dann auch noch rote Grütze, na vielen Dank. Ansonsten war ich sehr mit dem Essen zufrieden. Nur beim Nachtisch könnten sie etwas variieren, es gibt ja noch Tiramisu, Mousse au chocolat, Fruchtjoghurt oder Eis und Kuchen etc. Dafür gab es zum Frühstück immer Rührei, Spiegelei und gekochtes Ei frisch gemacht.

Sonntag, 16. August

Wir erreichten mit Hilfe eines Taxis noch den 9:36-Zug nach Lübeck. Andreas hatte uns aus der Ferne die Zugverbindungen alle herausgesucht, und da ich Handy-Flat habe, konnte ich sie billig erfragen. Das war super. Als wir in Lübeck ankamen, gingen wir erst einmal zum Holsten-Tor. Warum das so heißt, konnte uns keiner sagen. Es hat lateinische Einschriften drauf wie: im Hause Eintracht, Frieden draußen und noch andere römische Abkürzungen. Danach, als wir das Tor von vorne und hinten photographiert hatten, gingen wir durch die Breite Straße richtung Mengstraße 4, zum Buddenbrook-Haus. Das Haus gehörte den Großeltern von Thomas Mann, der es als Vorlage für seine Familiensaga aus den Gründerjahren nahm. Es gab viele Schautafeln mit den Manns, deren Kindern, den Geschwistern etc. So habe ich erstmals durchschaut, wer Klaus, Golo und Konsorten sind, wer die Geschwister und wer die Kinder von Thomas Mann sind, und wer Heinrich Mann war, und wer sich alles umgebracht hat, und wohin wer emigriert ist. Auch wurde im obren Stockwerk der Roman Die Buddenbrooks in Szenen nachgestellt. Eine ältere Dame, die dort ehrenamtlich arbeitet, hat uns alles genau erklärt. Da ich das Buch als Hörbuch hatte, kannte ich die Szenen. Auch der Film wurde teilweise dort gedreht. Es befanden sich noch echte Utensilien aus dieser Zeit in dem Museum, die ich auch betasten durfte, wie Stühle, Leuchter usw. Auch Tonmaterialien mit O-Ton Mann waren zu hören, so daß auch das Ohr zu seinem Recht kam. Lutz hat mir alles andere vorgelesen.

Nach dem großen Anschlag auf meine Allgemeinbildung ging es dann zur Stärkung zum Niederegger. Erst einmal besuchten wir das Marzipanmuseum. Dort saß ein nettes Lehrmädchen, das Konditorin werden wolte und führte uns vor, wie Marzipanrosen gemacht werden. Ich durfte alles betasten. Da ich nun schonmal mit den Fingern dran war, konnte sie es nicht mehr anderweitig verwenden und knetete mir ein Schweinchen und eine Rose, die ich kostenlos behalten durfte, eigentlich entgegen der Vorschriften. Dem Konditorlehrmädchen schien es sichtlich Spaß zu machen, was sie tat. Wir konnten auch noch Marzipankunst bewundern. Ein Künstler hatte sich ausgetobt, indem er Eier formte, aus denen der Cupido, der Liebesgott herausschlüpfte. Erst sah man nur einen Riß im Ei, im nächsten Schritt waren die flügelchen zu sehen, dann kam das ganze Wesen heraus. Hätte ich es nichtbesser gewußt, ich hätte die Masse für Keramik oder Plastilin gehalten. Aber es war ausgehärtetes Marzipan. Das Schiff war leider hinter Glas, so daß es mir nicht zugänglich war. Danach suchten wir uns ein Stück Torte aus. Die Frau war sehr kurz angebunden, so daß ich prompt etwas nahm, was mir dann nicht allzu gut schmeckte. Wir nahmen uns daher vor, nochmals zum Niederegger zu gehen. Er hat ja viele Filialen überall um die Ostsee herum. Nach dem Besuch des Niedereggers ging es dann zum Kohlmarkt, wo ein Skandinavien-Festival stattfand. Ich entschied mich, mich dort niederzulassen, um etwas der Musik zuzuhören. Lutz wollte noch zum Hafen gehen, um dort noch eine Weile die Schiffe anzusehen. Leider machte die Band viel zu lange Pause. Lutz kam dann wieder mit einem selbst gepflückten Lavendelsträußchen, und er berichtete mir von dem Petri-Turm, den er mit Hilfe eines Lifts "erklommen" hatte, und von wo man eine gute Aussicht über die Stadt Lübeck hatte. Da ich die Abfahrtszeiten verwechselt hatte, mußten wir eine Stunde auf den nächsten Zug warten und futterten noch ein Marzipan-Croissant. Zum Glück trafen wir noch rechtzeitig zum Abendessen ein, unter anderen deshalb, da wir Schwein hatten, und der Bus direkt vor dem Bahnhof hielt, um uns zur Kastanienallee zu fahren. So hatten wir mal wieder Glück.

Abends gingen wir zum Hundestrand, da dort die Strandkörbe kostenlos waren, und weil die Hunde so nett anzusehen sind. Dort schrieben wir Postkarten, da unser Pensum noch lange nicht geschafft war. Lutz plagte sich ordentlich ab, und ich mußte einige Wörter mehrfach buchstabieren, bis alles korrekt saß.

Montag, 17. August

Wieder mußten wir zur Dialyse aufstehen. Lutz ging Besorgungen machen und schrieb noch die restlichen Postkarten, die wir diesmal alle einheitlich verfaßten, damit es nicht noch umständlicher wurde. Er nahm extra seinen Lenkdrachen mit, damit ich das mal sehen konnte, wie das funktioniert. Aber ein älterer Herr mit einem Traktor schnauzte ihn an, als er am Travemünder Hundestrand den Drachen hochsteigen ließ, er solle SOFORT das Ding runternehmen. Als Lutz meinte, er wolle noch "vernünftig landen", drohte der Mann sofort mit der Polizei. Das berichtete mir Lutz, nachdem er mich an der Dialyse abgeholt hatte. Der Arzt schlug uns vor, die schönen Ganghäuser in Lübeck anzusehen, wo man durch einen schmalen Gang in einen Innenhof kommt, wo die Leute dann Kaffee trinken, Tische aufgestellt haben usw. Daher wollte ich unbedingt nochmals nach Lübeck fahren. Wir ließen uns mit dem DIalysetaxi hinfahren und zahlten den Rest drauf. Erst einmal gingen wir in einige Ganghäuser, aber einige endeten in einer Sackgasse. Die Höfe sind sehr phantasievoll, so hatte zum Beispiel jemand Blumen in eine alte elektrische Wäscheschleuder gepflanzt. Die Zeitung hatte erst kürzlich einen Artikel veröffentlicht, daß die Leute sich beklagen, weil jeder Hinz und Kunz mit seiner REisegruppe da durchlatscht. Lutz war so kühn und klingelte einfach bei einem Mann, der ein Instrument im Fenster stehen hatte, so daß er meinte, der ist sicher nett. Der Mann machte uns auch auf, und wir erfuhren, daß die Wohnung auf drei Stockwerke verteilt ist mit ihren drei Zimmern, daß die Häuser aus dem Mittelalter stammen, daß es nicht billig ist, dort zu wohnen, und daß es nicht sehr hell ist. Mit dieser Auskunft zufrieden gingen wir wieder von dannen. Es gibt Häuser an der Obertrave und an der Untertrave. Nach einem obligatorischen Besuch im Niederegger, wo es diesmal wesentlich besser schmeckte, da Lutz der Bedienung klarmachte, daß sie seiner blinden Freundin alles erklären solle, ging es dann nochmals auf den Petriturm, da ich ja noch nicht alles gesehen hatte. Wir zwängten uns in den engen Lift, und Lutz schaltete die Lüftung zu, die er am Tag zuvor entdeckt hatte. Da wollten sich doch glatt noch Leute reinzwängen, aber da meckerte ich, und sie gingen weg, Gott sei Dank. Die Fahrt dauerte nicht allzu lange. Oben ging es dann im Rundgang von Fenster zu FEnster, und Lutz zeigte mir die Innenstadt. Wir konnten dann auf der Breiten Straße nochmals einen tastbaren Plan von Lübeck ausfindig machen, so daß ich mich wunderte, wie verhältnismäßig klein doch das Holstentor ist im Vergleich zum Dom und zu der Marienkirche und zum Petriturm. Wir gingen auch noch in die Jakobi-Kirche, in der ein Rettungsboot der Pamir zu sehen und zu ertasten war. Es gab auch ein Buch mit alten Photos der Pamir. Die P-Reihe wurde teilweise von Bloom und Voss gebaut. Die Padua war ebenfalls untergegangen. Leider war das Heilig-GeistSpital, das Pendant zum Hl-Geist-Spital in unserer Stadt am Montag geschlossen, da es ein Museum war, das zeigte, wie alte Menschen früher in winzig kleinen Zimmern leben mußten. Heute ist da ein modernes Altenheim. Da ich ziemlich kaputt von der Dialyse war, was sonst nicht meine Art ist, aber diesmal hatte ich schon an Substanz zugenommen und war auf das niedrige Trockengewicht dialysiert worden, gingen wir diesmal etwas eher nach Hause. Wir erreichten den Zug, und wieder ging alles glatt, auch der Bus ließ nur 10 Minuten auf sich warten. Das Abendessen war wie immer gut, und diesmal gab es auch mal KEINEN Grießpudding, Tarräääääh! Wir liefen noch zum neuen Kurpark, und da ich eh schon kaputt war, taten mir alle Knochen weh. Ich hörte noch mein Hörbuch etwas an und schlief dann ein. Es gibt im Hotel eine umfassende Bibliothek von Hörbüchern, wobei auch die Brigitte-Reihe mit von Elke Heydenreich ausgesuchten und von prominenten Schauspielern aufgelesenen Büchern vorhanden war. Leider schaffte ich nur ein Buch, das schon ziemlich schwer zu lesen war: Und da kommt Frau Kugelmann, welches von einer Israel-REise Handelt, wo eine alte Frau einer Erbin die Geschichte ihrer Kindheit in einem polnisch-jüdischen Dorf vor Einmarsch der Deutschen erzählte.

Dienstag, 18. August

Heute war der "große Tag" mit unserem Highlight. Vor der Fahrt hatte ich im Hotel angefragt, ob sie uns die Karten und die Zugverbindungen zum Musical heraussuchen könnten. Das wurde bejaht. Als wir in Timmendorf ankamen, arbeitete die Rezeptionistin sofort an unserem Wunsch und bestellte auf meine Kreditkarte zwei Karten, was sie zwei Stunden Arbeit kostete. Wir waren happy, daß wir noch das Sommer-Special für nur 60 Euro pro Karte anstatt 99 Euro bekamen, und die 23. Reihe erschien uns auch gut so. Lutz wollte ja erst gar nicht mit, aber dann entschied er doch, daß er mitgehen wollte. Andreas hatte uns wieder mal mit den nötigen Zug-Infos versorgt, so daß wir am Morgen wieder um 9:36 zum Bahnhof fuhren, diesmal mit dem Kleinbus des Hotels. Die Mobitrainerin, die auch die Gäste-Betreuung zur Aufgabe hat, erklärte uns, daß es in Hamburg Rundfahrten gibt, wo man an bestimmten Punktn aussteigen kann, und wo einen dann ein Bus alle halbe Stunde wieder mitnehmen kann. So machten wir es denn auch, und Lutz sah sofort den richtigen Bus mit der TOP-Tour. Wir stiegen zu und saßen oben im Doppeldecker. Leider erwischten wir die einzige Wolke des Tages, und es regnete in den Bus rein, so daß das Verdeck zugemacht werden mußte. Ich stieg nicht so ganz durch bei Innen-, Binnen- und Außenalster, wobei es einmal ein See und einmal ein Fluß sein sollte. Jedenfalls gibt es neben Alster und Elbe noch eine Bille. Ich wurde aufgeklärt, daß Hamburg nicht, wie ich und offenbar viele andere dachten, an der Nordsee liegt, sondern es ist 120 Km von der Nordsee und 90 Km von der Ostsee entfernt.

Wir stiegen dann am Rathaus mit der Bürgerschaft aus und besahen uns den Innenhof und lasen die Schautafeln zur politischen Bildung, wieviele Senatoren, wieviele Stellvertreter es gab. Der Senat besteht in meiner Erinnerung aus 10 Personen, nämlich dem Ministerpräsidenten und Bürgermeister in Personalunion und dessen Stellvertreter und den anderen Senatoren und deren STellvertretern. Darunter gibt es noch hierarchisch gestaffelt die anderen Politiker. Die Bürgerschaft ist das Parlament, das aus CDU, SPD, Grünen und der Linken in genau dieser Reihenfolge besteht. Mehr erinnere ich leider nicht mehr, trotz der vielen Infos. Es gibt dann in dem Stadtstaat noch Bezirke, die nochmals unterverwaltet sind. Als wir auf den nächsten Bus warteten, gestikulierte der Reiseleiter so heftig, daß er mich, die ich hinter ihm stand, auf die frisch operierte Nase mit dem Ellbogen haute. Ich jaulte auf, und er meinte: "Entschuldigung, Sie müssen mir halt auch Platzlassen." DA sieht man mal wieder, daß man sich bei mir einfach nicht wie bei einem normalen Menschen entschuldigen kann und mir noch die Schuld gibt. Er war auch sonst arrogant, schimpfte auf alle anderen Autofahrer und zog nur zotige und reißerische Witze, als wir auf die Sündige Meile, die Reperbahn kamen und wies die Frauen auf die "Haushaltsgeräte" für Damen hin. Dann stiegen wir aus, um die Hafenrundfahrt mitzumachen. Wir suchten uns einen Kahn aus, der groß genug war, um nicht zu schaukeln, auf dessen Abfahrt wir aber eine Stunde warten mußten. Der Mann mit dem Mikro, der wie ein Showmaster über das Deck wanderte, erklärte recht gut. Zunächst erfuhren wir, daß der Hafen ein Tidehafen ist, und daß die Strömung mal zum Land und mal wieder in Richtung See geht, und wir sahen ein Altenheim, die neu entstehende Hafen-City, wo der Quadratmeter in Worten DREI MILLIONEN EURO kosten soll, und er erklärte uns alles über Containerschiffe und Container-Brücken, was aber Lutz mehr interessierte als mich, da ich eh nicht sehr viel davon sehen konnte, obwohl meine nette VOLLblinde Tischnachbarin aus dem Hotel, deren Mann ihr sogar die Brote strich, meinte, ICH hätte ja noch einen Sehrest, und SIE ja nicht usw. Aber der hilft mir da auch nicht mehr viel. Jedenfalls war der Typ ganz lustig, und er erzählte viel über die Schiffe, über die Yacht eines Millionäres und lästerte heftig über die NIederlassung von Greenpeace. Als die Fahrt zu Ende ging, standen wir falsch und suchten nach Kauf eines Souveniers in Form einer Kuschelscholle die Abfahrtsstelle des Top-Tour-Busses. Wir wurden hin- und hergeschickt, ich war schon total genervt, aber dann nach einer Stunde Suchen und Warten fanden wir endlich die richtige STelle. Die Hafenrundfahrt dauerte zwar nur eine Stunde, aber mit Ein- und Aussteigen, Warten und Suchen waren ganze drei Stunden vergangen. Wir fuhren weiter zur Speicherstadt, in der früher die ankommenden Waren hochgehievt und gelagert wurden. Es gab dort ein Gewürzemuseum, welches mich sofort reizte. Lutz wollte ins Eisenbahnmuseum, und ich muß gestehen, daß ich etwas erleichtert war, daß es eine Wartezeit von einer Stunde gab, so daß er doch nicht mehr hin wollte. So ging es zum besagten Gewürzemuseum, wo ich alte Gewürzpressen und Pfeffermühlen ansehen konnte und auch ertasten durfte. Lutz las mir alles über grünen Pfeffer, roten Pfeffer, schwarzen Pfeffer, weißen Pfeffer und den aus Südamerika stammenden rosa Pfeffer vor. Ich fürchtete schon, es gäbe noch lila Pfeffer, grauen Pfeffer, gelben Pfeffer usw. Aber zum Glück war das nicht der Fall. Eigentlich ist es fast immer dieselbe Pflanze, nur wie bei den Oliven ist die Erntezeit entscheidend, welche FArbe der Pfeffer bekommt, der aus Asien stammt. Dann durfte ich noch viele Gewürze ertasten, erriechen und reiben und sogar probieren. Es gab Thymian, VAnille, Oregano, Lorbeer, Fenchel, Schnittlauch etc. Es war das reinste D'orado für Blinde. Nachdem wir bis zum Schließen des Museums geblieben waren, entschieden wir uns, mit der Rikscha zum Operettenhaus zu fahren. Vorher wollte ich aber noch gemäß meiner Gewohnheit "wo reinsitzen" und einen Kaffee trinken, und "was genießen", denn das gehört für mich dazu. Es war super billig, da ein Kindererlebnispark in der Nähe war, und für Hamburg am Hafen waren wir mit 2,90 für einen Eiskaffee wirklich vortrefflich bedient. Der RI kscha-Fahrer wurde herbeitelefoniert, und da wir noch tranken, spendierte Lutz ihm ein Eis. Wir setzten uns dann in das Gefährt, und es ging los. Der Fahrer, ein Psychologiestudent, der sich was dazu verdiente, erklärte uns die Stadt und wie das mit den Rikschas angefangen hatte. Er hatte wie auch in Berlin einen HIlfsmotor für schwerere Gäste oder zum Bergauffahren. Es wurde mir dann aber zu holperig, und ich wurde so durchgeschüttelt, daß mir schlecht wurde. So verzichteten wir auf die Fahrt rund um den Michel, das WAhrzeichen der Stadt, den KIrchturm vom St Michael, und fuhren auf einer glatteren Strecke direkt zum Operettenhaus. Dort bangte ich schon um unsere Eintrittskarten, die wir ja pünktlich abholen sollten. Als wir ankamen, fand der Kassierer sie sofort, und da wir noch etwas Zeit hatten, zog ich mich auf der Toilette schnell um in mein schönes Glitzergewand extra für das Musical mitgenommen, auch von W-W für zwei Euro, und wir gingen noch etwas auf der Reperbahn spazieren. Wir machten ein paar Ulk-Photos for einem striptease-Laden, und dann besuchten wir auch einen einschlägigen Shop, wo mir aber nach Kaufen wirklich nicht der Sinn stand. Lustig war es aber doch. Dann gingen wir in das Operettenhaus und auf unsere Plätze. Die Sicht war super, ich konnte die Bühne in meinem kleinen Gesichtsfeld im Panoramablick sehen und konnte dennoch auch die Spieler erkennen, wenigstens schemenhaft. Lutz machte wie immer den "Zweikanalton" und erklärte mir das, was ich nicht sah. Die Akustik war hervorragend, trotz der Belüftung, die ich in stillen Momenten hörte, so daß wir jedes einzelne Wort gut verstehen konnten. Die Lieder des Musicals "Ich war noch niemals in New York", waren allesamt von Udo Jürgens geschrieben worden. Die Reißer wie: Mit 66 Jahren, Aber bitte mit Sahne, Siebzehn Jahr, blondes Haar, Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff, das ehrenwerte Haus usw. waren sehr gekonnt in die Geschichte eingebaut, in der ein altes Pärchen, das sich im Altenheim gefunden hatte, nach New York "ausbrach" und von seinen Kindern auf dem Schiff gesucht wurde. Ich fand es total nett gemacht und war sehr begeistert. In der Pause bestand ich darauf, daß auch ein Gläschen Sekt dazu gehört, da ich eh wahnsinnigen Durst hatte und etwas Prickelndes brauchte. Lutz ließ sich zu einem halben Glas pro Nase breitschlagen, da es ganze fünf Euro gekostet hatte, aber man lebt ja nur einmal. Auch schaute er ganz genau drauf, daß das Glas auch richtig voll gemacht wurde. Wir mußten dann mit dem Taxi zum Zug, den uns auch unser "Informant" per Handy durchgegeben hatte, und auch das Umsteigen in Lübeck blieb uns nicht erspart, aber dafür fuhren wir kostenlos, da wir immer im Verkehrsverbund reisten. So sparten wir eine Menge Geld, auch dadurch, daß wir auf Lutzens Idee hin am Bahnhof einfach einen Mann mit Auto anredeten, ob er uns zum Hotel mitnimmt. Ich hatte etwas Bammel, aber der Mann, der sich als Architekt vorstellte, war sehr angenehm. Alleine würde ich niemals per Anhalter fahren.

Die Sache war ein vollerErfolg. Lutz' Fazit des Hamburg-Trips lautete: Die Hafenrundfahrt hat mir am besten gefallen". Das ist haltwas für Männer, aber ich denke, das Musical war nun auch keine langweilige Sache für ihn.

Mittwoch, 19. August

Ich war ziemlich übermüdet und grantig aufgewacht, da es doch recht spät wurde. Als ich an der Dialyse war, gab es gleich eine Fehlpunktion. Da die Schwester dann an einer anderen STelle die Nadel neu setzte, konnten wir fortfahren. Die HDF-Flüssigkeit lief aber so schnell zu mir herein, daß ich den seit Langem nicht mehr verspürten Kopfdruck hatte, so daß wir anhalten mußten. ALs es dann weiterging, rutschte der Druck wie schon vor zwei Jahren öfters üblich in den Kehlkopf, so daß ich heiser wurde. Ich hoffte noch, daß das dann üblicherweise folgende Bauchweh ausbleiben würde. Ich hatte extra leckeren (Betonung auf leckeren anstatt den bei Dialysen gereichten) Frischkäse vom Hotelbuffett sowie Nutelladöschen stibitzt, die ich der Küchenfrau von der Dialyse zum Bestreichen der Brötchen gab. Ich freute mich so sehr auf das Frühstück. Als es dann kam, bemerkte ich, daß ich Bauchweh bekam. MIr war nicht mehr nach Essen zumute. Die Bauchkrämpfe wurden so schlimm, daß ich, was dann immer kommt, abgehängt werden mußte. Ich saß nur noch auf dem Klo, hatte Durchfälle und wellenartig aufsteigende Unterbauchkrämpfe, die ich meinem TODFEIND nicht wünschen würde, hätte ich einen. Die Schwestern fragten reihum, was sie tun könnten, und ich war nur noch imstande, um schnelle Erschießung zu bitten. Ich krümmte mich zeitweise auf der Toilette, wo Lutz mich mit dem Hinweis auf die Benutzung seitens anderer Leute rausholte, wobei ja eigentlich aber alle angehängt waren, und die Schwestern ja eine eigene Toilette hatten, und ich somit nichts blockiert hatte. Teilweise lag ich zusammengerollt auf dem Bett, wobei ich keinerlei Berührung und keinerlei Decke ertrug. Der Arzt kam, und mir war so elend, daß ich dachte, ich sterbe, mir war schon richtig übel, und ich war im Kopf schon nganz wirr, konnte nur noch flüstern. Er meinte, es könnte mit der H DF zusammenhängen, und ich solle, wenn es mir wieder besser geht, mit normaler HD weiter machen. Ich dachte schon, ich müsse heute noch abreisen und am Folgetag in Fürth zwischendialysieren. Sie managten es aber so, daß die Nachfolgerin auf ein anderes Bett verlegt wurde, so daß ich laut Schwester Open End bleiben konnte. Ich lag mindestens eineinhalb Stunden vor Schmerzen gekrümmt auf dem Bett, und die "Wehen" ließen nach heftigem Durchfall nur mal ein-zwei Sekunden nach. Schließlich war es Lutz zu bunt, und er meinte: "Du darfst Dich halt nicht so gehen lassen, DU mußt schon kämpfen, Du mußt schon mitmachen und den Ärzten sagen, wo es wehtut." Ich war nicht mal mehr dazu imstande und schlug vor, mich ins Krankenhaus zu bringen. ABer der Arzt meinte, dort müsse ich nur stundenlang herumsitzen. Er entschied dann, mir NOvalgin zu spritzen. Ich willigte ein, und da die Schmerzen eh am ABklingen waren, wirkte es auch relativ rasch. Ich wurde wieder angehängt, und wir fuhren eine normale HD, wobei ich entschied, daß sie vier Stunden dauern sollte, was die Schwester auch bewilligte. Es ging mir dann so gut, daß ich wieder Hunger bekam, und da Lutz weg war, bekam ich von der Station ein paar Brötchen anstatt der STullen, die wir zu jeder Dialyse in einem Frühstückspaket mitbekamen. Das aßen wir normalerweise dann am Nachmittag, da wir ja an der Dialyse versorgt wurden. Lutz kam dann wieder und berichtete mir von der Passat, die als Museumsschiff am Hafen steht, und auf der noch alt gediente Matrosen Auskünfte geben. Da war alle Übelkeit und alles Bauchweh schlagartig vergessen, und ich bettelte so lange, bis Lutz einwilligte, obwohl wir ja eigentlich den letzten Tag einmal in Timmendorf verbringen wollten, nachdem es mir ja ohnehin nicht so gut gegangen war. Aber ich war wieder fit, besonders nach dem guten Marzipantortenstück vom Niederegger, das unbedingt wieder einmal sein mußte. Dort hätte mich beinahe noch eine Wespe gestochen, die ich versehentlich angefaßt hatte, weil ich sie mal wieder nicht sah, aber sie war gutmütig, dachte wohl, die Frau hat heute schon genug mitgemacht, und ließ mich ungestochen davonkommen. Nach der Stärkung ging es dann zur Passat. Wir konnten überall auf dem SChiff herumklettern, und es war wirklich ein Matrose an Bord, der uns noch einiges erklärte, wobei ich aber mit der Seemanns-Terminologie meine SChwierigkeiten hatte. Ich lernte, was eine Rahe und deren Mehrzahl, die Rahen sind, die Querbalken am Segel, und ich konnte den ANker befühlen. Lutz erklärte mir noch, wie der Anker heraufgezogen wird, indem sich ein paar Leute mit einer Stange im Kreise drehten, um das Tau aufzuwickeln. Der Matrose erklärte mir, was es mit der P-Reihe auf sich hat, nämlich, daß die Reederei die Schiffe aus verschiedenen Werften, u.a. von B und V bestellt hätten, und daß ihnen schon die Namen ausgingen. Daher wurde ein Schiff "Pudel" genannt, da die Schwiegertochter des Reeders aussah wie einer. Auch durften wir die Kombüse, die Kajüten und die Offiziersmesse besichtigen. Einige Zimmer werden heute noch zu Jugendherbergspreisen vermietet, allerdings ohne Frühstück. Es gibt sogar eine
Hochzeits-Suite. Wir schossen einige Photos, und es gab sogar ein Tastmodell, in das man ein paar Münzen z ur Erhaltung des Museums einwerfen konnte, was ich auch tat, denn man muß die Tastmodelle dieser Welt schon unterstützen, damit wir auch was zum Erfahren bekommen. Das war nochmal ein schöner Ausklang dieses Tages, der etwas mies angefangen hatte.
Abends gingen wir dann noch zum alten Kurpark und liefen durch die sehr belebte Innenstadt von Timmendorf. Dort sind überall Glasviolen mit Flammen aufgestellt, damit es die Kundschaft auch schön warm hat. Wir gönnten uns noch ein letztes Eis, ich natürlich mit Himbeeren, und dann mußte ich um 22 Uhr endlich mal ans Packen gehen, was ich den ganzen Tag vor mir hergeschoben hatte. Es ging aber dann doch ganz schnell. Dann kam ich doch noch relativ zeitig um elf ins Bett.

Donnerstag, 20. August

Am letzten Tag waren nun doch noch all meine dorthin bestellten Hörzeitschriften angelangt, vier an der Zahl, so daß ich am liebsten doch noch länger geblieben wäre, nur, um noch eine "faule Woche" dranzuhängen, aber das ging ja nicht. So packte ich die vier zusätzlichen Ballaststücke in meinen Rucksack mit ein. Trotz der Souvenirs war doch noch genug Platz im Rucksack geblieben. Lutz kontrollierte nach dem letzten sehr ausgiebigen Frühstück mit Nutelladöschen nochmals mein Zimmer, ob ich nicht doch noch was liegen gelassen hatte. Aber alles war im Rucksack. Dann ging es ins Foyer, wo wir auf den Kleinbus zum Bahnhof warteten. Während der Busfahrt erzählte ich der FAhrerin, daß uns ein "Seebär" bei einem Wachthäuschen sehr u nsanft darauf aufmerksam gemacht hatte, daß dieser Strand nur mit Kurtax zu betreten war. Auf meinen Hinweis, daß wir vom "Blindenhotel" kommen, maulte er nur, "das mach ja sein!" Da ich die Rechtslage nicht kannte, verzogen wir uns und setzten unsere Barfußwanderung durch den Sand an einer anderen Stelle fort. Die Fahrerin, eine Mitarbeiterin des HOtels, war stinksauer, da wir als Behinderte sowieso keine KUrtax bezahlen müßten, und sie wolle sich nochmals mit dem Typen anlegen. Sie war richtig temperamentvoll, so daß ich denke, daß sie ihm ordentlich Bescheid gegeben hat. Der Zug kam dann auch pünktlich, und die Reise ging heimwärts. Es war der heißeste Tag des Jahres, und wir hatten das Glück, im klimatisierten Zug zu fahren. Als ich in Nürnberg ausstieg, traf mich der Schlag! Am nächsten Tag ging ich nochmals mit dem Mann von der Caritas zum Frühstücken beim Beck und berichtete von dieser Reise. Als ich heimkam, fing es programmgemäß sofort zu regnen an. Fazit: Wir hatten unverschämtes Glück mit dem Wetter, und wir kamen genau in die Schön-Wetter-Periode, die einzige, die es dieses Jahr überhaupt gab. Der Regen setzte aus, sobald wir in Timmendorf ankamen und setzte wieder ein, sobald ich einen Tag nach der Reise im Haus war.

Wir hatten eine schöne Reise mit vielen Erlebnissen, mal schön, mal etwas weniger schön, aber insgesamt war es ein voller Erfolg. Mal sehen, wo mich die Reiselust nächstes Jahr hintreibt. Die REisen klappen recht gut, und es fällt uns quasi alles vor die Füße, als sollte es so sein.