Sonntag, 24. Oktober 2010

Der lange Weg zur E-Post

Vor einiger Zeit sah ich im Fernsehen die Werbung der Post für den E-Post-Brief, die ja sehr massiv betrieben wird. Das sprach mich spontan an, da ich mir dachte, für mich wäre das sehr praktisch. Ich kann meine Briefe am PC tippen und wie eine Mail losschicken. Das lästige Ausdrucken entfällt, und ich muß die Briefe nicht mehr „eintüteln“ und drauf achten, dass die Adresse richtig zum Briefumschlag-Fenster rausschaut. Der Brief wird dann per Mail an eine Zentrale geschickt, dort ausgedruckt, eingetütelt und der betreffenden Person zugestellt. Das Ganze kostet nicht mehr als ein ganz normaler Brief, man erspart sich aber den Gang zur Post, um Briefmarken zu kaufen, und wenn der Brief ins Ausland geht oder ein abweichendes Format hat bzw. schwerer als ein Standardbrief ist, wird das Porto gleich ausgerechnet und von dem vorher aufgeladenen Geld abgezogen. Und ich erhalte meine Post auf dem PC via Mail und kann sie mir von meiner Sprachausgabe vorlesen lassen. Das versprach eine größere Unabhängigkeit von fremder Hilfe und weniger Mühen.

So setzte ich mich eines späten Abends an den Rechner und versuchte, mich bei E-Post zu registrieren. Die erste Hürde bestand darin, das Sicherheitszeichen, bestehend aus verschnörkelten Buchstaben und Zahlen, korrekt in das Kästchen daneben einzugeben, was für mich eine Herausforderung darstellt, da ich die graphisch dargestellten, verschlungenen Zeichen auf schraffiertem Hintergrund sehr schlecht erkennen kann. Nach einigen Versuchen gelang es mir dennoch. Dann sollte ich eine Mobil-TAN erhalten und diesen Aktivierungs-Code dann in ein vorgesehenes Kästchen eingeben. Ich erhielt die TAN, kann aber mein Handy-Display schon lange nicht mehr lesen und spare daher auf ein Handy mit Sprachausgabe. Ich hörte jemandem im Treppenhaus und bat ihn, mir die SMS vorzulesen. Der Nachbar verstand aber überhaupt nichts davon und konnte mir auch nicht helfen. Als ich die TAN dann mühevoll unterm Lesegerät entziffert hatte und sie gerade eintragen wollte, bekam ich auf dem Bildschirm die Nachricht: 10 Minuten sind abgelaufen, aus Sicherheitsgründen wird der Registrierungsvorgang abgebrochen. Ich war stinksauer und rief bei der Hotline der E-Post an, die rund um die Uhr verfügbar ist. Die Frau am Telefon meinte, sie könne mir nicht helfen, ich solle mir halt jemanden Sehenden aus meiner Verwandtschaft oder Bekanntschaft suchen. Mein Argument, dass ich ja genau deshalb, um unabhängiger von fremder Hilfe zu sein das E-Post-Verfahren haben wollte, kam bei ihr nicht an, genauso wenig wie meine Verbesserungsvorschläge bezüglich Sicherheitszeichen, Handy-TAN und Rausschmiß beim Registrierungsvorgang.

So verfasste ich eine Mail an die Post und erhielt die Zusage, dass man sich um das Problem kümmern würde. Als aber nach einer Woche noch immer keine Antwort bei mir vorlag, schrieb ich direkt an die DHL-Direktion in Bonn. Auch dort wartete ich zunächst vergebens auf Antwort. Somit beschloß ich, mich an den Bundesbehindertenbeauftragten zu wenden, da dieser ja für die Barrierefreiheit von Internetdiensten zuständig ist. Ob dies geholfen hat, weiß ich nicht, jedenfalls kam nach einer Woche ein Anruf eines leitenden Angestellten der Post, dem ich mein Problem schilderte sowie die Verbesserungsvorschläge 1. Statt Sicherheitszeichen kann man auch eine einfache Frage stellen wie: „ist die Erde eine Scheibe“, die nur ein echter Mensch beantworten kann bzw. eine einfache Rechenaufgabe. 2. Statt einer Handy-TAN kann man auch eine E-Mail-Tan zur Verifizierung verschicken, bzw. auf Wunsch könnte man auf dem Festnetz einen Anruf erhalten, bei dem die TAN von einer synthetischen Stimme vorgelesen wird. Nicht jeder kann sich ein Handy mit Sprachausgabe leisten oder will überhaupt ein Handy haben. 3. Es sollte keine Zeitbegrenzung geben, da man als Behinderter oft sehr lange braucht, sich zu registrieren. Der Mann meinte, er könne diese Vorschläge jetzt nicht so schnell umsetzen. Er wolle sich aber nochmal bei mir melden, nachdem er sich mit seinen Kollegen besprochen hätte. Nach einer Weile kam ein Anruf und das Angebot, er wolle mir 50 Euro zu einem sprechenden Handy dazu zahlen, wenn ich mich bei E-Post registrieren würde. DHL sei in Kontakt mit der Deutschen Blindenhilfe und wolle das Problem so schnell wie möglich angehen und Verbesserungen umsetzen. Ich ging auf seinen Vorschlag ein und freute mich, so einen Zuschuß zu meinem Handy zu bekommen.

Mit meiner Helferin brachte ich den Registrierungsvorgang zu Ende und trug noch einige Handy-TANs ein. Nun folgte noch der letzte Schritt, nämlich das POSTIDENT-Verfahren, bei dem man zur nächstgelegenen Poststelle geht und dort seinen Personalausweis vorzeigt. Wir fuhren zur Post, und als ich dort meinen Ausweis vorzeigte, bemerkte ich noch, dass es eine Namensungleichheit zwischen meinem Rufnamen und dem Namen im Personalausweis gibt, was aber von der Schalterangestellten nicht sonderlich beachtet wurde. Überhaupt hatten wir den Eindruck, dass sich die Postangestellten noch nicht sehr gut mit dem neuen E-Post-Verfahren auskennen. Ich ging also nach Hause und war zunächst froh, alles so gut über die Bühne gebracht zu haben.

Drei Tage später erhielt ich einen Anruf aus einem Call-Center der E-Post. Nachdem sie meine Adresse erfragt hatte, um sicherzustellen, dass es sich um mich handelte, erklärte mir die Dame in breitestem Sächsisch, dass es eine Datenungleichheit zwischen meinem Namen in der E-Post-Adresse und dem Namen im Personalausweis gäbe, und dass sie das POSTIDENT-Verfahren nicht abschließen könne. Ich, die ich schon eine solche Odyssee hinter mir hatte, flippte fast aus. Sie gab mir die Nummer einer Zentrale vor Ort, wo ich das Ganze klären konnte. Die Dame dort erklärte mir, sie könne mir nicht helfen, ich bräuchte mich zwar nicht neu zu registrieren, aber ich müsse eine neue Mobil-TAN beantragen, und eintragen dann erhielte ich einen Coupon, und darauf stünde eine Nummer, die ich telefonisch durchgeben müsse, meine E-Post-Adresse bliebe so lange für mich reserviert. Dies erschien mir genauso umständlich wie eine Neuregistrierung, und so erklärte ich der Dame, dass ich aufgeben würde. Sie belehrte mich noch, ich solle doch künftig jedes Mal meinen Namen aus dem Personalausweis angeben und nicht meinen Rufnamen. Da für mich die Sache erledigt war, fauchte ich noch ins Telefon, sie solle mich jetzt nicht noch belehren und hier nachtarocken, und legte auf.

Als meine Eltern meinen Namen aussuchten, gaben sie ihn beim Standesamt an. Doch dieses machte einen Fehler und trug den Namen leicht verändert ein. Somit muss ich bei amtlichen Dingen immer den Personalausweisnamen angeben, mit dem ich mich aber niemals identifizieren konnte, wohingegen ich bei weniger offiziellen Dingen immer meinen korrekten Rufnamen angebe. Ich hatte schon länger erwogen, den Namen im Personalausweis in meinen richtigen Rufnamen abändern zu lassen, scheute aber bisher die Kosten und den Aufwand. Wir konnten dem Amt nicht nachweisen, dass es damals einen Fehler gemacht hatte, sonst wäre die Änderung kostenlos gewesen.

Ich schrieb nochmals einen Brief an die Zentrale der DHL und erklärte, dass ich mich nun doch nicht bei E-Post registrieren würde, weil mir dies zu umständlich sei, und sie könnten somit ihre 50 Euro behalten.

Ich wandte mich mit diesem Vorfall an Stiftung Warentest mit der damit verbundenen Bitte, die Internetauftritte der diversen getesteten Dienste auch mal unter dem Aspekt der Barrierefreiheit zu untersuchen. Man teilte mir mit, mein Anliegen sei an die entsprechende Redaktion weiter geleitet worden, aber ob es bearbeitet würde, könne man nicht garantieren.

Nach einigen Tagen kam ein Anruf eines Angestellten aus der Umgegend, dem ich meine Annahme darlegte, dass ich mir doch jeden Namen für eine E-Post-Adresse aussuchen könne, da man ja auch bei E-Mails jeden Namen wählen kann, und dass nicht explizit ausgewiesen war, dass es unbedingt der korrekte Name aus dem Personalausweis sein müsse. Er meinte, das stimme zwar so nicht, aber er würde mir gerne helfen wollen. Er gab mir netterweise sogar seine Privatnummer, damit ich ihm einen Termin auf den AB sprechen konnte, wann meine Helferin Zeit hätte, die Zahlen und TANs mit seiner telefonischen Hilfe einzugeben. Ich sprach mich also mit meiner Helferin ab, und am Freitag dem 1. Oktober war der „große Tag“. Wir saßen gebannt vor dem Telefon und warteten. Als nach 45 Minuten immer noch kein Anruf kam, wollte ich aufgeben, aber dann klingelte es, und eine weibliche Stimme erklärte mir, dass ihr Kollege verhindert sei und sie gebeten habe, uns zu helfen. Sie gab einige AKtivierungs-Codes durch, dann folgten noch einige Eintragungen von Handy-TANs, und somit sei alles abgeschlossen, es fehle jetzt nur noch eine Verifizierung des Wohnsitzes und der korrekten Adresse per Brief-TAN, die ich ebenfalls eingeben müsse. Nach zwei Wochen trafen wir uns also wieder und gaben die bis dahin eingetroffene Brief-TAN ein, verifizierten dies erneut mit einer Handy-TAN, und somit war endlich alles über die Bühne gebracht. Allerdings muß ich nun unbedingt bis Dezember einmal einen E-Post-Brief geschrieben haben, damit die Adresse nicht verfällt.

Ich finde, man kann es auch übertreiben. Es hätte genügt, sich zu registrieren und dann den Personalausweis an eine angegebene Nummer zu faxen. Nun hörte ich mittlerweile einen Beitrag von Stiftung Warentest auf unserer CD, der besagte, dass diese E-Post-Briefe gar nicht bei allen Angelegenheiten juristische Gültigkeit hätten, und man solle auch seine Unterschrift einscannen und in das Schriftstück einfügen, jedoch sei dies eine Kopie der Unterschrift, und für manche Transaktionen sei nur die Originalunterschrift gültig. Außerdem gebe es bald noch weitere Konkurrenzunternehmen, die ebenfalls solch ein Verfahren in naher Zukunft anbieten würden, und die Post habe noch einige Dinge zu verbessern. Das finde ich allerdings auch.

Ich werde in jedem Falle mal beim Deutschen Blindenhilfswerk nachfragen, ob die Post wirklich mit denen in Verbindung getreten ist zwecks Verbesserungen an ihrem E-Post-Dienst in Hinblick auf Barrierefreiheit. Denn auch wenn ich 50 Euro für mein Handy erhalten habe, löst dies das Problem nicht, da es nur Hilfe für ein „Einzelschicksal“ bedeutet, strukturell aber nichts ändert, und ich mich trotzdem nicht raushalte, nur weil ich jetzt mit 50 Euro zufrieden gestellt wurde. Das mit der Namensungleichheit war zwar mein Fehler, aber wäre der Service barrierefrei gewesen, hätte ich die Neuregistrierung nicht gescheut, weil dann das ganze Verfahren nicht so extrem umständlich gewesen wäre. Aber nochmals durch diese Strapazen zu gehen ohne Barrierefreiheit hätte mich in den Wahnsinn getrieben.

Bald kommt der neue Personalausweis mit dem Chip, mit dem man sich im Internet authentifizieren kann und keine Kopie mehr schicken bzw. ihn nicht mehr persönlich vorzeigen muß. Man steckt den Perso in ein Kästchen und tippt eine Geheimzahl ein. Dieses Vorgehen praktiziere ich bereits bei meinen Bankgeschäften via HBCI. Ob ich das gleiche Kästchen auch für den Personalausweis nutzen kann oder mir noch ein zweites Kästchen hinstellen muß, wird sich zeigen. Jedenfalls wird einiges leichter. Jedoch ist das Ganze noch in den Kinderschuhen, und die Probleme, die damit gelöst werden sollen, werden durch andere ersetzt, weil die Technik selbst dann wiederum ihre Tücken hat, so dass die Summe der Probleme unterm Strich dann doch wieder gleich ist.

Da ich wegen meiner Türkeireise im April erst einen neuen Personalausweis und einen neuen Paß gekauft habe (anders kann man das ja bei den Preisen nicht nennen, obwohl es sich um Pflichtdokumente handelt), will ich jetzt nicht schon wieder Geld für ein neues Produkt ausgeben. Ich warte erst einmal ab, bis die Kinderkrankheiten überstanden sind, und bis die Technik ausgereift ist. Sollen doch die anderen erst mal das Ding in der Praxis prüfen und sich mit den Anfangsschwierigkeiten herumärgern, und wenn diese dann korrigiert sind, kann ich mir ja immer noch so ein Ding anschaffen. Ob das dann genauso ein Hindernislauf wird wie beim E-Post-Brief, kann ich ja dann hier wieder berichten.

Dieser „Marsch durch die Institution“ ist deshalb so spät hier eingestellt worden, da ich das Ganze schon mal vor zwei Wochen geschrieben habe, aber kurz bevor ich es aus dem Word-Dokument auf die HP transferieren wollte, ist der PC abgestürzt, und alles war verloren, inklusive der Zeit, die ich an dem Text gesessen habe. Also selbst da habe ich noch ewig viel mehr Umstände als man haben müsste. Diesmal habe ich alles alle 10 Minuten gespeichert. Die Post-Odyssee überträgt sich auch noch auf das Schreiben selbst, das dann wiederum auch noch mal zu einem „Act“ wird.