Dienstag, 31. Mai 2011

Kleine Katze, neues Glück

Nun hab ich mich doch nochmal getraut, mir eine "Zweitkatze" anzuschaffen, nach all dem, was ich an Enttäuschungen erlebt habe. Jakob ist der treueste Kater der Welt, aber er wird nicht ewig leben, und er braucht ja auch etwas Gesellschaft, wenn ich weg bin. Meine Helferin hat eine Katze, die dieses Jahr zum zweiten Mal Junge bekommen hat. Da Stoffel letztes Jahr weggelaufen ist, habe ich mich schon früh für ein Kätzchen bei ihr "angemeldet". Am 16. März kamen drei Kätzchen zur Welt. Ich sollte mir also nach meinem Urlaub ein Kätzchen holen, damit es während meiner Urlaubsabwesenheit nicht schon alleine mit Jakob in einer für es fremden Umgebung sein müßte. Jakob ist zwar friedlich, aber man weiß nie, wie die beiden zurechtgekommen wären. Ein paar Tage vor meiner Abreise rief meine Helferin an, ich solle kommen, um mir ein Kätzchen auszusuchen, damit sie die anderen dann endlich weggeben könne, sie "habe die Nase voll", weil die Bande so wild überall herumhüpft und alles kaputt macht. So fuhr ich zu ihr. Es waren zwei rote und ein grau-weißes Kätzchen. Was für ein Geschlecht die jeweiligen Katzenjungen waren, wußte man noch nicht, aber es wurde stark vermutet, daß die beiden Roten Kater sind und das kleinere Graue eine Kätzin ist. Der eine rote verkroch sich ganz und gar, das kleine graue Kätzchen wollte auch nicht kommen. Der andere Rote ließ sich auf den Schoß setzen, sprang aber sofort wieder weg. Aber immerhin versteckte er sich nicht. Ich entschied mich, ihn zu nehmen, sagte aber, falls er bei einer anderen Person zutraulicher sei, solle sie ihn dort hingeben, denn dann würde er sich dort wohler fühlen, und dann wäre es ja unsinnig, ihn für mich zu "reservieren". Als ich aus dem Urlaub kam, meinte sie, es hätten sich ganze VIERZIG Leute gemeldet, um die anderen beiden abzuholeln, sogar bis in andere Bezirke hinein hätte der Aufruf Interessenten gefunden. Die Katzenmutter ist zur Hälfte Perserin, und so ist auch der Meinige ein Viertelperser, was dann beim Tierarzt als "Perser-Mix" bezeichnet wird. Das finde ich stark übertrieben, denn zu drei Vierteln ist er ja ein Europäisch Kurzaar, also ein ganz normaler Hauskater. An seinem Abholtag setzte er sich sogar kurz neben mich. Seine Mutter wollte den Kleinen immer noch Fangunterricht geben und schleppte alte Lappen an, aber nun war nur noch er da, und sie suchte immer noch nach ihren Kindern, die Arme. Ich packte ihn in den Katzenkorb und fuhr mit dem Taxi heim.

Am ersten Tag fütterte ich ihn mit dem mitgegebenen Babyfutter, aber er wollte nicht. So ließ ich ihn erst mal in Ruhe. Schon kurze Zeit später kroch etwas an meinen Beinen hoch. Das war der Kleine. Er hüpfte auf den Schreibtisch und kletterte auf der Tastatur herum. Ich ließ ihn gewähren, obwohl ich das nicht sehr mag, denn am ersten Tag wollte ich nicht schon schimpfen, damit er keine Angstkriegt.
Ich kaufte Katzenmilch und Katzenwürstchen und paßte auf, daß der gefräßige Jakob ihm nicht alles wegfraß. Der fauchte kräftig, weil er auf Besuch nicht eingestellt war. Der Kater wurde schnell zutraulich, hüpfte überall herum, schaute sich alles an, sprang um mich oder über mich und wollte immer in meiner Nähe sein. Er läßt sich grundsätzlich gut anfassen, ist wenig scheu und schnurrt wie ein Rasenmäher. Am ersten Abend ging er schon in mein Bett, und am nächsten Morgen schnurrte er um meinen Kopf herum und weckte mich mit seinem Rasenmähermotor.
Ich gab ihm Katzenmilch und eingeweichtes Trockenfutter. Er mochte das Trockenfutter lieber nicht in Milch schwimmend. Er aß jetzt schon gut und kam auch von selbst in die Küche. Ich fütterte erst Jakob ab, damit der erst mal Ruhe gab. Bald fraßen beide nebeneinander, und ich hatte nur noch eine Blauhelmfunktion, indem ich meinen Arm zwischen die Näpfe hielt, um Jakob abzuhalten. Wenn der Kleine fertig ist, dann lauert Jakob schon drauf, daß der Kleine was im Napf gelassen hat und stürzt sich drauf. DAher gebe ich ihm schon von vornhereinweniger, da er eh beim Kleinen mitfrißt.
Am Sonntag lag der Kleine sogar schon eine halbe Stunde auf meinem Schoß. Das tut er jetzt grade nicht mehr so oft, vielleicht kommt das wieder. Jedenfalls hat er sich sehr gut eingelebt.

Einmal bin ich furchtbar erschrocken. Ich mußte den Balkon mit Brettern und Steinen sichern, bzw. die Ritzen abdecken, damit der Kleine nicht rauskann. Jakob stieß die Bretter immer beiseite, da er seinen Zwangsarrest nicht einsah. An einem Nachmittag war der Kleine unauffindbar. Normalerweise höre ich ihn, da er immer irgendwo herumspringt und Krach macht. Aber es war totenstill. Auch auf das Rascheln mit dem Trockenfutter kam keine Katze. Ich rief verzweifelt bei meiner Bekannten an, die sich um meinen Jakob während meines Urlaubes gekümmert und mir damals den Stoffel gebracht hatte. Sie kam und meinte: "Du machst mich wahnsinnig. Lang mal da rauf auf den Kratzbaum!" DA lag der Kleine und schlief friedlich. Ich war erleichtert. Wir stellten noch ein größeres Brett vor die Lücke, und die Bekannte holte noch mehr Steine, um alles wie Fort Knox abzusichern. Jakob schafft dennoch den Weg nach draußen, was ja nicht schlimm ist, so lange er die Bretter nicht umwirft, daß der Kleine rauskann. Wie Jakob die Hürden überwindet, ist mir ein Rätsel, aber eine Katze, die rauswill, hält nichts.
Das Katzenklo kannte er schon von daheim, aber er wußte nicht so genau, wo er in meiner Wohnung hinmachen soll. Ich hatte ihm das Klo gezeigt, aber meine Bekannte fand Würstchen in der Küche. Einmal beobachtete ich, daß er in die Dusche gepinkelt hat. Da nahm ich ihn sofort und setzte ihn aufs Klo. Als er das nächste Mal wieder in die Dusche wollte, drehte ich das Wasser auf, und er flüchtete sofort klatschnaß. Das wird ihm eine Lehre sein. Er geht auch immer an die Pflanzen, wobei das Ultraschallgerät zur Abschreckung nicht wirkt. Ich spritze ihn immer mit der Blumenspritze naß, aber das läßt ihn wenig beeindruckt.

Heute waren wir beim Tierarzt. Die Tierärztin war ganz hingerissen von dem Kleinen und meinte, ich müsse sehr aufpassen, daß ihn mir keiner klaut, da er so schön sei. Ich hätte ihn nach zwei Monaten rausgelassen, aber sie riet mir ab, da er irgendwann den Kätzinnen nachläuft und vielleicht nicht mehr heim findet. Daher solle ich warten, bis er kastriert sei, und das ginge frühestens in sechs Monaten. Ich entschied, ihn zu tätowieren, damit nachgewiesen ist, daß er mir gehört, wenn ein Fremder ihn hat. Ich werde ihn aber nicht bei TASSO registrieren lassen, da dies überhaupt nichts nützt. Die Nachbarn sind beim Suchen hilfreicher als irgendein Verein in der Nähe von Frankfurt. Er bekam dann noch seine Impfung und eine Entwurmung. Nun heißt er ISIDOR, da ich schon immer einen roten Kater namens Isidor haben wollte. Das paßt zu ihm, befand ich und die Tierärztin. Alle anderen finden kürzere Namen besser, aber mir gefällt Isidor sehr gut.
Ich hoffe, daß Isidor sich gut einlebt, daß er mir nicht abhanden kommt, und daß er sich mit Jakob verträgt. Bisher beißt er Jakob immer in den Schwanz, und der faucht dann wütend. Wenn er etwas älter wird, gibt sich das sicher. Jakob hat ihn auch schon mal abgeleckt. Isidor hat ein längeres Fell und daher viele Knoten im Haar. Die muß ich mit einem Flohkamm herausmachen. Er hielt bislang still, wenn ich die Haarbutzeln mit der Hand herausmachte. Ich hoffe, daß es auch mit dem Kamm reibungs- und verletzungslos läuft, was ich alle zwei Tage tun soll, damit es nicht so viele Knoten gibt.

Bislang bin ich sehr zufrieden und hoffe, daß das so bleibt. Als ich das schreibe, l liegt er grade auf meinem Schoß. Er ist wirklich ein guter Charakter.

Sonntag, 29. Mai 2011

Mein Urlaub in Südtirol

Vom 15.-22. Mai war ich in Bozen, Südtirol im Haus St. Raphael, einem Blindenzentrum für ganz Südtirol. Das Haus nimmt Urlaubsgäste auf, hat aber auch Dauerbewohner und ist auch Treffpunkt für Blinde aus der Region und hat auch eine Beratungsstelle oder ist Anlaufstelle, um Mobilitätstraining zu bekommen oder Hilfsmittel zu kaufen. Auch gibt es dort ein Tonstudio für die Aufsprache von Büchern und Zeitschriften, und es gibt ein Schwimmbad für die Gäste und Bewohner, wo aber auch Schwimmkurse für externe Besucher abgehalten werden. Im Winter gibt es ein Dunkelrestaurant, welches jeden Mittwoch geöffnet hat, und im Rahmen der Hausbesichtigung erhielten wir auch eine Führung durch den Dunkelparcours. Dies alles erfuhr ich, als ich mir am Ankunftstag den Ordner mit Punktschriftangaben durchlas, der in jedem Zimmer aufliegt. Als Anfängerin der Blindenkurzschrift war ich sehr stolz, daß ich mit den Infos etwas anfangen konnte, wobei es zwei Stunden gedauert hat, bis ich alles „gelesen“ hatte. „Lesen“ kann man das bei mir noch nicht nennen, aber dennoch bietet mir die Kurzschrift schon den Nutzen, den ich mir von ihr erwarte. Mit diesen vielfältigen Angeboten konnte ich also einen schönen Urlaub verbringen.
Sonntag, 15. Mai, Anreisetag:
Um 7:40 sollte ich mich am Servicepoint des Abfahrtsbahnhofes einfinden, damit ich vom Mobilservice der Bahn zum Gleis gebracht werde. Ich finde zwar das Gleis, aber ich kann die Wagenstandsanzeigen nicht mehr lesen und würde somit den Abschnitt nicht finden, in welchem mein Wagen mit dem reservierten Platz hält. Die meisten Reisenden kapieren die Wagenstandsanzeige nicht, und ich kannsie nicht mehr lesen. Die Taxifahrerin von meinem Dialysetaxi hat mich zum Bahnhof gebracht. Dabei haben wir dann gleich festgestellt, daß der Hüftgurt meines Rucksackes kaputt ist. Dann stellte die Taxifahrerin auch noch fest, daß das Formular für meine Taxikilometer voll ist, und daß sie somit nichts eintragen kann. Daher fuhr sie mich kostenlos, wobei wir dies aber im Hinterkopf behalten sollten, um es dann in das neue Formular einzutragen. Ich rief per Handy sofort auf dem AB meiner Betreuerin an und „bestellte“ über sie beim Bezirk sozusagen ein neues Formular, da noch Freikilometer übrig sind, aber kein Platz mehr auf dem Formular war. Am Infopoint angekommen, stellte sich mal wieder heraus, daß meine Vorbestellung nicht vermerkt war. So holten sie spontan jemanden, der dann auch für den Umstieg in München jemanden organisierte. Ich bat um einen Wagen, da ich meinen Rucksack ohne Hüftgurt unmöglich tragen konnte. In München erwartete mich ein Elektroauto. Die Dame nahm meine Fahrkarte und ging damit schnell zu einem Büro, wo sie die Rückfahrt vermerkte. In Bozen klappte alles hervorragend. Kaum war ich aus dem Zug ausgestiegen, der übrigens zu FRÜH angekommen war, stand auch schon jemand von der Bahnhofsmission da, der mich zum Taxi brachte. Im Blindenzentrum war aber keiner an der Rezeption. Dann kamen zwei ältere Frauen heran, und ich dachte, „oh Gott, das ist ja ein Altersheim!“ Endlich kam eine Rezeptionistin, die Sonntagsdiensthatte und mich aufs Zimmer brachte. Da ich Hunger hatte und dachte, hier kriegst Du sicher Kaffee und Kuchen in einer Cafeteria, fragte ich nach. Aber nein, es gäbe nur Automatenkaffee. Also erkundigte ich mich nach dem Weg zu einem Café im Ort. Man sei hier im Stadtteil Gries, und es gäbe entweder das Café Gries oder das Café Mend am Grieser Platz. Durch den Friedhof mit vielen Treppen wollte ich nicht gehen, da ich befürchtete, mich zu verlaufen. Daher erfragte ich eine andre Route. So lief ich los. Es war bitterkalt, da die „Kalte Sophie“ ihrem Namen alle Ehre machte. Ich traf auf einen Passanten, der mir wiederum eine andere Richtung anwies. So stand ich dann da, sah keine paar Meter vor mir, oder alles nur verschwommen, und niemand kam vorbei, den man hätte fragen können. In Tränen aufgelöst und frierend stand ich da, bis endlich jemand vorbeikam. Der nahm mich mit und meinte, er könne leider nicht zum Café mitgehen, da er einen Kinderwagen dabei hatte. HIER sei ein guter Freund von ihm, der würde mir helfen. Der „Freund“ nahm mich in ein Haus mit, das Grieser Hof hieß. Wir gingen durchs Haus zu einem Aufzug und dort zur anderen Seite wieder hinaus. All mein Protest, daß ich doch ins Café wolle, nützte nichts. „Wir gehen jetzt wieder ins St. Raffael.“ Meine Bitte, mich doch zum Grieser Café zu begleiten, wurde nicht erhört. „Wissen Sie, wie es zum St. Raffael geht?“ -- „NEIN, aber ich will doch zum Café Gries oder Mend.“ -- „Ich kann Sie NUR ins Raffael bringen.“ Da blieb mir nichts anderes übrig, als mich von ihm wieder ins Blindenzentrum zurückschaffen zu lassen. Später stellte sich heraus, daß der Grieser Hof eine Station für psychisch
Kranke war, und daß der Angestellte nicht einfach weg konnte, sondern mich nur zum Blindenzentrum zurückbringen konnte. DA kann ich ja noch froh sein, daß er mich nicht gleich dabehielt, da ich so verzweifelt und in Panik war, weil ich so lange dort gestanden hatte, ohne, daß mir jemand weiter geholfen hatte, daß ich schon total wütend war und geschimpft habe. Im St. Raffael hatte dann die Bar zufällig geöffnet. Dort gab es nur Süßigkeiten und schlechten Kaffee. Dann las ich die bereits erwähnten Angaben zum Haus in Blindenkurzschrift durch. Es gibt dort auch, wie in vielen Blindenhotels, eine Telefonnummer, bei der ein AB den Speiseplan und den Veranstaltungsplan ansagt. So wußte ich bereits, daß es Bratkartoffeln mit Ei geben würde. Das hat auch sehr gut geschmeckt, und auch der Salat aus dem eigenen Garten war sehr gut. Als ich vor dem Essen an der Rezeption stand, sagte jemand meinen Namen. Es stellte sich raus, daß ein ehemaliger Schulkamerad von mir mit seiner Frau da war. Er war damals in meiner Gruppe im Sehbehinderteninternat und ist acht Jahre älter. Ich war damals ein kleiner Stöpsel, und er war schon ein Teenager. Dieser Schulkamerad erklärte mir, was es alles im Haus gibt, wen ich ansprechen muß usw. Nach dem Essen gingen wir durch den riesengroßen Garten bis zu einem Häuschen, wo man grillen kann. Es gibt in diesem Garten alle Früchte, die man sich nur denken kann, Gemüse und auch viele, viele Vögel, viele Pflanzen, viele Bäume, und eine Liegewiese. Es ist zwar alles mit Handläufen ausgestattet, nur nützen die mir nicht viel, da ich ja dennoch nicht weiß, in welche Richtung ich gehen muß. Die Handläufe hören manchmal auf, oder man geht an ihnen weiter entlang und hat nur eine ganz kleine Runde gemacht. Wenn man größere Runden laufen will, muß man den Handlauf wechseln und folgt einem anderen, nur, wohin, das erschloss sich mir nicht. Daher ist es mir gleich, ob ich mit dem Stock an einer Kante langlaufe und mich daran orientiere, oder ob ich mit der Hand über einen Holzhandlauf fahre und mir obendrein noch einen Spreisel in die Hand hole. Beides gibt mir keinerlei Aufschluß, wo ich bin. Es sei denn, man bringt noch Schilder an und taktile Pfeile mit der Aufschrift: „Zurück zum Haus“. Leider würde der Schulkamerad schon am nächsten Tag abfahren, und so konnten wir kein Treffen mehr ausmachen, um mir weitere Sachen zu zeigen. Ich ging ebenfalls früh zu Bett, da am nächsten Tag um sechs Uhr der Wecker klingeln würde. Ich hatte schon mit der Küche ausgemacht, daß ich zwischen sechs und Viertel nach sechs kommen würde, um ein kleines Frühstück einzunehmen. Denn an der Dialyse gibt es das Frühstück immer sehr spät, und da wird mir schlecht, wenn ich so lange nüchtern bleiben muß.
Montag, 16. Mai – Erster Dialysetag in Lana
Ich bekam also um 6:10 ein kleines Frühstück, als ich mich wie besprochen im Speisesaal einfand, den ich sogar schon selbst aufsuchen konnte. Das Haus ist blindengerecht eingerichtet, der Aufzug ist markiert, und es gibt überall Handläufe. Der Weg vom Aufzug zu meinem Zimmer wurde mir gut erklärt, und ich kapierte auch den Weg zum Speisesaal.
Das Taxi holte mich pünktlich ab. Ich war am Überlegen, ob ich ihm gleich die ganzen 320 Euro für alle acht Fahrten auf einmal geben sollte oder nicht. Ich dachte, wenn der mir nicht gefällt, dann müßte ich ja wechseln, und dann hätte er das ganze Geld. Aber ich hatte von Anfang an sofort ein gutes Gefühl, was sich auch bestätigte, und so gab ich ihm gleich das gesamte Geld, aber die Quittungen, die für jeden Dialysetag einzeln ausgestellt wurden, wollte ich dann am Ende haben, um sie nicht während des Urlaubes zu verlieren. Schon auf der Hinfahrt nach Lana rief man von der Feriendialyse aus an, ob ich auch kommen würde. Dort angekommen, holte mich ein älterer Herr in weißer Arbeitskleidung direkt vom Taxi ab, führte mich in die Umkleide, zur Waage, zum Bett und hängte mich an. Dabei schwatzte er sehr nett und vertraulich, erzählte mir, daß mein Dialysearzt auch schon hier gewesen sei, und daß der berühmte Radfahrer aus unserem Zentrum ebenfalls dabei gewesen sei. Ich erzählte, daß der Doktor, der immer mit dem berühmten Radfahrer unterwegs ist, sich ein neues Rad für 3000 Euro kaufen mußte, weil seines kaputt ging, aber ein Chefarzt hat ja genug Kohle. So plauderten wir dahin. Auf einmal wurde mir schlecht. Der Mann maß den Blutdruck, und der war sehr hoch. Auf einmal war alles wieder gut, so wie es gekommen war, ging es auch wieder. WAS das war, ob die Aufregung oder etwas anderes, weiß ich nicht. Ich habe ja mit Bauchkrämpfen in anderen Zentren schon einschlägige Erfahrungen gemacht. Um VIERTEL vor NEUN kam dann endlich das Frühstück. Vorher hatte ein Pfleger mich gefragt, was ich haben wollte, und es gab das Angebot wie in Deutschland. Als ich den Mann fragte, der mich angehängt hatte, wie er heißt, stellte sich raus, daß es der Doktor selbst war. Das würden unsere Ärzte nie machen, Patienten anhängen, vom Auto abholen, rumführen und so vertraulich mit ihnen schwatzen. Dann fragte ich ihn, ob er einen bestimmten Professor kennt, den ich auch kenne. Er meinte: „Der forscht soviel, der andere kriegt nur och die Krümel von dem ab, was er erforscht, und seine Frau schickt ihn immer auf Kongresse, damit sie Ruhe von ihm hat, weil er ihr soviel indie Praxis reinredet.“ Ich fand das total lustig, wie er aus dem Nähkästchen plauderte. Überhaupt konnte man mit dem ganz normal reden, und er erzählte und erklärte mir so manches.
Nach dem Abhängen, so hatte ich mit dem Taxifahrer vereinbart, wollte ich mich in das Bistro in der Nähe der Dialyse setzen lassen und von da aus dann bei ihm auf dem Handy anrufen, damit erm ich nach dem Kaffee nach Bozen zurückfährt. Dort gäbe es alles, na natürlich, auch Kuchen. Als ich dort ankam, sagte die Bedienung: „Kuchen haben wir nicht.“ Als ich sie bat, mich da hinzubringen oder auf den Weg zu bringen, wo es Kuchen gibt, bot sie mir an, mich wieder zur Dialyse zurückzubringen. Es sei zu schwierig, alleine in ein anderes Café zu gehen, da wären zu viele Baustellen. Offenbar konnte man sich hier nirgends so richtig durchfragen, wie ich es sonst gewohnt bin, weil einen alle wieder an den Ausgangsort zurückbrachten. So wurde ich wieder zur Dialyse zurückgeführt und rief von da aus den Taxifahrer an. Ich bat ihn, mich gleich nach Bozen zum Grieser Platz zu fahren, damit ich dort dann in ein Café gehen könnte und später mit einem Bozener Taxi zum St. Raffael zurückfahren würde. Als wir am Grieser Platz ankamen, fand der Taxifahrer nur ein ganz anderes Café, das Café Gruber. Dort sagten sie mir: „ Kuchen haben wir nicht.“ Ich dachte, ein anderes finden wir jetzt nicht, dann bleibe ich hier. Es gab nur Hörnchen, und die waren sehr trocken. Aber der Cappuccino war sehr gut. Die Bedienung wartete mit mir vor der Türe, bis das Taxi kam, was ich sehr nett fand. Die Fahrt war ziemlich teuer. Überhaupt fand ich Taxifahren in Südtirol viel teurer als bei uns.
In Bozen hörte ich dann den AB mit den Veranstaltungen ab. Es gab dort Vorlesestunden für die Leute, die selbst keine Zeitung mehr lesen können. Das fand ich total süß und wollte mal an so einer Stunde teilnehmen. Dies sollte diesmal von Helmut gemacht werden, der auch die Ausflüge mit den Gästen organisiert . Bei dieser Gelegenheit konnte ich ihn auch gleich fragen, was am Dienstag geboten würde, wo es im Veranstaltungskalender nur „Ausflug mit Gästen“ hieß. Er meinte, es gäbe nur noch eine Frau außer mir, und wir könnten aussuchen, wo wir hinwollten. Ich wollte nachBrixen, und er schlug dann noch das Kloster Neustift in der Nähe von Brixen vor. So war unser Ausflug geplant. Wir mußten nur 35 CT pro Kilometer zahlen und nicht auch noch den „Reiseleiter“, der ja im Haus angestellt ist. Das würde also zu zweit nicht allzu teuer werden. Beim Abendessen lernte ich dann auch die nette ältere Dame kennen, die mit mir am nächsten Morgen an dem Ausflug teilnehmen würde. Sie war aus München, und so stellte sich dann auch noch heraus, daß sie meinen Bruder kennt, der auch blind ist und im Rahmen einer Begegnung vor über 30 Jahren mal etwas auf der Orgel vorgespielt hatte, das sie noch in Erinnerung hatte. So war das Eis schnell gebrochen, und wir unterhielten uns sehr gut, was mir sehr guttat, da am Abend zuvor nur Leute am Tisch saßen, die mich nicht ansprachen, und ich wollte mich auch nicht in ihr Gespräch einmischen. Ich rief dann auch noch bei einem der Geschwister an, die das Haus vor Jahren gegründet hatten, um einen Hausrundgang zu bekommen. Dieser sollte dann am Morgen vor der Abfahrt nach Brixen stattfinden, und die Dame wollte auch daran teilnehmen.
Am Abend versuchte ich dann, alleine im Garten herumzuspazieren, verlief mich aber glatt. Ich rief einfach mal ins Blaue, da man überall Leute hörte. So kam eine Schwester der Gründer herunter, die sehend war und nur auf Besuch dort weilte. Insgesamt sind es 10 Geschwister, von denen vier blind sind. Sie zeigte mir den Garten, und ich bekam sogar eine Handvoll Himbeeren, die meine Lieblingsfrüchte sind. Eine Mandel in ihrer zarten haarigen Schale durfte ich mir auch als Andenken mitnehmen, aber die ist mittlerweile verschrumpelt. Auch gab sie mir jede Menge Kirschen, sogar süße waren dabei. Es gab abends zum Nachtisch immer Erdbeeren oder Kirschen aus dem eigenen Garten. Ich fand das zwar schön, aber mittags gab es auch mal Eis oder anderen Nachtisch, und den hätte ich auch gerne gehabt. Ich war sehr beeindruckt von dem großen Gelände, welches das Haus umgab, aber hier würde ich mich niemals alleine zurechtfinden.

Dienstag, 17. Mai - Ausflugstag
Am nächsten Tag traf ich mich erst mal mit Nikolaus, dem älteren Bruder der großen Familie und Mitbegründer des Hauses. Er führte mich zunächst zu dem Tastmodell des Hauses und probierte vergeblich, mir etwas Orientierung zu geben. Er betrat dann das Haus mit mir und erklärte mir alles an Hand einer großen Uhr, wobei 12 Uhr Norden, sechs Uhr Süden usw. war. Gertraud, die ältere Dame kam dann auch noch dazu. So begriff ich, wo das Schwimmbad war, welches der Süden und welches die Ostseite war. Wir guckten kurz ins Schwimmbad und sahen uns kurz das Tonstudio an, wo alles mit Hauben abgedeckt war. Aber der Dunkelgang war wirklich ein Erlebnis, da er mich an meine Zeit im Bunker erinnerte, wo auch ich Dunkelgangführungen für Sehende gab. Nach der Hausführung warteten wir dann auf Helmut, der uns in einem kleinen Bus zunächstzum Kloster Neustift brachte. Dort sahen wir uns einige Statuen und Wandbeschriftungen an, gingen in die Kirche in bayerischem Barock, wobei ich lernte, das dieser üppiger als der italienische und mit viel Rosa und Gold gestaltet war. Wir machten auch ein Photo mit meinem bis dato noch funktionierenden analogen Photoapparat vor dem Kloster. Dort gab es auch ein Internat für Jungen und auch Weinberge, in denen die Jungen strafweise rauf – und runterrennen mußten, wenn sie etwas ausgefressen hatten. Aber das war wohl zu einer anderen Zeit.
In Brixen aßen wir dann zu Mittag. Da ich bislang so schmählich um meinen Kuchen gebracht worden war, wollte ich zumindest eine Süßspeise zu Mittag haben, vorzugsweise Kaiserschmarrn. So gingen wir in den Grünen Baum, ein sehr großes Restaurant in Brixen. Der Kaiserschmarrn war sehr gut. Danach ging es zum Bistumsgarten, wo wir die Blumen und die Obstbäume bewunderten. Es ging zunächst nicht, daß wir ein paar Miniorangen abpflückten, da ein Obdachloser die ganze Zeit dort herumlungerte und uns laufend anquatschte, daß dies verboten sei, wobei er selbst auf die Früchte aus war. So ging es erst mal in den Dom, wo wir an den Kirchenbänken die eingeritzten Symbole bewunderten. Abwechselnd gab es ein Schaf und einen Adler zu betasten. Das Schaf war das Wappen von Brixen. Später konnten wir dann doch noch einige der Miniorangen naschen, die man nicht schälen kann. Die Schale ist ganz und gar glatt, und die Früchte haben nur die Größe einer Beere. Danach war ich hundemüde, und wir setzten uns auf eine Bank und gingen dann auch zum Auto zurück und fuhren heim. Insgesamt war es sehr nett und interessant.
Am Abend wollte ich dann unbedingt noch hören, wie Gertraud auf dem Klavier spielt. Sie wollte mir auch mal ihre Punktschrifttafel ausleihen, damit ich mal ausprobieren könnte, ob es damit besser geht. Ich hatte mir eine Minitafel für die Handtasche zugelegt, aber meine Künste darauf sind, wie mir mein Freund und Punktschriftkorrektor bestätigte, „gruselig“. So dachte ich, wenn ich die Tafel von Gertraud mit den Einkerbungen am Rand benutze, würde es besser werden. Während Gertraud also spielte, drückte ich fleißig den Griffel in das Papier, wobei man dies in Spiegelschrift tun muß, damit die Punkte auf der anderen Seite richtig herum herauskommen. Das Ergebnis war verheerend. Es war fast kein Buchstabe richtig. So dachte ich, vom Geist her schaffe ich das mit der Spiegelschrift gut, aber durch meine schlechte Feinmotorik traf ich die Löcher nicht. Ich diktierte also Gertraud genau, wie ich es haben wollte, und da kam es richtig heraus. So denke ich, daß hier meine Grenzen sind, und daß ich die Minitafel nur für andere Blinde mitführen werde, damit diese mir was aufnotieren können. Oder ich dirigiere einen Sehenden, wo die Punkte hinmüssen. Gertraud gab mir auch ihre Adresse, damit ich ihr mal in Punktschrift schreiben kann. Später spielte sie mir noch ein Abschiesständchen auf ihrer Mundharmonika.

Mittwoch, 18. Mai – Obstmuseum
Nach der Dialyse, die diesmal völlig reibungslos verlief, wobei allerdings das Frühstück noch später kam, hatte ich mit dem Taxifahrer abgemacht, daß er mich ins Obstmuseum in Lana fahren sollte. Zunächst aß ich einen Bauerntoast im dialysenahen Bistro, wobei mir die nette Bedienung den Toast in handliche Streifen schnitt. Dann holte mich die Frau des Taxifahrers ab, die auch eines der Taxen hatte. Sie kam allerdings ohne Aufforderung, da der Dialysepfleger völlig vergessen hatte, sie anzurufen. Sie hatte einen Riecher dafür, wann Patienten fertig waren, das bewies sie auch noch einige Tage später. Wir fuhren für ganze NEUN Euro ins Apfelmuseum. Die Taxifahrten in Italien sind wesentlich teurer als bei uns. Dort angelangt sagte die Frau an der Kasse, daß es keine Führungen gäbe, aber ich könne mir einen Film ansehen. Der sei kostenlos. Da ich nun schon mal da war für das teure Taxigeld, beschloß ich zu bleiben. Ich sah mir einen interessanten Film über Äpfel an. Es gibt 14 Sorten in Südtirol. Wenn es unter 0 Grad hat, gibt es Frostalarm, und die Bauern müssen die Beregnung einschalten. Die Äpfel gehen an Genossenschaften, die weniger guten werden als zweite Wahl verkauft. Als der Film zu Ende war, kam die Frau und meinte, daß sie mir noch einen Film zeigen könne, der nur über die Frostberegnung aufklärt. Das wollte ich auch ansehen. Der Grund, weshalb das Wasser die Blüten vor dem Frost schützt, liegt nicht etwa darin, daß das Eis einen Schutz um die Blüte bildet, sondern beim Gefrieren wird wiederum Energie frei, die als Wärme die Blüte schützt. Der Frostalarm weckt das ganze Dorf auf, so daß sogar Wirte die Gunst der Stunde nutzen, um den Bauern noch Getränke anzubieten. Es soll sogar einmal eine Striptease-Tänzerin zur Unterhaltung der Frostberegner bestellt worden sein. Als auch dieser Film zu Ende war, kam die Frau und meinte, daß sie mich nun doch herumführen würde. Da ich zu Hause als richtige „Apfelmühle“ berühmt bin und Obst über alles liebe, habe ich einen ganz besonderen Bezug zu Früchten und wollte das Museum gerne anschauen. Sie zeigte mir also die Siebe, in denen die Pesticide früher angerührt und durchgedrückt wurden. Ich konnte eine Traubenpresse bewundern und durfte die großen Kreben, die Fruchtkörbe anfassen. Einen davon hätte ich gerne als besonderes Möbel mit nach Hause genommen, das hat was, wenn man den mit Polstern auslegt, gar keine so schlechte Idee. Dann durfte ich noch die Sortiermaschine anfassen, wo die Frauen früher die Äpfel aussortiert haben. Die Äpfel werden darin herumgedreht, so daß alle Äpfel mal nach oben kommen und begutachtet werden können. Nach der Besichtigung bekam ich noch einen Apfel. Ich suchte mir einen Fuji aus, der auch im Film erwähnt wurde. Der war so saftig, daß ich total klebrige Hände bekam. Den mußte ich mir unbedingt später auf dem Markt kaufen. Ich rief das Taxi an, welches mich wieder nach Hause brachte.
Im Zentrum gab es dann Tomaten mit Mozzarella, was ich nicht so mag. Daher hatte ich schon vorher besprochen, daß ich wieder Nudeln bekam. Da ich das letzte Mal schon Nudeln mit Bolognese-Sauce hatte, wollte ich diesmal eine andere. So sollte es „weiße“ Sauce sein. Es stellte sich heraus, daß sie einfach trockene Spaghetti mit Parmesankäse angerichtet hatten. Na super! Als Tischnachbarin hatte ich nun eine Schweizerin, die obendrein auch noch meine Namenskollegin war, allerdings war sie eine Von, also eine Adelige. Die war total still, anscheinend ziemlich kaputt, wobei ich das selbst wieder mal nicht mitbekam, sondern die Küchenfrau, die sie wegen ihrer häufigen Besuche gut kannte, sprach sie drauf an. Ich versuchte, etwas mit ihr in Kontakt zu kommen, aber sie war sehr wortkarg. So wartete ich höflicherweise, bis sie aufgegessen hatte, damit sie nichtalleine sitzen mußte, und ging dann auf mein Zimmer.

Donnerstag, 19. Mai – Auf der Suche nach einem Rucksack mit Rädern und Besuch bei der Sternwarte
Beim Frühstück erlebte ich, wie sich meine adelige Namenskollegin mit Nikolaus gefetzt hat. Offenbar hatte sie sich in was eingemischt, was sie nichts anging, und als ich sie nachher etwas ausfragte, hatte ich den Eindruck, sie wußte selbst nicht, worum es eigentlich ging. Etwas seltsam kam sie mir dann schon vor, als sie hektisch, weil irgendjemand was von ihr wollte, mittem vom Frühstück brummelnd hochsprang. Helmut, mit dem ich wie abgemacht nach dem Frühstück nach Bozen fuhr, meinte, sie käme öfter im Jahr mit einer Behindertengruppe, und sie habe sich zuvor mit einer anderen Gruppe überworfen und habe sodann ihre eigene aufgemacht. Sie selbst sah, war Betreuerin gewesen und dort wohl auch entlassen worden.
Wir fuhren in die Stadt, damit Helmut mir Bozen zeigte, und dabei wollten wir nach einem neuen Rucksack gucken. Eigentlich dachte ich, aus dem Rucksackalter nun raus zu sein, und man will das Ding auch nicht bei jedem Schrittvom Hotel zum Taxi auf den Rücken wuchten. Helmut meinte aber, als Blinder hätte man dann beide Hände frei, und es gäbe ja Rucksäcke mit Rädern, die man dann mal kurz ziehen könne. Da hatte er mir einen Floh ins Ohr gesetzt. Nun wollte ich unbedingt so ein Ding haben, da mein Rucksack ja nach 18 Jahren nun wirklich am Ende war, und alles abfiel, was nur abfallen kann. So zeigte er mir die Stadt, und wenn wir an einem Koffergeschäft vorbeikamen, gingen wir hinein. Wir passierten den Walther-Platz, da Walther von der Vogelweyde entweder in Deutschland oder in Südtirol geboren sein sollte. Darüber streiten sich die Gelehrten. Erst mal hoben wir Geld beim Automaten ab. Ich dachte, da es auch eine Sparkasse ist, kostet es nichts, aber auf den Kontoauszügen sah ich später, daß 5 Euro Gebühren angefallen waren. Dann kamen wir noch an einen Brunnen mit lauter Fröschen. Dort machten wir ein Foto. Als wir später am Walterplatz auch eines machen wollten, versagte mein Photoapparat. Den hatte ich zuvor noch gelobt, da er nur 30 Euro gekostet hatte und so treu und brav funktioniert hatte. So mußten wir nun ab sofort mit dem Handy weiter machen, was übrigens gute Bilder ergab. Helmut ging einfach in ein Haus hinein und zeigte mir eine Loggia, das ist ein Balkon, der ins Hausinnere hineinragt, also in das überdachte Patio oder Atrium. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Danach gingen wir in einen Laden, wo es Tuner Porzellan gab. Da kaufte ich mir für 12 Euro eine Espressotasse in Terracottafarben. Dann guckten wir noch weiter nach Rucksäcken. Dafür gingen wir auch durch die schönen großen und kleinen Laubengänge, die mir noch von früheren Besuchen in Erinnerung waren. Leider gab es nur einen einzigen Rucksack in der Größe, in der ich ihn haben wollte, und der kostete bei Jack Wolfeskin ganze 250 Euro. Da dachte ich, das kann ich daheim auch noch haben, wenn alle Stricke reißen, und es keinen billigeren gibt. Wir kauften auf dem Markt noch meine Fuji-Äpfel und in einem Süßigkeitenladen noch Nüsse mit Schokolade, wobei ich auch ein Päckchen für meine Katzenbetreuerin als Mitbringsel mitnahm. Der ganze Ausflug kostete nur 7 Euro, da die Fahrpreise des Hauses wirklich sehr moderat sind. So etwas finde ich total gut, Einzelbetreuung und dann noch so günstig. Ich kann ja wirklich alleine in fremder Umgebung nirgendwo mehr hin, stellte ich fest.
Diesmal aß ich zu Mittag, da ich abends nicht da sein würde. Ich fragte außerdem, ob ich das, was es zu Mittag gab, auch am Abend haben könnte, wenn ich wegen der Dialyse mittags nicht da war, da ich ja Halbpension hatte. Das ging. Ich hatte nämlich am Telefon den Speiseplan abgehört, und der war mittags viel besser als abends, auch die Nachspeisen waren abends nicht so gut wie mittags. Ich mag zwar Obst, besonders aus dem eigenen Garten, aber jeden Tag nicht, und außerdem gab es mittags auch Eis, Pudding und Früchtecrème. Das Essen selbst bekam ich auch abends, der Nachtisch war aber leider nicht dabei. Als ich also diesmal mittags mitessen konnte, nahm ich gleich zweimal vom Nachtisch, der traumahft gut war. Später sollte es zur Sternwarte gehen. Zunächst war ich nicht sonderlich interessiert, aber ich dachte, wenn es angeboten wird, nehme ich es mit. Ich saß vorne, da mir bei den Serpentinen sonst schlecht werden würde. Es wurde ein Sternenkundler bestellt, der dies hobbymäßig mit großer Leidenschaft betreibt, und uns einen langen und interessanten Vortrag hielt. Die genauen Zahlen sind mir allesamt wieder entfallen. Angeblich ist der Mond vier Lichtsekunden und die Sonne acht Lichtminuten entfernt. Eine Galaxie ist dasselbe wie eine Milchstraße, da Galac das griechische Wort für Milch ist. Die Milchstraße heißt so, da ihre Sonnensysteme alle in einer Reihe sind, und dies wie eine glänzende Straße aussieht. Die Sonne ist ein Stern, der durch Kernfusion Energie freisetzt. Um jeden Stern, wobei der unserige eben Sonne heißt, gibt es mehrere Planeten. Jeder Planet hat mehrere Monde. Einige Planeten haben eine große Gashülle. Beim Essen durften wir dann ein Modell vom großen Bären anfassen. Der große Wagen ist der hintere Teil vom Bären oder umgekehrt. Leider habe ich alles vergessen, obwohl ich es bei dem Ausflug noch gut behalten hatte.
Da ich durch das normal gesaltzene Essen extrem viel Durst bekam und durch Gewichtszunahme schon ein höheres Dialyse-Trockengewicht hatte, brachte ich viel Wasser zur Dialyse mit, doppelt soviel wie daheim. Daher wollte ich nicht zu Abend essen, um nicht noch mehr Durst zu kriegen. Ich entschied mich daher für ein Stück Sachertorte, wobei dies das letzte Stück war, das sie hatten, endlich bekam ich also ein Stück kuchen! Nach dem Essen gingen wir nochmals in die große Kuppel, die wir schon bei Tageslicht bewundert hatten, und wo das große elektronische Teleskop stand. Dieses wurde von zwei Computern gesteuert und war nun eingeschaltet. Es mußte gekühlt werden, damit die Körperwärme der Anwesenden das Ergebnis nicht verfälschte. Ein Mann stellte am Computer die Position ein, in die das Teleskop schauen sollte, und das Dach der Kuppel öffnete sich dann nur diesen Spalt, damit das Teleskokp da hinausragen konnte. Wenn das Teleskop sich drehte, machte es einen Höllenlärm. Um in das Teleskop zu schauen, mußte man auf eine Trittleiter steigen. Die Vollblinden blieben gleich in der Wirtschaft und spielten Karten. Ich probierte, ob ich etwas sehen würde. Leider klappte das nicht. Alle anderen machten staunende Ausrufe, wie schön, hell, groß und klar der Jupiter doch zu sehen sei. Ich kann nicht durch Monokulare gucken, da ich wegen des eingeengten Gesichtsfeldes immer an die Wand der Teleskopröhre gucke und den ausgang nichtmehr finde. Ich stand zweimal lange und geduldig auf der Trittleiter, probierte, drehte den Kopf, aber nichts passierte, es blieb stockdunkel. Auch sehe ich selbst immer Sternchen und habe Augenflimmern, so daß ich einen „echten“ Stern dann gar nicht mehr sehen würde. Am PC konnte ich dann zumindest die Simulation bewundern, die der Computer aufbaute, wenn das Teleskop gedreht wurde. Doch war es eine interessante Expedition, bei der ich viel gelernt aber leider auch schon wieder viel vergessen habe. Leider ist mir auch mein Stock kaputt gegangen. Als ich ihn wieder aufklappte, war einer der Schnappgummis gerissen. Das war nun das dritte „Trumm“ , welches auf dieser Reise kaputt gegangen ist. Materialermüdung ist ja ein logischer Grund, aber warum alles Material auf einmal müde werden muß, ist mir ein Rätsel. Ein netter Gast lieh mir seinen Taststock, den ich zumindest als Behelf gut nutzen konnte. Ich ließ meinen Stock an der Rezeptioln, damit ihn sich die Mobilitätstrainerin am nächsten Tag ansehen konnte.

Freitag, 20. Mai – Auf dem Pferderücken
Ich lernte an der Dialyse diesmal einen Rechtsanwalt kennen, der eine größere Pleite gegangene Firma vertreten hatte. Der Dialysearzt hatte schon über ihn gewitzelt, da er immer auf extrem hohe Dialyseflüsse besteht, und die Einhaltung seiner Anweisungen auch genauestens nachkontrolliert. Kommentar des Arztes: „Daß Golfspieler sich für was Besonderes halten ist noch deren geringste Macke.“ Es stellte sich heraus, daß der Anwalt ebenfalls aus meinem Heimatzentrum stammte, und so stellte der Arzt ihn mir vor, damit ich mir Anregungen holen könnte, meinen Arzt zu Hause auch zu höheren Flüssen zu überreden. Nach der Dialyse wollte ich noch etwas in Lana bleiben, um einen Stadtbummel zu machen. Die Taxifahrerin klärte mich jedoch auf, daß die Geschäfte erst um 15:30 aufmachten. So ließ ich mich zu einem Eiscafé fahren, um einen großen Eisbecher zu verzehren und wollte mich dann wieder abholen lassen. In Bozen im Blindenzentrum angekommen, sprach mich Helmut an: „Hast Du Lust, mit auf den Ritt-Hof zu kommen, die Elsa hat da zwei Pferde untergestellt, und Lamas gibt es auch.“ Die Lamas interessierten mich sogar noch mehr als die Pferde. Die Fahrt dorthin gestaltete sich extrem kurvenreich. Der Gasthof, in dem wir dann Kaffee trinken wollten, hatte den schönen Namen Himmelreich. Elsa begrüßte uns, und ich hatte dann auf einmal doch Lust, einmal auf dem Pferd zu sitzen, da es nicht so hoch wie ein normales Pferd war. Elsa hatte eine Mutterstute mit Tochter. Die Tochter war total verscmust und kam mit ihrem Kopf heran an mein Gesicht, das fand ich total süß. Die Mutter war schon auf einem Auge blind und hatte Arthrose. Aber eine 50-Kilo-Frau wie mich könne sie noch tragen, sie sei schon etwas ruhiger als die noch junge siebenjährige Tochter. So holte Elsa einen Sattel, ich drückte Helmut mein Handy in die Hand zum Photographieren und schwang mich aufs Pferd. Das klappte sehr gut. Allerdings hatte ich oben immer das Gefühl, als ob ich vornüber kippen würde, da die Frau auf einmal so klein erschien. Sie führte das Pferd an einer Longe, was mir schon zu schnell war. Ich machte eine Runde mit, aber dann war esmir nicht mehr geheuer, und ich wollte runter. Helmut und Erika ritten jeweils zwei Runden. Danach zeigte mir Elsa noch die Zwergziegen. Ich habe einschlägig wenig gute Erfahrungen mit diesen Tieren, die sich nicht anfassen lassen wollen. Das war diesmal auch so. Als ich die Minihörner abtasten wollte, gingen sie davon und waren nicht mehr zu bewegen, sich nochmals von mir berühren zu lassen. Ich ging dann wieder ins Gasthaus und bekam ein Stück Kuchen spendiert, der war aber nicht sehr gut. Wir saßen dann da und warteten auf die anderen. Später erzählte mir Helmut, er habe sogar ein Bison gesehen. Das hätte ich auch noch gerne mitgemacht, da ich ein BISON noch nie gesehen hatte. Einen Hund gab es auch, der kam gleich auf mich zu, ich streichelte ihn feste. Später hörte ich dann von Elsa, daß er manchmal ausflippt und beißt. Bei mir war er aber friedlich. Ich mag Hunde sehr gerne, überhaupt alle Tiere. So war dies ein schöner Ausflug, vorallem ein unerwarteter und ungeplanter. Ich dachte, ich nehm alles mit, was mir geboten wird. Manchmal kriegt man mehr, wenn man sich nicht groß anstrengt. Was wäre passiert, wenn ich in Lana geblieben wäre und durch die Fußgängerzone gegangen wäre, wahrscheinlich wäre das Streß pur gewesen.
An der Rezeption am Nachmittag erklärte mir die Mobitrainerin, daß sie das Material nicht hätte, um meinen Stock zu reparieren. Ich konnte entweder einen Swarovsky-Stock kaufen oder würde einen altmodischen geschenkt kriegen. Da der Swarowsky-Stock zuleicht war, bzw. keine festere Spitze anzubringen war, entschied ich mich dafür, einen alten Stock mit Krücke als Geschenk anzunehmen, was ich sehr nett fand. Dann erkundigte ich mich noch, ob der in den Veranstaltungen angegebene Kaffeeklatsch mit Kuchen sei. Da war Cora dabei, eine Dauerbewohnerin des Hauses. Sie bot mir an, mit mir am Samstag ins Café zu gehen. Sie sei zwar ganz blind, und ich müsse selbständig mitdem Stock gehen können, aber den Weg kenne sie. Ich kann mit dem Stock gehen, aber ich habe wenig bis gar keine Orientierung. So paßte das ganz gut, und wir verabredeten uns für den Samstag.

Samstag, 21. Mai – Dialyse aus dem Nähkästchen geplaudert
Am Samstag war ich die einzige Dialysepatientin. Der Arzt meinte, ihm mache das nichts aus. Er habe mal einen Patienten gehabt, der sei mit seiner tollen „Parktronic“ eingeparkt und habe seine Einweisungshilfe verschmäht. Der habe sich nicht überreden lassen, an einem anderen Tag zu dialysieren, weil er das so „gebucht“ habe, und für so einen arroganten Typen würde er das nicht so gerne machen, aber bei mir müsse es ja sein. So unterhielten wir uns geanze zwei Stunden während der Dialyse. Er plauderte aus dem Nähkästchen, erzählte mir über eine Korruption wegen eines Medikamentes, wie die Anfänge der Dialyse waren, daß manche Verfahren gar nichts taugten oder nur aus bestimmten Gründen gepriesen wurden, oder daß bestimmte Verfahren nur in der Intensivmedizin geeignet seien. Einiges kapierte ich, bei anderem merkte ich, daß mir doch noch viele Grundlagen fehlten, und ich doch sehr langsam begreife oder viele Details brauche. Aber es war dennoch interessant. Dann kam der Pfleger und meinte: „Herr Doktor, Ihr Frühstück, immer sprechen, sprechen….“ Der Arzt stellte mir sogar ein Attest aus, damit die Krankenkasse einsieht, daß ich in Lana dialysieren mußte. Denn in Bozen war es tatsächlich voll, und Lana war somit das nächstgelegene Zentrum. Auch begründete er, daß ich im Blindenzentrum -- er schrieb „Blindenheim“-- wohnen müsse, was ja auch stimmte und verwies auf meine Merkzeichen im Ausweis wie H (Hilflos) und BL (Blind). Wir hoffen nun, daß das Attest und die Quittungen ihre Wirkung tun, und ich das gesamte Geld und nicht nur die Hälfte wieder bekomme. Ich habe alles an meine Betreuerin geschickt, aber es ist noch nicht angekommen. Hoffentlich ist es nicht verloren gegangen. Ich verabschiedete mich von dem Arzt und dem Pfleger, und mir hatte es dort wirklich gut gefallen.
Im Blindenzentrum angekommen rief ich dann Cora an. Die kam an meine Türe, und wir gingen los. Beim Abendessen am Freitag hatte mir meine Namenskollegin mit Von schon gesagt, daß sie ihren Geburtstag am Samstag feiern würde, und daß alle herzlich eingeladen seien. Ob es was zu Essen geben würde, war nicht aus ihr herauszukitzeln, weder von mir noch von Cora, so entschieden wir, vor der Feier noch ins Café zu gehen. Dort probierte ich den ortsüblichen Buchweizenkuchen und ein Gipfeli, was ein Croissant sein sollte. Der „Anmarsch“ zum Café gestaltete sich als recht beschwerlich. Zum einen war es heiß, und ich hatte nach der Dialyse etwas Kreislaufprobleme. Und außerdem mußten wir zwei Blinden recht langsam laufen, da Cora mein Tempo noch nicht kannte und ich den Weg nicht. Als wir uns dann beim Café mit Kuchen und Gipfli gestärkt hatten, traten wir den Heimweg an. Wir gingen gleich auf die Terrasse, wo die Feier schon in vollem Gange war. Und was gab es: Kalte Getränke und jede Menge Kuchen! Cora meinte: „Hätten wir dort unten nichts gegessen, hätte es hier sicher auch nichts gegeben.“ Dann gab es noch eine Einlage der ganz besonderen Art. Meine Namenskollegin, die wunderbar singen konnte, gab ein paar schweizerische Volkslieder zum Besten. Es klang wunderschön. Ich habe ein paar Aufnahmen davon für mich als Erinnerung gemacht. Das war eine tolle Stimmung. Ich liebe Volkslieder, wenn sie spontan und natürlich daherkommen, nicht diese volkstümlichen und heimat-tümeligen Sachen, sondern das Ursprüngliche und eben Spontane. So hatte ich auch ohne mein Zutun wieder mal ein schönes „Abschiedsgeschenk“ bekommen. Ein konkretes Geschenk bekam ich von Cora, die meinte, ich solle mit ihr aufs Zimmer kommen, sie habe etwas für mich gekauft, weil ich mit der Dialyse so ein „Kreuz“ habe und so selten da gewesen sei. Es war ein kleines Tellerchen mit einer kleinen Blüte als Kerze drin. Das fand ich total süß. Daheim habe ich es auf mein Schränkchen gestellt. Es ist zwar nicht mein Geschmack, aber als Andenken für mich und als Zeichen, daß jemand an mich gedacht hat, finde ich es total schön.

Sonntag, 22. Mai – Heimfahrt mit Hindernissen
Am Morgen um sieben weckte ich Cora, da wir einmal Schwimmen gehen wollten. Nun hatte ich vor der Reise extra einen neuen Badeanzug und einen Sportbikini gekauft, damit ich im Urlaub ins Wasser gehen konnte. Aber ich hatte mich alleine in dem Keller gefürchtet, und nach der Dialyse hatte mir der Arzt das Schwimmen nicht genehmigt, weil das den Shunt infizieren kann. So wollten wir nochmal gemeinsam runtergehen. Aber Cora riet mir ab, da es da unten sehr heiß sei, und dann sei ich den ganzen Tag fertig und hätte keine Kraft mehr zum Heimfahren. Auch dachte ich dran, daß der Badeanzug dann naß in den Rucksack müßte und Stockflecken kriegen würde. So ließen wir das Schwimmen sein. Cora schlug mir vor, daß ich mit dem Mann von „Frau Erika“ (man nannte die Leute hier beim Vornamen mit Herr oder Frau davor) aus dem Küchenbereich zum Bahnhof fahren könne, denn der wolle sich auch was verdienen, und Erika denke ja immer an die anderen aus Nächstenliebe. Denn es wäre nicht sichergestellt, daß der Taxifahrer so lange warten würde, bis die Bahnhofsmission wirklich kommt, um mich zum Gleis zu bringen, und der Mann von Erika würde mich auch dorthin bringen, falls die Bahnhofsmission mich versetzen sollte. Daß die „Nächstenliebe“ teuer werden würde, dachte ich mir schon. Cora meinte, daß am Sonntag das Autofahren teurer sei, ich aber meinte, daß ich nur sieben Euro für die Fahrt vom Bahnhof zum Blindenzentrum gezahlt hatte, da sonntags ja kaum ein Auto unterwegs ist. Ich rief Erika in der Küche an, die mich aber auf das Frühstück verwies, wo wir das noch besprechen könnten. Ich zog mich also an und ging zum Frühstück. Dort machte ich mit Erika aus, daß ihr Mann um 12 mit mir zum Bahnhof fahren sollte. Ich bat noch um ein Ei, da ich ja mittags nichts zu Essen bekommen würde. Sie packte mir noch zwei Brote ein, was nicht mal was kostete. Mit meiner Namenskollegin machte ich aus, daß wir uns doch noch vor meiner Heimfahrt verabschieden sollten, und daß ich um 12 fahren würde.
Ich saß noch etwas im Zimmer, nachdem ich gepackt hatte. Da kam Cora und meinte: „Willst Du bis zu Deiner Abfahrt in Klausur bleiben?“ So ging ich nach unten und nahm den Rucksack gleich mit. Um 11:40 kam dann Erika und meinte, es ginge los, ich müsse mich nach ihrem Mann richten. Nunja. Gott sei Dank traf ich die Namenskollegin mit dem Von noch, damit wir uns wenigstens noch verabschieden konnten. Die Fahrt dauerte etwas länger als mit dem Taxi, so war es klug, daß wir früher gefahren waren. Alswir ankamen, fragte ich ihn,was es denn nun kosten würde. „ACH“, meinte ergroßzügig, „ZEHN EURO!“ Schluck! Ich zog also 20 Euro aus dem Geldbeutel und ließ mir rausgeben. Cora meinte dann zu ihm, daß ein Taxi aber billiger sei. Und so drückte er mir zerknirscht 2 Euro Wechselgeld in die Hand, die ich natürlich auch nahm. Da wir ja kein Taxi waren, wußte der Mann von der Bahnhofsmission, der mich zum Zug bringen sollte nicht, daß ich die jenige war, die er mitnehmen sollte. So stieg ich aus und faltete meinen Stock auseinander. Sofort war der Mann von der Bahnhofsmission da und brachte mich zum Zug. Als der Zug kam, half er mir beim Einsteigen, wenn er auch vor lauter Panik, mitgenommen zu werden, nicht fertigbrachte, mich zu meinem richtigen Platz zu bringen, was dann ein hilfsbereiter Italiener später übernahm.
In München angekommen hatte mich doch tatsächlich der Mobilservice vergessen! Ich war stinksauer und schimpfte wie ein Rohrspatz! Der Bahnhofspolizist, der herbeigerufen worden war, bestellte den Bahnservice. Eine unfreundliche Dame kam und meinte, den Rucksack trüge sie nicht, ich hätte ja nicht gesagt, daß ich ein schweres Gepäckstück dabei habe. Ich konterte: „ICH hab alles angegeben, die SCHULD liegt ganz alleine bei der Bahn!“ Sie funkte einen Gepäckträger herbei, und sie wollte, daß ich meinen Rucksack liegenlasse und dem Mann entgegenlaufe. Ich sah den Sinn dieser Aktion nicht ein und bestand darauf, bei meinem Gepäck zu bleiben, denn in den heutigen Zeiten bei der Terror-Hysterie hätten die diesen kaputten Rucksack, der nur noch dazu taugte, in die Luft gesprengt zu werden, sicher sofort bahnpolizeilich gesichert. So kam der Gepäckträger zu uns, nahm den Rucksack, und wir traten den weiten Weg zu einem 10 Gleise entfernten Bahnsteig an. Als wir in den Zug stiegen, um mich an den korrekten Platz zu setzen, fand sie die Sitzplatznummer nicht. Der Gepäckträger wollte dann auch noch 2,50 Euro von mir. Ich aber blieb stur: „Das können Sie sich bei der Bahn holen, die haben das verbockt.“ Der arme Mann, der, wie er sagte, ja auch nur seine Arbeit tat, mußte ohne Bezahlung von dannen ziehen. Er tat mir zwar Leid, aber ich denke, die Bahn soll das mal regeln, und ich bin hier nicht diejenige, die dann das Nachsehen hat. Wäre das Elektroauto gekommen wie vorgesehen, hätte ich nicht laufen müssen, und der Gepäckträger wäre nicht gebraucht worden. Ich überlege auch, mal einen Beschwerdebrief an die Mobilzentrale der Bahn zu schreiben, da das schon öfter vorkam, daß ich vergessen wurde.
Im Zug noch telefonierte ich das Taxiunternehmen herbei, das mich immer an die Dialyse bringt. Dort hatte ich ja schon Schulden, da ich das leere Formular für die Taxikilometer noch nicht hatte. Die Taxifahrerin stand auch pünktlich am Gleis. So endete meine ereignisreiche Fahrt.

Insgesamt war der Urlaub super. Zu Anfang war ich verzweifelt, da mir bewußt wurde, wie wenig ich nur noch alleine ohne fremde Hilfe kann. Früher hab ich mich getraut, bin losgelaufen, hab mich durchgefragt. Heute kann ich kaum noch einen Schritt aleine gehen, komme nicht weiter, weil ich mich nicht mehr von einem zum anderen durchfragen kann. Ich hoffe, anderswo ist es wieder leichter, sich auch durchzufragen oder sich zu bewegen. Positiv empfand ich, daß so viel für uns angeboten wurde, als ich im Blindenzentrum war. Ich verbrachte auch viel Zeit damit, die Hörbücher von Nikolaus Fischnaller zu hören, der das Haus mitgegründet hat. Er ist in dem Ort aufgewachsen, wohin wir ins Schullandheim gefahren sind, als ich klein war. Das fand ich total süß! Es wurde doch viel geboten, und ich konnte viel mitmachen. Die Urlaube gestalten sich für mich anders aber nicht schlechter als früher. Ich stelle auch mit Wehmut fest, daß ich viel schneller ermüde und nicht mehr die Power habe, soviel zu unternehmen, und daß ich nach einem Ausflug total „knülle“ bin, wobei ich früher viel mehr Ausdauer hatte. Ich hoffe, nach einer Transplantation wird das wieder besser. Bis dahin muß ich meinen Urlaub so gestalten, daß ich das auf mich zukommen lasse, was mir gebogen wird. Die Dialyse war toll, besonders gut fand ich, daß der Arzt dort so nett ist und so ganz normal mit den Leuten redet, wie ich Ärzte sonst nicht kenne. Es war alles wie daheim auch, das Dialyseregime wurde extra so gefahren wie bei mir zu Hause. Nur das Frühstück kam etas sehr spät, aber es war viel besser als bei uns.
Den Taxischein habe ich mittlerweile auch. Ich mußte erst den alten vollgeschriebenen zurückbringen, um einen neuen zu kriegen mit den ausgerechneten Restkilometern. Da sich angeblich alle Taxifahrer immer verrechnen, wurde dies in der Servicestelle des Bezirkes nachgerechnet. Ich bräuchtee angeboich keinen Termin. Als ich doert war, hieß es aber, die Frau sei außer Haus im Außendienst, warum ich denn keinen Termin gemacht hätte. Der Beamte konnte aber nach einigen Telefonaten den neuen Schein ausstellen. Am Tag nach meiner Heimreise konnte ich auch das neue Kätzchen abholen. Davon dann im nächsten Post.
Vor dem Urlaub war es stressig, nach dem Urlaub war es stressig, da ich soviel Wäsche waschen und so viele E-Mails nachlesen mußte. Auch habe ich einiges zugenommen zu meinem Ärgernis, und das Gewicht mußte angepaßt werden. Die Dialyse ist jetzt etwas anstrengender, da ich zu trocken bin. Das werden wir am Montag abklären. Wo es nächstes Jahr hingeht, ob nacn Spanien, weiß ich noch nicht. OB ich überhaupt noch mal fahre, angesichts des Stresses davor und danach und angesichts der dauernden Gewichtsprobleme, weiß ich nicht. Aber es wird mich sicher wieder die Reiselust packen, damit ich was habe, auf was ich mich freuen kann u nd etwas, woran ich noch lange denken kann.

Freitag, 13. Mai 2011

Katze, Uhr und Urlaub

Vor einigen Tagen habe ich mir eine Katze ausgesucht. Mein Kater soll wieder Gesellschaft bekommen. Meine Helferin hat eine Katze, die drei Junge bekommen hat. Damit sie die anderen endlich loswird, bat sie mich, noch vor meinem Urlaub eine Katze auszusuchen. Daher kam ich am Donnerstag zu ihr. Sie hat zwei rote und eine schwarz-weiße Katze, wo bei das Geschlecht noch unklar ist. Wir vermuten aufgrund der Größe, daß die beiden Roten zwei Männchen sind. Außerdem sagte mir mal jemand, ein Tierarzt habe ihm gesagt, daß es keine roten Kätzinnen gäbe, es sei denn, sie hätten einen Gendefekt, und daß nur Kater rot seien. Ich bekam die Kätzchen ab und zu in den Schoß gelegt, aber sie sprangen immer wieder weg. Ich wollte eigentlich eines aussuchen, das auch zutraulich ist und bei mir bleiben will. Es bringt ja nichts, wenn ich mir aufs Biegen und Brechen eine Katze mitnehme, die dann wieder wegläuft, wie es ja schon öfter passiert ist. Die Schwarzweiße ist sofort weggelaufen, der eine Rote hat sich verkrochen, und der andere hat sich immerhin neben mich gesetzt. Ich meinte, daß dies wohl meine Katze sein könnte, wenn der Kater aber später spontan zu einer anderen Person mehr Zutrauen hat, solle meine Helferin ihn lieber demjenigen geben und nicht für mich „reservieren“. Aber vielleicht klappt es ja, und ich kann am 23. Mai nach meinem Urlaub eine Katze abholen. Wir haben Bretter im Baumarkt gekauft und Steine, um die Lücken im Balkon zu schließen, so lange, bis das neue Kätzchen sich an seine neue Umgebung gewöhnt hat und kapiert, daß das nun sein Zuhause ist. Danach wird es Freigänger wie mein anderer Kater. Ich kann nur hoffen, daß es diesmal gut geht.

Am Donnerstag war ich mit meinen Eltern beim Einkaufen. Wir trafen uns in der Mitte sozusagen, da meine Eltern einen Arzttermin wahrnahmen und in eine benachbarte Stadt fuhren. Ich kam ihnen auf halbem Wege entgegen. Da das Gliederarmband meiner Uhr kaputt war, fragten wir im Café jemanden, wo ein gutes Uhrengeschäft sei. Man hat uns an den Kaufhof verwiesen (, was jetzt keine Schleichwerbung sein soll, da es eher an der Frau als an dem Laden lag). Dort schickte man uns zur Reparaturannahme für Uhren. Die nette Frau dort meinte, daß sie ein Glied herausnehmen müsse. Dann suchte sie sogar ein Glied aus ihrem eigenen Bestand heraus und montierte es dran. Die sprechende Uhr für Blinde hat sie wohl sehr fasziniert. Als ich sie fragte, was das Ganze nun kostet, meinte sie, das wäre umsonst. Wir bedankten uns, und mein Vater meinte scherzhaft: „Jetzt sind Sie eine Sprosse weiter zum Himmel.“ Lachend gingen wir davon, auch die Frau mußte lachen. Es gibt also noch solche freundlichen Menschen.

Morgen geht es in den Urlaub nach Südtirol. Leider gibt es einen kleinen Wehrmutstropfen. Die Krankenkasse kommt nicht für die gesamten Kosten meiner Taxifahrten vom Blindenzentrum Bozen nach Lana auf. Sie zahlt nur das, was ich auch daheim für die Taxifahrten zahlen würde. Dies macht genau die Hälfte dessen aus, was es in Italien kostet, da offenbar die Strecke länger ist. Schon vor einem Jahr habe ich in Bozen an der Dialyse angefragt, ob sie mich nehmen. Die vier Dialysen á 5 Stunden mit HDF schreckten sie wohl so ab, daß sie „keinen Platz“ hatten. In Italien kriegt man nur bis zu vier Stunden, und das dreimal die Woche und sonst nichts. Sie verwiesen mich an ein Zentrum in Meran. Auch dort wurde ich abgewiesen, und man gab mir die Adresse einer Feriendialyse in Lana. Dort sagte man mir, daß ab Mai vier Dialysen die Woche möglich sind, da ab Mai mehr Personal da ist. So meldete ich mich dort an. Die Kasse beschied also, daß nur die Kosten in Höhe der Fahrten in der Heimat übernommen würden. Ich widersprach und gab der Kasse die Adressen der beiden Dialysezentren in Bozen und Meran, damit sie sich selbst überzeugen könnten. Aber bisher kam noch kein Bescheid auf meinen Widerspruch. Da im Ausland nicht direkt mit dem Taxiunternehmen abgerechnet werden kann, muß ich sowieso erst mal den gesamten Betrag vorstrecken und kann dann eine Quittung bei der Kasse einreichen. Wenn dann nur der Betrag auf mein Konto überwiesen wird, der der Höhe der Heimatfahrten entspricht, ist dies ja auch eine Art „Bescheid“, und somit kann ich dann nochmals widersprechen oder weitere Schritte einleiten. Die Kassen verlegen sich nämlich zunehmend darauf, keine schriftlichen Bescheide mehr auszugeben, damit man eben nicht widersprechen kann.
Nun bereite ich noch alles für den Urlaub vor, packe und fahre am Sonntag weg. Ich hoffe, daß es wieder so schön wird wie meine anderen Urlaube zuvor.