Samstag, 31. Januar 2015

Ein Wunsch wird erfüllt


Vor einiger Zeit las ich in unserem Newsletter für blinde, dass es ein Reiseunternehmen gibt, welches Führungen auf Gut Eiderbichl durchführt. Dort wollte ich schon immer mal hin. Ich hatte im Fernsehen eine Talkshow verfolgt, bei der ein Herr Michael Aufhauser  beschrieben hatte, wie er Hunde aus einer Perrera, einer Tötungsanstalt für Straßenhunde herausgeholt hatte. Damit begann die Gründung des Gnadenhofes, den es heut an mehreren Orten gibt. Ich setzte mich mit der Dame in Verbindung, die diese Reisen unternahm. Eine dieser Reisen sollte in die Nähe von München gehen, wobei dies an einem Mittwoch stattfinden sollte, wo ich zur Dialyse musste. Ich schrieb ihr, dass ich schon immer einmal einen Fuchs anfassen wollte, und ich hatte gehört, dass es dort Füchse gab. Sie meinte, dann müsste ich in die Nähe von Salzburg, das könne man an einem Samstag durchführen, dann könnte ich von Samstag auf Sonntag dort übernachten. Mein Bekannter aus dem Schwarzwald, der bereits von Weihnachten bis drei König bei mir war, bot sich netterweise an, während meiner Nasen-OP auf Wohnung und Katze aufzupassen. Da die OP am 22. stattfinden sollte, wollte ich die Sache mit Gut Eiderbichl am Samstag den 17. durchführen. Ich bat ihn also, bereits am 16. zu mir zu kommen. Dann könnte er mitkommen. Meine Freundin und ihr Partner wollten nicht mit, da sie sich lange nicht gesehen hatten. Es entstand noch ein Wechsel von E-Mails, in welche mir die Reiseleiterin die Zugverbindungen mitteilte. Es stellte sich heraus, dass wir am selben Abend noch heimfahren konnten und nicht dort übernachten mussten. Dies wäre mit wesentlich höheren Kosten verbunden gewesen. Die Führung sollte pro Person 30 € kosten, der Eintritt kostete nochmals drei Euro für jeden. Wir nahmen also den Zug um 9:00 Uhr und mussten einmal umsteigen, um um 11:50 Uhr in Freilassing anzukommen.  Dort erwartete uns die Reiseleiterin, um mit uns auf das Gut in der Nähe von Salzburg zu fahren. An diesem Tag war es sehr kalt, wobei es bei uns, als wir losfuhren, wärmer war, und ich daher nicht die dickste Jacke dabei hatte. So beschlossen wir, mehr die Tiere anzuschauen, die in Ställen oder Hallen untergebracht waren. Sie zeigte uns einige Pferde und Esel, und ich konnte sogar einen Ziegenbock anfassen, der einfach frei herumlief. Normalerweise habe ich immer die Erfahrung gemacht, dass diese Tiere sich nicht so ohne weiteres anfassen lassen. Daher war es schön, einmal die Hörner eines Ziegenbocks anfassen zu können. Ich wollte natürlich unbedingt die Füchse sehen, und Anna, die für die Füchse zuständig war, hatte sie extra wenig gefüttert, damit sie hungrig genug waren, um sich anlocken zu lassen. Die Füchse würden nie wieder in die Freiheit ausgewildert werden, doch wollte man sie nicht zähmen, man wollte sie als Wildtiere so lassen, wie sie waren. So gingen wir also zu den Füchsen, und Anna erklärte uns einiges über das Leben dieser Tiere. Es gab dort einen Silberfuchs, der aus einer Pelzfarm gerettet wurde. Sie gab mir ein paar Stücke Fleisch, die allerdings nicht angenommen wurden. Dann hielt ich ihm ein Ei hin, und sie wies mich an, das Ei so lange wie möglich nicht loszulassen, um seine Schnauze ertasten zu können. Er nahm das Ei sehr behutsam aus meiner Hand, und ich achtete darauf, es ja nicht zu früh loszulassen, damit es nicht auf dem Boden kaputt ging. Dabei machten mein Bekannter und auch die Reiseleiterin einige Fotos. Leider konnte ich die Füchse nicht richtig erkennen, und ich war schon ganz traurig, da ich Angst hatte, keinen Fuchs anfassen zu können. Doch Anna fing einen und hielt ihn fest, sodass ich ihn schnell einmal abtasten konnte. Davon haben wir auch einige Fotos gemacht. Er mochte es nicht sehr, einfach festgehalten zu werden, aber mit Anna war er bereits vertraut. Geräusche konnten wir leider nicht hören, sodass ich keine Tonaufnahmen machen konnte. Aber es war wirklich ein Höhepunkt, und ich war froh, so ein Tier, welches ich normalerweise nie sehen könnte, wenn es in der Natur herumläuft, einmal anfassen zu können. Mir wurde dann langsam kalt, und Anna bot mir an, dass ich noch Frettchen anfassen durfte. Wir setzten uns in die Halle, in der übergroße Bildschirme mit Talkshows mit dem Gründer des Gutes liefen. Anna brachte zwei Frettchen und erklärte mir, dass es Weiterzüchtungen der Iltisse seien. Sie erklärte mir, dass sie zu den Mardern gehören. Die Frettchen kratzten allerdings sehr, und sie leckten eine Paste von meinen Fingern, die Anna darauf geschmiert hatte. Es war sehr schön, diese Tiere einmal abtasten und streicheln zu können, aber auf der Hand wollte ich sie lieber nicht haben. Danach schauten wir uns noch einige Gehege an, und dann aßen wir zu Mittag, da ich langsam Hunger hatte. Da wir ja in Österreich waren, welches bekannt für seine Süßspeisen isst, nahm ich einen Kaiserschmarrn, der sehr gut schmeckte. Da mir der Apfelbrei zu wenig war, brachte mir die Reiseleiterin sogar noch einen. Später kamen wir an dem Tisch vorbei, wo die Frau stand, die die Leute zu einer Patenschaft anregte. Ich hatte sowieso vor, eine Patenschaft für einen Fuchs zu übernehmen, aber zehn Euro pro Monat waren mir einfach zu viel. Ich bot an, dass ich fünf Euro pro Monat zahlen könnte, aber das Geld könnten sie erst im Juni abbuchen, da ich momentan sehr viele hohe Ausgaben hatte. Sie meinte, wenn ich die 60 € gleich bezahle, würde mir auch der Eintritt erlassen. Da ich aber nicht genügend Geld dabei hatte, unterschrieb ich die Einzugsermächtigung. Mein Bekannter und ich hatten etwas den Eindruck, dass wir etwas gedrängt wurden, möglichst schnell zu bezahlen. Allerdings wurde betont, dass alles freiwillig sei. Normalerweise darf man vier Personen mitnehmen, da ich aber nur eine halbe Patenschaft angenommen hatte, habe ich zusätzlich zu mir noch freien Eintritt für eine weitere Person in alle Gnadenhöfe. Derer gibt es mittlerweile 25, wobei sie in fünf Ländern vertreten sind. Es gibt ein Gehege mit Affen, die für Aids-Versuche hergenommen wurden und traumatisiert sind, und dorthin dürfen nur diejenigen, die eine Patenschaft übernommen haben. Das ist allerdings in der Nähe von Wien, da müsste man einen ganzen Urlaub einplanen. Den Film über dieser Affen konnte ich dann zu Hause am Fernsehen anschauen, da ich einen Internet-fähigen Fernseher mit WLAN habe, wo man YouTube einstellen kann. Wir sahen noch viele Haustiere, zum Beispiel Schweine, wo es sehr gut roch, im Gegensatz zum Gehege mit den Hunden und Katzen, wo ich es keine Minute aushielt. Dann durfte ich noch ein abgefallenes Geweih anfassen, wobei mir die Reiseleiterin genau erklärte, wann der Bast kommt, und wann das Geweih abfällt. Ein Hirsch ließ sich abtasten, sodass sich sein Geweih auch befühlen konnte. Das war auch ein Höhepunkt, nachdem ich solche Wildtiere in der freien Natur niemals sehen kann. Danach gingen wir noch zu den Schafen, die ich zwar kenne, die ich aber leidenschaftlich gerne anfasse. Es gab noch eine Esellin mit ihrem Kind, wobei ich schon befürchtete, dass sie aggressiv werden würde, wenn sie gerade erst Mutter geworden war. Doch man versicherte mir, dass ich das Tier anfassen könnte. Als ich sie streichelte, bis sie mich fest in die Hand. Mir wurde gesagt, dass sie so etwas noch nie gemacht hatte. Dann gingen wir noch zu den Ziegenböcken ohne Hörner, da es wohl Vorschrift sei, in einer Herde von Ziegen die Hörner abzunehmen. Ein Ziegenbock kam her und schmuste mit mir, und ich streichelte ihn auf seinem Kopf, wo keine Hörner mehr waren. Er war mir sofort ans Herz gewachsen, und ich hatte sofort eine Bindung zu ihm. Die Reiseleiterin meinte, so etwas hätte er noch nie gemacht, normalerweise sei er sehr frech und würde den Leuten in die Tasche greifen. Sie meinte, nun habe er eine Freundin gefunden. Er hat mich auch wirklich beeindruckt, so lieb und zutraulich wie er war. Danach gingen wir noch bei den Pferden vorbei, wobei einige Pferde und Ponys auch frei herumlaufen durften. Wir merkten, dass wir nun alles gesehen hatten, und dass wir sogar 1 Stunde früher als geplant einen Zug nehmen konnten. Sie fuhr mit uns noch auf einige Bauernhöfe, die zu dem Gut gehörten, aber wir stiegen wegen der Kälte nicht aus, denn dort waren Pferde, die in Beruhigung-Stellen waren, und die man daher nicht stören sollte. Nach einem Café am Bahnhof, der erstaunlicherweise gut schmeckte, obwohl er aus dem Automaten war, verabschiedeten wir uns, und wir beiden fuhren wieder in Richtung Heimat. Anna hatte mir zwei Briefbeschwerer mit der Zeichnung eines zusammengerollten Fuchses geschenkt, was sie nur bei denen tut, die eine Patenschaft übernommen haben, sodass wir beide einen Briefbeschwerer bekamen. Ich bekam noch einen Rahmen mit, in den dann die mir später zugeschickte Urkunde gesteckt werden sollte. Diese haben wir mittlerweile in meinem Wohnzimmer aufgehängt. Sie macht sich dort sehr gut. Die Fotos werde ich hoffentlich auch noch bekommen und werde versuchen, sie hier einzustellen.

 

Nun sind schon zwei meiner Wünsche wahr geworden, ich durfte einmal einen Igel anfassen, worüber ich auch in diesem Blog berichtet habe, und nun durfte ich sogar endlich einmal einen Fuchs streicheln, wobei Igel und Füchse zu meinen Lieblingstieren gehören. Ich werde mit einer Freundin einmal auf das Gut bei München fahren, denn ihr geht es ja nicht so sehr um die Füchse, und wir können dann auch dort von der Reiseleiterin abgeholt werden, und wir müssen nicht so weit fahren und können das ganze Gut ansehen. Das wäre dann eine kleine Tagesfahrt. Dies war doch wieder einmal ein schönes Erlebnis, dass ich so schnell nicht vergessen werde..

Gut, dass ich nur Radio mache!

Am 15. Januar war es endlich soweit, nachdem ich den Termin, den ich am 8. Januar im Zentrum für seltene Erkrankungen hatte, wegen Krankheit um eine Woche verschieben musste. Der Plan war, dass der Reporter, der einen kleinen Film über die Eröffnung dieses Zentrums drehen wollte, sich mit mir am Hauptbahnhof treffen wollte, um mich dann im Zuge schon zu begleiten. Er meinte, die Stimmung, die Erwartung, und die ganzen Ängste würden dann besser eingefangen. Ich schlug noch vor, dass wir auch noch drehen, wenn ich mit dem Blindenstock die Unterführung mit den Gleisen entlang ging, um die taktile Beschriftungen der Gleise ab zu tasten, um das richtige Gleis zu finden. Dies stellte ich mir sehr einfach vor, und nachdem er mir das Mikrofon an die Jacke geklippt hatte, rannte ich los. Nein, das sei zu schnell, ich solle langsamer gehen. Dann musste ich warten, bis genügend Leute da waren, damit ich in einer Menschenmenge laufen würde. Am richtigen Gleis angekommen bat er mich, mehrfach die Beschriftung ab zu tasten, damit er es aus der richtigen Position filmen konnte. Dann gingen wir die Treppe hoch, und oben erfolgte das erste Interview mit fragen, warum ich dieses Zentrum aufsuchen wollte, was ich mir davon versprach, und welche Einschränkungen ich aufgrund meiner Erkrankung hätte. Er kündigte mir bereits an, dass dieses Interview vielleicht noch einmal geführt würde, da er sich noch den passenden Hintergrund aussuchen wollte. Dann bat er mich, mehrmals die Treppe wieder hinauf zu kommen, damit es so aussah, als würde ich jetzt zum zugelaufen. Als der Zug kam, stieg ich ein, sollte aber dann mehrfach zum Platz laufen, um mich dann hinzusetzen. Meine mitgebrachte Thermoskanne stellte ich hin, und als ich trinken wollte, meinte er, der Zug müsse erst anfahren, damit er die vorüberziehende Landschaft im Hintergrund hätte. Ich erklärte ihm, dass ich Hunger hätte, und dass wir das Aufdrehen der Kanne ja dann noch einmal stellen könnten. Das Brötchen hat er mir netterweise spendiert.. Ich musste mich mehrfach anders hinsetzen, aus dem Fenster schauen, bis zur Kante vor Rutschen, und dann wieder einige Fragen im fahrenden Zug beantworten. Am Ziel angekommen empfingen uns die Kamera Frau und die Beleuchterin, die auch ein Aufnahmegerät für den Ton umhängen hatte. Sie boten mir gleich das Du an, und wir fuhren mit dem Bus des Rundfunksenders zu diesem Zentrum. Dort musste ich dann mehrmals zur Tür laufen, diese öffnen und eintreten. Als niemand nachkam, ging ich sofort zum Schalter und meldete mich für meinen dortigen Termin an. Dann wurde ich von dem Filmteam wieder eingesammelt und musste noch einmal durch die Tür treten. Der Professor war schon herausgekommen, um mich zu begrüßen. Das Filmteam bat ihn aber, in sein Büro zu gehen, da wir dort die Begrüßung filmen würden. Ich wollte ihm gerade die Unterlagen übergeben, doch dies wurde mehrfach gefilmt, nachdem wir die richtige Lage der Papiere ausgesucht hatten. Danach zog sich das Filmteam zurück, da ich mit der Neurologin, die ebenfalls hinzugezogen wurde, einige Dinge zu besprechen hatte. Ich hatte darum gebeten, dass meine privaten Dinge auf keinen Fall ins Fernsehen kommen sollten. Untersuchungen oder Demonstrationen von bestimmten Hilfsmitteln sollten aber darin vorkommen, da sie für den Film sehr geeignet waren.

Von der Neurologin wurde ich eingehend zu meiner Geschichte und zu meinem Stammbaum befragt. Dann machte sie einige Untersuchungen, prüfte die Reflexe und mein Gleichgewicht. Wegen meiner Probleme mit der Feinmotorik musste ich sogar einen Kugelschreiber auseinanderschrauben. Abgesehen von meinen Problemen mit dem Gleichgewicht fand sie nichts, was irgendwie auffällig war. Sie räumte aber ein, dass diese Untersuchungen viel zu grob sein, um komplexe Probleme mit der Feinmotorik und der Wahrnehmung diagnostizieren zu können. Sie erklärte mir auch, dass bei der genetischen Untersuchung, die ich einmal gemacht hatte, keine Mutation festgestellt worden war. Es gibt ein Gen, welches mit Autismus und meine Augen- und Nierenkrankheit in Verbindung steht, aber diese Auffälligkeit besteht bei mir nicht. Nun war ich schon enttäuscht, aber die Neurologin sagte mir, dass es mittlerweile viele neue Gene gibt. Immerhin erkannte sie den Autismus an, der ja in Freiburg diagnostiziert worden war. Normalerweise haben die Ärzte Zweifel, wenn sie etwas nicht selbst diagnostiziert haben. Sie erklärte mir auch, dass sie einige Artikel gelesen habe, und in einem sei gestanden, dass Menschen mit meiner Erkrankung auch häufig Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprobleme in allen fünf Sinnen hätten. Sie müsse aber noch die Quelle dieses Artikels sichern.

 

Nach dieser Untersuchung sollte ich ein Inhalationsgerät vorgestellt bekommen, da bei unserer Erkrankung auch Probleme mit den Nebenhöhlen vorkommen, und ein normaler inhalator die Nebenhöhlen nicht erreicht. Hierzu war das Filmteam wieder anwesend. Die dazu geholte Physiotherapeutin zeigte mir, wo ich welche Stöpsel einzustecken hatte, wobei das Filmteam jedes Mal darum bat, dass diese Handlung noch einmal wiederholt werden sollte. Ich probierte das Gerät aus, aber das Rütteln war mir so unangenehm, dass ich von vornherein wusste, dass ich so ein Gerät niemals verwenden würde. Daher wäre es unsinnig, mir eines verschreiben zu lassen. Aber immerhin weiß nun die ganze Welt, dass es so ein Gerät namens Parisinus gibt, da es im Fernsehen vorgestellt wurde. Und darum ging es ja unter anderem auch.

 

Nun war es Mittagessenszeit, und der Professor gab mir und der Neurologin seine Karte, die wir benutzen durften, um in der Mensa zu essen. Die Neurologin selbst begleitete mich zu Mittagessen und aß mit mir. Ich hatte Currywurst mit Auberginengemüse. Ich fand das sehr nett, dass der Professor uns sogar zum Essen einlud. Da ich noch Lust auf einen Kaffee und etwas Süßes hatte, gingen wir in die Cafeteria, die von Behinderten betrieben wird. Diesmal lud ich wiederum die Ärztin ein, die dieses Angebot sogar annahm.

 

Nach dem Mittagessen war das EEG angesetzt, da ich zuweilen nächtliche Taubheitsgefühle habe, insbesondere dann, wenn ich etwas Ungewöhnliches getan habe, oder ein Mittel einnahm, welches ich nicht vertrug. Da in unserer Familie Epilepsie vorkommt, wollten wir abklären, ob ich ebenfalls unter dieser Erkrankung litt. Diese Untersuchung war spektakulär genug, um viel Bildmaterial fürs Fernsehen abzugeben. Daher hatte ich den Aufnahmen dieser Untersuchung zugestimmt. Dass es allerdings so schwierig werden würde, hätte ich mir nicht vorgestellt. Die medizinisch-technische Assistentin war sehr nett und sehr erfahren. Das Filmteam bat sie jedes Mal, wenn sie einen Handgriff tat, diesen zu wiederholen. Es wurde ihr gesagt, sie solle die Gummis und Bänder noch einmal anders hinlegen, schneller oder langsamer hin greifen, so tun, als ob sie etwas suchen würde, zur Kamera blicken usw. Eigentlich war es sonst streng verboten, in die Kamera zu blicken, da es ja so wirken sollte, als seien die Leute einfach nur beschäftigt und würden dabei gefilmt. Manchmal stand sie im Wege, dann wurde sie gebeten, von der anderen Seite zuzugreifen. Dann legte sie die Drähte von einem Band zum anderen, wobei sie mehrfach gebeten wurde, die Drähte wieder zu entfernen und noch einmal anzulegen. Ich ließ alles geduldig über mich ergehen, obwohl der Gummi um mein Kinn herum schon extrem spannte. Die medizinisch-technische Assistentin nahm es ebenfalls mit Humor. Als aber dann die ganze Sache doch etwas umständlicher wurde, und jeder Handgriff zehnmal erbeten wurde, ermahnte sie das Filmteam, dass es für die Patientin bald zu viel werden würde. Ich merkte trocken an, dass ich spätestens am Folgetag nachmittags zur Dialyse müsse, und bis dahin bitte wieder zu Hause sein wollte. Dafür erntete ich großes Gelächter. Endlich durfte ich mich hinlegen, um das EEG über mich ergehen zu lassen. Ich hatte schon mehrfach ein EEG bekommen, wobei ich den Provokationstest mit der Atmung nicht vertrug, da sich jedes Mal meine Gliedmaßen zusammenzogen, und es furchtbar kribbelte. Daher erlaubte mir die Ärztin, diesen Teil wegzulassen. Nun schlug die MTA das Flimmer-EEG vor, dabei wird mit Licht blitzen gearbeitet, um eventuelle epileptische Reaktionen zu provozieren. Vor dieser Untersuchung hatte ich immer schon mörderische Angst, da ich immer fürchtete, dass dadurch eine vielleicht latent vorhandene Epilepsie manifest werden könnte, die ich dann nie wieder los bekomme. Es gibt zu viele Schauermärchen überbrücken, die durch ihre Pfeiler, bei denen sich Licht und Schatten abwechseln, epileptische Anfälle auslösen, oder Berichte über Diskothekenbesuche, wo Menschen aufgrund des Stroboskop-Lichtes Zuckend zusammenbrechen. So stellte ich mir das vor, dass dann die Lichtblitze so lange und so stark auf mich einwirken würden, dass ich irgendwann so einen Anfall bekommen würde, und dann diese Probleme nie wieder los bekommen würde. Ich fürchtete, schlafende Hunde zu wecken. So hatte ich jahrelang diese Untersuchung gemieden. Nun aber, da ich schon da war, und zuvor gar keine Angst hatte, da mir niemand sagte, dass diese Foto-Provokation gemacht würde, gab es kein Entkommen mehr. Ich hatte aber so großes Vertrauen zu dieser MTA, die so ruhig und souverän wirkte, und mir auch versprach, die Sache jederzeit abzubrechen, sobald es mir unangenehm wurde, dass ich in diese Untersuchung einwilligte. Ich hatte auf einmal überhaupt keine Angst mehr, hatte aber dann doch etwas Herzklopfen, als es mit den Licht blitzen losging. Da das Filmteam wieder weg musste, um noch mit anderen Leuten aus dem Zentrum zu sprechen, wurde der Teil mit den Licht blitzen vorgezogen. Ich sollte die Augen geschlossen halten, das Problem war nur, dass ich dann die Lichtblitze überhaupt nicht sah. Vor mir war eine Art Neonröhre, die ab und zu flackerte, manchmal sehr langsam blitzte. Es waren aber immer lange Pausen dazwischen. Die Blitz-Serien waren relativ kurz. Manchmal flimmerte es so schnell, dass ich es mit meiner starken Sehbehinderung überhaupt nicht wahrnahm, und mir die ganze Sache so vorkam, als würde das Licht regelmäßig leuchten. Ich machte dann einfach die Augen auf und schaute geradewegs in die Lampe. Dann wurde ich ermahnt, doch bitte wieder die Augen zu zumachen. Die Lichtblitze waren wirklich mehr als harmlos. Es war so, als würde man einfach in eine Lampe schauen, die nicht richtig funktioniert. Man hatte mir auch zuvor versichert, dass es so gut wie noch nie vorgekommen sei, dass jemand dadurch einen epileptischen Anfall erlitten hätte. Ich musste es aber erst selbst erleben, um das zu glauben. Hinzu kam auch noch, dass während des Anlegens der Haube dauernd Probleme kamen, da aufgrund meiner dicken Haare die Potenziale nicht abgeleitet werden konnten. So musste laufend mit irgendeiner Creme nachgeholfen werden, und die andere MTA erklärte laufend der einen, dass bei T4 oder T6 noch kein Signal käme. Das war wahrscheinlich an den Schläfen, tempora, oder wie auch immer diese auf Lateinisch heißen. Dadurch wurde die Untersuchung noch länger hinausgezögert. Am Ende hatte ich endlich alles überstanden und durfte wieder aufstehen dadurch, dass ich mich dieser Untersuchung gestellt hatte, ohne, dass etwas passiert war, merkte ich nun, dass ich höchstwahrscheinlich keine Epilepsie habe. Das hat mir einige meiner Ängste sogar genommen.

. Die Neurologin selbst holte mich wieder ab, um mich zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit zu bringen. Eigentlich hatte ich auch hier vorgeschlagen, das Filmteam mitzunehmen, aber nach den Erfahrungen mit dem EG war ich froh, dass es denen zu langweilig war, schon wieder irgendwelche Drähte oder Verkabelung zu filmen. Man kann sich gar nicht ausdenken, wenn die Kamera Frau laufend gesagt hätte, bitte wiederholen Sie diesen Stromstoß noch einmal, er ist noch nicht richtig aufgenommen. Bei der Messung der Nervenleitgeschwindigkeit legte man mir Bänder um die Finger, die Handgelenke und die Fußgelenke. Die MTA warnte mich jedes Mal, wenn der Stromstoß kam, und erklärte mir auch, dass es an bestimmten Stellen, wie zu Beispiel der Kniekehle, besonders wehtun würde. Zum Glück haben wir nur eine Seite untersucht. Auf der anderen Seite des armes darf wegen des Zugangs zur Dialyse nichts gemacht werden. Eigentlich sollte auch noch das andere Bein getestet werden, aber da alles in Ordnung war, fragte die MTA die Neurologin, die mir die andere Seite freundlicherweise erließ. Schon auf dem Weg zu den einzelnen Untersuchungen erklärte mir die Neurologin die Ergebnisse. Das EEG sei völlig normal, es gäbe keine Krampfpotenziale, ich hätte ein niedergespanntes EEG, das sei aber ganz normal, es gebe eben solche und solche Menschen. Dies habe nichts mit meiner Auffassungsgabe oder mit meiner langen Leitung zu tun. Früher hatte man immer behauptet, mein EEG sei verlangsamt, aber nun weiß man, dass dies eine Normvariante ist, die bei einigen Menschen vorkommt. Man müsse, so die Neurologin, einfach etwas höher drehen, um die elektrischen Antworten zu bekommen. Ich vermute aber, dass meine dicken Haare da auch ihren Teil dazu tun. Im übrigen war mir gar nicht bewusst, was mir alles erspart blieb, denn die MTA erklärte mir noch, es gäbe auch die Möglichkeit, eine Nadel in meine Stirn zu drücken, um dort auch Potenziale abzuleiten. Wenn ich das alles gewusst hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht gekommen, aber zum Glück blieb mir auch diese Untersuchung erspart.

 

Bei der Entbesprechung und der Verabschiedung war das Filmteam dann wieder dabei. Die Neurologin erklärte mir, dass alles in Ordnung sei, und dass ich trotz Dialyse für mein Alter erfreulich gute Nervenleitungen hätte. Einerseits war ich natürlich froh, andererseits bin ich natürlich auch genervt, dass nicht endlich einmal ein Nachweis für meine Probleme gefunden wurde. Allerdings ist es auch ziemlich grob, wenn man einfach nur eine Glühlampe an eine Leitung hängt und schaut, ob sie leuchtet oder nicht. Anders laufen ja meines Erachtens diese Untersuchungen  im Prinzip  nicht ab. Es wäre eher erstaunlich gewesen, wenn man bei mir in der Peripherie irgendwelche Störungen oder Verletzungen der Nerven gefunden hätte. Es ist ja wie bei der Legasthenie, wo auch bestimmte Teilleistungsstörungen vorliegen, die man aber nicht bestimmten Nervenleitungen oder Teilen des Gehirns konkret zuordnen kann. Dafür sind die Vorgänge, bei denen diese Informationen verarbeitet werden, viel zu komplex. Die Neurologin verabschiedete sich bei mir, musste aber mehrfach das Ergebnis wiederholen, da das Filmteam verschiedene Perspektiven haben wollte. Sie wusste schon gar nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Sie hatte mir versprochen, einige Artikel über meine Erkrankung an mich zu schicken. Dies ist mittlerweile geschehen. Sie hat mir immer wieder gesagt, je mehr man liest, umso mehr findet man heraus. Zumindest bin ich schon einmal den Schritt weiter, dass nun angenommen werden könnte, dass viele meiner Beschwerden nicht einfach nur psychisch bedingt sind sondern mit meiner Grunderkrankung zusammenhängen. Den Leuten dort war klar, dass es bei meiner Erkrankung noch so viele Dinge gibt, die man einfach noch nicht weiß. Es soll auch noch eine genetische Untersuchung gemacht werden, aber es muss noch die Reihung festgelegt werden, welche Gene untersucht werden. Ich hoffe, dass sie das bald tut.

 

Da mein Zug nur jede Stunde fuhr, und in einer halben Stunde nun ein Zug gehen sollte, drängelte ich das Filmteam, mich zum Bahnhof zu bringen. Sie waren etwas enttäuscht, dass sie nicht noch eine Entbesprechung mit dem Professor machen konnten, hatten ihn aber zuvor auch schon aufgenommen für ein Interview. Sie hatten ja auch mit einigen Doktoranden gesprochen, die sich mit seltenen Erkrankungen befassen. Am Bahnhof  sollte ich noch ein letztes Statement über den Eindruck des Zentrums abgeben, und was es mir gebracht hat. Insgesamt war ich beeindruckt und begeistert von dem großen Engagement und der Menschlichkeit, mit der ich empfangen wurde. Hinsichtlich des Ergebnisses der Untersuchungen bin ich aber nach wie vor eher verhalten. Dann Stand der Zug da, aber als sie nun wieder anfangen wollten, mich mehrfach in den Zug einsteigen zu lassen, erklärte ich kurz und bündig, dass ich nun einsteigen müsse, da der Zug bald abfährt. So sprang ich in den Zug, klopfte noch einmal an die Scheibe und setzte mich hin, um nach Hause zu fahren. Mir wurde bewusst, wie einfach es doch ist, Radio zu machen im Gegensatz zum Fernsehen. Ich muss lediglich die Töne einfangen, die Leute interviewen und dann alles gut abmischen. Beim Fernsehen muss der ganze Hintergrund des Bildes stimmen, so das man einige Szenen mehrfach wiederholen muss, um dann auszusuchen, vor welchem Hintergrund sie stattfinden sollten. Auch scheint das Licht, die Perspektive und die Geschwindigkeit sehr wichtig zu sein. Beim Radio, zumindest so, wie wir ihn machen, wird nichts wiederholt. Es kann ziemlich viel einfach rausgeschnitten werden. Außerdem hat der Reporter auch noch das Stativ für seine Kamera stehen lassen, die er mitgenommen hatte, da er alleine schon Bilder von mir  im Zug bei der Hinfahrt gedreht hatte. Ich hoffe, er hat es mittlerweile zurück erhalten.  Er hat sich so ausgiebig um mich gekümmert und mich geführt und mir geholfen, dass er darüber das Stativ stehen ließ. Er hatte zuvor noch gesagt, dass diese Stativ nicht billig sei, und dass er aufpassen müsse, es nicht im Zug zu vergessen.

 

Die Sendung ist nur 5 Minuten lang, und es kommen außer mir noch einige Medizinstudenten und der Professor vor. Es ist für mich erstaunlich, dass man für 5 Minuten so viel Bildmaterial braucht. Da merkt man aber, dass diese Leute wissen, was sie tun. Ich dachte immer, die werden schon genau wissen, warum sie so viele Aufnahmen machen. Innerlich musste ich häufig schmunzeln, da ich mir auf einmal bewusst wurde, dass all die Dokumentationen, die ich mir anschaute, wahrscheinlich ebenfalls auf diese Weise entstanden sind.

 

Die Neurologin erklärte mir nur, dass sie in den Arztbrief die vor Befunde und die erhobenen Befunde schreiben würde. Da bei den Untersuchungen herauskam, dass eben nichts herauskam, war ich darüber sehr enttäuscht. Ich schrieb ihr, dass es dann nur noch notwendig sei, den Brief an die Hausärztin zu schicken, an die anderen Ärzte bräuchte sie es dann nicht mehr zusenden, da ja sowieso nichts dabei herausgekommen sei. Ich fürchtete, dass das Ganze wieder auf Einbildung hinausläuft. Sie meinte aber, ich sei zu kritisch und zu vorschnell. Ich hoffe, dass sie auch in dem Arztbrief darüber diskutiert, wie sie es mir dann zugesagt hatte, dass es durchaus möglich sei, dass einige meiner Beschwerden mit der Grunderkrankung zu tun hätten. Sie hatte sogar Veränderungen im Gesicht gefunden, das erinnerte mich an meine fehlgebildete Nase, die ich nun zum vierten Mal hatte operieren lassen. Die Nase und die Nebenhöhlen hängen ja zusammen, daher kann es durchaus sein, da die Nebenhöhlen mit meiner Erkrankung zu tun haben, dass auch die Missbildung der Nase Teil der Grunderkrankung ist. Der Professor, der Spezialist für Zilienerkrankungen ist, und der sich auch mit der Nase auskennt, riet mir, die Fenster in den Nebenhöhlen noch einmal vergrößern zu lassen. Da ja bei mir die vierte Nasen-OP zu der Zeit noch anstand, behielt ich dies im Hinterkopf und gab es an den Operateur weiter.

 

Über die Nasen-OP berichte ich dann in einem anderen Eintrag, aber mein Fazit zu diesem Tag war, dass ich wirklich, wie ich bereits sagte, froh bin, dass ich nur Radio und nicht Fernsehen mache. Ich hoffe, dass die Sendung bald ausgestrahlt wird, und ich dann das Ergebnis halbwegs erkennen kann. Schade, dass diese Sendung wahrscheinlich nicht mit Audiodeskription für blinde sein wird. Das Interessante war, dass dieses Zentrum für seltene Erkrankungen offiziell erst im Februar eingeweiht wird, und ich nur durch Zufall bei der Suche nach Experten für meine Erkrankung auf dieses Zentrum gestoßen bin. Und gerade in dem Moment, als es eröffnet wurde, haben sie Patienten gesucht, und auch Leute, die bei dem Film mitmachen. Ich glaube, das sollte einfach so sein. Vielleicht habe ich dieses Mal sogar Glück, und es wird endlich etwas gefunden, womit meine Probleme erklärt werden können. Das wäre immer noch meine große Hoffnung.