Freitag, 27. April 2012

Wettbewerb bei der Caritas

Vor  einem Jahr wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben,  bei dem  man seine literarischen Fertigkeiten zeigen konnte.  Ich habe mich beworben.   Ich mußte die Rechte an meinem Beitrag an die Caritas abgeben, solange, bis feststand, wer gewonnen hatte.   Ich erhielt leider eine ABsage.  Allerdings  hätte noch die Hoffnung bestanden,  Aufnahme in das Buch zu finden, das die besten 100 Beiträge  umfassen sollte.  Ich erhielt auch hier einen negativen Bescheid.  Allerdings stellte ich fest, daß ich die Anführungsstriche einmal vergessen hatte, und so unvermittelt von der dritten in die erste  Person  gewechselt wurde.  Der Perspektivenwechsel in einem Artikel, der ja so geschrieben war, als hätte ihn ein  objektiver Reporter verfaßt, ist somit verwirrend.  Wer weiß, wär  mir das nicht passiert,vielleicht  wäre ich  reingekommen, aber vielleicht traf ich auch nicht das richtige Genre oder den richtigen Ton. 
Genervt hat mich nur, daß wir bei den jeweiligen Absagen eine Mail mit einem PDF-Anhang erhielten, wobei ohne Anrede  der Absagebrief an alle Personen gleich verfaßt war.  Man hätte sich zumindest die Mühe machen können, einen persönlichen Brief zu schreiben, wobei es ja  schließlich eine Serienbrieffunktion gibt, wo man den Namen und die Anschrift an der richtigen Stelle einfügen kann.  Aber das wäre wieder zuviel Arbeit gewesen..  Das hätten wir wenigstens  wert sein müssen.  Immerhin haben wir, die wir abgelehnt wurden, uns auch Mühe gegeben.   So sieht  es wirklich so aus, als seien wir nur so "unter ferner liefen"  abgetan worden. Das hab ich auch moniert, denn es wäre doch netter gewesen und hätte wenigstens eine gewisse Wertschätzung für die  bloße Teilnahme vermittelt: "Dabei sein ist alles!"  Aber leider wurde sich diese Kritik nicht zu  Herzen genommen.

Nun also der Beitrag, den ich  als Reporterin über  Ohrenblicke und meine Teilnahme daran verfaßt habe.

Viel Spaß.


Ohrenblick, Lichtblick

Alle waren schon da, viele Teilnehmer waren es nicht, die zum ersten Treffen des Projektes „Radio Ohrenblicke“ gekommen sind.  Was würde hier auf sie zukommen?  Mit welchen Erwartungen waren die anderen hier erschienen?   Radio machen, Schnittprogramme kennenlernen, Redaktionsarbeit erleben, das waren die Wünsche der Teilnehmer.  Franziska  Steinbach (Name geändert) war froh, daß man sie bei diesem Projekt angenommen hatte:  „Ich bin Dialysaepatientin und kann nicht immer kommen, ist das ein Problem?“  Nein, es war kein Problem.  Wie oft hatte sie sich zuvor bei einem Projekt beworben.  Da gab es ein Angebot eines Stipendiums, um das Schreiben zu erlernen.  „Tut uns  Leid, versuchen Sie es ein andermal wieder.“  Da wurden Blinde gesucht, die sich  Texte merken und sie vorsprechen sollten, um dabei in die Kamera zu sehen.   Und auch hier machte ein Arztbesuch wieder einen Strich durch die Rechnung.  Im Dunkelcafé und Dunkelgang  konnte die frühberentete Diplomübersetzerin für Englisch und Spanisch  aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten.  Nachhilfestunden gestalteten sich wegen der kleinen Schrift in Büchern schwierig, und die Schüler blieben oft unmotiviert weg.


„Radio Ohrenblicke ist ein EU-gefördertes Projekt für Blinde“, wurde der kleinen Gruppe von 6 Leuten erklärt.  Es  wird von freien Radios durchgeführt. Momentan beteiligen sich Köln, Nürnberg und Salzburg.   Über zwei  Jahre würde sich das Ohrenblicke-Team, welches von Mira-Media aus  den Niederlanden wissenschaftlich begleitet werden sollte,  in mehreren Redaktionssitzungen treffen, um alle zwei  Monate eine Sendung zu produzieren.   In der ersten Redaktionssitzung geleitet vom Medienpädagogen Chris  wurden schon einmal eine Menge Ideen für kommende Sendungen gesammelt: Mobilität, Blinde und Literatur, Blinde und Kunst, Reisen für Blinde, Hilfsmittel im Alltag, Computerarbeitsplätze.  Doch zunächst sollte einmal das Studio blindengerecht gestaltet werden.  Hierzu mußten die Teilnehmer das  Mischpult, welches sie auch selbst bedienen sollten, mit Punktschriftbändern markieren.  „Da muß ein  Zahlenzeichen davor, sonst heißt es Ma und nicht Mikrophon 1, da bin ich eisern“, meint einer der älteren Teilnehmer, als Franzi als damalige Anfängerin der Punktschrift verwirrt über das Dymoband streicht.  „So, jetzt kommt der PC dran, hier ist noch der Aufkleber für den Telephonhybriden.“  Der Telephonhybrid, so wurde erklärt, dient dazu, Telefoninterviews über das Mischpult zu führen und aufzuzeichnen.  Lustig ging es also her bei der ersten Sendung, in welcher die Studiobeschriftungsaktion aufgenommen und später über  den Äther ausgestrahlt wurde.


Das erste Telephoninterview ließ auch nicht lange auf sich warten.  Um sich die Zeit an der Dialyse sinnvoll zu vertreiben, ist die 43-Jährige Abonnentin zahlreicher DAISY-Zeitschriften.  DAISY steht  für „Digital accessible information system“ und erlaubt es, in einer Hör-CD zu den einzelnen Artikeln und Rubriken zu navigieren.  So fand sich auch schnell ein Interviewpartner, der Macher der Hör-TAZ, den sie vorab über die zu beantwortenden Fragen informierte.  Etwas aufgeregt war sie schon, war es doch ihr erstes echtes Interview.  Zunächst galt es, den Telephonhybriden richtig einzustellen, was nach einigen Erklärungen dann auch endlich gelang.  Das Interview ging sauber über die Bühne und erschien in einer der ersten Ausgaben von Radio Ohrenblicke.


Die Sammlung von Hörmaterial findet nicht nur vor Ort statt, sondern es werden auch kleinere Reisen unternommen, um interessante Themen ans Publikum zu bringen.  So startete die passionierte Hörfilmnutzerin  einen Aufruf in der entsprechenden Mailingliste und bekam für das Radioteam prompt eine Zusage für einen Besuch im Hörfilmstudio des Bayerischen Rundfunks, wo die Gruppe der Entstehung eines Hörfilmes beiwohnen durfte.  Der Film war zuvor von einem Beschreiberteam, bestehend aus einem Blinden und zwei Sehenden genaustens analysiert und die Handlungen erklärt worden.  Die Erklärungen müssen dann genau an der auf dem Zeitband markierten Stelle von einem professionellen Sprecher eingelesen werden.  Ein Toningenieur mischt dann den Ton ab, damit die Erklärungen auch an lauteren Stellen noch gut verständlich sind, wobei ein blinder  Redakteur jedes Geräusch genau nachhört und gegebenenfalls die Verschiebung der Erklärung an eine andere Stelle vorschlägt.  So entsteht dann das fertige Produkt eines Filmes mit Bildbeschreibung für Sehgeschädigte, Audiodeskription genannt.


Früher konnte  die gebürtige Hanauerin noch etwas besser sehen, war aber schon immer dankbar für Erklärungen an Filmstellen, bei denen wenig gesprochen wird, um der Handlung folgen zu können.  „Im Kino sind diese Erklärungen von Freunden störend, oder die haben keine besondere Lust, dauernd den Einflüsterer zu geben, da dies ja auch sehr anstrengend ist“, meint Franzi. 


Außerdem  gibt es zahlreiche andere Alltagshilfen, die bei Radio Ohrenblicke einer sehenden Hörerschaft nähergebracht wurden.  Der Besuch bei einem Hilfsmittelhändler stand an, wobei die sprechenden PCs, Handys und Notizgeräte gutes Tonmaterial lieferten.  Auch Alltagsgegenstände wie sprechende Waagen, sprechende Uhren, Fieberthermometer und Raumthermometer kamen „zu Wort“.  Sie selbst schaffte sich mit zunehmender Erblindung immer mehr dieser quasselnden Quälgeister an.  Früher fand sie das immer komisch, daß andere Sehbehinderte und Blinde so viele quäkende und plappernde Gegenstände in ihren Zimmern hatten. Doch mit zunehmender Sehverschlechterung sah auch sie den praktischen Nutzen dieser kleinen Helfer.


Die Augen hatten sich durch die Dialyse noch wesentlich mehr verschlechtert, die seit Mai 2006 viermal pro Woche durchgeführt werden muß.   Die Nierenerkrankung ist eine Begleiterscheinung ihrer Augenerkrankung, die schon seit Geburt besteht.  Daher war der Besuch einer Sehbehindertenschule nötig, wobei dann aber ein Wechsel in ein Regelgymnasium ermöglicht wurde.  Schoon früh entschied sich Franzi, einmal Sprachen zu studieren und wählte daher die Universität in Germersheim aus, um dort angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft mit Ergänzungsfach Medizin für Übersetzer zu studieren.  Doch der Arbeitsmarkt blieb iher verschlossen, abgesehen von ein paar ABMs und einer zweijährigen Stelle als Englischausbilderin am Berufsförderungswerk.  Auch einige Umschulungsversuche scheiterten an mangelnden körperlichen Voraussetzungen, und als die Nieren endgültig versagten, entschied sich die damals 37 Jahre junge Frau für die Rente, die ihr ohne weitere Umstände gewährt wurde.  Doch ohne eine Aufgabe zu leben, um das hart erworbene Wissen irgendwo noch anzuwenden, würde der umtriebigen jungen Frau schwer fallen.  Im Tauschring, einem Verein für gegenseitige Nachbarschaftshilfe,  gab es ab und an einmal jemanden, der etwas Spanisch oder Gitarre lernen wollte.  „Andere Versuche, sich irgendwo einzubringen, schlugen fehl, oder es ergaben sich nur Kontakte zu wenig vielversprechenden Vorhaben, die von mehr oder weniger realitätsnahen Personen eher „luftschloßartig geplant waren und zu Enttäuschungen führten“, stellte die kritischeFrau fest, der es trotz ihres Temperaments schwer fällt, tragfähige Kontakte zu knüpfen und darauf aufzubauen.  An Bemühungen fehlte es nicht, so übersetzt  Franzi noch ab und an einmal kleinere medizinische  Texte für ihre Selbsthilfegruppe, und da sie seit  ihrem 16. Lebensjahr Esperanto spricht, gelegentlich Teile von Infobroschüren für die örtliche Esperantogruppe.   Weil sie nicht nur für Sprachen  ein gutes Gehör besitzt,  sang sie bis Ende 2011  auch in einem Chor.  „Dort war es zu Anfang sehr schwer, mit den anderen in Kontakt zu kommen, obwohl die auch alle blind sind“.   Seit Langem sucht sie schon jemanden, der mit ihr musiziert und hat schon einige  bislang erfolglose Annoncen in Zeitungen und im Internet lanciert.


Und hier kommt nun wieder Radio Ohrenblicke ins Spiel.  Das Team besteht aus Menschen ganz unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Interessen.  Somit bringen sich die Teammitglieder auch  mit ihren eigenen Fähigkeiten bei den Sendungen ein.   „Endlich hab ich jemanden gefunden, der mit mir Musik macht“, freut sich Franzi.   Ein Ohrenblicke-Teammitglied von knapp 20  Jahren, der in der Blindenwerkstatt arbeitet und dort nur sehr eingeschränkten Ausgang hat, spielt hervorragend Gitarre.   Somit ergriff Franzi die Initiative, nachdem sie zuvor nur noch die Möglichkeit gesehen hatte, jemanden gegen Bezahlung dazu zu bringen, mit ihr Gitarre zu spielen, und  sprach den jungen Ohrenblicke-Teilnehmer an, ob er Lust hätte, mit ihr Musik zu machen.  Der begeisterungsfähige junge Mann war sofort dabei, und so fuhr Franzi mit dem Taxi, das vom Bezirk zur  Teilhabe Schwerbehinderter am öffentlichen Leben bezahlt wird, zu Tommys (Name geändert) Wohngruppe in die Behindertenwerkstatt.  Die beiden probten einige Male zusammen.   Nun trauten  sie sich, im Rahmen der Sendung über blinde Musiker, ein paar Stücke im Studio aufzunehmen und auszustrahlen.  Hierbei  machte Franzi die Durchsage, daß noch weitere Mitglieder zum Musizieren herzlich willkommen sind.  „Ob das Ganze weitergeht, wird sich zeigen“, meint die mittlerweile vorsichtig gewordene Frau, „aber es ist ein Anfang nach so langer vergeblicher Suche.“


Franzis Fazit:  „Ohne Radio Ohrenblicke hätte ich so gut wie gar keine Aufgabe. Hier werde ich auch mal gebraucht und kann mich einbringen, und dies ist nicht zum Selbstzweck sondern zur Information von Blinden für Blinde und Sehende.“    Die Sendung gliedert also in doppeltem Sinne Blinde in die Gesellschaft ein: zum einen beim Produzieren der Sendung selbst, und zum anderen durch den Informationsgehalt, den die Hörer und  Hörerinnen  aus der Sendung ziehen können, dadurch viel über das Leben Blinder erfahren und vielleicht sogar Unsicherheiten abbauen.


Radio Ohrenblicke  ist somit eine gelungene Maßnahme zur Eingliederung Behinderter, die vielleicht wie Franzi sonst keine Chance hätten, ihre Fertigkeiten noch irgendwo anzuwenden.  Was auf jeden Fall bleibt ist der Umgang mit Technik und Schnittprogrammen, viele Aufnahmen, Interviewerfahrung und jede Menge positiver Erinnerungen, die sich dan auch wieder  bestärkend auf das Selbstbewußtsein auswirken, und das braucht man als Behinderter umso mehr.  „Mit mehr Selbstbewußtsein kommt man auch wieder ein Stück weiter, als wenn man nur nutzlos daheim sitzt.“


Geschrieben von


Steinböckle


Blinde Übersetzerin, Dialysepatientin und Bloggerin






Sonntag, 15. April 2012

Verleihung des Deutschen Hörfilmpreises - Ich war dabei!

Am 27. März war ich ja zur Verleihung des Deutschen Hörfilmpreises eingeladen, da ich bei der Publikumsabstimmung mitgemacht habe, wo es eben diese Reise zu gewinnen gab. Zuvor habe ich alles mit der Bahn abgestimmt, die Mobilitätszentrale (MSZ) angerufen, die Reservierungen gemacht etc. Leider kam die E-Mail mit meiner Fahrkarte nicht an. So wurde sie an einem Automaten hinterlegt, wobei mir dann derjenige, der mich zum Zug bringen würde, beim Ausdrucken der Karte behilflich sein sollte. Ich ging sicherheitshalber mal lieber anstatt der vorgeschriebenen 20 Minuten eine Stunde früher zum Bahnhof und dachte, dann kann ich auch noch dort frühstücken. Als ich dort ankam, holte man jemanden von der Bahnhofsmission, das sei so üblich, daß das nicht die Bahn selbst macht, na dann! Der Mann kam auch und ging mit mir zu einem Fahrkartenautomaten, um mit meiner BahnCard die reservierten Tickets rauszuholen. Eine Frau von der Bahn half ihm dabei. Ich war sehr beeindruckt, wie einfach das ging, einfach die Karte reinstecken, und schon kommen Fahrkarte und Platzreservierungen unten heraus. Dann ging ich Frühstücken, und später holte mich der Herr wieder ab. Er brachte mich zum Zug, wo er mir noch den Sitzplatz zeigen konnte, da der ICE lange genug hielt. Die Fahrt war sehr bequem, und ein netter Berliner holte mir sogar einen Kaffee und ein Croissant. Als ich in Berlin ankam, wurde ich auch sogleich vom Mobilitäts-Service abgeholt. Wir gingen zum Ausgang Europaplatz, wo eigentlich die Limousine des Deutschen Hörfilmes stehen sollte. Die war aber noch nicht da. Da ich eine Notfallnummer bekommen hatte, wo ich bei Schwierigkeiten anrufen konnte, tat ich das sogleich, und da war aber die Limousine eh schon da, alles ging glatt. Da ich noch NIE in einer echten Limousine gefahren war, wollte ich sie mir genauer ansehen, wie lang sie war, und ich ließ mich auch mit meinem Handy photographieren.

Dann wurde ich ins Hotel gebracht. Dort brachte man mich in ein sehr weit abgelegenes Zimmer, aber es wurde mir angeboten, daß ich jederzeit anrufen könne, wenn ich etwas brauche, oder wenn man mich begleiten sollte. Der Zimmerjunge hatte etwas Mühe, mir alles zu erklären. Er tat sich schon etwas schwer, mir zu sagen, welcher Knopf am Telefon einen Anruf bei der Rezeption bewirkte, dabei war es nur der zweite von oben der Sonderknöpfe auf der rechten Seite neben dem Zahlenfeld. Aber da merkt man, wie sehr doch Sehende oft überfordert sind, wenn sie für sie ganz selbstverständliche Dinge in Worte fassen müssen. Das Zimmer war so groß, daß ich ein extra Mobilitätstraining gebraucht hätte. Wenn man hereinkam, war auf der linken Seite eine Nische, in der rechts ein offener Schrank und links die Badetüre war. Um also vom Bad wieder in den Raum zu gelangen, mußte man erst mal nach rechts und dann die Abzweigung aus der Nische nach links ins Zimmer nehmen. Die Minibar ging schwer auf, da ich die Mulde erst ewig suchen mußte, wo man reingreift, um sie aufzuziehen. Ich hatte selbst zwei Schokoriegel mitgebracht, die ich darin kühl halten wollte. Im Zimmer war dann links ein großes Bett und in Richtung Fenster eine Sitzgruppe, wobei ich sofort den Tisch mit den „Willkommens-Leckerli“ entdeckte und einen Brief an mich. Nanu, wer schreibt mir denn da ins Hotel?
Ich setzte mich erst mal gemütlich hin, nachdem ich meine paar Sachen für die Nacht ausgepackt und an den entsprechenden Stellen arrangiert hatte, und hörte mein Hörbuch weiter. Ich konnte auch mein Handy und mein Notitzgerät laden, denn ich würde es ja später für die Aufnahmen bei der Preisverleihung brauchen. Ein kleines Aufsteckmikro mit sehr guter Qualität habe ich auch immer in der Handtasche. Später dann war es Zeit, mich in Schale zu werfen. Ich kam gut in das bordeauxfarbene Glitzergewand hinein, und es gefiel mir sehr gut und paßte zu der schwarzen Hose.

Dann rief ich also bei der Rezeption an, um eine Begleitung nach unten zu erbitten. Als die junge Hotelangestellte kam, las sie mir auch den Brief vor, der da für mich lag. Es war ein Schreiben des Hotels, in dem sie mich willkommen hießen anläßlich der Verleihung des Deutschen Hörfilmpreises und mir einen guten Aufenthalt wünschten. Den Brief nahm ich als Andenken mit nach Hause. Da in dem Zimmer so viele kleine Lampen brannten, und ich beim Nach-Hause-Kommen nur ein paar brauchte, checkte die Frau erst mal, was alles an und aus war, und was wir anlassen würden. Dann konnte ich den Hauptschalter umlegen, und sobald ich ins Zimmer kam und ihn betätigte, würden nur die Lampen angehen, die ich brauchte. Denn wenn ich ins Bett wollte, mußte ja noch eine Lampe an sein, damit ich sicher hinkommen würde. Die paar Lämpchen konnte ich dann von Hand ausmachen und den Hauptschalter anlassen. Die ganze Ein- und Ausschalte-Prozedur dauerte so lange, daß wir fast zu spät in die Lobby kamen, wo schon der Fahrer der Limousine wartete. Ich ließ mich also nun zum Atrium der Deutschen Bank fahren, wo alles stattfinden würde. Ich hatte im Voraus darum gebeten, daß mir dort jemand helfen sollte, damit ich nicht alle Schauspieler umrennen, oder in die falsche Richtung laufen würde. Als ich also ausstieg, wurde ich schon in Empfang genommen, und als ich die Dame gerade bitten wollte, doch mal ein Photo von mir in der Abendgarderobe mit meinem Handy zu machen, hörte ich schon eine Frau sagen: „Ich bin schon da, Sie brauchen nicht mehr zu telefonieren.“ Wir gingen dann rein, und sie half mir, einen Platz zu finden. Am Telefon wurde mir erklärt, daß es dort „Häppchen“ geben würde, und so hatte ich seit der Zugfahrt nichts mehr gegessen und noch kein Abendessen zu mir genommen. Als ich mit der Frau die Treppe hochkam, wurde mir ein Glas Apfelsaft und ein „Häppchen“ gereicht, und das war nur ein Spieß mit einem kleinen Bröckchen Brot mit irgendso einem Ruccola-Zeugs drauf. Davon würde ich nicht satt werden, und selbst, wenn ich noch fünf dieser Spießchen geknabbert hätte. Das Glas Apfelsaft durften wir nicht mit reinnehmen, da sonst der Marmorboden Schaden hätte nehmen können. Leider gab es keine Programme in Punktschrift, was ich ziemlich schade fand, wo doch immer so betont wird, wie wichtig die Brailleschrift für uns Sehgeschädigte ist. Wir fordern überall Barrierefreiheit, und warum sollen andere diese uns gewähren, wenn wir selbst noch nicht mal dazu in der Lage sind, einen Schwung Punktschriftpgrogramme beim Berliner Blindenverband auszudrucken.
Bevor die Gala amfing, hatte ich noch ein beeindruckendes Erlebnis. Im Foyer hörte ich, als wir reinkamen, ein lautes Geschrei. Ich sagte zu meiner Begleiterin, da sei wohl ein Eklat passiert. Sie klärte mich auf, daß das nur eine Photo-Session sei, da stünde also Tina Reichelt mitten im Blitzlichtgewitter, das ich als sehr störend wahrnahm, und sie drehte sich laut Beschreibung meiner Begleiterin mit ihrer Handtasche und posierte und würde es sogar sehr genießen. Ich konnte mir das gar nicht vorstellen, daß jemand so ein grelles Blitzlichtgewitter genießen könnte, zumal alle Photographen schrieen: „TINA HIERHER, TINA HIERHER!!!!“ Mir tat die Arme nur leid, aber meine Begleiterin versicherte mir, daß ihr das sogar gefallen würde. Später stöckelte dann eine Frau an uns vorbei, und meine Begleitung machte mich drauf aufmerksam, daß Frau Christine Neubauer gerade vorbeigekommen sei.
Der Abend begann, und auf der Bühne standen Herr Dieter Mohr und Frau Verena Bentele, die durch den Abend führen sollten. Sie machten das mit viel Witz, Charme und spielten sich gekonnt die Bälle zu. Nach einigen Begrüßungsworten von Deutsche-Bank-Leuten und anderen wichtigen Personen kam dann die Schirmherrin des Deutschen Hörfilmes, Frau Neubauer auf die Bühne. Sie wurde gefragt, was denn noch am Hörfilm zu verbessern sei, jetzt sei die Gelegenheit, mal „so richtig auf den Putz zu hauen“. Aber ich war sehr enttäuscht von ihrem Statement. Mit vielen Ähhs und Emmms erklärte sie, daß sie ja nur ein Rad sei, das man sehen könne, und da müssen die Politiker ran, und sie selbst würde sich natürlich dafür einsetzen, daß ihre Filme mit Audiodeskription kommen, aber eigentlich seien da andere Leute dafür zuständig. Usw. usf. Es war für mich so, als sei sie völlig unvorbereitet auf diese Frage gewesen. Es kamen auch noch einige Mitglieder der Jury, wie zum Beispiel Claudia Roth von den GRÜNEN zu Wort, die recht genaue Kriterien nannte, was ihr bei einem Hörfilm wichtig sei. Mario Adorf, der sogar die Vorsitzende des Deutschen Blindenverbandes auf die Bühne führte, die mich übrigens vorher sehr warm begrüßt hatte, weil sie mich von unserer früheren Kassette her kannte, erklärte dann, daß er früher sehr unwissend über den Hörfilm gewesen sei, und sogar erst darüber gelacht hätte. Er wisse es heute besser und ihm sei es etwas peinlich, daß er sich so darüber lustig gemacht hätte. Das fand ich recht sympathisch, und er führte die Vorsitzende sogar wieder zurück, was ich von ihm auch sehr nobel fand. Musikalisch wurde alles umrahmt von Jasmin Tabatabai, die Schlager der 20er Jahre in Jazz-Manier vortrug. Sie hatte so eine tolle Frisur und so ein hübsches rostfarbenes Kleid, daß sie seehr apart gewirkt hat. Einige, wie Frau Neubauer (und ich, hehe), kamen in Glitzer, einige eher in dezenterem Schwarz.
Leider war mein Wunschfilm, für den ich gestimmt hatte, nicht unter den Gewinnern. Es gab einen Jury-Preis, einen Sonderpreis für einen Kinderfilm, einen Kinopreis und eben den Publikumspreis. Es gibt genügend Websites wo die alle aufgeführt werden, zum Beispiel auf der Seite des dbsv , daher lasse ich das jetzt mal hier. Ich selbst hatte noch eine Schrecksekunde, denn Dieter Mohr sagte: „Es haben so viele aus dem Publikum abgestimmt, wahrscheinlich, weil es was zu gewinnen gab, nämlich eine Reise. Diesmal ist es eine GewinnerIN, und sie ist hier unter uns, ich freue mich, daß Sie diesen Preis angenommen hat, herzlich willkommen,….“ und dann nannte er meinen Namen! Ich wußte gar nicht, ob ich jetzt aufstehen sollte. Meine Begleitung meinte, ich solle das kurz tun, und ich stand auf, verbeugte mich schnell und setzte mich ebenso blitzschnell wieder hin. Nach dem letzten Lied wurde dann blitzschnell umgeräumt, und einer hatte wohl doch sein Glas mit reingenommen, denn ich hörte es laut klirren. Ich bekam noch ein Häppchen, hatte aber eh schon Wadenkrämpfe vor Hunger, was bei mir vorkommt, wenn ich unterernährt bin. Dieses „Häppchen“ bestand aus einem Stück Brot mit einem Stück Gemüse, hab vergessen, was es war. Laut Erzählungen muß es auch Hackfleischbällchen gegeben haben, aber die wurden mir nicht „präsentiert“, sonst wäre ich vielleicht satt geworden . Wir wollten noch das Photo in Abendgarderobe machen, das vorher nicht geklappt hatte. Die Begleiterin kam mit meinem Handy nicht zurecht, und so dauerte es eine Weile. Dann sprach es auf einmal nicht mehr, und ich mußte es neu starten. In der Zwischenzeit kam jemand auf mich zu und meinte, ein Doktor wollte mich sprechen, und zwar der, dem ich immer für seine Medizinzeitschrift für Blinde die Nierenartikel zukommen lasse. Ich erhalte das DIATRA-Journal kostenlos zu diesem Zwecke, kann dann die interessantesten Artikel auswählen, schreibe eine Mail an den Verlag, und die senden mir dann die gewünschten Artikel in Word-Format, so daß ich sie per Mail bequem an den erblindeten Arzt schicken kann. Ich war immer noch mit meinem Handy beschäftigt, das einfach nicht sprechen wollte, und so kam ich etwas zu spät nach oben, der Doktor war schon nicht mehr auffindbar. Da es bereits 23 Uhr war, und ich ja früh raus mußte, entschied ich mich zu gehen. Als ich aber gerade die Marke für meine Jacke abgab, kam wieder jemand und sagte: „JETZT ist der Doktor da!“ Und als ich nach oben kam, -- war er wieder weg! Da reichte es mir, und ich ging nach unten, um die Limousine zum Nach-Hause-Fahren zu bestellen, die auch gleich da war, da mehrere Autos zur Verfügung standen. Ich sagte dem Fahrer, daß ich furchtbaren Hunger hatte, und ob er nicht wüßte, wo noch eine Breze oder ein Sandwich zu kriegen sei. Wir fuhren zum berüchtigten Bahnhof Zoo und kauften dort in einem 24- Stunden-Laden ein abgepacktes Sandwich mit Käse und Salami. Das war „standesgemäß“, mit der Limo am Bahnhof Zoo vorfahren, wo früher Christiane F. war, ein komisches Gefühl. Der Fahrer war sehr nett und brachte mich sogar bis an meine Zimmertüre. Ich futterte das Sandwich, aß meinen mitgebrachten Apfel und die Schokoriegelchen und wollte mich gar nicht aus meiner schönen Schale pellen. Dann ging ich aber ins Bett, und ich war noch so aufgeregt, daß ich lange brauchte, um einzuschlafen.

Ich hatte den Hotel-Weckdienst beauftragt, mein Notizgerät UND meine Armbanduhr auf sieben Uhr gestellt, um nur ja nicht den Zug um 8:40 zu verpassen, denn sonst wäre ich nicht rechtzeitig zur Dialyse gekommen. Das hat auch super geklappt, der Weckdienst und die beiden Wecker funktionierten. Ich rief wieder bei der Rezeption an, um mich zum Frühstücksraum begleiten zu lassen. Das Frühstück war ein Traum: Es gab Obstsalat mit frischen Ananas, Grapefruit- und Orangenstückchen. Ich konnte zwischen mehreren Sorten kleiner Brötchen auswählen, es gab Croissants, viele verschiedene Wurst- und Käsesorten. Es hätte auch Crèpes gegeben, aber das hätte zu lange gedauert und wäre am frühen Morgen zuviel gewesen. Und ich genehmigte mir einen frisch gepreßten Grapefruitsaft. Der schmeckte wirklich himmlisch! Schade, daß ich da nur so wenig Zeit hatte, und daß ich nicht eine weitere Nacht dort bleiben konnte. Ich habe es sehr genossen. Dann wurde ich aufs Zimmer zurück begleitet, die Frau kontrollierte noch auf meine Bitte hin, ob ich auch nichts vergessen hatte, und begleitete mich wieder nach unten. Dort brachte mich ein Doorman zum Taxistand, und ich wurde zum Bahnhof gebracht. Im Hotel habe ich etwas Trinkgeld in einen Umschlag getan, da sie so nett waren, und auch dem Taxifahrer gab ich etwas mehr, weil er mich noch zum Infopoint begleitete, wo ich mich für den Mobilitäts-Service melden sollte. Das hat auch super geklappt, und ich wurde in den Zug nach Hause gesetzt. Der kam, wie auch der Hinfahrtszug, sogar zu FRÜH am Heimatort an, was man ja bei der Bahn ganz selten findet.
Ich kam zu Hause an, machte Kaffee und aß etwas, und schon ging es mit dem Taxi zur Dialyse. Beinahe wären wir doch noch zu spät gekommen, weil es einen Stau gab, aber die Schwestern wußten ja Bescheid, daß es diesmal etwas später werden könnte.
Am nächsten Morgen war mir nach dem Frühstück auf einmal so schlecht, daß ich den ganzen Tag im Bett verbringen mußte und gar nichts machen konnte. Es war wohl doch körperlich sehr anstrengend, so daß ich mich erholen mußte. Am Folgetag war dann wieder alles in Ordnung.
Ich habe die Reise sehr genossen, und bisher ist noch nichts schiefgelaufen. Ich muß aber noch schauen, ob die Bahn das Geld von meinem Konto abgebucht hat, denn das mußte ich vorstrecken, da ich die Fahrkarte selbst organisieren mußte. Die gebrauchte Fahrkarte sowie die Quittung fürs Taxi zum Bahnhof schickte ich per EXPRESS für 10 Euro nach Berlin zum dbsv, damit nur ja nichts schiefgeht, und alles ankommt, denn die überrweisen mir dann das Geld wieder zurück. OB das geklappt hat, weiß ich noch gar nicht und muß es noch nachprüfen, aber ich hoffe mal, daß auch das gut funktioniert hat.
Es war doch ein sehr schönes Erlebnis, und ich habe auch in mühevollster Kleinstarbeit einen Radiobeitrag für unsere Ohrenblicke-Sendung zusammengeschnitten, was aber schwierig war, denn dauernd stürzte mir das Programm ab. Letztendlich hat es doch funktioniert, und wenn unser Medienpädagoge die Lautstärkeschwankungen noch besser in den Griff kriegt als ich mit meinem Billigprogramm, dann wird das ein recht guter Beitrag werden, mit einigen spannenden Momenten, interessanten Statements, aberr auch mit einigen verschmitzt-kritischen Kommentaren über die Glamourwelt und ihre Protagonisten.

Wenn ich das rechtlich tun kann, stelle ich den Beitrag hier ein.