Mittwoch, 14. Oktober 2015

Mensch an Maischberger

Vor einigen Wochen gab es in der Sendung "Menschen bei Maischberger", die ich sehr mag und mit ziemlicher Regelmäßigkeit anschaue, eine Runde über das Thema Rente. Es wurden einige Menschen vorgestellt, die entweder früher in Rente gehen wollten, aber weiterhin arbeiten müssen, da das Geld nicht reicht, oder auch welche, die aus Altersgründen in Rente gehen müssen, aber noch nicht wollen. Ich finde es eine riesige Schweinereihe, dass Menschen, die ihr Leben lang geschuftet haben, nicht von ihrer Rente leben können. Ich bin auch dafür, dass es keine Obergrenze gibt, und dass jeder so lange arbeiten darf, wie er will und wie er kann. Dies sollte aber ab einem gewissen Alter regelmäßig überprüft werden, damit wir keine zittrigen alten Chirurgen am OP-Tisch stehen haben, die ihre Leistung nicht mehr einschätzen können. Aber es gibt sprechende Berufe, man denke nur an Margarete Mitscherlich, die noch bis ins hohe Alter Menschen therapiert hat. Wohingegen aber der viel zitierte Dachdecker häufig mit 50 am Ende ist, und es ihm daher nicht zuzumuten ist, noch länger zu arbeiten. Die Befürchtung, dass jeder frühzeitig in Rente gehen würde, wenn es kein festgelegtes Rentenalter mehr gibt, teile ich nicht, denn der Mensch hat ein Bedürfnis nach Beschäftigung, und wenn es eine sinnvolle Arbeit ist, die einen Menschen ausfüllt, wird er schwer davon lassen können. Leider gibt es allerdings viele Berufe, die dem einzelnen Arbeiter nur zum Broterwerb dienen und so sinnlos und entfremdet erscheinen, und die so monoton sind, dass man keine solche Freude daran hat, um dann noch über das Rentenalter hinaus unbedingt dort beschäftigt sein zu wollen. Es gibt aber dennoch viele Menschen, die depressiv werden, sobald sie in Rente gehen müssen. Hier werden aber die vielen Schwerbehinderten, die aufgrund einer starken Beeinträchtigung schon früh zu Arbeiten aufhören müssen oder erst gar keine Arbeit bekommen, völlig außer acht gelassen. Ich habe häufig versucht, auf mein diesbezügliches Schicksal oder auch auf den Werdegang anderer schwer behinderter hinzuweisen, wobei aber meistens außer klugen Ratschlägen nicht viel kommt. Keiner empört sich darüber, dass Menschen, die mit ihrer Schwerbehinderung das große Unterfangen eines Studiums auf sich genommen haben, dann im Abseits landen. Auch andere Behinderte, die eine Ausbildung absolviert haben, an die sie ihr Herz gehängt haben, bleibt der Arbeitsmarkt verschlossen. Ich erlebe es häufig, dass ein schönes Hobby, welches ich habe, mir als hinreichende Beschäftigung zugestanden wird, wobei aber niemand verstehen will, dass mich dies allein nicht ausfüllen kann. Dass ich eine gute Versorgung und ein hinreichendes auskommen habe, wird als Privileg angesehen, ich könne doch froh sein, Geld zu bekommen ohne zu arbeiten. Ich kann hier nur das Sprichwort anführen: der Mensch lebt nicht vom Brot allein, und ich könnte noch dazu fügen: er will auch sinnvoll beschäftigt sein. Ich habe hier nach dieser Sendung, zugegeben, ziemlich Dampf abgelassen, da ich sowieso wusste, dass mein Brief wahrscheinlich ohnehin nicht gelesen wird. Mir war das egal, dass dieses Schreiben ziemlich ungehalten ausfiel und nicht sehr höflich formuliert war. Meine Einschätzung war richtig, ich erhielt ein vorgefertigtes Schreiben , welches ich zwischen den einzelnen Absätzen hier auch kurz kommentieren werde. Ich werde selbstverständlich weiterhin als Zuschauer dieser Sendung treu bleiben, und ich würde es schön finden, wenn sich einmal Menschen dort einfinden würden, die dieses Thema vertreten könnten. Ich selbst halte mich dieser Aufgabe für nicht gewachsen. Dennoch hoffe ich, vielleicht doch eine Anregung gegeben zu haben. Hier nun das Schreiben, bei dem ich mal so richtig auf den Putz gehauen habe. Sehr geehrte Damen und Herren, gestern habe ich Ihre Sendung über die Rente verfolgt. Zunächst einmal bin ich dafür, dass jeder in Rente geht, wann er merkt, dass es für ihn genug ist. Man sieht ja, dass es Menschen gibt, die trotzdem weiter arbeiten möchten, da Arbeit für viele Menschen ein wichtiges Lebenselixier ist. Und dies bringt mich zu meinem nächsten Thema. Ich bin schwer mehrfach behindert, fast blind und an der Dialyse und habe außerdem noch Probleme mit der Feinmotorik und einen leichten Autismus. Ich habe studiert und mit 1,3 abgeschlossen. Ich habe keine Arbeit gefunden. Mit 38 musste ich in Rente gehen. Es macht mich sauer, wenn hier herum gejammert wird, Rente macht krank, Rente geht auf die Psyche. Bei mir hat keiner gejammert, mich hat keiner bedauert, und bei mir haben keine Trauerglocken geläutet. Ich finde es eine Sauerei, dass einerseits bei Menschen, die über 60 sind, und vielleicht etwas früher in Rente müssen, weil sie ein paar Zipperlein haben, herumgeheult wird, während bei mir, die ich wegen schwerer Erkrankungen schon mit 38 in Rente gehen musste, kein Hahn danach kräht. Gehe ich zu einem Psychologen und möchte darüber reden, wie schlimm das ist, heißt es nur, ich solle es doch positiv sehen , immerhin hätte ich zwei Jahre gearbeitet. Rede ich mit anderen Menschen darüber, bekomme ich nur Ratschläge, ich solle mir eine Beschäftigung suchen. Rede ich mit Sozialpädagogen darüber, heißt es, meine Hobbys seien doch genug. Das würde doch für mich reichen, ich solle doch froh sein, andere Behinderte kämen in die Werkstatt. Ich würde doch für das, was ich an Krankheiten habe, noch genug tun. Es ist eine Frechheit, dass ich keine Trauerarbeit leisten darf, während andere im Fernsehen herumflennen , dass es psychisch ein Problem ist, in Rente zu gehen. Die haben doch ihr Leben gelebt, die hatten doch alles. Die hatten doch ein erfülltes Leben, die sollen sich doch nicht so in die Hosen scheißen wegen dieser zwei oder drei Jahre. Ich kann mir schon vorstellen, dass sie meine Wut über diese Sendung nicht verstehen können. Wo wird mal herum gejammert, dass es an die Psyche geht, wenn Behinderte keine Chance bekommen? Wer jammert für uns, und welche Studien gibt es, dass ein behinderter, der keine Aufgabe hat, genauso daran kaputt geht wie ein normaler Mensch? Überall wird ein Getue veranstaltet, dass Arbeitslose depressiv werden usw. Ja, wer fragt denn bei mir, ob ich traurig bin, meinen Lebensentwurf nicht erfüllt bekommen zu haben?!! Ich möchte auf keinen Fall in ihrer Sendung erscheinen, und dann vielleicht auch noch auf dieser Betroffenen-Couch sitzen und meine Geschichte erzählen. Aber ich verlange, dass endlich auch einmal jemand für mich oder andere Betroffene seine Stimme erhebt, und dass es einmal beleuchtet wird, dass es hier ein vernachlässigtes Potenzial von Menschen gibt, die keiner haben will. Und dann darf man noch nicht einmal einen Trauerprozess anstrengen, im wahrsten Sinne des Wortes, wie es einem damit geht. Für uns reicht es ja, dass wir überhaupt studieren durften. Da darf man als behinderter doch nicht so hohe Ansprüche haben! Wer trauert für mich, wer versteht meine Trauer? Wer macht mal um mich so ein Getue und so ein Geschiss, wie es um andere gemacht wird, die oben beschrieben wurden? Und kommen Sie mir nun bitte nicht damit, dass ich doch selbst dafür kämpfen soll, da ich so kraftvoll bin. Es ärgert mich, wie andere hier bemitleidet werden, was soll denn ICH dann sagen, ich habe niemals an der Gesellschaft teilhaben dürfen!!! Denken Sie bitte auch mal daran. Nichts für ungut, mit freundlichen Grüßen, …. Nach mehreren Wochen, nach denen ich sowieso nicht mehr mit einer Antwort gerechnet hatte, kam dann folgender Brief: Sehr geehrte Frau …, im Namen auch von Sandra Maischberger möchte ich mich für Ihre interessanten Zeilen bedanken. Kommentar von mir: wenn sie nicht mal zum Lesen kommen, woher wissen Sie denn dann, dass meine Zeilen interessant sind? Nachdem dieser Brief an jeden verfasst wird, der eine Zuschrift ein gesendet hat, werden dann auch langweilige Zuschriften als interessant bezeichnet. Vielleicht war meine Zuschrift ja auch ziemlich belanglos. Wir bedauern wirklich sehr, dass wir Ihnen keinen individuell verfassten Antwortbrief zukommen lassen können. Kommentar von mir: na, zumindest geben sie zu, dass der Brief ein allgemein verfasstes Schreiben ist. Die Menge der uns erreichenden Post ist einfach zu groß. Oder wir sind zu wenige … Kommentar von mir: ob unsere Zuschriften es wert sind, das Personal aufzustocken? Wir möchten Sie aber unbedingt wissen lassen, dass wir den Inhalt Ihres Schreibens aufmerksam zur Kenntnis genommen haben, dass wir Zuschauerreaktionen nach jeder einzelnen Sendung besprechen und Anregungen oder Kritik direkt in unsere Arbeit an weiteren Sendungen einfließen lassen. Wir hoffen daher sehr, dass Sie uns auch künftig kritisch begleiten. Anmerkung von mir: wer sagt denn, dass ich die Sendung immer kritisch begleite? Ich sehe sie als interessante Unterhaltung an. Dennoch finde ich einige Informationen und Themen spannend. Mit der nochmaligen Bitte um Verständnis sowie mit freundlichem Gruß gez. KMH…. Verantwortlicher Redakteur Anmerkung von mir: da kann ich mir jetzt auch nix für kaufen.

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