Freitag, 26. April 2024

Auf den Kopf gestellt

Das letzte Jahr wollte ich einmal zur Darmspiegelung gehen. Da ich blind bin und mehrere andere Behinderungen habe, dachte ich mir, dass es leichter wäre, dies im Krankenhaus zu machen. Denn zum einen müsste ich die Flüssigkeit anrühren, die ich zur Vorbereitung auf die Darmspiegelung trinken müsste, und ich hätte auch beurteilen müssen, obschon der gesamte Darm gereinigt ist. Dies kann man ja nur per Augenschein machen. Außerdem hätte ich nach der Narkose dann alleine zurechtkommen müssen. Ich wäre zwar dann im Aufwachraum eine Weile geblieben, bis sich mit dem Taxi nach Hause gefahren wäre, aber im Falle von Komplikationen, oder wenn ich noch nicht ganz klar im Kopf wäre, ist es noch wesentlich schwerer, wenn man nichts sieht und auch noch andere Probleme hat. Ich hatte also bei meinem Nephrologen gefragt, ob er mich ins angrenzende Klinikum einweisen könnte. Nein, das ginge nicht, und außerdem sei das Klinikum sowieso immer voll. Ich fragte meine Hausärztin, diese meinte, wenn die Krankenkasse zustimmt, dann könne sie mich einweisen. Ich schrieb also an meine Krankenkasse und erhielt die erschöpfende Auskunft, wenn ein Arzt es für nötig hält, dass ich ins Krankenhaus gehen soll, zahlen wir. Meine Betreuerin interpretierte dies als Zusage, wobei ich das so empfand, dass man mich von einer Seite zur anderen schob, und keiner wollte die Verantwortung auf sich nehmen. Dasselbe hatte ich schon einmal im Falle meiner Hautkrebsvorsorge, die ich wegen meiner Nierentransplantation einmal im Jahr machen muss anstatt alle zwei Jahre. Alle zwei Jahre wird sie von der Kasse genehmigt. Der damalige Hautarzt meinte, er bräuchte eine Genehmigung von der Krankenkasse. Die Krankenkasse wiederum meinte, wenn der Hautarzt es für notwendig hielt, dass bei mir eine jährliche Krebsvorsorge angezeigt ist, dann soll er diese durchführen, und es würde bezahlt. Ich rief bei der Kasse an, und rein zufällig, wie auch schon in anderen Fällen, war dann jemand am Telefon, der sogar selbst schon Hautkrebs hatte, und selbst er bekäme nicht jedes Jahr die Hautkrebsvorsorge bezahlt. Ich hatte schon öfter mal jemanden von der Krankenkasse am Apparat, wenn es um eine Genehmigung ging. Beispielsweise wurde dann meiner Betreuerin bei der Beantragung eines Farberkennungsgeräts erklärt, die Mitarbeiterin habe selbst eine betreute, und die käme auch mit dem einfachen Modell zurecht. Was für ein Zufall, dass man immer genau die richtigen Leute am anderen Ende der Leitung hat... Ich war also so schlau wie zuvor. Damals hat dann mein früherer Nephrologe ein Attest geschrieben, dass eine jährliche Hautkrebsvorsorge angezeigt ist bei einer immunsuppressiven Therapie, und selbst dieses Attest hat nicht ausgereicht, dass die Kasse von ihrer Position abrückte. Ich fand dann aber doch wieder einen Hautarzt, der, nachdem mein früherer Hautarzt problemlos die Untersuchung durchgeführt hat, dies auf die gleiche Weise tat. Schließlich habe ich auch Neurodermitis, also ein atopisches Ekzem, und das muss man sich ja auch jedes Jahr einmal anschauen. Ich war im Oktober letzten Jahres beim Frauenarzt zur jährlichen Vorsorgeuntersuchung. Dieser erklärte mir, dass ich freie Flüssigkeit im Douglas-Raum hätte. Zuvor hatte ich ihn gefragt, ob er mich vielleicht zu einer Darmspiegelung einweisen könnte. Nein, das könnte er nicht. Aber mit diesem Befund war dies nun doch möglich. Ich dachte zunächst, er wollte mir einen Gefallen tun und habe daher irgendeine Indikation gestellt, damit ich meinen Krankenhausaufenthalt bezahlt bekäme. Ich sprach mit meiner Betreuerin, und diese meinte, dass doch der Douglas-Raum und Darmspiegelung nichts miteinander zu tun hätten, und ich sicher nun dennoch keine stationäre Darmspiegelung machen dürfte. Meine Hausärztin sah dies zum Glück anders und händigte mir eine Einweisung aus. Sie empfahl mir, in ein bestimmtes Haus zu gehen, wo ein guter Proktologe praktizierte, und die könnten dann sicher auch noch andere Untersuchungen wegen der freien Flüssigkeit machen. Als ich dort anrief, war die Sekretärin zunächst sehr unkooperativ und wollte mir einen ambulanten Termin geben. Ich erklärte ihr mehrfach, dass ich einen stationären Termin bräuchte. Daraufhin fragte sie dann, was denn ein gynäkologischer Befund mit einer Darmspiegelung zu tun hätte. Sie wolle das noch einmal mit ihrem Chef besprechen. Ich dachte schon, jetzt bist du so nah dran, und nun geht es doch noch schief. Ich ließ mich daher dann unmittelbar einmal vorsorglich zu ihrem Chef, dem Spezialisten durchstellen, ich erklärte ihm, dass ich blind sei und deswegen unbedingt stationär eine Darmspiegelung machen lassen wollte, und selbst ohne die Erwähnung der freien Flüssigkeit hatte er ein Einsehen. Ich könne mich auf ihn berufen, und somit rief ich nochmals bei der Sekretärin an. Ja, sie habe doch das nie infrage stellen wollen, sie habe doch lediglich wissen wollen, was das eine mit dem anderen zu tun habe, und es stünde ihr schließlich doch gar nicht zu, so etwas überhaupt zu bezweifeln. Sie wollte doch nur ihren Chef wegen eines Termins fragen, wann ich denn kommen könnte, obwohl wir darüber bereits gesprochen hatten. Nun denn. Hauptsache, ich hatte meinen Termin. Später hörte ich dann von einem Bekannten mit einem ähnlichen Syndrom, wie ich es habe, dass er von seiner Hausärztin ohne jedwede andere Indikation einfach einmal so einen stationären Termin für eine Darmspiegelung bekommen hatte, weil er ja schließlich mehrfach behindert sei. In meinem Fall ist das noch nicht zu allen durchgedrungen. Es findet zumindest keinerlei Eingang in mein Alltagsleben. Zufällig hat er dann auch noch einen Schwager, der im Kartenhaus arbeitet, der ihm dann problemlos den gewünschten Termin für die Darmspiegelung besorgen konnte. Wohl dem, der Vitamin-B besitzt. Ich erhielt einen Termin Anfang November. Dies war zu der Zeit, als unser Familienmitglied nach kurzer, heftiger und schwerer Krankheit im Krankenhaus auf der Palliativstation verstorben war. Für mich war das ziemlich schrecklich, weil ich unser Familienmitglied immer noch vor meinem inneren Auge in dem dunklen Schlafanzug im Bett liegend vor mir sah, schreiend, panisch und verwirrt und überhaupt nicht bei sich. Und am Ende gab es keinen Ausgang mehr aus dem Krankenhaus. Ich fragte meine Assistentin, ob sie kommen könnte. Am Nachmittag nach der Darmspiegelung hätte ich sicher das Bedürfnis, dass mir jemand ein Stück Kuchen und einen Kaffee aus der Cafeteria bringen könnte, was ja von den Schwestern nicht einfach einmal so gemacht wird. Ja, das könne sie machen. 10 Minuten später rief sie an, es sei ihr eingefallen, dass sie genau zu diesem Zeitpunkt, zu dumm aber auch, einen Arzttermin hätte, daher könne sie nicht kommen. Später rief mich dann eine Bekannte aus meiner Theatergruppe an, ich klagte ihr mein Leid, ja, sie wolle mich besuchen. Drei Tage nach unserem Telefonat rief sie mich an, sie habe eine schlimme Erkältung, es ginge ihr gar nicht gut, und sie könne nicht kommen. Aber ich glaube, bis dahin wäre sie sowieso, selbst wenn das mit ihrer Erkältung gestimmt hat, sicher längst wieder gesund gewesen. Am Tag der Einweisung hatte ich sowieso eine Assistenz, die normalerweise regulär immer zu diesem Zeitpunkt kommt, daher bat ich sie, dass sie mit mir zusammen ins Krankenhaus gehen möge, und dass wir uns dort treffen. Ungefähr 30 Minuten, bevor das Taxi kam, schickte sie mir eine WhatsApp, sie habe Probleme mit dem Darm, sie müsse andauernd auf Toilette, und da könne man doch nicht ins Krankenhaus gehen. Diese Assistenz hatte mir noch Monate zuvor in den hellsten Farben geschildert, dass sie eine todkranke Freundin bis zum Ende gepflegt hätte. Da wäre ja mein Krankenhausbesuch wirklich eine Lappalie dagegen gewesen, den man locker mal ebenso absolvieren hätte können. Und ich hätte jemanden gehabt, der den Schwestern klarmacht, dass ich keine bösen Absichten habe, sondern dass ich einfach schwerstmehrfachbehindert bin und daher häufig Probleme mit der Kommunikation habe und öfter mal etwas nicht verstehe oder vielleicht da und dort Hilfe brauche. Ich weiß, wenn ich in der Not bin, dann ist keiner für mich da. Unser Familienmitglied war eine der wenigen auf dieser Palliativstation, dessen Zimmer fast nie leer war. In dem Zimmer war immer am meisten los. Dessen Freund war da, Verwandte und sehr viele Freunde aus all dessen Freundeskreisen waren sehr häufig zugegen. Das alles konnte ich mir leider nicht erarbeiten. Wenn ich einmal alt bin, werde ich einsam im Krankenhaus sterben. Ich hoffe nicht, und ich würde mir wünschen, dass ich einfach nachts einschlafe, morgens nicht mehr aufwache und einmal mit den Füßen voraus aus meiner Wohnung gebracht werde. Habe ich mir im Leben so wenig bezüglich meiner Umstände selbst aussuchen können, vielleicht klappt es ja beim Sterben einmal. Ich bin also alleine mit dem Taxi ins Krankenhaus gefahren, der Fahrer brachte mich noch zur Rezeption. Zunächst einmal wurde ich zur falschen Station gebracht, man habe dort keinen Platz, wo man mich versehentlich hingeführt hatte. Ich empfand das nicht als sehr vertrauenerweckend. Dann war ich endlich auf der richtigen Station. Ich hatte meine Kaffeemaschine mitgenommen, weil ich nicht jedes Mal um einen Kaffee betteln wollte. Schon wurde ich ermahnt, dass diese Maschine nicht zertifiziert sei, dass ich sie daher nicht anschließen dürfte. Im Zimmer bei mir war eine ältere schwer kranke Frau, deren Tochter noch da war. Dann kam die Schwester, und als ich nach einer Steckdose suchte, warf ich sofort die Wasserflasche um. Unter genervtem Stöhnen wischte sie alles auf, denn sie hatte zuvor eigentlich den Deckel nicht drauf gemacht. Sie erklärte mir, sie können nicht 24 Stunden bei mir am Bett stehen, weil ich blind sei. Meine Nachbarin, wohlgemerkt, genauso unverschuldet wie bei mir der Fall, musste während der Zeit, als sie abführte, laufend zur Toilette, und da ihr Sauerstoffschlauch nicht bis zur Toilette reichte, ging ständig etwas daneben, sodass die Schwestern dauernd alles auf putzen mussten. Diese Arbeit hatten sie mit mir nicht, aber als Behinderte stellte ich eine größere Herausforderung für die Schwestern dar, denn wegen Erkrankung Probleme zu machen ist etwas anderes, als wenn man wegen einer Behinderung Probleme macht. Das darf man sich nicht erlauben und schon gar nicht erwarten, dass sie dann auch noch freundlich Hilfestellung leisten. Danach wurde dann die letzte Suppe vor der Darmspiegelung angekündigt, und als ich erklärte, dass ich kein Fleisch esse, war ich dann komplett unten durch. Sie musste dann noch mal extra eine andere Suppe für mich bestellen. Um 4:00 Uhr war noch niemand da, obwohl wir eigentlich die Flüssigkeiten einnehmen sollten, damit wir am nächsten Tag für die Darmspiegelung fertig wären. Ich hatte das mit dem 4:00 Uhr sehr wörtlich genommen, ich dachte, wenn es später wird, sind wir nicht im Zeitplan, und ich war womöglich dann auch noch umsonst im Krankenhaus. Ich fragte also nach, niemand wusste, wann die Ärzte kommen. Ich war total verzweifelt, und ich sagte, wenn sie bis 18:00 Uhr nicht da sind, gehe ich, denn dann kann ich morgen nicht gespiegelt werden, wenn noch alles drin ist. Die hätte mir ja mal erklären können, dass die Darmspiegelung auch noch am Nachmittag durchgeführt wird, wenn bis zum Vormittag noch nicht alles raus ist. Die war dann auch schon genervt, und sie wechselte einen Blick mit meiner Bettnachbarin, die dann meinte, nun ja, man kann es sich nicht aussuchen. Wenn ich meckerte, dann hat diese Zimmerkollegin immer die Leute verteidigt, aber sie hat sich auch mal beschwert. Deswegen hörte ich gar nicht zu und sagte, ich höre jetzt ein Hörbuch, sie haben für meine Beschwerden auch kein Verständnis geäußert, warum soll ich mir jetzt ihre anhören? Später kam dann endlich die Ärztin, es waren zwei Assistenzärztinnen, sie kamen immer wieder mit neuen Fragen, weil sie offenbar von den Oberärzten diesbezügliche Anweisungen bekommen hatten. Zum Glück war dann endlich alles geregelt, und ich bekam den ersten Krug, den ich im wahrsten Sinne des Wortes bis zum bitteren Ende austrank. Der Himbeergeschmack übertönte nur mäßig den bitteren Nachgeschmack der Medizin. Am Morgen sollten wir noch einmal so einen Krug bekommen, der Tat auch bald seine Wirkung. Bei mir war es nicht so schlimm mit dem Abführen, aber trotzdem hat alles funktioniert. Am Vormittag vor der Darmspiegelung bekamen wir dann eine Hose mit Loch, eine sogenannte Kolo-Hose, von Koloskopie, und dann kamen auch die Leute, um nicht abzuholen. Am Abend zuvor geschah noch etwas Merkwürdiges. Meine Schwester sollte kommen, da unser Familienmitglied ja verstorben war, und sie zur Beerdigung anreiste. Ich hatte bei WhatsApp geschrieben, dass ich keinen Besuch bekommen werde, und dass ich sehr traurig bin. Meine große Schwester schrieb, es wird dich jemand besuchen. Ich dachte noch, wer soll das sein? Denn die Reise hätte etwas länger gedauert. Auf einmal rief meine Schwester an, sie wollte den Zug vom Flughafen zum Hauptbahnhof der nächstgrößeren Stadt nehmen, aber aus irgendeinem Grund habe er nicht mehr angehalten am Hauptbahnhof, und sie musste bis zu mir durchfahren. Es war so, als hätte der liebe Gott sie zu mir geschickt. Normalerweise fahren dort nie Züge, die auf dem Weg zu meiner Stadt nicht vorher noch ein paarmal anhalten. Sie rief also an und fragte, ob sie bei mir übernachten könnte. Ich bat die Schwester, sie in Empfang zu nehmen, damit ich ihr meinen Schlüssel übergeben könnte. Sie war also dann abends da, und wir unterhielten uns noch eine Weile, später gab ich ihr dann den Schlüssel. Sie übernachtete in meiner Wohnung, und so konnte ich der Katzenbetreuung für diesen Abend absagen und hatte schon Geld gespart. Ich bat meinen Taxifahrer, dass er meine Schwester abholt und überall hinbringen sollte, wo sie hinfahren will. Als dann also der nächste Tag der Darmspiegelung kam, und ich heruntergebracht wurde, war dort der freundliche Spezialist, und schon wurde ich in Schlaf versetzt. Ich wurde zuvor sogar gefragt, wer ich sei, und was genau bei mir gemacht würde. Offenbar sichert man sich da heute ab, da es wohl häufiger vorgekommen sein muss, dass falsche Untersuchungen gemacht wurden. Seit meiner Nierentransplantation träume ich während der Narkose, aber es sind immer ganz normale Alltagsdinge oder irgendwelche Szenen, die relativ belanglos sind. Ich wachte auf, als hätte ich einen tiefen schönen nächtlichen Schlaf gehabt. Ich wurde danach nach oben gebracht und rief meine Schwester an. Sie war auf dem Weg zu mir, und ich sagte, sie solle noch 1 Stunde warten, damit ich schlafen könnte. Der Spezialist hatte eine Chirurgin auf meinen Allerwertesten schauen lassen, da ihm etwas aufgefallen war. Er erklärte mir außerdem, dass man noch ein CT wegen meiner freien Flüssigkeit im Bauchraum und der teilweise auftretenden Schmerzen machen würde. Seit meiner Blasenentzündung Anfang 2023 hatte ich immer mal wieder Schmerzen im Unterleib. Als ich also gerade noch einmal etwas ausruhen wollte, ging schon die Tür auf, und die Schwester kam mit einem Becher gefüllt mit Kontrastmilch, den ich innerhalb der nächsten 30 Minuten austrinken sollte. Ich würde dann zum CT abgeholt. Da ich meine Schwester sonst nicht hätte treffen können, rief ich sie an, dass sie jetzt doch kommen möge. Sie schimpfte etwas, weil sie gerade ins in der Nähe gelegene Einkaufszentrum gegangen war, und der Taxifahrer war schon weg, nun müsste sie zu Fuß zu mir kommen. Sie war aber noch pünktlich da, so konnte sie mich bis hinunter zum CT begleiten. Dort wurde mir dann erklärt, dass man mir mit hohem Druck Kontrastmittel in die Vene jagen würde, und das würde Hitze erzeugen, und ich würde das Gefühl bekommen, als würde ich auf die Liege pinkeln. Das sei aber nicht der Fall, ich solle keine Sorgen haben. Ich habe schon von dieser ominösen Untersuchung gehört, normalerweise trinkt man dann Kontrastmittel, man bekommt Kontrastmittel durch die Vene gejagt und dann auch noch hinten reingeschossen. Der Teil mit dem hinten hinein blieb mir zum Glück erspart. Jedenfalls ging dann alles noch ganz schnell, und es war auch gar nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Meine Schwester war gerade weg, als ich aus dem CT kam, weil sie die Cafeteria gefunden hatte. Sie kam wieder und brachte mir auf meinen Wunsch hin eine Brezel und einen russischen Zupfkuchen mit sowie Kaffee und Mineralwasser. Ich hatte ja schon seit fast 24 Stunden nichts gegessen. Sie konnte noch mit nach oben gehen, dann musste sie sich verabschieden, um mit dem Bus weiter in Richtung meiner Eltern zu fahren. Dann kam die Ärztin rein und erklärte mir, ich hätte eine Fistel, das hätten eigentlich normalerweise nur Männer, das hätte man, wenn man viel sitzt, und das müsse unbedingt untersucht und gegebenenfalls auch dringend operiert werden. Denn wenn die Fistel aufreißt, könne sich der Darminhalt in den Bauchraum entleeren. Es solle noch ein MRT gemacht werden. Ich fragte, ob ich das heute noch machen dürfte, da ich ja in zwei Tagen zur Beerdigung fahren müsste, nein, das müsse morgen gemacht werden, ich müsse noch eine Nacht bleiben. Ich rief also meine große Schwester an, die meinte dann auch noch, ich solle doch das MRT irgendwann später mal machen, aber ich sagte ihr, die Gesundheit geht vor, und jetzt noch mal einen separaten Termin für ein MRT zu organisieren ist wesentlich umständlicher. Jetzt sei ich ja nun mal schon da, und jetzt würde alles gemacht. Aber ich wollte noch jemanden finden, der beim MRT bei mir ist. Die Ärztin schlug mir vor, dass ich doch Tavor nehmen könnte, dann wäre ich doch beruhigt. So etwas möchte ich aber nicht, wenn jemand seine Hände auf meine Füße legt, bin ich auch beruhigt. Es ist nicht die enge Röhre , sondern es sind diese schrecklichen Töne, die mir irgendwie Angst machen. Ein Freund von mir meinte, ich solle mir vorstellen, dass er Techno für mich spielt, und das hat geholfen. Ich suchte weiter über WhatsApp, einige fragten, was denn los sei, nur, um mir dann zu erklären, dass sie sowieso zu diesem Zeitpunkt nicht könnten. Sie hatten also ihre Neugierde befriedigt, und das war es. Meine damalige Putzfrau wohnte aufgrund ihrer Erkrankung mit einem Mitglied ihrer Selbsthilfegruppe in einer Wohnung, und dieser war in der gleichen Organisation angestellt. Somit bot sie mir an, ihn zu fragen, ob er kommen könnte. Im Krankenhaus wollte man sich bemühen, jemanden zu finden, aber ich dachte mir, sicher ist sicher. Er sagte also zu, und er würde um 9:00 Uhr da sein. Da sollte eigentlich das MRT stattfinden. Ich fragte noch die Krankenschwester, ob sie Ohrstöpsel hätten, nein, sowas hätten sie nicht, das gäbe es in der Apotheke, und das müsse man bestellen. Als der Mann dann da war, fragte er ebenfalls, und schon kam die Schwester mit Ohr stöpseln, legte sie vor mich hin und meinte bissig, sehen Sie, man muss nur fragen. So geht es mir immer. Ich fragte ihn, ob wir das über die Putzfrau abrechnen könnten, dass er zu mir kommt. Das kriegen wir schon hin, meinte er, er wisse, wie es ist, krank zu sein, und er habe 50 Operationen in seinem Leben gehabt, ich hatte etwas das Gefühl, als ob er meine Situation verharmlosen würde. Er würde nicht so aufs Geld schauen, ihm sei das alles egal. Ihm sei das nicht wichtig. Wir sind also zusammen erst einmal zum Ultraschall, und danach ging es zum MRT. Vorher ist noch zu erwähnen, dass ich seit dem Kontrastmittel für das CT kaum noch Wasser lassen konnte, und ich hatte Angst um meine Niere. Obwohl ich viel trank, musste ich kaum auf Toilette. Ich fragte daher am Abend vor dem MRT, ob sich das ein Arzt einmal anschauen könnte. Es hieß aber nur, solange ich noch Luft bekäme, wäre alles in Ordnung,, es sei im Moment keiner da. Die Notärztin sei alleine. Ich wollte ja nicht warten, bis meine Niere kaputt war, und sich bereits Wasser in der Lunge befand, sondern ich wollte ja mein noch lebendes Organ schützen. Meine Zimmerkollegin, die ebenfalls als sehr alte und schwer kranke Frau eine Darmspiegelung hatte, ging mit der Schwester aufs Klo, und weil sie etwas wackelig auf den Beinen war und fast umgekippt wäre, holte die Schwester sofort die Notärztin. Die kam sofort, aber die Frau, wegen der die Notärztin geholt worden war, schlief schon. Eigentlich waren es sogar zwei Notärztinnen, die kamen. Ich fragte also nach, warum denn bei mir niemand kommt, wenn ich ein Problem habe, wo es doch schließlich „nur“ um meine Niere ging. Ob den hier nicht alle Patienten gleich seien. Die Ärztin erklärte mir, dass noch einmal ein Kreatinin angesetzt würde, und dass ich mir keine Sorgen um meine Niere zumachen bräuchte. Am nächsten Tag fragte ich dann also beim Ultraschall nach, denn die Werte waren schon im Computer eingetragen. Die sehr nette Ärztin beim Ultraschall schaute drauf und sagte, dass mein Kreatinin mit 0,96 im grünen Bereich sei, das sei also völlig in Ordnung. Das freute mich. Als wir dann weiter fuhren zum MRT, sprach ich noch einmal auf Wunsch mit dem dortigen Radiologen, denn das MRT sollte ebenfalls wieder mit Kontrastmittel gemacht werden. Das Kontrastmittel für das MRT ist allerdings nicht so schädlich wie das für das CT. Aber nachdem ich ja am Tag zuvor das Kontrastmittel für das CT bekommen hatte, wollte ich auf Nummer sicher gehen. Der Radiologe war zufällig vorher Internist und war sehr freundlich, und vor allem in Anwesenheit meiner männlichen Begleitperson nahm er sich sehr viel Zeit und erklärte mir alles. Selbst Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion dürfen noch ein MRT mit Kontrastmittel machen lassen. Er schaute auch noch einmal auf die Blutwerte, um sicherzugehen, dass es sich nicht um die Werte vom vorherigen Tag handelte, und er meinte, meine Niere würde gut funktionieren, es sei also kein Problem, das MRT mit Kontrastmittel durchzuführen. Mein Begleiter fragte auch nochmals nach Ohr stöpseln, und ich bekam auch noch einen Gehörschutz auf. Er hielt dann meine Füße fest, manchmal rüttelte er aber auch etwas an meinen Beinen, wodurch ich Angst hatte, dass das Bild vielleicht verwackelt würde. Während des ganzen MRT stellte ich mir vor, dass mein guter Freund Techno vorführen würde. Dies war schon mein drittes MRT, aber ich hielt es erstaunlich gut aus. In der Tat fand ich die Töne teilweise recht interessant, denn obwohl es sich um die gleiche Tonhöhe handelte, änderte sich zuweilen die Klangfarbe. Ich war aber trotzdem froh, als es dann endlich vorbei war. Für mich sind sich ständig wiederholende Töne extrem anstrengend. Die enge Röhre macht mir nichts aus, eigentlich sehe ich die ja sowieso nicht richtig, daher ist mir das ziemlich egal. Endlich war dann alles fertig. Mein Begleiter war nun 3 Stunden dar. Als wir wieder auf Station waren, hatte ich leider nur einen 50 € Schein, den ich ihm in die Hand drückte, und welchen er auch anstandslos und ohne sonderlich heftige Gegenwehr entgegennahm. Meine Zimmerkollegin, die all das mit angehört hatte, dass ihm Geld unwichtig sei etc., meinte, sehen Sie, so schlecht ist die Welt doch nicht, wie sie immer meinen. Ich hatte mich nämlich darüber beklagt, dass mich niemand besucht, und dass alle nur faule Ausreden haben. Dass ich ihm 50 € gegeben hatte, hat sie nicht mitbekommen. Am Tag zuvor hatte ich Angst, dass mein Handy gestohlen worden wäre, weil ich es nicht fand. Dies ist meinem Bruder einmal während eines Krankenhausaufenthaltes passiert. In Krankenhäusern wird sehr viel geklaut. Meine Zimmerkollegin schrie mich daraufhin an, das sei ja wohl eine Frechheit, dass ich sowas von anderen Leuten denken würde, und ich könne mich ja wohl selbst nicht leiden und wäre daher immer so bösartig. Ich sagte ihr, dass dies durchaus vorkomme, und das sie bitteschön ihr Urteil über mich für sich behalten sollte. Ab und zu war sie dann aber immer mal wieder neugierig und wollte wissen, ob und welchen Pflegegrad ich hätte, und was ich denn alles hätte usw. Ich dachte mir, wer so mit mir spricht, muss auch nicht alles über mich wissen. Demonstrativ habe ich dann meinem Begleiter vor ihr erzählt, welchen Pflegegrad ich habe. Das nächste Mal, wenn ich wieder im Krankenhaus bin, werde ich einfach nur die Kopfhörer aufsetzen und jedes Gespräch mit Zimmerkolleginnen vermeiden. Ich bin einfach nicht dafür geeignet, mit anderen problemlos Konversation zu machen. Auch kommt es häufig vor, dass die Leute mich nach meinen Krankheiten fragen und dann meine Krankheiten sofort übertrumpfen. Ich habe Lupus, ich habe alles außer Zucker, hat mir einmal eine Zimmerkollegin energisch und selbstbewusst klargemacht. So nach dem Motto, ich bin hier der Boss. Daher sage ich auch nicht mehr, was ich habe. Ein paar Stunden nach dem MRT kam dann die Ärztin und meinte, es sei alles in Ordnung, sie hätten nichts gefunden, die freie Flüssigkeit im Bauchraum könne man sich nicht erklären, die sei immer gleich groß geblieben, und ansonsten sei ja gar nichts zu machen, ich könne gehen. Ich fragte dann, was mit der Fistel sei, ach, die Fistel, das ist eigentlich gar nichts, das haben viele Leute, und das haben Sie wahrscheinlich schon länger. Sie schaute noch einmal kurz drauf und meinte, dass ist nicht schlimm, da passiert nichts. Also rief ich mein Taxi und fuhr nach Hause. Somit konnte ich also am nächsten Tag auf die Beerdigung fahren. Am Abend rief noch meine Schwester an und sagte, welche Lieder gewünscht wurden, die übte ich dann noch und auch mein besonderes Stück auf der Querflöte und Lieder, die ich zuerst auf der Querflöte anstimmen und dann auf der Gitarre begleiten sollte, und am nächsten Tag ging es dann schon ab nach Hause zu Beerdigung. Noch während der Taxifahrt übte ich die Lieder, der Taxifahrer suchte eines der Lieder auf YouTube, und ich begleitete es mit der Querflöte, um zu üben. Und während des Gottesdienstes lief trotz der Aufregung und des Lampenfiebers alles prima. Am Ende ging der Krankenhausaufenthalt aus wie das Hornberger Schießen, außer Spesen nichts gewesen, und gefunden hat man gar nichts, zum Glück. Woher jetzt die freie Flüssigkeit kommt, und was damit ist, weiß niemand. Wahrscheinlich bildet sie sich sowieso wieder zurück. Zumindest war der Befund der Darmspiegelung in Ordnung. Das ist die Hauptsache.

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