Katzennetz oder
Fernseher?
Da Isidor auf so traurige Weise ums Leben gekommen ist,
möchte ich mir keine Katze mehr anschaffen, ohne sicherzugehen, dass sie nicht
mehr auf die Straße kann. Hierfür benötige ich ein Katzennetz. Ich habe mich
bei einem professionellen Dienst erkundigt, der solche Netze anbringt. Zuvor
hatte ich einmal vor langer Zeit über das Radio jemanden gesucht, der mir ein
Katzennetz anbringen könnte. Es hat sich ein ziemlich seltsamer Typ gemeldet,
der zunächst versprach, nur das Material zu verlangen und sonst nichts. Dennoch
hat er hinterher 400 DM gewollt. Das Katzennetz war total löchrig und instabil.
So konnten alle meine Stubentiger ausbrechen. Dieses Mal wollte ich es wirklich
mit Hand und Fuß angehen. Der Mann am Telefon sagte mir, ich müsse zunächst das
Einverständnis meiner Vermieterin und der Eigentümer einholen, denn wenn er das
Katzennetz an brächte, könnten sogar die Nachbarn sich beschweren und darauf
bestehen, dass ich das Katzennetz ab montieren lasse, und dann hätte ich das
ganze Geld umsonst ausgegeben. Da meine Vermieterin seit langem abgetaucht ist,
hatte ich die Befürchtung, schon über diesen Schritt nicht hinaus zu kommen.
Ich habe ihr daher eine Mail geschrieben und über die Verwaltung mit Mühe und
Not ihre jetzige Adresse erfahren. Auf die Mail hat sie sogar
erstaunlicherweise geantwortet. Als dreifache Katzenbesitzerin habe sie
Verständnis und würde der ganzen Sache zustimmen. Nun blieb noch die Aufgabe,
die Eigentümerversammlung dazu zu bringen, dass Katzennetz zu genehmigen. Da
ich wegen einer Katzenklappe schon einmal einen Antrag auf Genehmigung an die
Eigentümerversammlung gestellt hatte, und dieser überhaupt nicht beantwortet
und nicht einmal bearbeitet wurde, hatte ich große Angst. Ich rief also, wie mir
auch die Vermieterin geheißen hatte, nochmals bei der Verwaltung an, wobei der
Verwalter sehr kulant war und meinte, die Vermieterin würde zwar diesen Antrag
selber nicht stellen, soweit kenne er sie, aber er würde das dann einfach für
mich tun. Ich besprach mich mit der Nachbarin, die mir damals den Stoffe
gebracht hatte, dass ich zunächst einmal den Mann mit dem Katzennetz kommen
lassen sollte, damit er mir erklärt, wie das Katzennetz angebracht würde. Denn
dann könnte ich eventuelle Fragen beantworten, die die Eigentümer vielleicht
haben könnten, oder Bedenken aus dem Weg räumen. Wir beschlossen, danach durch
das Haus zu gehen und alle um Ihre Zustimmung zu bitten. Meine Nachbarin hat
mich auf mein Bitten hin dann nämlich begleitet. Das Katzennetz würde nur mit
ein paar kleinen Schrauben angebracht, die man aber danach wieder entfernen und
den Verputz reparieren könne. Somit gingen wir durchs Haus und rannten offene
Türen ein. Denn jeder sagte, es sei ihm herzlich egal, ob ich mir ein
Katzennetz anbringen lassen würde oder nicht. Es gäbe hier überhaupt keine
Probleme. Meine unmittelbare Nachbarin, die auch Eigentümerin ist, haben wir
aber noch nicht erreicht. Daher warte ich jetzt noch, bis die
Eigentümerversammlung über die Bühne gegangen ist, denn ich habe schon Pferde
kotzen sehen. Es braucht nur jemand dabei sein, der mich ärgern will, oder der
aus Prinzip einfach gegen alles ist. Der findet dann irgendeine Vorschrift,
weshalb es nicht möglich ist, ein Katzennetz anzubringen. Aber bisher verläuft es
positiv. Ich habe nur langsam bedenken, dass ich überhaupt niemals von dieser
Eigentümerversammlung erfahren werde. Jedes Mal, wenn ich nachfrage, höre ich,
es hätte noch keine Eigentümerversammlung gegeben.
Momentan gibt es einen Fernseher, dessen Menüführung mit
einer Sprachausgabe funktioniert. Da meine Augen immer schlechter werden, kann
ich immer schlechter die Filme mit dem eingebauten elektronischen
Programmführer meines Festplattenrekorders einprogrammieren. Die Frage war
immer, was geht zuerst kaputt: mein alter Röhrenbildschirm oder meine Augen.
Leider hat sich das Schicksal für Letzteres entschieden. Es gab bisher nur
einen Festplattenrecorder mit Sprachausgabe, welcher 1500 € kostet. Dieser ist
sehr unhandlich und hat einen schlechten Support. So wurde es mir zumindest von
anderen erzählt, die dieses Gerät haben. So viel Geld möchte ich auch nicht
ausgeben. Mittlerweile gibt es eine Firma, die zwei Fernseher herstellt, deren
Menüführung Mitsprache funktioniert. Der eine hat eine Festplatte, der andere
nicht. Es erscheint mir wenig sinnvoll, einen sprechenden Fernseher zu haben,
wenn ich nur das Programm wechseln möchte. Das kriege ich gerade auch noch ohne
Sprache hin. Jemand, der ganz blind ist, möchte vielleicht auch wissen, wie der
Sender heißt, auf den er gerade schaltet. Ich kann dies noch an den Tafeln vom Videotext
erkennen, wenn auch nicht am Logo in der Ecke. Daher würde mich der Fernseher
mit der eingebauten Festplatte reizen. Dann könnte ich wieder Spielfilme
programmieren, ohne mich jedes Mal zu quälen oder wieder zu warten, bis ich
wieder besser dialysiert bin und wieder mehr sehe. Ich würde dann meinen alten
Festplattenrekorder für die Sendungen benutzen, die ich fest eingespeichert
habe, und die regelmäßig kommen. Daran braucht man dann nichts mehr zu ändern.
Dann könnte ich auch vielmehr parallel aufnehmen. Allerdings kann ich dann
nichts von der Festplatte anschauen, während ich mit dem Fernseher mit
eingebauter Festplatte etwas aufnehme, da der Fernseher wahrscheinlich keinen
Twin-Tuner hat. Aber dann schaue ich
eben das, was der Fernseher gerade aufnimmt. Es gibt ja auch Zeiten, in denen
ich andere Dinge Tour, und da können die beiden Geräte dann machen, was sie
wollen. Ich schaue zwar ziemlich viel fern, aber ziemlich ausgewählte Sachen.
So schaue ich mir zum Beispiel gerne die Filme mit Bildbeschreibung für
Sehbehinderte an. Dann habe ich noch bestimmte Serien oder bestimmte
Talk-Runden,. Wie zum Beispiel Menschen der Woche, das Nachtcafé oder Menschen bei Maischberger
Nun muss ich mich entscheiden: kaufe ich den Fernseher, der
unter Umständen bis zu 900 € kosten kann, oder warte ich noch auf die
Eigentümerversammlung, um dann das Katzennetz für 600 € anzubringen? Einerseits möchte ich bald wieder ein neues
Kätzchen, vielleicht ist das auch für Jakob gut. Andererseits habe ich den
Eindruck, die Eigentümerversammlung kommt erst am St. Nimmerleinstag. Dann habe
ich wenigstens schon einmal den Fernseher. Für das Katzennetz kann ich dann
wieder neu sparen. Beides kann ich mir nicht gleichzeitig kaufen. Ich habe
bereits mit einer Dame vom Tierheim aus einem Ort in meiner Nähe gesprochen,
sie würde mir das passende Kätzchen heraussuchen. Aber der Weg hierhin ist noch
sehr lange, da sich in Sachen Katzennetz einfach nichts tut.
Andererseits müsste ich erst meinen alten Fernseher
loswerden. Ich habe ein bekanntes Ehepaar, die einen kleinen Fernseher möchten,
der genau in ihre Ecke passt. Sie hat bereits die Maße genommen, und sie wird
mir dann Bescheid geben. Wahrscheinlich muss ich da auch hinterher laufen und
anfragen, ob sie ihn nun will oder nicht. Allerdings hat sie mich auch nicht
gefragt, was ich für den Fernseher möchte. Sie hat mir angeboten, mir ein paar
Brote dafür zu backen, da wir zuvor davon gesprochen hatten, dass sie selbst Brot
backt. Ehrlich gesagt möchte ich meinen Fernseher nicht einfach nur für ein
paar Brote eintauschen. Andererseits werde ich für die alte Kiste sowieso
nichts mehr kriegen und kann froh sein, wenn ich sie überhaupt los werde. Ich
finde es schade, Dinge wegzuwerfen, die noch funktionieren. Aber da meine Augen
einfach nicht mehr mitmachen, und ich ohne Sprache nichts mehr programmieren
kann, zumindest nicht mehr lange, muss ich wohl in den sauren Apfel beißen und
mir diesen Flachbildschirm kaufen. Mir
ist so ein Ding eigentlich viel zu groß. Vielleicht passt er auch gar nicht in
meine Ecke. Nun muss ich einfach überlegen, was ich mache. Vielleicht kann ich
auch immer meine Helferin bitten, mir meine Filme einzuprogrammieren. Aber das
kostet dann wieder Stunden.
Außerdem ist nun mein Implantat freigelegt. Nun muss ich
noch einige schwere Schrittte hinter mich bringen. Zum einen muss ich bei der
Kasse den Heil- und Hilfeplan des Zahnarztes vorlegen und hoffen, dass Sie mir
einen großen Anteil für die Krone genehmigen. Bei geringem Einkommen kann man
beantragen, dass sie alles genehmigen. Ich hoffe, dass das klappt. Dann kommt
eine dicke Masse in meinen Mund, um mit dem Stutzen des Implantats den Abdruck für
die Krone zu nehmen. Wahrscheinlich muss ich hier ein Beruhigungsmittel nehmen,
da ich sonst einen zu starken würge Reiz hätte. Danach wird die Krone einmal
probehalber aufgesetzt, dazu muss jedes Mal die Schutzkappe wieder an- und
abgeschraubt werden. Dann erst kommt die fertige Krone endgültig auf die Schraube,
notfalls muss sie sogar zementiert werden. Wir hoffen, dass dies alles noch vor
dem 26. Juni, also vor meiner Nasen-OP vonstatten geht. Da habe ich allerdings
meine Zweifel. Im August habe ich den Zahn gezogen bekommen, an Ostern wollte
ich schon wieder auf beiden Seiten kauen können. Nun habe ich diesen Wunsch auf
Pfingsten verschoben, wahrscheinlich klappt es höchstens und aller frühestens
im August. Wahrscheinlich geht es so aus, dass ich kurz vor dem Ziel schlapp
mache, und mir dann das Implantat doch nicht vollenden lasse. Jedes Mal denke
ich, nun bist du so weit gekommen, nun ist es nicht mehr viel, nun kannst du
doch nicht einfach aufgeben. Aber jedes Mal, wenn ich einen Schritt vollzogen
habe, und denke, jetzt ist es nicht mehr weit bis zum Ziel, hängt sich hinter
dem letzten Schritt noch ein weiterer hinten dran. Ich bin langsam so weit,
dass ich aufgebe. Ich hoffe nur, dass sich wenigstens ein Wunsch erfüllt. Wenn
das Implantat erfolgreich beendet ist, und die Krone sitzt, werde ich die Nasen-OP
machen. Wenn hier schon kein Erfolg ist, werde ich mir nicht noch einen
weiteren Misserfolg zumuten. Schließlich kann es ja auch passieren, dass ich
nach Einsetzen der Krone dieselben Schmerzen habe, wie ich sie hatte, bevor der
Zahn gezogen wurde. Auch dies wäre ein Misserfolg. In so einem Falle würde ich
mir nicht zutrauen, die Nasen-OP zu machen. Denn wenn schon das Implantat
schief gegangen wäre, was wird dann erst aus einer Nasen-OP? Wenn ich vor dem Ziel mit dem Implantat
aufgebe, dann habe ich eine Zahnlücke und keine Nasen-OP. Ich hoffe nur, dass
es mit dem Abdruck klappt, und das dann nicht noch weitere Torturen folgen. Ich
werde mir ein Ultimatum setzen, wenn ich es bis August nicht geschafft habe,
die Krone zu haben, und wenn dann immer noch weitere Schritte angehängt werden,
werde ich aufgeben, egal, wie weit ich bis dahin gekommen bin. Ich erspare mir
dadurch weitere Torturen, denn auch wenn bei einer Aufgabe dann alle bisherigen
umsonst waren, würden weitere Schritte der Qual dies nicht besser machen,
sondern am Ende nur noch mehr Qualen gefolgt sein, die sich in der Summe dann
alle als vergebens herausgestellt haben, wenn am Ende kein Ergebnis mit Erfolg
herauskommt. Je schneller ich aufgebe, umso weniger Torturen habe ich
vergeblich gemacht. Dann doch lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken
ohne Ende. Dann habe ich am Ende weniger Qualen durchstehen müssen, als wenn
ich ewig weitermachen würde, und am Ende dann doch genauso der Misserfolg
steht.
Es müsste jemanden geben, der zaubern kann, und es schafft,
dass ich endlich Erfolg habe. Irgendetwas muss dieses Jahr gelingen. Ob nun das
Katzennetz, oder das Implantat, oder die Nase, oder ein Ergebnis einer Suche
nach der passenden Diagnose für mich. Auf jeden Fall werde ich früher oder später
diesen Fernseher anschaffen. Das ist aber kein Erfolg, denn dafür muss ich
lediglich Geld hinlegen. Dennoch ist es etwas Schönes, da ich dann noch mehr
gute Unterhaltung habe. Und ich muss mich beim Programmieren nicht mehr so
abmühen. Die Entwicklungen gehen immer weiter, wo früher ein
Festplattenrekorder mit Sprachausgabe unbezahlbar war, gibt es heute halbwegs
erschwingliche kompakte Geräte mit eingebauter Festplatte. Zumindest dies ist
ein Entwicklungserfolg. Ich hoffe, dass ich am Ende des Jahres mit zwei Katzen
vor meinem neuen praktischen Fernseher sitzen kann und dabei Äpfel und Nüsse
auf beiden Seiten kauen werde.
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