Dieses Jahr hatten
wir sehr viele runde Geburtstage
und sonstige Feierlichkeiten. Ich bin
Großtante geworden. Mein Bruder
ist jetzt Opa. Außerdem
wurde ich 50, ein
Familienmitglied 60 und eines 90. Und
einmal wurde geheiratet. Am 8.
September war die Hochzeit.
Ich musste am 10. September ja schon wieder zu meiner Augenoperation,
die obendrein auch noch
in einer anderen Stadt
gemacht werden würde. Da meine
Familie woanders wohnt als ich, hätte
ich also am 8. September
nach Hause fahren müssen, also zu meiner Familie, was ich immer
noch als "nach Hause" bezeichne, da ich ja früher , als ich im
Internat war, auch immer "nach Hause" fuhr. Dann hätte ich am 9. Wieder
nach Hause, also in mein
jetziges eigenes Zuhause fahren müssen, dann einen halben Tag
ausruhen können, und dann wäre es gleich
am 10. In der Früh ab zur Operation
gegangen. Das war mir zu viel.
So wollte ich am gleichen Tag,
also am 8. Wieder zurück, um dann am 9. Gemütlich packen und noch
etwas ausruhen zu können. Die Frage
war aber, wie würde ich
"nach Hause"
kommen? Es gibt nur
eine Verbindung, die mit
einem Mal Umsteigen gefahren werden kann, und da gibt es nur einen kurzen Aufenthalt von
sieben Minuten. Unter 10 Minuten hilft aber der Mobilitätsservice nicht, es sei denn, man
unterschreibt denen, dass das auf eigenes Risiko geht. Da der Mobilitätsservice an diesem Bahnhof nach meiner Erfahrung nicht sehr zuverlässig ist, gehe
ich dieses Risiko nicht ein. Ich hätte
also eine ganze Stunde früher fahren
müssen, nur um dann 67
Minuten zum Umsteigen Zeig zu haben, und das, obwohl ich dann am selben Tag wieder heimfahren wollte. Ich wäre anstatt 2,5
ganze 3,5 Stunden nur für
einen Fahrweg unterwegs gewesen.
Meine Mutter fragte mich, warum ich denn nicht mal eine
Stunde früher fahren und dann halt am Bahnhof eine Stunde herumsitzen könne, das sei doch
wohl kein Problem. Das habe ich schon bei der Feier
des 90. Geburtstages so gemacht,
da ich zwar auf der Hinfahrt
bei meinem ersten Zielbahnhof
abgeholt und "nach
Hause" mitgenommen wurde, aber auf der Rückfahrt gab es erst
wieder einen Zug nach einer Wartezeit
von einer Stunde. Das hatten wir an meinem 50., den ich auch "zu Hause" gefeiert habe, weil ich dort noch einige
Freunde habe, auch schon so gemacht. Da hatte ich aber meinen Bekannten dabei, der mir beim Umsteigen helfen konnte. Da
waren die sieben Minuten auf der
Hinfahrt kein Problem. Auf derRückfahrt hatten wir damals in der Nähe des Bahnhofes ein schönes
Burger-Restaurant gefunden, das
selbst gemachte Speisen verkaufte, also nichts von der großen
Verbandsgastronomie. Bei dem 90. Habe ich dann halt einfach eine Stunde im Bahnhof in einem Café
herumgesessen und habe gewartet, bis man mich wieder zum Zug brachte. Dieses
Mal, bei der Hochzeit meines
Neffen, hätte das nicht geklappt. Denn niemand hätte mich von der Feier,
die in
einem kleinen Ort stattfinden
sollte, zum Bahnhof bringen
können. Abholen am ersten
Umsteigebahnhof und dann "nach
Hause" mitnehmen wie beim ersten Mal konnte mich auch keiner.
DerBräutigam war damals der Fahrer, und
der war ja jetzt die Hauptperson. Der
hatte mich damals mit seiner damaligen
Zukünftigen zusammen mit meinem
Bruder abgeholt, der auch bis zu dieser größeren Stadt gekommen war, und so
konnten wir beide dort eingesammelt und mitgenommen werden. Der Bruder
meines Neffen, also mein anderes
Patenkind, kam erst frisch aus Tanzania
zurück. Alle anderen
reisten von weiter her an und
hatten entweder kein Auto, oder sie hatten keine Zeit oder waren gar nicht
gekommen , weil frisch
gebackene Mutter oder krank im Bett (vor Prüfungsangst wahrscheinlich, wie ein anderer
Neffe aus unserer großen Familie…). So war die Frage, wie würde ich
zur Hochzeit kommen. Mein Bruder und ich, beide blind, hätten dann
so fahren müssen, dass wir zusammen
in einem Zug sind, aber man hätte mich eine Stunde zuvor dann schon mit dem Mobilitätsservice abgeholt und später dann in
den Zug in Richtung Feier gesetzt, aber wir wären dann nicht bis zu
unserem sonstigen eigentlichen Heimatort
gefahren sondern wären vorher in dem
Kaff ausgestiegen, wo die Trauung sein
würde. Und das, wo der Bummelzug bei
diesen Zwetschgenbäumen gerade mal zwei Minuten hält, und dann wäre kein Schaffner dagewesen, um uns die Türe zu öffnen und rauszuhelfen. Am Endbahnhof, unserem eigentlichen
Heimatort, hätten wir das
vielleicht noch geschafft, weil der Zug
dort ja länger hält. Der prüfungskranke Sohn meines
Bruders konnte uns also nicht
begleiten. Sonst wäre das auch kein Problem gewesen, sieben Minuten Umsteigezeit zu haben, da er dann
schon ein Stück mit mir gefahren
wäre, mich dann schnell zum
anderen zug hätte mitnehmen können, und ich hätte mir eine Stunde Fahrt gespart,
und er hätte uns beiden Blinden aus dem Zug helfen können. Wie wir es
auch wendeten und drehten, von unserer
großen Familie hatte keiner Zeit. Daher
nutzte ich meine Möglichkeit, die Taxikilometer
meines Behindertentaxis zu nehmen. Wir erhalten 1500 Km im Jahr, aber wir dürfen nur 100Km
pro Fahrt in eine Richtung
fahren, damit die Behinderten nicht
alles auf einmal nach Hamburg oder nach
Tschechien verjubeln. Wäre eigentlich
auch unser Bier, aber da wird
dann ein Riegel vorgeschoben. So habe
ich eine Sondergenehmigung, da ich zu meiner Familie "nach Hause" 180 Km einfach fahren muss. Dennoch muss ich mir ja die Kilometer
einteilen, da ich ja mehrere
Feierlichkeiten zu absolvieren
hatte und auch in meiner Stadt ab und zu
mal mit dem Taxi wo hinmuss. Letztes Jahr blieben mir
360 Km übrig, und ich hätte noch einmal
zu meiner Familie fahren können,
aber da war ich ja damals gerade erst.
Leider kann man die Kilometer nicht mit
rüber retten. Dieses Jahr hätte ich sie gut brauchen können.
Die Frage ist aber, dass man eben
nur zu dieser festgelegten Adresse
fahren darf. Daher
haben wir dann eben
privat was vereinbart. Denn der
Ort der Hochzeit lag auf dem Weg. Um alles noch komplizierter zu machen, würde dann wiederum
die Feier selbst noch einmal in einem anderen Ort sein, so dass ich wieder
woanders abgeholt werden musste,
als an dem Ort der Trauung, wo man mich mit dem Taxi abgeliefert hatte.
Das konnten wir dann auch regeln.
Nun wollten meine Eltern mir aber einige Sachen mitgeben. Unter anderm
erhielt ich ungefragt 12
Mohrenköpfe von unserem alljährlichen
traditionellen Rummel, die ich
aber gar nicht haben wollte, und haufenweise
Magenbrot und andere Sachen. Außerdem hatte ich meiner Schwester aufgetragen, mir in dem Dorf, wo sie im Kindergarten arbeitet, bei
dem Landgasthof Dosen mitzunehmen, da ich beim 90. Geburtstag so
tolle eingedoste Waren
von dem Metzger bekommen hatte,
dass ich das noch mal wollte. In unserer Großstadt gibt es
nur doppelt so teure Dosen
mit halb soviel Fleisch drin und
nur annähernd halb so gut wie bei einem
Landgasthof. Die Frage, also das
RIESEN-Problem war nun, dass man
diese vielen (ganze
sechs Stück!) an der Zahl mit
den anderen Lebensmitteln zusammen und den
Klamotten, die ich alle kriegen sollte,
nicht mit dem Auto von
meinen Eltern aus zu der Hochzeit
transportieren wollte, obwohl das ja
eigentlich das Einfachste war, weil
wir sie dann auch gleich ins Taxi
packen konnten. Am Ende ging es dann
doch. Mein Vater wollte zunächst unbedingt,
dass ich
mit dem Taxi nun doch bis zu ihnen "nach
Hause" fahren sollte, damit sie mir
dort die
Sachen geben. Ich sagte, dass ich nun doch extra eine andere Regelung gefunden hatte, und dass ich das dem
Taxifahrer nicht zumuten konnte, jetzt doch bis
zur sonstigen Adresse zu fahren
und mich dann auch noch zum
Trauungsort zu bringen. Aber mein
Vater blieb stur, und er erklärte mir laufend in diesem
belehrenden Ton , das sei doch wohl kein Problem, das könne ich ja wohl machen, so
schwer sei das doch nicht, der Fahrer
führe ja genau da entlang. Aber
die Sachen auf dem Parkplatz vor der Trauung
umzuladen, ja, DAS sei ein Problem, denn
sie müssten ja alles von "zu
Hause" mit dem Auto mitschleppen, und es könnte ja dort auf dem Parkplatz regnen. Zu Hause bei uns kann es also nicht regnen, da kann man das
umladen. So rief ich dann bei dem Taxi an und
fragte, ob sie nun doch über mein Heimatort fahren könnten, und da sagten sie erst, dass das mit den Sachen sowieso erst am Schluss ginge, da der Fahrer nur achtStunden arbeiten
dürfe, und es würde abends jemand
anderer kommen. So rief ich dann meine
Schwester an und bat sie, dass sie doch in Gottes Namen das Zeug
halt zu der
Trauung mitbringen sollte. Wenn das nicht geht, dann,
ehe das zu kompliziert wird, von mir aus könne es ansonsten
dann auch irgendwer anderer essen. Sie sagte, IHR sei das ganz egal, das sei nur die Idee meines Vaters
gewesen, dass er unbedingt wollte, dass ich die Sachen zu Hause bei ihm holen müsse. Aber sie würde jetzt halt doch, da es wohl ja nicht anders ginge, die
Sachen zur Hochzeit mitnehmen. DA mein
Vater nicht mehr so weitfährt, würde das
er das Auto nicht selbst fahren. So was
Umständliches. Sie meinte, mein Vater habe nur keine Lust, so lange zubleiben und wollte daher
unbedingt, dass ich die Sachen gleich bei ihm abhole, damit er vor Ender der Feier schön abdampfen kann. Er war schon immer so, dass er keine Lust
hatte, länger als nötig zu bleiben, wenn es ein Fest gab. Auf einmal rief das Taxi
dann doch an, dass sie nun doch
dieselbe Fahrerin für beide Fahrten
hätten, da sie ihren Hund , vorausgesetzt, ich würde es als Fahrgast erlauben , mitnehmen würde, und dann könnte sie diesen
unterdessen ausführen. Damitwar
wieder en Problem gelöst,da wir
dannalles gleich am Anfang ins Taxi packen konnten. So
ein Kasperltheater, da sagte ich schon, dass sie die Dosen notfalls dann auch halt genauso selbst essen könnten, wenn das so
schwer ist, denn Gulasch,
Rouladen und Geschnetzeltes isst ja jeder. Ich kann ja jederzeit mal wieder ein andermal Dosen haben, wenn es nicht so
kompliziert ist. Aber nein, die
wollten unbedingt, dass ich die jetzt
mitnehme, denn ich hatte sie ja bestellt, und mein Vater meinte, nein, das könnten sie nicht essen. Der will nur
ganz bestimmte Sachen, die genau
so oder so gemacht sein müssen, wie
er es kennt, und da darf man nix
daran ändern. Ich sagte
noch zu meiner Mutter, dass ich auf keinen Fall so viele Mohrenköpfe
haben wollte, weil die dann nur zäh würden, wenn der Rummel schon am 1. September aus war, ich am 8. September
die Schaumküsse erst holen würde, die dann hart würden, und dann würde ich ja nicht alle
auf einmal essen sondern aufheben, und ich würde ja ins Krankenhaus gehen. Aber
sie ließ sich nicht abbringen. Ich redete mit meiner Schwester darüber und sagte,dass ich das nicht wolle,
aber sie sagte, sie sei beauftragt
worden, das für mich zu besorgen. SIE habe ja auch Bedenken
geäußert, dass das für mich zu
viel sei, aber meine Eltern hätten
argumentiert, im Laden
würden die Mohrenköpfe
ja auch länger stehen und auch nicht
schlecht werden. Bei mir werden
die nach ein paar Tagen hart und zäh wie Gummi. Das sind aber sowieso keine Mohrenköpfe mehr, da sie
unterschiedlich farbig sind, und sie enthalten auch keine Sahne mehr
sondern diesen künstlichen Schaum. Daher
ist nicht nur aus political
correctness heraus der Begriff Schaumküsse zubevorzugen, alles andere
wäre "lügenpresse",
haha… DA kann man besonders bei
meiner Familie nichts ausrichten, wenn die sich was in den Kopf setzen. Jetzt habe ich sie eingefroren. Die sind mir sowieso erst mal von der Anrichte gesegelt, als habe das jemand so
gewollt,daher musste ich zwei essen und zwei wegwerfen.
Gut Meinen ist eben das Gegenteil
von Gut. Als ich meiner Schwester sagte, dass wir das mit dem Taxi und
dem Trauungsort und dem Ort vom Lokal und der Abholung nun geregelt
hätten, sagte sie auf einmal , dasTaxi
hätte doch wie immer fahren können, man hätte mich doch auch locker
von "zu Hause"
Mitnehmen können, ich
hätte mich doch bis zu unserem Ort
fahren lassen können, und abends hätte mich doch locker jemand, der
sowieso heim wollte, wieder zum Taxi dorthin mitnehmen können.
Zuvor hieß es noch, man könne
mich auf keinen Fall zum Bahnhof bringen, damit ich den Zug nehmen könnte, da alle was trinken wollten, und
da es wenige Autos gäbe, das Essen erst um 18:30
sei, und da eine Hochzeit halt nun mal lange dauert, das hätte ich mir
doch schließlich denken können, und da müsste ich eben übernachten. Das alles war jetzt auf einmal kein Problem mehr, und ich war mal wieder diejenige, die nur Panik geschoben hatte,weil ich sie
zuvor darum gebeten hatte, dass
sie notfalls jemanden sucht, der
mich, wenn es mit dem Taxi nicht klappen
sollte, zu dem größeren Bahnhof
bringen könnte, ab wo ich dann
durchfahren könnte. Aber da macht man ja
angeblich nur die Leute verrückt. Dann wäre doch auf einmal alles gegangen , nachdem man sich
tagelang zuvor das Hirn zermartert hatte...
Am 8. Um 10 ging es dann mit dem Taxi los. Die Fahrerin wwar
sehr nett und bot mir gleich das Du an. Der
Hund war sehr groß und total
süß. Er
lag ganz ruhig hinten und gab keinen Laut von sich. Wir unterhielten uns gut, und dann kamen wir auch an. Allerdings waren wir eine recht umständliche Route gefahren,
da die Fahrerin das ja zum ersten Mal
gemacht und sich auf ihr Navi verlassen
hatte. Auf der Autobahn gab es
dann auch noch einen Unfall, und die Leute bildeten keine Rettungsgasse. Wir
verließen dann die Autobahn, weil sich
die Taxifahrerin das nicht mehr länger mit
ansehen wollte. Wir fuhren dann
ziemlich mit der Kirche ums Dorf, aber
wir kamen rechtzeitig an. Dann sollte also das ganze Gut in
ihren Kofferraum. Sie wollte
schon die Bürokratie für die Hinfahrt
regeln, warum, weiß ich nicht, da man alles zusammen auch auf der Rückfahrt
hätte machen können. So stand sie da und schrieb, während mein Schwager
schimpfte, weil er mit dem Auto vorbei wollte und angeblich nicht durchkam,
obwohl ja eigentlich genug Platz war laut Taxifahrerin. Denn die Sachen
konnte sie erst dann einräumen,
nachdem sie mit der Bürokratie fertig war.
Daher drängte dann mein Schwager weiter, dass er
fahren müsste, und wir da nicht
mehr ewig stehen bleiben könnten,
weil ja
jemand dastand und wartete, dass
sie den Kofferraum aufmachte . So
bekam sie schon ziemlich viel von uns mit.
Dann kam meine andere Schwester, die im Ausland wohnt und
eigentlich erst zum 90. Da war. Daher wunderte ich
mich,weil der Flug ja teuer ist. Sie hatte mir auf WhatsApp auch gar
nichts gesagt. Sie bewunderte den schönen Hund und ging dann mit mir zur toilette. Ich hatte auch Brotzeit dabei, da es erst um 16 Uhr Kaffee
geben sollte,und ich ja schon um 9 gefrühstückt hatte. Jetzt bekam ich allmählich Hunger.
Ich hatte am Morgen
extra einen blauen Pullover zu dem blauen Rock ausgesucht, damit es uni
aussieht. Ich kann mich zwar recht ordentlich anziehen, aber für festliche Angelegenheiten bin ich nicht so geeignet. Ich laufe am liebsten in Jeans und Oberteil herum, dann aber schon
mit Armreif oder Kette,
passendem Schal etc., aber eben
nicht aufgebrezelt. Daher bereitete
mir das schon Kopfzerbrechen. Ich
fragte die Taxifahrerin, die sagte, es sähe super aus. Ich fragte dann meine Schwester, und die war sehr zögerlich. Sie sagte, die Schleife vom Rock hinge heraus,
das ist aber docheigentlich egal. Dann
ging ich auf Toilette und sagte
ihr, dass ich noch meine Brotzeit essen
wollte, da ich ein hartgekochtes Ei
und einen Olivenfladen dabei
hatte. Sie meinte dann etwas genervt,
dass das hier nichtginge, auf der toilette. Dabei würde ich das
nie machen, ich wollte nur schon mal
sagen, dass sie nach einem Platz für mich Ausschau halten soll. Ich habe
offenbar kein Gefühl dafür, wann man seine Bitten am strategisch günstigsten vorträgt. Wir kamen dann in den Rosengarten, wie der Trauungsort vor dem Standesamt so schön hieß. Dort parkte mich meine Schwester bei
meinem Bruder. Da , schau mal, da ist der .. , da kannst Du Dich doch hinsetzen.
Zuvor hatte ich noch beim Laufen die Jacke angezogen, weil es windig
war, und sie redete mit mir wie mit einem
störrischen alten Menschen:
" Was willst Du denn jetzt noch,
willst Du jetzt noch die Jacke
anziehen?" Ich kam mir dämlich vor.
Dann saß ich also auf der Bank genau
vor dem Platz, wo dann das Brautpaar stehen würde. Ich bot meinem Bruder waszu
Essen an, und meine Schwester rief
lachend aus und zeigte auf uns: "Guck mal, die essen da!" Meine Mutter schimpfte, mit Euch fällt
man mur auf. DA blamiert man sich
nur. Ich sagte, dass es doch noch gar
nicht so weit für die Trauungszeremonie
sei, dass wir doch draußen sitzen, und
dass wir
ja schließlich gar nicht gewusst
hatten, dass das schon der Trauungsort
sei, sondern beide dachten wir,
dass wir einfach noch auf irgend
einer Bank sitzen, schließlich sehen wir
ja nichts. Ich fand auch nichts dabei,weil
niemand gestört wurde, weil wir
keine förmliche Zeremonie störten,oder weil ich nicht
mitten auf dem Standesamt während der Trauung mein Paket mit Ei undWasser auspackte und dann während der Rede
zu mampfen angefangen hatte.
Meine Schwester behauptete später,sie habe ja nur gelacht, weil es so lustig
war, aber sie hätte da nichts dabei gefunden. Das sagen die immer, wenn die anderen nicht
mehr dabei sind. Ich wardas ja nicht, das waren nur die eltern, das
war nur der und der…. Vor den anderen würde mich nie jemand verteidigen. Die anderen saßen links und rechts
seitlich der "Bühne", oder was
immer das war, auf Beschreibungen
brauche ich da leider nicht zu hoffen. Die Sonne prallte
auf mich und meinen Bruder
hernieder. Mein Vater schimpfte noch ,
weil mein Bruder schon zu Hause bei unserer Schwester was gegessen hatte, DU hast
ja immer Hunger! Als ob ihn das was
anginge. Meine Eltern saßen auf der
von uns rechten Seite, weil sie schon alt waren, im Schattten, und die
anderen saßen alle irgendwie links von uns, und nur wir beiden, mein Bruder und ich, saßen in der Mitte, alle anderen saßen nebeneinander. Wir kamen uns
ziemlich exponiert und etwas fehl am Platz wie hingeparkt vor. Dann kam der Standesbeamte, und da noch
etwas Zeit war, überbrückte der
Bürgermeister in Personalunion mit dem Standesbeamten dann die Sache mit Erzählungen
über die Ortsgeschichte. Er bat
uns noch, die Handys auf Leise zu stellen. Ich muss dabei meine Sprachausgabe hören, damit ich weiß, wo
ich drücken muss,ehe es dann leise wird. Schon zischte meine Mutter wieder, mit
Euch fällt man nur auf. Dabei dauert das
nicht lange, und im Zeitalter der Inklusion
muss man auch mal eine Sprachausgabe
aushalten können, ohne, dass das
dann gleich peinlich ist. Andere nehmen
Sachen auf und schalten dann
hinterher nach oder während der
Veranstaltung mal eben auf Wiedergabe,
um ganz
kurz mal reinzuhören, ob es auch
aufgenommen hat, so dass man dann die
Musik oder das Stück auf einmal in Bruchteilen hört, und jeder mitkriegt , dass man aufgenommen hat.
Das ist viel peinlicher. Oder Leute wie z.B. meine Assistentin, die dann
im Theater photographieren oder
aufnahmen machen, was dann auch der Sicherheitsdienst mitbekommt. Das ist peinlich. Und schon wieder fiel ich auf: Mein Rucksack lag im Weg, das
merkte ich mal wieder nicht. Und dann
hing auch noch mein Blindenstock
zur Seite weg, und meine eine Schwester musste dann zu mir hinlaufen, um ihn wegzuziehen, ehe das Brautpaar drüber fallen würde. Der
Redner hörte und hörte nicht auf. Er
zitierte laufend irgendwelche
Literaten. Dann kam irgendwann mal
so ein Rezept für die Ehe, und
dass ja das Eheleben nicht nur schön sei sondern auch steinige Wege hätte usw. Wer hätte das gedacht, vorallem nicht
mein Neffe und seine Braut, die schon neun Jahre zusammen waren und schon mehr als ein Jahr zusammen
lebten. Die Krönung war dann ein
Eherezept von Karl Mei, den ja angeblich laut
Standesbeamten die jungen Leute gar nicht mehr kennen.
Eine Prise Geduld, Ein Pfund Glück, ein Pfund Toleranz usw. Dann kam noch
Pfeffer und Paprika. Das war dann schon mehr fürs Poesiealbum. Mit dem Pfeffer
könne er persönlich ja nichts anfangen,
Langweiler! Dann , nach so viel Salbaderei
war dann endlich der entscheidende Moment gekommen.
Alles verlief wie gewünscht,
ja. Dann sollte noch von der Stadt ein
ganz besonders individuelles Geschenk
überreicht werden, und wir wurden im Publikum gefragt, was das wohl sei. Ich sagte
laut: "Fingerabdrücke des Brautpaars." Individueller geht es ja wohl
nicht. Einige Lacher kamen zurück. Dann
war es --- ein PHOTO! Ein Photo der beiden, das unter einem
Vorwand bei der Bestellung des Aufgebotes, oder wie immer man das heute noch nennt,
gemacht wurde. DAS seid IHR, das seidIHR,wie
ihrleibt und lebt, so, wie IHR seid!
Wow, eine Wahnsinnsidee!!
Gläser und Sekt bekamen sie auch, damit sie dann (vor der Hochzeitsnacht) sich wohl noch Mut antrinken sollten…
Der Satz hätte noch gefehlt. Wir
gratulierten dann dem Brautpaar, während
ziemlich aktuelle Musik von der CD kam, und ich versuchte mein Glück mit Seifenblasen. Als ich noch
besser sah, konnte ich noch Seifenblasen machen, aber jetzt wusste ich nie,
wo genau das Loch war. Mein Bruder hatte noch nie Seifenblasen gemacht. Blinde haben
vielleicht manchmal wirklich
weniger eine Vorstellung von Sachen, die für sehende Kinder selbstverständlich sind. Soviel
zum Thema, Geburtsblinde hätten
es in jedem Falle leichter…. Sie kennen
es ja nicht anders..Als ob das immer ein Vorteil sei…
Ich hätte so gerne einen längeren Spaziergang gemacht und
wäre zu
der Feier gelaufen, aber wir mussten
gefahren werden, weil dort ja noch Bilder gemacht werden sollten. Tatsächlich
erwähnte ich im Auto dann mein Befremden darüber, dass der
Standesbeamte jungen Leuten nicht
zutraut, dass sie Karl May kennen, wo
doch diese Filme jeden
Feiertag rauf und runter im
Fernsehen gespielt werden. Aber dann sagte
die Brautmutter, dass ihr jüngster
Sohn das nicht wüsste, und
natürlich stimmten dann wieder alle zu ,
und ich stand mal wieder alleine da mit
meiner Meinung. Vor
der Scheune, in der es dann
Kaffee geben sollte, konnten wir uns noch etwas unterhalten. DA einige Leute aus anderen Ländern da waren,
die Ehefrau meines ältesten Neffen z.B.,
konnte ich auch mein Spanisch wieder anbringen, denn das macht mir einen großen Spaß.
Das genieße ich, dann vom Englischen
ins Spanische und wieder ins Deutsche und dann wieder vom Deutschen ins Spanische usw. zu wechseln, wobei man dann
irgendwann nicht mehr merkt, in welcher Sprache man spricht. Das
ist etwas, wo ich so richtig
aufbllühen kann. Dann kam aber meine Schwester und sagte, na, jetzt
kannst Du ja mal wieder Dein
Spanisch loswerden. Ich sagte dann
etwas arrogant, das habe ich gar nicht
nötig, denn ich habe jede Woche eine Spanierin , mit der ich rede, und da werde ich
übrigens nichts los sondern gewinne noch was dazu. Aber ich traute mich dann
nicht mehr, weiter mit ihr Spanisch zu
reden,weil die anderen sowieso nur Englisch
mit ihr sprechen konnten,
und da fühlten die sich etwas außen vor. Meine größere Schwester sagte aber, das sei dochtoll. Dennoch hatte ich dann Komplexe, dass das angeberisch wirkt, oder dass man das nicht so will, wenn
ich das weiß. Das denke ich immer,dass ich mich etwas verstecken
muss, weil andere glauben, man will
sich zeigen.
Später wurden wir dann in verschiedenen Konstellationen aufgerufen, damit die Photographin die Bilder macht. Die saß auf
einem Kran und knipste. Ich sagte
laufend ganz laut, bitte sag uns mal jemand, wo das Vögelchen ist, denn wir sind blind. Denn dann sagt meistens keiner was, und wir gucken dann auf der Aufnahme so blöd in irgend eine
Richtung. Das stört mich. Die Frau
war aber
ja bestellt, daher wusste sie das nicht, und ich hatte erst später gemerkt, dass sie nicht
von der Verwandtschaft war. Ich
dachte, sie gehört zu den Brautleuten.
Die Brautmutter war sehr nett, und auch ihre Schwester, die von weiter
herkam, war total freundlich sowie ihr
Mann.
Ich wäre auch mal gerne auf den Kran, aber ich habe nicht
kapiert, dass der ja den Photographen gehört, da ich dachte, da sind einfach
welche von uns zum Bildermachen hochgeklettert. Die sind dann aber leider wieder weggefahren. Danach habe ich mich zu meinen Eltern gesetzt. Die Musik war elendiglich laut, Daher
sagte ich dann sowie einige andere, dass das Gestampfe mal etwas leiser gemacht werden sollte, sonst wird man ja taub.
Meine Schwester setzte sich dann auf den Rollator meiner Mutter und fuhr damit durch
die Gegend. Bei der wirkt das dann immer
lustig. Wenn ich so was machen würde, dann würde es heißen, mit Dir blamiert
man sich ja nur. Die ist ja auch
richtig erwachsen, da wirkt das nicht so kindisch, da darf man das wieder. Wer die Regeln kennt,
darf sie brechen. Meine Eltern haben mir dann noch einige Sachen
gegeben, da meine Mutter mal
wieder ganz heftig im Internet unterwegs war. Sie hat eine sehr schöne
Jacke von Bogner -Moden aus München aus Samt
erstanden. Die ist aber bunt, daher wird das etwas schwierig für mich, aber sie fühlt sich total klasse an. Ich hab es nicht so sehr mit
Den bunten Sachen, da man da als Blinde schon ganz schön einfährt. Denn gerade das
war dann wieder genau zu beweisen, quod erat demonstrandum.
Denn leider war das blaue Shirt, das ich
anhatte, gestreift, und der angeblich einfarbige
Rock, den ich dafür gehalten hatte, war mit Blumen übersät. Ich hätte fast einen Schreikrampf bekommen.
Meine Mutter hatte noch andere Sachen für mich: gestreifte T-Shirts und was mit Blumen. Davon abgesehen, dass ich
gemustertes Zeug absolut nicht leiden
kann, ist es eben für Blinde
wirklich denkbar unpraktisch. Ich versuchte, ihr das klar zu
machen. Sie meinte, dass ich das ja
ertasten könnte. Wie denn? Ja, das sei doch mit Stretch. Mein
Einwand, dass ich aber ja mehrere
Sachen mit Stretch hätte, wurde dann von meinem Vater, der ihr natürlich
kräftig sekundierte, damit gekontert, dass ich ja schließlich ein Farberkennungsgerät hätte.
Ich sagte, dass genau das heute versagt hätte, da ich nur eine Farbe angesagt kriege.
Dann schiebe das Gerät nach oben
oder unten, dann kommt eine andere Farbe. Das geht (zumindest bei mir ) nicht so einfach,
weil ich nicht jedesmal auf die
Idee komme, bei all meinen Shirts immer erst das Farberkennungsgerät
herumzuschieben. Außerdem trifft man nicht immer - abhängig
von der Breite der Streifen -- genau
die Stelle, wo es sich ändert, und wo dann eine andere Farbe
angesagt wird. Es war aber zwecklos, sie davon zu überzeugen, dass ich
das nicht kann, und dass ich zu viele Hemden und Shirts und Pullover hätte, als dass ich das
noch unterscheiden könnte. Ich sagte dann, macht mal die Augen zu und
sucht dann Eure Kleidung aus. Ich
finde es mangelnden Respekt mir
gegenüber, wenn man das nicht beherzigt ,auch
wenn ich mehrfach schon darum gebeten habe. Ich mag Außerdem nur
einfarbige T-Shirts und Pullover,
da ich Aufdrucke nichtleiden kann. Sie sehen immer unvorteilhaft aus. Mein Vater sagte daraufhin belehrend, sieh mal, kleine Geschenke erhalten die
Freundschaft, dann verschenke die Sachen
eben, wenn Dir jemand einen
Gefallen tut. Ich sagte,
dass ich dann meinen Eltern gleich die Adresse meiner
spanischen Bekannten geben könnte, dann können sie es ja gleich da
hinsenden, ohne, dass es erst den Umweg
über mich macht. Dann kam wieder, dass ja meine Mutter im
Internet für uns sucht, da wir eh alle dieselbe
Grüße hätten, und dass sie eben
immer an ihre Kinder denkt, und dass sie dann, wenn sie was Günstiges sieht, eben was für uns kauft. Ich
bin sicher, dass die anderen stärker
sind und das besser ablehnen können,
wohingegen bei mir es dann undankbar aussieht, weil ich ja fast
blind bin und daher eh keinen Zugang zu
Klamotten habe. Und die suchensich sicher das Schönste aus, und ich darf
dann das andere Zeug nehmen, was denen nicht gefällt und auch
noch froh sein. Dann meinte mein Vater,
also gut, keine Streifen mehr. Und meine
Mutter meinte pikiert, dann gar nichts mehr. Ich sagte ihr, das hast
Du mir schon öfter versprochen.
Ich habe dann später alles der Spanierin
mitgebracht, und die lachte und sagte, das seien auch Kleider für ältere
Damen, und die ist selbst schon
57 und findet das trotzdem schon altmodisch. Die
eine Marke ist für ältere Leute, und das
soll ich dann anziehen. Sie sagte, wenn ich mal Kleider kaufen will, dann soll
ich mit ihr gehen und meiner Mutter sagen, dass
ich jemanden hätte. Dabei mag ich
lieber das Geld für die Kleidung
und eh keine vorher für mich ungefragt eingekauften Sachen, die
ich dann nehmen muss, weil sie so
gerne im Internet einkauft und
dann alles sammelt und
kauft, damit sie es mal jemandem schenken kann, der es dann nehmen darf. Ich fühle mich
eher in der Rolle einer Co-Abhängigen,
die einer vielleicht Kaufsüchtigen das Zeug abnehmen muss, weil die so gerne Sachen anschafft und hortet und sonst nicht viel anderes zu tun hat den
lieben langen ganzen Tag. Und wenn ich
mich where, dann werde ich von aller Welt als undankbar und seltsam und komisch
angesehen. Meine Geschwister wissen ganz
genau um diesen Umstand, hätten aber nie den Mut, mich auch mal zu verteidigen. Da kriege ich
auch immer die Sachen, die denen
angeblich zu weit sind und nicht passen, dabei
bin ich mit 1,56 und 49-50
Kilo auch recht zierlich. Erst neulich
hatte ich eine Bluse auf eine Veranstaltung eingepackt, die
mir dann aber sehr ältlich
und vor allem weit vorkam,
und bei der dann später auch
jemand sagte, ich solle sie lieber einer
älteren Person geben.
Also habe ich wohl doch noch einen Sinn für Kleidung, wenn mir das selbst auch auffällt.
Meine Mutter hat mir zu der Hochzeitsfeier aber auch eine blaue Wildlederjacke von sich mitgebracht, da meine kaputt ist.
Meine alte Wildlederjacke hatte schon Kultstatus, da ich sie jahrelang
getragen habe. Sie kam aus dem Second-Hand-shop, einem Wohlfahrtsladen, in dem meine Mutter mitgearbeitet hatte. Ich
habe sie mir vor 20-30 Jahren mal umnähen lassen und dann viel getragen und wollte sie nie mehr hergeben. Dann aber bekam sie ein Loch, und meine Spanierin sagte, dass sie abgetragen sei.
Ich habe sie dann leider
im Alt-Kleider-Container
feierlich beerdigen müssen, und
meine Mutter gab mir eben diese
blaue dafür. Ich habediese jetzt zur Schneiderin gebracht, damit sie etwas
in der Mitte gekürzt wird, um die Taschen höher
zu bringen und die zu weiten Schöße etwas zu raffen. Außerdem kriegt sie auch noch wunderschöne
Knebelknöpfe, da die
blauen runden Plastikknöpfe, die
dran sind, sehr altbacken aussehen. Ich freue mich schon, wenn ich sie
von der Schneiderin abhole und dann tragen kann. Ich trage meine Sachen immer sehr lange, um
Ressourcen zu sparen, und weil sie mir ans Herz wachsen. Ich hoffe,
dass diese Jacke dann der würdige Nachfolger für ihre Vorgängerin wird, und ich sie genauso lange tragen kann. Immerhin macht das
Umarbeiten ja auch viel Arbeit, bis
sie so
gestaltet ist,wie ich sie haben will, und wie ich glaube, dass sie für mich nach meinem Stil passend aussieht.
Endlich ging dann die tür zu der Scheune auf, in der wir
Kaffee trinken würden. Die
Sitzordnung mit sehr schön
gestalteten Willkommens-Kärtchen und
Gummibärchen war so gewählt, dass mein
Bruder und ich bei den Eltern sitzen
sollten. Ich wäre lieber bei den
Leuten meines Alters gesessen, oder ich hätte auch gerne bei
einigen meiner Neffen
und Nichten am Tisch Kaffee getrunken. Meine Mutter
ließ meinen Bruder umsetzen,
da er
und ich nebeneinander platziert waren, und wir uns ja nicht gegenseitig
helfen könnten. So war ich gut
unter ihren Fittichen. Mein Bruder durfte dann an den Tisch
mit seiner Generation. Die Kuchen waren
super und ganz große Klase. Schade, dass man nicht unbegrenzt essen kann, denn bei uns
ist es ein geflügeltes Wort
meiner Großtante"Schade,
dass wir schon satt sind". Aus weltpolitischen Gründen sollten wir natürlich
sagen, Gott sei Dank, dass
wir satt werden, aber bei dem Angebot würde man schon gerne lauter kleine
Stücke haben, um sich durch
das ganze Programm durchzufuttern. Ich
hörte, dass die Mutter meinesSchwagers auch einige Kuchen und Torten
gemacht hatte, weil sie sehr gut bäckt.
Als ich sie dafür lobte, meinte meine
Mutter sofort, und ich backe
wohl nicht gut. Ich rettete
die Situation und sagte, bei DIR schmeckt es wie daheim. Stimmt ja auch, es ist eben bei ihr tolle
und gediegene Hausmannskost, wie
ich sie nirgendwo mehr finden würde, weil
es bei Muttern halt am besten
schmeckt, aber wenn halt jemand so
tolle Torten machen kann wie die Mutter meines
Schwagers, dann ist das eben auch ein
Gewinn für alle. DA muss man
immer sehr vorsichtig sein bei den
beiden. Am Tisch saßen auch die Schwester
der Brautmutter und ihr Mann, so dass ich etwas Unterhaltung hatte. Auch
der Opa
der Braut, also der Vater der
Brautmutter und deren Schwester war am Tisch. Der kannte meine Mutter
bereits von Kind an, da sie Nachbarn waren. Er
hat unendlich viel geredet, und als sich dann alle anderen verzogen hatten, saß ich mit
meiner Mutter und ihm ganz alleine
am Tisch. Ich kann ja als Blinde mit
zusätzlichen Kontaktschwierigkeiten nicht umher wandern und mir andere Gesellschaft
suchen, und daher bin ich darauf angewiesen, dass jemand kommt und aktiv meine Gesellschaft sucht. Das geschieht
aber selten. Somit
erzählten die beiden aus alten
Zeiten, und ich bin sowieso jemand, der trotz lauter Stimme
und guter Eloquenz große Mühe hat,
sich in ein Gespräch einzubringen, da
man meine Rede entweder gar nicht hört, als sei meine Stimme auf stumm gestellt, oder es wird übergangen. Wenn ich Glück habe, geht
man mit einem Satz darauf ein, aber das war es dann auch. Der Mann scheute sich
meiner Meinung nach nicht, meine Mutter
irgendwie laufend zu umgarnen, so kam es
mir subjektiv vor. Als dann auch doch mal ein Thema drankam, bei dem ich hätte
mitreden können, versuchte ich es
mehrfach, und weil es nicht funktionierte, schimpfte ich dann, dass ich übrigens auch
noch da bin. Ich würde doch zuhören, das
reiche doch. Ich sagte, dass sie das jedes
Mal macht, die Unterhaltung an sich zu reißen. Bei meinem Geburtstag
ging sie auch auf meine Freundinnen
zu, gab ihnen einige Sachen und unterhielt sich mit ihnen. Wenn ich was
dazwischen warf, wurde das weggebügelt. Mein Bekannter saß daneben, wobei meine Schwester damals von
mir weggging zu meinem Bruder mit der Begründung, dass sie meine Mutter neben
mich setzen wollte, damit sie sich etwas
mit meinem Bekannten unterhält, um ihn
halt auch mal kennen zu lernen. Aber der saß am äußeren Rand, und sie richtete kein einziges Mal das Wort an ihn sondern redete
nur auf meine Freundinnen ein. Ich saß dann auch ganz einsam da, und
wir beiden ärgerten uns darüber,
dass wir außen vor waren, zumal auch noch bei meiner eigenen Geburtstagsfeier. Wenn wir "zu Hause" feierten, und sie einen Kuchen machte , um meine Freundinnen an meinem Geburtstag zu bewirten, setzte sie sich daneben und riss
das Gespräch an sich, und ich war wieder
ausgeschlossen wie immer. Ich
hielt ihr das vor und sagte,dass sie das immer so macht, und sie meinte dann auch
noch,ich würde wohl darüber Buch führen.
Ich sagte, dass das nicht notwendig sei,
denn sie macht das ja immer so, daher müsse ich das nicht zählen. Sie sagte daraufhin, sie hätte sich ja jetzt auch
noch wegsetzen können, dann hätte ich gar niemanden gehabt. Ich nehme mir immer vor, nicht mehr zu einer
Familienfeier zu kommen, aber man muss
ja, daher traue ich mich nicht, mich da
abzugrenzen, denn dann würde man sicher
sagen, wer weiß, wie lange wir noch alle am Leben sind… . Wenn
ich schon dankbar sein muss, dass überhaupt
schon jemand neben mir sitzt, und ich nicht auch noch auf aktive
Teilhabe an der Unterhaltung hoffen
darf, und sich sonst eh keiner mit mir
abgeben würde, dann ist der
oben beschriebene Aufwand wirklich
nicht mehr gerechtfertigt, um
dort hinzufahren.
Mittlerweile war auch
die Taxifahrerin gekommen. Meine Mutter bat meine Schwester mehrfach, doch
einen Stuhl für sie zu holen, aber meine
Schwester fuhr sie nur an, dass sie jetzt
gerade eine Unterhaltung führen
würde. DA sagte ich zu meiner Mutter, jetztsiehst Du mal, wie es mir immer geht. DA sagte
sie dann gleich mit dieser
weinerlichen Stimme, ihr könnt mir immer alle sehr gut ein schlechtes Gewissen machen. Zumindest war ich diesmal nicht
die einzige Schwierige , die sich angeblich
komisch und unangebracht verhielt, sondern wir alle machten das ja mit ihr so .
Die Taxifahrerin ging dann mit mir ans Buffet . Ich
suchte mir Kroketten, Gemüse und
zwei Schweinemedaillons aus und einen Teller Salat. Als ich wieder an den
Tisch kam, meinte meine Mutter etwas
mißbilligend:"Oh, da kannst Du ja schlemmen." Das klang wieder
so anrüchig wie: "Oh, das ist aber
gehaltvoll!", so dass man gleich ein schlechtes Gewissen
bekommt. Das Fleisch war innen
noch rosa, so dass ich es der
Taxifahrerin für den Hund mitgab. Der
hätte das eigentlich auch nicht essen dürfen, um nicht die aujexische Krankheit zu kriegen,
aber daran hatte ich jetzt nicht gedacht. Das Gemüse war so
supermodern al dente und geschmacklos , wie es in der heutigen Küche üblich
ist,ohne Einbrenne, ohne Salz,
ohne Sauce, einfach nur mal
"guten Tag" zu einer Mikrowelle
sagen und fertig. So hätte ich das bei meiner Mutter nie bekommen, da gibt es noch das Gemüse ordentlich
gegart und mit Gemüsebrühe und
angedickt. Die Kroketten waren
allerdings der Hit. Sie waren mit
butter gemacht. Das schmeckte
super . Der Salat war aber auch
gut mit dem Dressing. Danach wollten meine Eltern wissen, ob die Taxifahrerin sie mit
"nach Hause" nehmen könnte, weil sie ja doch
dort vorbeifährt. Als
ich erzählte, auf welchem Weg wir hergefahren waren,
sagte meine Mutter, so fährt man doch nicht. Also so was. Dabei fährt sie selbst gar nicht
Auto. Wir wollten aber noch auf den Nachtisch waten. Der kam
aber nicht. So fragten wir in der Küche nach, ob wir jetzt schon ausnahmsweise
vorher was bekommen könnten, weil
wir fahren müssten, und da wurde mir
dann ein Fingerhut mit Panacotta
hingestellt, und das Zeug
wackelte, als hätten sie eine
Matratze weich gekocht, aber noch nicht weich genug. Ich habe das Zeug dann runtergewürgt. Dabei lag
dann noch ein Spieß mit Obst, aber das war noch fast gefroren.
Als ich dann meckerte, sagte der
Opa derBraut wie zu einem kleinen
Kind: " Na , sowas, also wirklich, ist das Obst kalt, da muss man sich ja
gleich beschweren, uihihi…" Meine
Mutter sagte dann auch, wie sie es zu uns immer als Kinder gesagt hatte: "Also, gleich das
Beschwerdebuch holen!" Ich dachte,die würden dann schon noch selbst merken, wie kalt das Zeug ist. Die Fahrerin hatte
auch bemerkt, dass der meine Mutter ganz schön
angebaggert hat. Der hatte
aber auch schon ganz schön was
intus.
Dann machte ich noch die Runde und klopfte überall
mal an den Tischrand, um
mich Tisch für Tisch eben noch schnell zu verabschieden. Die
Taxifahrerin sagte, dass alle sie
anstarten, weil sie in Jeans zu der Feier
gekommen war, da sie ja nicht wussten, wer sie war, in welcher
Beziehung sie zu mir stand, und dass sie mich nur abholt und halt zum Abendessen schnell
mit eingeladen war. Das hatte ich
erwirkt, da sie ja auch was essen muss,
das sollte dann halt auch eine Geste sein.
Dann verzogen wir uns. Meine Eltern
gingen noch mit mir zum Auto meines Vaters, das ja von meinem Schwager gefahren wurde, und dort
holten wir dann die Kleidungsstücke und die anderen Sachen heraus. Danach setzten wir uns
in das Taxi und fuhren erst
einmal los, um meine Eltern "zu Hause" abzuliefern.
Danach ging es nach Hause. Auf der Fahrt hatten wir noch
sehr gute Gespräche, und ich fand sie sehr sympathisch. Wir hörten auch
laut Musik von ihrem MP3-Stick, das war schon recht lustig.
Wir haben uns auch schon auf Facebook
gefunden, und das nächste
Mal, falls es ein nächstes Mal gibt, werde ich wieder mit
ihr fahren. Vielleicht geht es aber dann
lieber mit meinen Freundinnen auf den
alljälhrlichen Rummel. Das haben
wir früher öfter gemacht, aber die eine
hat jetzt gesundheitlich massive
Probleme, daher wird das schwierig. Ich
kann also nur mit
einem gewissen etwas zweifelhaften
Autor Heimito von Doderer sagen:
"Wer sich in Familie begibt, kommt
darin um", oder etwas derber mit den Worten meines Tierarzt-Onkels ausgedrückt: "Eine fette Sau ist mir
lieber als die ganze Verwandtschaft!"
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