Im Sommer, reichlich spät, erhielt ich die Einladung zum ersten
Patiententag für zystische Nierenerkrankungen in Münster, die meistens aufgrund
von Gendefekten entstehen, die die Zilien betreffen. Dort gibt es jetzt ein neues
Netzwerk mit Datenbank für Zystennieren, neocyst (network of early onset cystic
kidney disorders) . Zuvor gab es das Nephronophthise-Register. Für dieses
Register hatte ich noch nie Anweisungen erhalten, was genau da rein muss, und wie man sich dafür
anmeldet. Seit es das neue Register gibt, habe ich zumindest schon mal ein
Informationsblatt bekommen, welches ich meinem Arzt weitergeleitet habe.
Offenbar sollen sämtliche Untersuchungen und Behandlungen und andere Daten dort
eingetragen werden, hierfür braucht man aber einen Arzt, der da auch mitspielt.
In letzter Zeit sind aber meine E-Mails
an meinen Arzt, die eine Anlage enthalten, nicht mehr angekommen. Er meint,
dass die E-Mails mit Anlagen nicht durchgelassen werden. Ich werde ihn beim nächsten
Termin auf das neocyst ansprechen.
Nun sollte also vom 21. bis 23. September dieses Jahres der
erste Patiententag stattfinden, d. h., am Samstag den 22. September sollte die
Veranstaltung selbst mit den
Vorträgen sein. Es waren mehrere
Vorträge geplant, zum einen zu einer neuen Selbsthilfegruppe für Nierenkranke,
ein Vortrag über Gendefekte, ein Vortrag über Zilien, ein Vortrag über
Zystennieren und ein Vortrag über soziale Aspekte und psychosoziale Probleme.
Das erste Problem war schon einmal die Unterkunft. Da wir
erst spät von der Sache erfuhren, konnten einige von uns in den gebuchten
Hotels oder Tagungshäusern keinen Platz finden. Es hätte zum Beispiel in dem
einen Tagungshaus nur eine Übernachtungsmöglichkeit für eine Nacht gegeben,
dann hätte man wieder umziehen müssen. Meine Sachen dann auf die Tagung
mitzunehmen und in ein anderes Hotel einzuchecken wäre mir zu umständlich
gewesen. Es hätte auch die Möglichkeit gegeben, für sich und andere in einer
Jugendherberge ein Zimmer mit fünf Betten zu reservieren, dort dann entweder
alleine oder mit ein bis vier weiteren Personen zu
übernachten und sich den Preis zu teilen. Leider hatten die Leute, die ich
fragte, ihre männlichen Partner dabei, das hätte also nicht geklappt.
Ursprünglich wären wir fünf Leute und vier Blindenführhunde gewesen. Eine
Bekannte von mir, die dieselbe Augenerkrankung und Nierenerkrankung hat wie ich,
das Senior-Loken-Syndrom, und ihr
Partner, dazu noch zwei Blindenführhunde, sowie zwei andere Frauen mit einer
ähnlichen Erkrankung , dem Bardet-Biedl-Syndrom, und jeweils wiederum einem
Führhund. Wir hätten also in einem Zimmer mit fünf Betten und vier Hunden eine ziemliche Gaudi gehabt.
Allerdings wären wir dann so müde gewesen, dass eine Teilnahme an der Tagung
nicht mehr möglich gewesen wäre.
Dann aber konnte die eine Frau nicht mehr mit, da ihr
Gefäßzugang für die Dialyse, der sogenannte Dialyseshunt dicht machte, und so
ging natürlich auch ihr Freund nicht hin. Eine der anderen beiden Frauen hatte
auch Probleme, sodass auch sie ausfiel. Blieben nurmehr die eine Frau und ich
übrig, und wir kannten uns noch nicht einmal. Meine Bekannte hatte ein Hotel organisiert, wobei sie versuchte, all
unsere Wünsche zu respektieren. Es sollte ein Hotel sein, welches Hunde
aufnimmt, und auf meinen Wunsch hin sollte es nicht über 100 EUR die Nacht
kosten. Denn ich sehe nicht ein, dass ich für 100 EUR mein edles Haupt auf eine
Feder legen muss. Dafür ist mir das ganze dann doch etwas zu preiswert.
Schließlich würden wir doch nur ein Frühstück bekommen, den Rest wären wir dann
außer Haus.
Dieses Hotel konnte gefunden werden, aber nun mussten nur
wir beide uns kennen lernen, und so wurde der Kontakt über WhatsApp von unserer
beider Freundin für uns beide hergestellt. Ich merkte relativ schnell, dass die
Frau an keinen intensiven Vorgesprächen mit mir interessiert war, sondern dass
sie lediglich die Reise organisieren wollte. Sie fragte mich, ob wir ein Taxi
vorbestellen, damit wir beide und ihr Hund zur Tagung fahren könnten. Sie
klärte all das mit dem Taxi ab, mehr hörte ich dann nicht mehr von ihr. Sie bot
mir aber netterweise noch an, wenn ich im Hotel angekommen sein würde, mit mir abends essen zu gehen oder in die
Stadt zu gehen, wenn ich rechtzeitig da wäre.
Ich buchte also die Fahrt, die von meinem Ort aus 6 Stunden
dorthin dauern sollte. Da ich eine BahnCard habe, war der Preis erschwinglich.
Diese BahnCard hat sich zumindest einmal amortisiert. Schon als ich einstieg,
gab es Probleme, denn ich hatte das Handy ausgeschaltet, und als der Schaffner
kam, schaffte ich es vor Aufregung nicht, all die vielen Geheimzahlen
einzugeben, um an mein Programm mit der
Fahrkarte zu kommen. Es war ein äußerst lieber Schaffner, der geduldig wartete,
aber in meinem Fall ist es zwecklos, stehen zu bleiben und zu warten, bis es
klappt, denn es wird erst dann klappen, wenn derjenige wieder weg ist. Ich war
in Tränen ausgebrochen und bat den lieben Schaffner, erst einmal weg zu gehen,
um dann wieder zu kommen, wenn ich alles gemacht hätte. Das tat er auch, und
kaum hatte er sich drei Schritte entfernt, hatte ich das Programm mit der Fahrkarte geladen. Dann
dauerte es eine Weile, bis er wieder kam. Es war zumindest eine große
Aufregung, aber dann hat es doch noch geklappt. Bei jeder Haltestelle kam eine
Durchsage, dass der Zug wegen irgendeiner Baustelle, irgendeiner Panne oder irgendeines
unvorhersehbaren Ereignisses weitere 20 Minuten Verspätung haben würde. Dies
summierte sich bis auf eine weitere Stunde, sodass ich 7 Stunden unterwegs war.
Somit kam ich leider erst um 17:00 Uhr an und nicht um 16:00 Uhr wie geplant.
Ich hatte das erste Mal meine Powerbank in Betrieb, die sich im Laufe der Zeit wahrscheinlich längst entladen
hatte, da das Handy während der Fahrt schlapp
machte, und ich sonst nicht einmal mehr erreichbar gewesen wäre. Leider lud
sich das Handy nicht auf, stattdessen ging es dann komplett aus. Auch konnte
ich dann der Frau keine Nachricht senden, dass mein Zug Verspätung hatte, und
ich konnte auf ihre Anfragen, wo ich denn bliebe, nicht antworten.
Als ich dann in Münster ankam, fragte ich nach dem Hotel,
denn ich wollte schon einmal vom Begleitservice der Bahnhofsmission wissen, wie
viel es denn kosten würde mit dem Taxi. Als er den Namen hörte, sagte er, das
sei direkt am Bahnhof, er würde mich selbst hinbringen. Das war ein total
netter Mensch, er meinte, ich hätte Glück, dass der Zug 1 Stunde Verspätung
gehabt hätte, denn sonst hätte er nicht die Zeit gehabt, mir zu helfen. Da er
selbst aber jetzt Feierabend hätte, könne er das machen. Ich kam also im Hotel
an, und die Frau an der Rezeption hatte leider keine Zeit, mir mein Zimmer
zuzuweisen und mir bei der Orientierung im Zimmer behilflich zu sein. Auch dies
erledigte der nette Herr und ging mit mir nach oben, um mir alles im Zimmer zu
zeigen. Wir machten uns auf die Suche nach Steckdosen, nach Lichtschaltern, er zeigte
mir das Bad, er zeigte mir, wo der Wasserhahn für die Dusche war, wo die
Toilette war usw. Er war ein unglaublich netter Mensch, leider habe ich
vergessen, mich bei der Bahnhofsmission in Münster zu bedanken. Das war eine
tolle Erfahrung.
Ich lud mein Handy auf und rief bei der anderen Frau an, und
die meinte, sie sei jetzt zwar schon mit dem Führhund unterwegs, würde aber
noch mal zurückkommen, um mich zu holen. Ich war fast gestorben vor Hunger, und
so gingen wir im Bahnhof in eine der
dortigen Bäckereien. Ich hatte solchen Hunger, dass ich mir gleich ein Stück
Zwiebelkuchen und eine Quiche bestellte. Mit letzterer war ich nicht sehr
zufrieden, daher bis ich nur hinein und ließ sie dann liegen. Der Zwiebelkuchen
alleine hätte es auch getan, aber da waren die Augen größer als der Magen. Der
Führhund der Frau begleitete uns zuverlässig und sicher vom Hotel zum Bahnhof,
und sie war auch sonst sehr fit, sowohl die Führhündin als auch die Frau. Ich
war erstaunt, wie schnell sie wusste, wo man sich anstellen muss, oder wie
schnell sie mir sagte, dass ich schnell aus dem Weg gehen müsse, da uns jemand
entgegenkam. Ich selbst habe aufgrund meiner Probleme mit der Wahrnehmung und
der gleichzeitigen Verarbeitung von unterschiedlichen Reizen hierbei erhebliche
Probleme. Die Frau war nicht sonderlich gesprächig, und ich stellte fest, dass
sie mich auch nie etwas fragte, was meine Person betraf. Sie antwortete
lediglich mit Jahr auf irgend welche Erzählungen, die ich von mir gab, sodass
mich das schließlich nur noch genervt hat, und ich nichts mehr sagte. Insgesamt
hatte ich das Gefühl, dass ich der Frau ziemlich dumm vorkam, denn sie sagte
mir laufend, dass ich jetzt erst einmal warten müsste, bis sie dieses oder
jenes erledigt hätte, oder dass sie doch erst bezahlen müsse, oder dass wir das
oder jenes doch später noch machen könnten. Dann gingen wir so schnell wie
möglich ins Hotel zurück, wo sie sich unmittelbar darauf auf ihr Zimmer
zurückzog. Ich hatte eigentlich schon gedacht, dass wir noch etwas gemeinsam
auf meinem Bett zusammensitzen und uns unterhalten und etwas ratschen. Aber ich
merkte gleich, dass ihr nicht danach war. Sie meinte sogar, man müsse das Taxi
schon vorbestellen, denn sonst hätten wir keines, aber ich sagte ihr, die ich
sehr viel Taxi fahre, dass am Bahnhof ein Taxistand sei, und dass daher in null Komma nichts ein Taxi Vor der Hoteltür stehen würde.
Ich hörte noch etwas Musik und ging dann schlafen. Wir
sendeten auch noch eine WhatsApp an unsere gemeinsame Bekannte, denn ich fand,
dass wir sie schon grüßen müssten, denn schließlich hat sie nicht mit gekonnt,
und das war ja auch schade für sie. Schließlich hatte sie ja auch das Hotel für
uns organisiert, und wir wollten sie dafür loben, dass sie ein gutes Hotel
ausgesucht hatte, und dass wir zufrieden waren. Da wir beide sie ja kennen , dachte ich, dass sie das freuen
wird.
Am nächsten Morgen kam ich dann in den Frühstückssaal und
fragte sie, ob sie denn schon fertig gefrühstückt hätte, da ich wissen wollte,
ob ich jetzt alleine frühstücken müsse, oder ob sie mir noch etwas Gesellschaft
leisten würde, oder ob sie schon früher da gewesen war und daher schon wieder
gehen würde. Sie fuhr mich sofort an, immer mit der Ruhe, nur langsam, ich bin
noch nicht fertig. Ich traute mich nicht, sie zu fragen, ob sie mir beim Büffet
behilflich sein würde. Ich finde grundsätzlich nie irgendetwas, ich glaube
sogar, völlig blinde würden sich hier besser anstellen als ich. Ich fragte sie
dann, ob der Kaffee auf dem Tisch stünde, und ich sagte ihr, dass ich ihn jetzt
wieder neben sie stellen würde, und ich erhielt wieder eine Abfuhr, von wegen,
ist ja gut, nur langsam. Da fuhr ich sie meinerseits an und sagte, ich frage ja
nur. Da lenkte sie dann ein und meinte, sie sei am Morgen immer etwas muffelig.
Dann stand sie auch auf und half mir beim Buffet, wobei mir schon eine der Hotelangestellten etwas geholfen
hatte, aber sie suchte dann noch bestimmte Dinge für mich heraus, die mir nicht
gesagt worden waren wie Saft etc.. Tatsächlich hatte sie schon unbedingt ein
Taxi vorbestellt. Wir trafen uns dann später, und zu meinem Schrecken stellte
ich fest, dass ich nur eine alte hässliche Bluse dabei hatte, wie sie nur eine
alte Oma anziehen würde. Sie war mir 3 km zu groß, ich habe sie von meiner
Schwester, die sie offenbar auch nicht mehr haben wollte. Sie hatte vorne einen
Besatz aus samt, und sie war weiß mit einem blauen Blumenmuster, mir war das nur
peinlich, aber ich hatte sonst nichts dabei und merkte nicht , wie häßlich
das Teil war. Vor meiner Abfahrt hatte
ich mich noch gegen eine Regenjacke entschieden, natürlich wie immer die
falsche Entscheidung. Im Taxi unterhielten wir uns dann eine Weile, und als wir
vor dem Universität Campus waren, meinte die Frau, er könne uns hier
rauslassen. Ich hatte ja studiert und wusste, dass so ein Campus weitläufig Ist,
aber ich dachte mir, auf mich hört sowieso niemand, und ich hätte ja auch nicht
sagen können, wo wir hin müssen. Als wir
ausstiegen, wussten wir natürlich nicht, wo wir waren, und sie schimpfte, dass
der Taxifahrer uns viel zu früh rausgelassen hätte. Zum Glück hatte sie die
Nummer einer der Organisatorinnen dabei, welche die Ansprechpartnerin für BBS, also ihre
Erkrankung war. Die kam dann und holte uns ab, ein Glück.
Als wir dann am Tagungsort angekommen waren, kam ich ins
Gespräch mit einer Mutter von zwei Kindern, die beide das Bardet-Biedl-Syndrom
hatten, und ein Kind war auch noch schwerhörig. Die Frau half mir, ein Glas
Wasser zu finden, und sie ging dann auch mit mir zum Vortragssaal, wo wir uns
dann hinten hinsetzten. Ich wollte einige Aufnahmen für die Daheimgebliebenen
machen, und zum Glück waren hinten auch Lautsprecher, sodass es kein Problem
war, die Aufnahmen auch von dort aus zu tätigen. Allerdings war die Tonqualität
trotzdem ziemlich schlecht.
Nach der Begrüßung wurde dann ein Vortrag des Professors
gehalten, der sich am allermeisten mit der Materie auskennt, und der uns sehr
leidenschaftlich über die Qualität und Beschaffenheit von Zilien aufklärte, und
dass sie überall vorkommen. Die Dozenten hinterher jammerten, dass es schwierig
war, nach ihm einen Vortrag zu halten, da er die Leute so sehr begeistert, dass
er hinterher alle Nachredner in den Schatten
stellt, da er der beste Redner von allen
sei, der auch sie für dieses
Forschungsgebiet entfacht hätte.
Natürlich musste man etwas Honig um den Bart geschmiert bekommen, das gehört
zum Geschäft.
An die genaue Reihenfolge der Vorträge kann ich mich nicht
mehr erinnern, aber es kam dann ein Vortrag über Gendefekte, und ein Vortrag
war ziemlich langweilig, da der Redner nicht die rhetorischen Fähigkeiten des
allerersten vortragenden hatte. Die anderen waren so im Mittelfeld. Es kam auch
ein Vortrag zur Einteilung von Zystennieren, wobei ist die autosomal rezessive
zystische Nierenerkrankung (ARCPKDgibt, es gibt aber auch noch die autosomal
dominante zystische Nierenerkrankung (ADPKD), wobei ich einige Leute mit dieser
Form kenne. Dabei können die Nieren so große Zysten bekommen, dass die Niere
hinterher aussieht wie eine riesengroße überdimensionale Riesen Himbeere.
Selbst ich konnte das mit bloßem Auge noch locker erkennen. Es wurde dann der
Begriff Nephronophthise erklärt, wobei die Endung -nophthise eben Zysten bedeutet.. Der Redner meinte, er
habe einmal mit dem Menschen gesprochen, der diesen Begriff geprägt hätte, und
er hätte ihn gefragt, was ihn damals geritten hat. In der Tat ist der Begriff
ziemlich sperrig. Soviel ich mich noch erinnere, gehört meine Erkrankung zu
diesem Formenkreis, aber eben auch das Bardet-Biedl-Syndrom. Bei der autosomal
dominanten und auch bei der rezessiven Form
der polyzystischen Nierenerkrankungen sind keine Augenerkrankungen dabei. Es
wurde dann auch gefragt, wer denn von Beginn an blind sei, denn man spreche von
einer Leber'schen congenitalen Amaurose (LCA), und diese bestehe doch wohl bei keinem
vollständig, alle hätten doch zu Beginn noch etwas gesehen. Der Redner
behauptete außerdem, dass die meisten keine sehr fortschreitende Form der Retinitis
pigmentosa hätten, da die meisten eben stabil blieben. Ich meldete mich und
sagte, dass dies bei mir nicht der Fall gewesen sei, seit der Dialyse hätte
sich mein Sehvermögen rapide verschlechtert. Da meinte er, da hab ich wieder
was gelernt. Bis dahin war mein Sehvermögen nur ganz langsam schlechter
geworden. Die meisten, die Retinitis pigmentosa (RP) haben, sehen lange Zeit
sehr gut und sind nicht von Geburt aus hochgradig sehbehindert, wenn aber ihre
Sehbehinderung beginnt, werden sie relativ schnell blind. Einige haben mich
diesbezüglich längst überholt, sie wurden als normalsehende Menschen geboren
und erblindeten, während ich noch relativ gut sehen konnte. Mittlerweile kann
ich aber kaum noch lesen, und mein Sehen hat sich eben auf links zehn und
rechts 5 % mit einem Gesichtsfeld von unter 5° verschlechtert. Zuvor hatte ich
noch 30 bzw. 40 % mit einem Gesichtsfeld von ungefähr 5-10°. Als kleines Kind
hatte ich ungefähr 10 % und 20 %, in der Jugendzeit hatte sich das verbessert,
und nach und nach wurde es immer schlechter, vor allem der Kontrast.
Es gab auch eine Pause, in welcher wir uns für dieses
Register anmelden konnten, und es wurde auch erwünscht, eine Urinprobe
abzugeben, einen Geruchstest zu machen, einen Nasenabstrich durchführen zu
lassen, einen Atemtest zu machen und einige Fragebögen auszufüllen. Die
Fragebögen sind mir irgendwie entgangen, dass vielmehr erst im Nachhinein auf.
Die Frau und ich standen zunächst einmal an der Toilette an, und dann gingen
wir ins Büro, um zu unterschreiben und uns einen Laufzettel mit einer Nummer zu
holen. Danach lieferten wir den Urin ab und versuchten, uns anderweitig
anzustellen, aber es war chancenlos. Wir hatten aber dann Hunger
und entschieden uns erst einmal, etwas zu essen. Die Frau, mit der ich sozusagen im Hotel war,
saß alleine an einem Tisch, und wir sprachen sie kurz an. Wir gingen dann zum Büffet
, um uns etwas zu holen. Es gab Lauchsuppe mit gerösteten Bröckchen aus Brot, Croutons, das liebe ich besonders. Außerdem
gab es kleine Stäbchen aus Gemüse mit einem Dip, und dann gab es noch Quark mit
Himbeeren, ein Traum! Es war ein
wundervolles Essen, jedoch sagte mir meine daheim
gebliebene Bekannte hinterher, was denen wohl einfiele, überhaupt nicht
mehr auf die Dialysepatienten Rücksicht zu nehmen. Auch hätte
sie selbst einen Dialyseplatz organisieren müssen, und das bei einer Tagung für Menschen mit Nierenerkrankungen. Das alles war mir völlig
entfallen, da ich schon länger nicht mehr an der Dialyse bin, und da ich somit
nicht mehr den strengen Diätvorschriften unterliege. Somit hatte ich das wohl
verdrängt. Wir setzten uns an den Tisch meiner Hotelgenossin, und auf einmal
wurde sie gesprächig. Zuvor hatte sie kaum ein Wort über sich erzählt, dann
erzählte sie, welchen Beruf sie vor ihrer Frühberentung hatte, und dass sie
aufgrund des starken Übergewichtes, welches man mit Bardet-Biedl-Syndrom hat,
ein Magenband hat legen lassen. Denn sie ist Gärten schlank. Als ich sie zuvor einmal ganz kurz danach fragte, warum sie trotz
dieser Erkrankung so schlank war, meinte sie nur, sie sei eben untypisch. Auf einmal
jedoch erzählte sie von sich und öffnete sich, sie war dann nicht mehr
so zugeknöpft wie bei mir. Die Frau fragte nur sie über ihre Symptome aus, mich hingegen ließ sie dabei völlig links liegen. Sie fragte nur die
andere, wo sie her war, was sie machte, wie sie mit dem Zug hergekommen war.
Sie fragte, was eine Gesichtsfeld Einschränkung ist, obwohl ich ihr zuvor
erzählt hatte, dass ich eine Diplomarbeit über meine Augenerkrankung
geschrieben hatte, und sie daher wissen konnte, dass ich etwas darüber weiß.
Ihre Kinder haben auch BBS wie diese Bekannte,
daher verstehe ich, dass sie sich natürlich austauschen wollten, aber die
allgemeinen Fragen hätte sie ruhig noch an mich richten können. Irgendwann
schaltete ich mich wieder ein und sagte, ich möchte bitte auch am Gespräch
beteiligt werden. Ich finde es traurig, dass ich immer aus dem Gespräch
ausgestoßen werde,sobald bessere Leute da sind, und mein Lückenbüserdasein beendet ist. Die Frau war dann insgesamt auch
ziemlich komisch zu mir, sie behandelte mich mehr wie ein Kleinkind, wo sie
zuvor eigentlich sehr nett und freundlich war.
Wir warteten dann vor den Türen der verschiedenen
Versuchszimmer, und ich erzählte ihr, dass ich einmal einen unschönen Dialog
mit dem großen Redner hatte, als ich mal wegen einiger Fragen anrief. Er hat
mir damals schon gesagt, ich könne doch diesen Nasenabstrich machen lassen, und
er würde mir alles zu schicken. Ich erzählte ihm dann von meinen Problemen mit
Feinmotorik, Koordination und Gleichgewicht, und fragte ihn, ob ich denn eine
Ergotherapie machen sollte. Er sagte mir damals, wenn ich mich bis hierhin
alleine durchgeschlagen hätte, könne ich das auch weiterhin so machen. Ich
finde das eine Frechheit, damit hat man sozusagen nicht die Gnade der späten Geburt sondern den Fluch der frühen
Geburt. Ich schrieb ihm dann damals und sagteihm ganz direkt, dass ich, nachdem er mir
gegenüber so wenig kooperativ war, nun meinerseits auch keine Lust mehr hatte, einen
Nasenabstrich für ihn machen zu lassen, zumal eine Hand normalerweise die
andere wäscht. Nun meinte die Frau etwas beschwichtigen, jetzt machst Du es ja
doch. Ich kann mir ziemlich blöd vor. Ich sagte ihr, dass man meistens mit
diesen Erkrankungen und diesen Symptomen nicht ernst genommen wird. Wir kamen
dann zum Geruchstest, und ich war überzeugt, dass sich die beste sein würde, da
mein Geruchssinn von all meinen Sinnen am besten ausgeprägt ist. Ich habe fast
eine Nase wie ein Hund, ich kann so ziemlich alles riechen, was andere
überhaupt nicht wahrnehmen. Es waren 16 Gerüche, und die Organisatorin, die
Mutter eines Jungen mit Bardet-Biedl-Syndrom, hatte elf von 16, und ich sagte
ihr, ich werde Dich um Längen schlagen. Die Bekannte, die zu Hause geblieben
war, hat überhaupt keinen Geruchssinn, denn durch die Probleme mit den Zilien
kann eben auch der Geruchssinn beeinträchtigt sein. Ich ging dann in das
Zimmer, und ich sollte dort einige Gerüche identifizieren, es wurde mir immer ein Geruch mit vier
Wahlmöglichkeiten vorgelegt. Allerdings waren die Gerüche oft so künstlich,
dass ich sie kaum als das identifizierte, als was sie ausgewiesen waren. Am
Ende hatte auch ich nur elf von 16 und war ziemlich enttäuscht, da ich fest
davon überzeugt war, die volle Punktzahl zu erhalten mit meiner tollen Nase.
Danach sollte ich den Stickoxydgehalt in meiner Atemluft testen lassen, da
aufgrund der geschädigten Zilien, die eben auch in den unteren Atemwegen
vorkommen, die Ausatemluft häufig höhere Stickoxydkonzentrationen aufweisenkönnte.
Bei mir war aber alles normal, ich weiß nicht, inwieweit die Hypothesen überhaupt
sich bestätigt haben, und ob nicht die anderen auch ganz normale Werte hatten,
oder ob ich einfach Glück hatte. Man ging ja nun einmal zuerst davon aus, dass
bei gestörten Funktionen von Zilien dies einfach vorkommt, und man wollte eben
untersuchen, ob sich die Hypothese als richtig erweist oder nicht.
Beim Geruchstest sollte ich dann auch solche Fragen
beantworten, bei denen auch die Frau lachen musste, die die Fragen zu stellen
hatte, wie zum Beispiel, riechen sie an ihrer Kleidung, um festzustellen, ob
sie noch getragen werden kann oder nicht. Selbstverständlich tue ich das, ich
wusste nicht, was daran komisch sein sollte. Flecken sehe ich sowieso nicht,
ich würde sie höchstens ertasten, wenn sie überhaupt hervorstechen und nicht
einfach nur die Farbe des Kleidungsstücks
verändern, und somit verlasse ich mich lediglich auf meinen Geruchssinn, denn
wenn ich es rieche, werden es andere womöglich auch tun. Überhaupt mache ich
viel über die Nase, ich unterscheide auch die meisten Geschäfte über die Nase,
ob das ein Zeitungsgeschäft, eine Apotheke und ein Friseur oder Metzger ist.
Ich kann auch, wenn ich mit jemandem durch die Stadt laufe, sofort die
Blumenkübel riechen, ich merke, wann wir an einem Blumenladen vorbeikommen,
oder in der U-Bahn halte ich mir manchmal die Nase zu, weil manche Leute es
offenbar nicht für nötig halten, sich ab und zu mal zu waschen oder die
Kleidung zu wechseln. Außerdem finde ich Essensgerüche vor 12:00 Uhr reichlich
penetrant, und ich kann auch nur über den Geruchssinn feststellen, ob ein
Lebensmittel verdorben ist oder nicht. Das alleine reicht manchmal nicht aus,
denn Schimmel auf dem Brot kann man schon sehen, bevor es zu riechen beginnt,
und dann ist es sowieso schon höchste Eisenbahn. Ein Brot mit Schimmel ist
durch und durch verdorben, da schließlich die unsichtbaren Sporen schon überall
sind. Zum Glück gibt es ja eine App, die heißt Be-my-eyes, damit kann man einen
Freiwilligen anrufen, und wenn man die Kamera des Handys darüber hält, kann
einem jemand sagen, ob die Marmelade oder das Brot oder der Käse verschimmelt sind.
Es gibt aber auch Menschen, die vollkommen blind sind und keinen Geruchssinn
haben, und da würde ich mich aufgeschmissen fühlen. Wenn meine Nebenhöhlen
entzündet sind, ist mein Geruchssinn auch ausgeschaltet, und das versetzt mich
jedes Mal in schiere Panik, wenn ich noch nicht einmal mein Duschgel oder mein
Haarwaschmittel riechen kann. Das passiert aber nur dann, wenn schon die
Nebenhöhlen beteiligt sind, und dann helfen mir pflanzliche Mittel wie Sinupret,
um mal Schleichwerbung zu machen.
Ein Redner, ein Augenarzt, der sehr vielen Eltern der
betroffenen Kinder dort bekannt war, berichtete von einem Jungen, der das
Bardet-Biedl-Syndrom hatte und dadurch hervorstach, dass er zwar geistig etwas
zurückgeblieben war, sich aber extrem viele Dinge, wie zum Beispiel Fußballtabellen
auswendig merken konnte. Er hatte vor allen neuen Dingen Angst und bestand auf
einer festen Routine. Dies sind meines Wissens alles Merkmale von Autismus. Bei
meinem Gendefekt, so wurde mir erklärt, wäre mit größter Wahrscheinlichkeit
auch eine Form des Autismus dabei, und auch meine Probleme mit Gleichgewicht,
Koordination und Feinmotorik ließen sich mit dem Gendefekt aber auch teilweise mit dem
atypischen Autismus erklären. Somit meldete ich mich und fragte, ob denn
der Junge einen Autismus hätte, den er wie sie ja schließlich alle Merkmale
darüber auf, da er sich sogar Fußball Tabellen auswendig merken könne, und ob
nicht mehrere Kinder mit Bardet-Biedl-Syndrom diese Auffälligkeiten hätten. Ich sagte allerdings nichts von meinem Autismus. Der Redner ließ mich
total runterlaufen und meinte, es gäbe ja schließlich nicht lauter Kinder mit
Bardet-Biedl-Syndrom, die sich Fußball Tabellen auswendig merken könnten,
woraufhin ich dann sagte, dass es ja auch
andere Dinge sein könnten, aber das auffällt, wenn sich Menschen sehr viele
Dinge einfach systematisch auswendig merken können. Ein anderer Redner sprang
mir dann aber bei, es war derjenige, der mir schon einmal in einem längeren
Briefauskünfte über meinen Gendefekt gegeben hatte. Er meinte, dass solche
Merkmale durchaus vor kämen. Früher ist man nur nach dem Erscheinungsbild, also
dem Phänotyp gegangen, heute geht man eher nach dem Gendefekt, also dem
Genotypen. Dementsprechend hätte ich das Bardet-Biedl-Syndrom, da ich aber
äußerst schlank sei, wäre es nicht ratsam, diesen Namen für mich zu verwenden,
denn das würde in die irre führen. Und mir hat auch schon die Organisatorin mit
dem Jungen mit Bardet-Biedl-Syndrom erzählt, dass ich ähnliche Verhaltensweisen
hätte wie er.
Es gab da noch einen Vortrag zum psychosozialen Umfeld und
wie dieses mit der Situation umgeht. Was mich sehr gestört hat war, dass die
Redner sehr viele Präsentationen mithilfe von PowerPoint Darstellungen am
Beamer machten. Es wurde wenig Rücksicht darauf genommen, dass im Publikum eben
auch blinde Menschen sind. Ich konnte noch etwas erkennen, aber es störte mich
sehr, dass z.B. der Sozialarbeiter mit den Fingern auf bestimmte Punkte an der
Leinwand zeigte und immer wieder sagte, der hat dann eher Probleme mit dem, und
dieser steht dann in einer anderen Beziehung zu dem usw., wobei es sich meines
Wissens um Köpfe in der Familie handelte. Man konnte zwar trotzdem mitkommen,
aber es stört mich, dass unsereins immer nur die Hälfte aller Vorträge
mitbekommt, da die visuellen Eindrücke ebenfalls zur Informationsbeschaffung
beitragen. Man hat dann als Trostpflaster
zugesagt, uns auf Wunsch die Sachen als Power-Point-Dateien zuzusenden, aber das kann ein Blinder auch nicht öffnen geschweige denn auswerten. Wir hatten uns überlegt, ob
wir dies nicht bemängeln, bisher bin ich aber noch nicht dazu gekommen, ein
dementsprechendes Schreiben zu verfassen, und ich habe auch nicht immer Lust,
diejenige zu sein, die sich über alles beschwert und dann wieder als schwierig
gilt.
Nach den Vorträgen bekam ich dann noch ein Stück Kuchen und
einen Kaffee, und ich bat darum, dass der Redner, der mir während des Vortrags
einige Auskünfte gegeben hatte, auf mich zukommen sollte, um mir noch einige
Fragen zu beantworten. Er stand an einem anderen Tisch, und jemand meinte, er
hätte gesagt, dass er dann auf mich zukommt. Da er aber nicht kam, bat ich
jemanden, mich hinzubringen. Er meinte, er habe mir damals schon eine
Bescheinigung geschrieben. Es handelte sich aber damals nicht um eine
Bescheinigung sondern um eine Antwort auf meine Fragen, ob meine
Schwierigkeiten eventuell mit meinem Gendefekt zu tun haben könnten. Er meinte,
das sei wohl so, und da könnte ich beruhigt sein. Allerdings wolle er anmerken,
dass ich es im Gegensatz zu anderen, die er hier gesehen hatte, und die auch
mein Syndrom hätten, nämlich das Senior-Loken-Syndrom, noch gut getroffen hätte,
denn schließlich könne ich so vor ihm stehen und ihm solch gezielten Fragen stellen und mir alle 10 Fragen merken, die ich beantwortet
haben wollte. Ich sagte ihm, erlauben Sie mal, aber im Verhältnis zum
Bevölkerungsdurchschnitt habe ich es bestimmt nicht gut getroffen. Ich habe
zehn Jahre Dialyse hinter mir, ich habe einen bis vor Kurzem unerkannten atypischen Autismus,
eine familiär bedingte ADHS, habe Probleme mit Feinmotorik, Gleichgewicht
und Koordination und bin fast blind. Ich musste nach einem erfolgreichen Studium und nach langer Arbeitslosigkeit und wenig
qualifizierter Beschäftigung aufgrund
der Dialyse dann in Frührente gehen, und ich wurde aufgrund meines nicht
erkannten Autismus damals in einem Regelgymnasium bis aufs Blut gemobbt, wobei
mir niemand half, und man mir nur selbst die Schuld gab. In der
Sehbehindertenschule war ich die ungeschickteste und der größte Tollpatsch von
allen, und da man meine Mehrfachbehinderung nicht anerkannte oder nicht sehen
konnte oder wollte, wurde ich dauernd zu Unrecht als faul, ungeschickt,
tollpatschig oder verwöhnt hingestellt. Wenn das gut getroffen ist, hätte ich
in dem Moment am liebsten einen Morgenstern dabei gehabt. Aber das sollte ich
lieber nicht schreiben. Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Wenn ich vor ihm so
stehen kann, wie übrigens auch einer meiner Familienmitglieder, der zusätzlich
noch eine Epilepsie und eine Herzerkrankung hat, und der trotzdem Musik
studiert hat, dann haben wir selbst sicher auch etwas dazu beigetragen. Die
anderen hat es schwerer getroffen, daher können sie nicht so vor ihm stehen wie
wir, aber wir haben uns immerhin ausschließlich selbst angestrengt. Ich fand
das so unmöglich, dass ich ihm das noch einmal in einer E-Mail schrieb, aber er
meinte, er habe doch nur sagen wollen, das es eben ein ganzes Spektrum von
Auswirkungen dieses Gendefekts gibt. Dann hätte er dies wertfrei ausdrücken
müssen mit den Worten, es gibt Menschen, die noch stärkere Auswirkungen haben
als sie und wiederum welche, die eine weniger starke Variante haben. Mir werden
immer nur die positiven Seiten vor Augen gehalten, und das es anderen noch viel
schlechter geht. Ich renne auch nicht umher und sage den sehenden, seht mal,
wie gut habt ihr es doch im Gegensatz zu mir getroffen. Die würden alle sagen,
bitte schön, dafür hab ich eben andere Sachen. Wenn es Menschen gibt, denen es
wesentlich schlechter geht als mir, müsste es auch Menschen geben, die zugeben,
dass sie es noch wesentlich besser getroffen haben als ich. Da es aber alle
entweder gleich oder schlimmer getroffen haben als ich, müsste ich der
gesündeste Mensch auf der Welt sein. Das kann ich mir bei meinem Spektrum an
Erkrankungen nicht vorstellen.
Ich machte dann noch den Nasenabstrich, wobei mit einer
kleinen Bürste durch das Nasenloch gefahren wird, und zwar so tief, dass es
regelrecht schmerzt. Da ich vier verschiedene Nasenoperationen hinter mir
hatte, hat es auch dementsprechend weh getan. Daher schaffte ich es nur in
einem Nasenloch, aber dennoch hatten wir eine gute Ausbeute, und die nette
Ärztin, die übrigens auch aus meinem Wohnort stammt, die aber jetzt in Münster
lebt, konnte kleine Probe auf ein Glas unter ein Mikroskop legen, und selbst
ich konnte sehen, dass die Zilien vibrieren. Das war wirklich spannend. Ich
fand die Ärztin so nett und so goldig, und sie hatten auch Verständnis, dass
mir das mit dem Nasenabstrich höllisch weh tat.
Wir beiden, die wir wieder ins Hotel wollten, warteten dann auf das Taxi zurück. Sie hatte
es bestellt und dabei aber offenbar
vergessen zu sagen, dass noch ein Blindenführhund dabei war.
Es war kalt, und es regnete. Wir haben
uns untergestellt, und jemand half uns, die genaue Ortsangabe bei der
Taxizentrale durchzugeben. Leider kam aber kein Taxi, sodass wir noch einmal
anriefen und nachfragten, wo denn unser Taxi bliebe. Wir erklärten, wir seien
zwei Leute mit einem Hund. Irgendwann kam dann das Taxi, aber der Taxifahrer
sah den Führhund und meinte, nein, einen Hund nämlich nicht mit, und fuhr
weiter. So standen wir weiter in der Kälte und im Regen. Ich war zornig und
rief noch einmal selbst bei der Taxizentrale an und erklärte dem Mann, dass wir
soeben mit Blindenführhund stehen
gelassen worden waren, und der Fahrer eine Beförderungspflicht hätte. Der
Disponent behauptete aber steif
und fest, sie habe nicht dazu gesagt, dass sie einen Führhund dabei hätte. Ich
sagte ihm, dass ich es genau gehört hätte, aber er glaubte mir nicht.
Normalerweise müsste man einfach dem Kunden glauben und nicht anfangen, sich
mit ihm zu streiten. Immerhin hat mich das in meiner Entscheidung bestärkt, mir
auf keinen Fall einen Blindenführhund anzuschaffen. Schließlich kam ein sehr
netter Taxifahrer, und mittlerweile war auch die nette Ärztin am Parkplatz
erschienen und hatte uns geholfen, sicher ins Taxi zu kommen. Der nette
Taxifahrer erklärte uns dann, dass wir das jedes Mal dazu sagen müssten, und
dass er selbst keine Probleme hätte, einen Blindenführhund mit zu
transportieren, und dass er den Kollegen nicht verstünde. Die Führhundebesitzerin räumte dann ein, dass sie
dies womöglich beim ersten Mal vergessen hatte, aber sie hatte es ja zumindest
beim zweiten Mal gesagt. Ich fragte dann, ob ich denn am nächsten Tag am Morgen
abgeholt würde, denn das Taxi würde sich vielleicht weigern, jemanden von einem
Hotel in der Nähe vom Bahnhof zum Bahnhof zu bringen. Alleine könnte ich es
aber nicht schaffen. Sie hatte einen Zug, der 1 Stunde später fuhr, und sie
wollte noch mit dem Führhund raus, daher konnte sie mich nicht zum Bahnhof
bringen. Bei der Ankunft im Hotel, als sie dann noch dabei war, sagte ich, dass
ich gerne ein Lunchpaket mitnehmen würde, da ich ja das Frühstück auch bezahlt
hätte, und dass ich mir dann unterwegs nichts kaufen müsste. Somit bestellte
ich alles, Ei, Joghurt, Brot usw., ein Stück Obst und auch eine Flasche Wasser.
Sie fand das eine gute Idee und meinte, das könne sie auch machen. Der
Taxifahrer meinte, vom Hotel aus könnten wir ja anrufen und erklären, dass ich blind
sei, sonst würde sich der Fahrer weigern, mich von einem nahegelegenen Hotel
zum Bahnhof zu bringen. Somit erklärten wir dann der Frau bei der Rezeption die
Sachlage. Ich sagte noch zu dem Fahrer, schade, dass sie morgen keinen Dienst
haben, sonst hätte ich sie gleich bestellt. Ich war so durch gefroren, dass ich
bei der Rezeption fragte, ob ich einen Tee mit Pfefferminze bekommen könnte,
und die Frau war sogar so nett, ihn mir aufs Zimmer zu bringen und verlangte
noch nicht mal was dafür. Zuvor waren wir noch in aller Windeseile beim Essen,
wir rannten wieder zu der Bäckerei, wo wir uns eine Käsestange holten und ein
Wasser, und sie meinte, sie würde sich sofort auf ihr Zimmer zurückziehen. Mit
meinen Habseligkeiten ging ich dann zur Rezeption, bat um den Tee und verschwand auch in meinem Zimmer.
Der Tee wurde dann eben gebracht, so hatte ich etwas warmes und etwas kaltes zu
trinken und konnte meine Käsestange genießen. Ich fand es aber trotzdem etwas
merkwürdig, dass sie so schnell verschwunden war, auch wenn sie fix und fertig
und müde war, aber sie machte mir gegenüber einen sehr zugeknöpften Eindruck.
Mitten in der Nacht wachte ich auf, denn es war sehr laut in
dem Hotel. Dieses Hotel war total schön, es war schlicht und einfach, sauber,
schön eingerichtet und sehr praktisch. Aber es war eben auch sehr lebhaft dort.
Ich dachte, es sei bereits 7:00 Uhr und zog mich an. Als ich dann meine Tasche
gepackt hatte, stellte ich mit Entsetzen fest, dass es lediglich 2:00 Uhr war,
so zog ich mich wieder aus und legte mich wieder hin. Als es dann tatsächlich
7:00 Uhr war, zog ich mich an und ging mit meiner Reisetasche zu Rezeption, wo
dann das Taxi gerufen wurde, welches zuvor schon bestellt worden war, denn wir mussten
ja die Sachlage am Tag zuvor schon bei der Taxizentrale erklären. Ich wollte
ihr noch ein Trinkgeld geben, hatte es aber nicht klein, und sie meinte, nein,
das muss dann nicht sein. Zehn Euro war mir doch etwas zu viel für zwei Nächte,
fünf Euro hätten gepasst, aber ich hatte eben nur einen zehn Euro Schein. Die Rezeptionistin meinte, das sei lieb von mir, aber ich hätte es ja
auch nicht zu dicke, und daher sollte ich es lieber behalten. Sie wusste aber
zu schätzen, dass ich Anstalten gemacht hatte, ihr ein Trinkgeld zu geben.
Ich fand dann einmal wieder nicht nach unten, da ich mir nie
merken konnte, wie viele Treppenabsätze und wie viele Kurven es um die Ecke
geht, da ich mir so etwas niemals merken kann. Ich hasse mich wirklich dafür,
die Blindheit ist nicht das Problem, es sind eher die anderen Erkrankungen oder
Störungen oder Charakterschwächen, oder wie man immer das bezeichnen mag.
Als ich dann unten auf das Taxi wartete, kam sie mir noch
einmal mit ihren Führhund entgegen und meinte, wir
könnten uns ja mal beieinander melden. Das hab ich nicht gemacht und sie nicht,
und mittlerweile habe ich sie auch aus meinem Adressbuch entfernt, da uns
einfach wenig Verband. Sie war zwar freundlich, aber ich hatte das Gefühl, dass
sie mir gegenüber extrem unnahbar schien. Vielleicht mochte sie mich einfach
nicht, denn ich bin meistens den Leuten nicht sehr sympathisch. Das ist keine
schöne Eigenwerbung, aber die Welt ist eben nun einmal ein Spiegeln. Das Taxi
kam, und ich wurde dann eben zum Bahnhof gebracht. Dort war ich viel zu früh
angekommen, sodass ich mein Frühstück auspackte und mich ins Café setzte, mir
eine Tasse Kaffee holte und dazu mein Frühstück aß. Ich sollte von einem Bahnangestellten
abgeholt werden, um ans Gleis gebracht zu werden. Als es dann nur noch 10
Minuten bis dahin war, geriet ich in Panik und bat einen Passanten, nicht zum
Zug zu bringen. Der machte dies auch sehr freundlich. Da rannte dann der Bahn
Beamte hin und schimpfte, warum ich nicht gewartet hätte, man hätte mich doch
geholt. Ich sagte, woher sollte ich denn das Wissen, das Risiko war mir zu
groß, ich hatte ewig gewartet, und niemand war gekommen. Da war er dann ruhig.
Er setzte mich noch in den Zug und verschwand. Alles war gut gegangen.
Dieses Mal hatte der Zug auch wieder größere Verspätungen,
holte sie aber immer wieder auf. An einer größeren Haltestelle wurde auf einmal
die Durchsage gebracht, wir sollten alle aussteigen, der Zug sei zu schwer, er
könne nicht mehr weiterfahren. Wir sollten in den Zug gegenüber einsteigen, der
würde dann weiterfahren, und ich könnte dann unterwegs bei meiner Haltestelle
aussteigen. In meiner Panik hatte ich schon meine Sachen und wollte raus, da
hielt mich jemand fest und meinte, gute Frau, bleiben sie doch hier, der Zug
wird bald weiterfahren, wenn die Leute in den
gegenüber liegenden Zug des erwähnten
Zielbahnhofs ausgestiegen sind, die können dann den Zug gegenüber nehmen,
bleiben Sie halt einfach sitzen. Das
machte ich dann auch zum Glück, und kommentarlos und ohne Entschuldigung vor
der Zug wieder an, wir setzten also unsere Reise fort. Messerscharf richtig geschlossen,
es ging wohl doch weiter. Das ist eben die Fahrt mit der Deutschen Bahn. Aber
wir sind heil angekommen, und die Verspätung hielt sich wirklich in Grenzen.
Zu Hause habe ich dann die Mitschnitte noch etwas geordnet
und sie an meine Bekannte weitergeschickt, die sich sehr darüber freute und sie
auch an die anderen verteilte, die nicht mit Konten, sowie auch an meine
Begleiterin, die mit mir im Hotel war, die sie wahrscheinlich auch mittlerweile
angehört hatte. Insgesamt konnte ich doch einiges mitnehmen, wenn mein Gedächtnis
auch nicht mehr so gut ist wie früher, und ich mir viele Dinge nicht merken
kann. Die Einteilungen sind auch wieder anders, irgendwie kommt man da ziemlich
durcheinander, was jetzt genau zu welcher Gruppierung gehört.
Mit der Hoffnung, dass mir endlich jemand die Entlastung
gibt, die ich mir zurecht erwünscht hatte, dass ich tatsächlich eine schwere
Krankheit habe und nicht einfach nur zu blöd bin, bin ich dorthin gefahren, um
Erklärungen zu kriegen. Stattdessen War ich ziemlich sauer über diesen Arzt,
der mich auch noch so quasi als Glückspilz eingeordnet hat, sozusagen jemanden,
die es noch relativ gut getroffen hatte. Schlimmer geht halt immer. Am besten
hätte ich es getroffen, wenn ich die
Mutation in diesem Gen überhaupt nicht hätte. Eine ausschließliche Blindheit,
oder eine Blindheit mit Nierenerkrankung ohne die anderen neurologischen
Schädigungen hätte auch gereicht. Manchmal glaube ich, die Blindheit und die
Nierenerkrankung sind nicht das Problem, es sind all die anderen Dinge. Die
würde ich lieber gegen einen Arm eintauschen, dann hätte ich eine sichtbare
Behinderung, und ich würde nicht immer als jemand angesehen, die einfach nur
einen schlechten Charakter hat, keine Frustrationstoleranz hat und einfach nur
zu faul ist, sich Mühe zu geben. Wie ein Legastheniker, den man einfach nur als
schreibfaul oder als schlampig oder als unachtsam hinstellt, der aber einfach
nicht besser schreiben kann. Wenn ich nur einen Arm hätte, dann wäre ich
wahrscheinlich neurologisch
unauffällig und weitgehend geschickt, und man würde sagen,
schau mal, sie hat nur einen Arm, aber damit weiß sie eine Menge anzufangen. So
habe ich zwei schöne und wohl geratene Hände mit schönen langen schlanken
Fingern, aber die können fast nichts. Ich kann zwar Gitarre spielen, aber das
geht auch nur bis zu einer gewissen Grenze, wobei diese Grenze nicht wäre, wenn
ich diese Probleme nicht hätte. Ich könnte wahrscheinlich zumindest Klavier
begleiten, Querflöte wirklich sehr gut spielen und Gitarre auch. So habe ich es
bei der Querflöte trotz siebenjähriger Unterrichtsstunden und eisernen Übens jeden Tag 1 Stunde lang kaum über ein paar Melodien hinaus geschafft, das
Klavier habe ich nach 2-3 Jahren in der frühen Kindheit aufgegeben, und mit der
Gitarre komme ich gerade mal über den Hausgebrauch. Ich habe viel geübt, ich
müsste eigentlich von Rechts wegen wesentlich mehr können, aber es ist mir
nicht gegönnt, obwohl ich sehr musikalisch bin. Auch im Sport war ich immer die
schlechteste, auch wenn es viele und sportliche Menschen gibt, aber ich bin
laut meiner Sportlehrer auf dem Gymnasium sogar bewegungsbegabt, ich bin extrem
beweglich und gelenkig, aber mir fehlt einfach alles andere an grundmotorischen
Eigenschaften wie Koordination, Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer. Und was das
soziale angeht, könnte man mich auch als schlechten Charakter bezeichnen, und
ich werde auch dauernd als jemand gesehen, die nicht durchhält oder bei allen
so schnell aufgibt. Dabei habe ich ja das Mobbing neun Jahre lang im Gymnasium
durchgehalten, ich habe mein Studium trotz Infektion mit Eppstein-Barr-Virus und jahrelangem
Pfeiffer'schem Drüsenfieber durchgehalten, ich habe die Arbeitssuche
durchgehalten und bin immer noch nach Frührente und zehn Jahren Dialyse am
Leben. Ich bin zwar sehr schnell wütend, oder ich verliere sehr schnell die
Geduld, aber das ist eher im kleinen Bereich, wohingegen ich große Ziele sehr
beharrlich verfolgen kann. Schließlich habe ich auch eine Menge an Spannungen
auszuhalten, da ich bei allen Bewegungen
zehnmal ansetzen muss, da Präzision oder Feinmotorik für mich erhebliche
Anstrengung bedeutet, und da ich mich den ganzen Tag konzentrieren muss, ohne
wirklich mal ausruhen zu können. Und ich kann mich nicht wie ein normaler
Mensch einfach mal abreagieren, da ich jede Bewegung nur sehr langsam ausführen
kann, ohne mich zu verletzen und nicht einfach mal locker und gefahrlos durch die Gegend laufen kann,
und auch körperlich nicht in der Lage bin, mich auszutoben. All das müsste man
berücksichtigen. Leider tun das meine Physiotherapeuten und Ergotherapeuten
immer noch nicht, obwohl jetzt meine Erkrankung nachgewiesen ist. Ich komme mir
vor wie jemand, der nur faule Ausreden hat. Jetzt, da man endlich weiß, was los
ist, sollte ich eigentlich rehabilitiert werden. Dabei hilft aber auch keine Genmutation, kein
Nachweis davon und auch keine Erklärungen von Ärzten, dass dies mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit damit in
Zusammenhang stehen könnte. Stattdessen
darf ich weiter kämpfen und bin
ganz alleine damit. Andere kriegen so viel Unterstützung bei der
Werbung um Verständnis für ihre
Erkrankungen und Behinderungen, während ich alleine bin.
Ich kann nur hoffen, dass von dem, was die Forscher alles über unser
abgeliefertes Material herausfinden, auch was zu uns zurückkommt, dass
es mehr Ärzte gibt, die für uns um Verständnis werben, da ich das gerade
aufgrund meiner Erkrankung sehr schlecht zuwege bringe, und das es irgendeine
Möglichkeit gibt, dass diese Mutation überhaupt nie wieder auftritt, damit kein
Mensch je so etwas haben muss.
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