Sonntag, 7. Juli 2019

Der Datenhandschuh


Wie in diesem Blog  schon berichtet, war ich kurz vor Weihnachten in einer  Tretmühle, in der man virtuell mit einem Stock durch ein ebenfalls  virtuelles Gebäude laufen konnte. Dabei wurde schon angekündigt, dass mit einem Datenhandschuh virtuelle Objekte ertastet werden könnten, und dies in einem späteren Experiment folgen würde. Man würde mich unterrichten, sobald es soweit wäre.

 

Vor zwei Wochen war es dann soweit, der Sohn eines blinden Bekannten von mir rief mich an, er arbeitet mit dem Forscher zusammen und macht seinen Master in Medieninformatik, und er wollte mich fragen, ob ich bereit wäre, an diesem Experiment teilzunehmen. Da ich neugierig auf all diese Dinge bin, sagte ich natürlich sofort zu, weil ich ja sowieso schon darauf wartete, eingeladen zu werden.

 

Ich traf mich also mit dem Sohn des blinden Bekannten, und wir gingen zusammen zu der Fachhochschule, wo alles stattfinden sollte. Der Untersuchungsleiter, der über das Thema virtuelle Realität promovierte und  mit mir zusammen schon das Experiment  mit der Tretmühle  durchgeführt hatte, erklärte mir den Ablauf. Zunächst einmal musste ich  einige Objekte ertasten, die dann später virtuell auf dem Tisch dargestellt würden. Man hatte im drei die Drucker ein Modell der Korridore um das Büro herum gemacht. Zum Glück waren sie mittlerweile in ein klimatisiertes Büro umgezogen, dafür war es etwas kleiner. Einen Vorteil und einen Nachteil gibt es immer. Aber mich stört das ja nicht. Es muss wohl so heiß gewesen sein, dass selbst die komplizierte Technik irgendwann versagte. Die Computer müssen ja auch gekühlt werden.

 

Nachdem ich diese Objekte ertastet hatte, die einige Korridore mit Säulen und einigen Abbiegungen darstellen sollten, musste ich mit den Händen jeweils pro Finger in eine Schlaufe schlüpfen. Dabei wurde mir natürlich geholfen. Auf dem Rücken der Finger und der Hand waren dann kleine Metallschienen mit Motoren angebracht. Der Handrücken hatte jeweils einen Infrarotsender, der an eine an der Decke angebrachte Infrarotkamera seine Signale abgab. Links und rechts vom Tisch wurden Trecker aufgestellt, die dem Computer zeigen sollten, wo die besagte Fläche war, auf die er dann die einzelnen Objekte projizieren sollte.

 

Wenn man mit den Händen auf den Tisch herum fuhr, wurde dies dem PC mitgeteilt, der ja eine virtuelle Landkarte in sich trug, und somit gab er über Funk den Motoren im Handschuh die Befehle, an den entsprechenden Stellen , wo sich etwas  befand, zu vibrieren, oder die Finger sich nicht weiter bewegen zu lassen. Das war dann eben die sogenannte  Vibrorealität  oder Forced  Reality.  Ich sollte dann die Objekte, die ich vorher in echt ertasten durfte, den Objekten, die mir virtuell auf dem Tisch eingespielt wurden, zuordnen. Zuvor wurden mir aber einige einfache geometrische Figuren auf den Tisch projiziert, die ich leicht ertasten konnte. Immer da, wo das Objekt sein sollte, vibrierten die Handschuhe. So erschien es einem, als ob man auf eine Linie fasst. Oder man konnte einen Kreis ertasten. Zwei der vier Objekte konnte ich erraten. Ich bin nicht sehr gut im Tasten und auch sehr schlecht in der Orientierung. Mein Gehirn verarbeitet das sehr schlecht. Daher bin ich natürlich nicht die ideale Versuchsperson. Aber ich wollte trotzdem mal mitmachen. Zwischendurch musste ich immer wieder Fragen beantworten, ob mir diese Aufgaben schwer fielen oder nicht. Je komplexer die Aufgaben wurden, umso schwerer wurde es natürlich. Das Zuordnen der einzelnen Modelle zu den jeweiligen virtuellen Modellen, das war natürlich wieder recht schwer. Ich habe nur zwei erraten, dass dritte wusste ich nicht. Denn es war um 90° gedreht, und wir hatten aneinander vorbeigeredet. Ich hatte nämlich genau das vermutet, aber ich konnte die Frage nicht zu stellen, dass sie verstanden und korrekt beantwortet werden konnte. Somit wusste er nicht, was ich meine. Sonst hätte ich es auch erraten. Aber immerhin, es war nicht ganz so schlimm wie bei der Tretmühle, wo ich überhaupt nichts geschafft hatte. Da bin ich nur irgendwie durchgekommen, ohne zu merken, wo ich mich überhaupt befand.

 

Das Gestell war etwas unbequem, und man hatte mir erzählt, dass man zum einen noch einen Stoffhandschuh hatte, der aus Amerika geschickt wurde, und außerdem hatte das Team aus Studenten selbst einen Handschuh gebaut. Das wollte ich natürlich ausprobieren, aber der Handschuh war natürlich aufgrund des Stoffs nicht zu genau und setzte manchmal aus. Es war aber wesentlich einfacher, dort hinein zu schlüpfen, denn das Ganze soll ja mal dazu gedacht sein, dass man es Zuhause benutzen kann. Man würde dann an der Decke eine Infrarot Kamera montieren, und auf dem PC hätte man dann die Landkarten gespeichert, und über Funk würde der Datenhandschuh seine Informationen bekommen, und man könnte die beiden Trecker irgendwo auf dem Fußboden oder auf einem Arbeitstisch platzieren, sodass der Computer weiß, wo sich die Fläche befindet, auf die er alles schicken muss. Ich fand das spannend, dass man einen Datenhandschuh bauen kann, und der war dann auch noch relativ preisgünstig. Wenn man natürlich die Zeit berechnet, ist ein Handschuh natürlich wieder wesentlich teurer. Bis zur Marktreife wird es wohl noch sehr lange dauern. Aber der Ansatz ist gemacht.

 

Ich durfte dann auch noch ein dreidimensionales Objekt ertasten, man spielte mir eine Kugel ein, die auf dem Tisch lag. Man hätte auch noch eine schwebende Kugel einspielen können, aber ich wollte eine, die liegt. Dann sollten die Motoren auf dem Gestell, in das ich mittlerweile wieder geschlüpft war, die Finger zurückhalten, aber meine Handgelenke verbogen sich immer wieder, man hätte sie ruhig halten müssen, um nicht durch die Kugel durchzugreifen. Daher war das ziemlich schwer. Ich konnte zwar spüren, dass irgendetwas in der Luft vibriert, aber was es war, hätte ich nicht identifizieren können.

 

Für unsere Radiosendung machte ich natürlich wieder ein Interview, welches dann das nächste Mal dran kommt. Unsere Landeszentrale für Neue Medien hatte sich beschwert und die Gelder mal wieder gekürzt mit der Begründung, wir machten kein gutes Radio. Auch die andere Sendung, die von und mit Menschen unterschiedlichster Behinderungen gemacht wird, wurde verrissen. Dieses Projekt wurde sowieso eingestellt, da dies von der Volkshochschule ausging, und die meisten haben sich direkt beim Sender angemeldet und wurden nicht von der Volkshochschule geschickt, sodass denen die Gebühren abhanden gingen. Wie lange unsere Sendung noch finanziell getragen wird, wissen wir nicht, ich kann nur hoffen, dass es noch lange so geht. Wir haben so interessante Dinge wie zum Beispiel Menschen, die sich mit Zunge schnalzen fortbewegen, Leute, die mit Blinden nach Indien fahren usw., ein Seminar über Gestik und Mimik und Rhetorik für blinde, all diese Leute werden interviewt, ich selbst gehe sehr häufig zu irgendwelchen Veranstaltungen, um dort Interviews zu machen und selbst teilzunehmen und Erfahrungen zusammen, ich weiß gar nicht, was wir noch machen sollen. Außerdem sind dies auch häufig sogenannte gebaute Beiträge, bei denen ich sogar die Übersetzung oben drüber spiele, was ziemlich aufwendig ist, wenn wir zum Beispiel Leute aus Amerika interviewen, die bei uns in der Vereinigung oder  in  Einrichtungen als Gastredner auftreten, wo ich natürlich auch wieder dabei bin. Oder ich gehe mit bei einem Umzug, wo es um die UN Behindertenrechtskonvention geht, mache dort Interviews und Fangetöne ein, und das ganze wird dann zusammengeschnitten und kommentiert, um einen hörenswerten Beitrag daraus zu machen. Dennoch ist diese Zentrale unzufrieden mit uns. Wir sind eines der wenigen freien Radios,  die es in unserem Bundesland gibt, aber man will halt keine freien Radios haben. Und schon gar keine von Behinderten.

 

In der  nächsten  Versuchsreihe soll es darum gehen, dass man einen Gürtel anbekommt mit sogenanntem LIDAR  (Light  detecting and ranging) , das ist so ähnlich wie Radar, und mit diesem Gürtel soll man sich dann im Raum orientieren, der wird einem dann wahrscheinlich Hindernisse ansagen. Auch hier werde ich wieder mitmachen und natürlich in unserer Radiosendung berichten, falls  es sie dann überhaupt noch gibt, was ich aber doch vermute und schwer hoffe.,

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