Samstag, 2. November 2024

Siemens ohne Werbung -- ein toller Ausflug

Ohne wirklich Werbung zu machen, möchte ich sagen, dass wir einen wunderschönen Tag bekommen haben. In unserer Bezirksgruppe kam ein Rundschreiben, dass Siemens einen Ausflug zu einem Freilichtmuseum anbietet. Es würden von der Firma Begleitpersonen zur Verfügung gestellt. Ich rief sofort an bei unserer Bezirksgruppe, ja, das sei so, und da ich eine der ersten sei, würde ich auch eine Begleitperson von den Mitarbeitern von Siemens bekommen. Daher musste ich mich nicht mehr selber um eine Begleitperson kümmern, was doch häufig sehr mühsam ist. Erst muss ich einen Assistenten suchen und fragen, ob die Person Zeit hat, und außerdem, wenn diese dann nicht kann, muss ich sie auch noch bitten, mein Gesuch weiter zu reichen, möglicherweise wird dieser Gefallen dann auch noch abgelehnt, und ich muss dann selber noch mal anfragen. Mir ist es auch schon passiert, dass ich die Assistenz lange Zeit vorher schon gefragt hatte, und dann fiel ihr plötzlich eine Woche vorher ein, ich habe an dem Tag eigentlich gar keine Zeit. Oder es hieß dann, ich hätte nicht dazu gesagt, dass es sich um einen Tagesausflug handelt, und nun müsste ich erst abklären, wie lange es dauern würde etc. Auch muss ich dann für die Begleitperson jedes Mal alles mit bezahlen, das Essen wird zwar von dem Verein gestellt, der die Assistenten schickt, aber die Eintritte und die Busfahrt muss ich für die Assistenten mit übernehmen. Somit zahle ich häufig den doppelten Preis, dafür hat man übrigens das Blindengeld. Trotzdem ist es manchmal schon viel, was man da noch zusätzlich an Kosten am Bein hat. Zuerst einmal verpasste ich die U-Bahn, die mir natürlich direkt vor der Nase wegfuhr. Luzifer macht es immer so, dass ich die Straßenbahn oder die U-Bahn immer noch sehen darf, die mir davon fährt. Ich komme nie zwischen zwei Abfahrten, sondern immer so, dass ich noch die Rücklichter betrachten kann. Ich war stinksauer, aber eine liebe Studentin sprach mich an und sagte, ich muss eigentlich lernen, ich wollte jetzt zur Uni, aber ich bring sie schnell zu ihrem Treffpunkt. Für einen Behinderten, auch wenn es immer heißt, es ginge jedem so, ist ja der Umstieg von einem Verkehrsmittel in das andere schwieriger, und die Zeiten sind so getaktet, dass wir dann häufig das erste Verkehrsmittel verpassen, dann warten müssen und obendrein gleich wieder das zweite dann auch nicht mehr kriegen. Wer sich einmal ein Bein gebrochen hat oder einen anderen Unfall hatte, der kann das vielleicht eine Zeit lang am eigenen Leib erfahren. Mit Umarmung verabschiedete sich dann die liebe Studentin, und ich wurde von unseren Leuten in Empfang genommen. Ich stieg in den Bus, und sofort setzte sich einer von der Firma Siemens neben mich und stellte sich vor. Er erklärte mir, dass er in der Informatik arbeiten würde und Programme entwickelt, damit Radiologen Herzklappen einsetzen können, Blutgerinnsel auflösen oder Stents setzen können. Das war mal wieder so richtig nach meinem Geschmack, ich fühlte mich fast wie früher, als ich noch in meinem ersten Leben einmal ein medizinisches Fachgebiet an der Uni studiert hatte. Es war seit langem mal wieder so, dass ich mir nicht lernbehindert vorkam, und dass ich gleich Begriff, was man mir erklärt. In der Tat, ich war mittlerweile sogar schon so weit, mir jemanden zu suchen, der bei mir eine kognitive Einschränkung diagnostiziert. Aber genau aus dem gleichen Grund, aus dem ich diese kognitive Einschränkung habe, gelingt es mir nicht, jemanden zu finden, der mir hilft und sie diagnostiziert. Dies ist ein hermeneutischer Zirkelschluss. Wir kamen dann bei dem Freilichtmuseum an und wurden in mehrere Gruppen aufgeteilt. Wir durften in verschiedene Häuser, und wir konnten verschiedene Gesteine betrachten, es wurden uns unterschiedliche Häuser erklärt, und es gab sogar für blinde extra angefertigte Mappen mit tastbaren Plänen, die mit Blindenschrift versehen waren. Es wurde uns alles beschrieben, außerdem gab es das Angebot, wenn man wirklich alleine kommt und niemanden hat, eine Führung mit eins zu eins Betreuung zu erhalten, wofür man nichts extra außer natürlich den Eintritt zahlen muss. Das ist ein großartiges Angebot. Es wurde uns auch gesagt, dass es mittlerweile überall Stationen mit auditiven Angeboten gibt, und wir sahen auch einige Bildschirme, auf denen bestimmte Sachen dargestellt wurden, die uns dann von unseren Begleitpersonen erklärt wurden. Tiere gab es auch, so gingen wir zum Beispiel einmal in einen Ochsenstall, und es wurde mir dringend empfohlen, mich den Tieren nicht weiter zu nähern, denn sie mögen es nicht so, wenn man von hinten an sie herantritt. Ein Tritt eines Ochsen hätte mir vielleicht auch nicht ganz so gut getan. Mein Begleiter erklärte mir einmal , dass Hühner herumlaufen, und dass sogar in dem Moment ein Huhn unseren Weg gekreuzt hätte. Wir hörten einen Hahnkrähen, zunächst dachte jemand, das sei eine Blinden Uhr. Außerdem konnten wir ein kleines einsames Schweinchen in seinem Stall betrachten, welches das letzte seiner Geschwister war, dass noch nicht zum Schlachter gebracht wurde. Uns allen tat es sehr leid, denn geschlachtet werden ist schlimm, als Schwein aber allein zu leben ist nicht viel schöner, kein Schwein ruft mich an, fiel mir da ein. Schweine sind ja schließlich intelligente Tiere. Wir durften auch verschiedene Werkzeuge anfassen, mit denen bestimmte Ornamente gestaltet wurden, zum Beispiel Schnecken, die man aus irgendwelchen Gründen Voluten nennt. Zuerst sah man nur den Gesteinsblock, dann wurden bestimmte Stemmeisen oder Stößel gezeigt, mit denen etwas aus dem Gesteinsbrocken heraus gemeißelt wurde, dann gab es bestimmte Schleifwerkzeuge , mit denen dann der Stein spiegelglatt geschliffen wurde, und dann bei der nächsten Station wurden schon die ersten Formen der Schnecke heraus gemeißelt. Die Geräusche wurden uns über ein Video eingespielt. Wir konnten sehr viele Fachwerkhäuser bewundern, und uns wurde erklärt, dass die Häuser in Blöcken von 50 t zerlegt und in dieses Museum verfrachtet wurden aus verschiedenen Orten unseres Heimatgebietes. Mir fiel der Begriff Gnadenhof für Häuser ein, denn die Führerin erzählte uns, dass sie tagtäglich Anfragen bekommen, ob man Häuser vor dem Verfall retten und hier aufstellen könnte. Sie könnten gar nicht alle Häuser „aufnehmen“. Wir durften auch in die Häuser hinein, und in einem Haus war ein Kachelofen angeschürt, es war dort so wunderschön warm, man fühlte sich sofort pudelwohl. Wir saßen alle um einen Tisch herum, und wir konnten das Tischtuch mit seinen Stickereien abtasten, die Stühle hatten wunderschöne geschnitzte Ornamente. Wir erhielten auch Tastpläne von dem Grundriss dieser Häuser. Keine Wärme, so stellte ich fest, ist so schön wie die Wärme eines Holzofens. Es roch auch sehr angenehm, die Frau erzählte uns, dass ihr die Kollegen immer wieder sagen, man riecht, dass du in diesem Haus warst. Innerhalb der Stube gibt es dann ein kleines Kabinett, darin stehen zwei Betten, welche für kranke oder ältere Menschen vorgesehen sind, damit sie weiterhin am Leben teil nehmen und alles hören können. Darin war es so gemütlich, ich wäre darin am liebsten geblieben, schade, dass man sowas nicht zu Hause einrichten kann. Es gab auch eine Apfelausstellung, mir wurde zum Beispiel eine Mole Busch in die Hand gedrückt, und ich sagte nein, das ist eine Birne. Wir hatten zu Hause sehr viele Äpfel und Birnen, ich werde zu Hause nur die Apfelmühle genannt, und ich kenne zahlreiche verschiedenste Sorten von Äpfeln und Birnen. Daher war ich begeistert, es war sehr verführerisch, ich musste mich schon zusammenreißen, um nicht einfach in einen der Äpfel hinein zu beißen. Es gab auch die kleinen Kornäpfel und die noch kleineren, deren Namen ich jetzt vergessen habe, die ich aber auch schon oft gekauft hatte. Was ich auch interessant fand und noch nie gehört hatte, war, dass es einen Erdkeller gab, soviel ich mich noch erinnere, der einfach mitten im Hof stand, und in welchen ein paar Treppen hinunterführten. Dort war es Sommer wie Winter immer gleich warm. Der Keller im Haus war ebenfalls so konzipiert, dass man die Kartoffeln oder das Obst einfach durch das Kellerfenster werfen konnte, und alles landete in einer Art schütte. So etwas hatte ich auch noch nie gesehen. Es gab auch einen großen steinernen Backofen, dort konnte man 30 Brote backen, und uns wurde dann ziemlich lapidar erklärt, dass man damals schon mal eben einfach so schimmliges Brot gegessen hatte, das war egal, die 30 Brote wurden auf einmal gebacken und dann einfach nacheinander aufgegessen. Und die Leute haben es überlebt. Eigentlich müssten wir ja demnach auch befähigt sein, mit Schimmel fertig zu werden, denn diejenigen, die den Schimmel überlebt haben, haben uns ja ihre Gene weitergegeben. Wären alle daran gestorben, gäbe es jetzt nur noch ein paar Leute, die extrem resistent gegen Schimmel sind. Aber ich würde trotzdem nicht unbedingt Schimmel essen wollen, lach. Die Methode, Brot einfach einzutauchen, kenne ich auch noch. Wenn ältere Menschen harte Brezeln oder hartes Brot noch aufheben, tunken sie es ebenfalls in den Tee, und ich tunke jedes Mal meine Cantuccini , italienische Kekse, in meinen Cappuccino. Dann quellen sie erst so richtig schön auf und schmecken erst so richtig lecker. Die anderen kamen dann am Ende hinzu und berichteten uns, dass sie bei den Schafen waren, dass sie einen Webstuhl gesehen hätten, und dass ein sehr lieber Kater namens mi cash sie begrüßt hätte, der offenbar sehr gerne mit den Touristen schmust. Ich hatte zuvor schon gedacht, dass man das arme kleine einsame Schwein auch hätte Paschik nennen können. Vielleicht gäben die beiden, wenn man sie zusammen täte, ein gutes Empfangsduo ab. Nach der sehr interessanten und sehr aufschlussreichen Führung gingen wir dann in ein Gasthaus, zuvor hatten wir schon bestellt. Ich habe natürlich wieder meine heiß geliebten Käsespatzen bestellt. Und dieses Mal, siehe da, war ich nicht die letzte, die so lange warten und hungern musste. Wir hatten eine gute Unterhaltung, und es war sehr lustig, da einer mir seine Chuck Norris Witze erzählte, die außer ihm und mir niemand witzig fand. Ich schlug vor, „meinen“ Siemensianer auf einen Cappuccino einzuladen als Dank für seine Führung. Er nahm lachend an, aber wir warteten vergeblich auf den Wirt, der einfach nicht abkassierte. Und da erfuhren wir den Grund, Siemens hatte nämlich auch noch das ganze Essen für alle bezahlt, den Cappuccino, den ich für uns beide bestellt hatte, eingeschlossen. Wir waren wirklich sehr erstaunt, es war wirklich total schön. Nach dem Essen stiegen wir wieder in den Bus, und es war insgesamt eine sehr schöne Stimmung. Ich habe meiner Begleitung noch meine E-Mail-Adresse gegeben, da er ein so schönes Foto von dem Ochsenkarren gemacht hat, welcher durch das Freilichtmuseum fuhr. Ob es die beiden Ochsen waren, die wir schon im Stall begrüßt hatten, konnten wir natürlich nicht mehr erkennen. Mir hat der Ausflug so gut gefallen, und es war so schön, einmal nicht ständig alles bezahlen zu müssen, dabei so viel Neues zu lernen und so eine tolle Begleitung zu haben. Es hat auch mal gut, jemanden neben sich zu haben, der ein gewisses Bildungsniveau hat und nicht so auf mich herabsieht und mir dauernd das Gefühl gibt, dass ich irgendwie zurückgeblieben oder weltfremd sei, und der zwanghaft immer Recht haben muss. Wir hatten eine Unterhaltung, die auf Augenhöhe verlief, und ich konnte von meinen Sachen erzählen, und er erzählte von seinen Dingen. Das hat auch mal gut getan, und es gab mir das Gefühl, dass ich nicht nur die hilflose, Behinderte und lebensunfähige Person bin, als die ich mich in meinem Alltag häufig betrachten muss. Ich fand, dass diese Leute sehr sensibel, empathisch und achtsam mit uns umgegangen sind, dass sie viel Neues von uns erfahren wollten, dass sie interessiert und neugierig waren, und dass sie nicht immer alles gleich besser wussten, wie ich das sonst im Alltag oft erlebe. Ich hoffe, dass wir wieder mal einen Ausflug mit Siemens oder vielleicht einem anderen Unternehmen machen. Ich finde es eine gute Idee, das Unternehmen ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Möglichkeit geben, einen sozialen Tag einzulegen, denn dann erweitern sie auch ihren Horizont, da sie ja, wie jeder andere Mensch auch in ihren eigenen Bezügen sind, und da die meisten Menschen in ihrem Alltag wenig mit Behinderten zu tun haben. Vielleicht, so wäre meine Hoffnung, werden dann mehr Behinderte eingestellt, wenn man sieht, wie wir "in vivo" sind, sozusagen in der freien Wildbahn oder in unserem natürlichen Lebensraum. Dann fallen vielleicht die Berührungsängste weg, und der Kontakt mit Menschen aus anderen Lebensbezügen dient beiden Seiten, etwas Neues von unterschiedlichsten Menschen zu lernen. Vielleicht wirkt sich das auch auf die Unternehmenskultur aus und damit natürlich auch wieder auf die Produktion oder auf die Ideen für neue Entwicklungen. Es ist auf jeden Fall schon geplant, dass ich mit meinem Taxifahrer nächstes Jahr noch einmal in dieses Freilichtmuseum fahre, damit wir dann die Stationen mit der Audioeinrichtung oder Häuser, die noch nicht besucht habe, noch erkunden können. Und außerdem soll das Örtchen, in dem das Freilichtmuseum ist, ebenfalls sehr reizvoll sein. Auf jeden Fall kann ich mich schon wieder auf was freuen, was wir dann vielleicht um meinen Geburtstag Herumunternehmen.

Freitag, 1. November 2024

Papua Neuguinea

Nachdem ich mit einer Assistenz bei einer Hilfsmittelausstellung war, gingen wir in eine Vortragsreihe über Papua-Neuguinea mit verschiedenen Workshops. Diese wurde von einem ansässigen Seminarhaus angeboten. Zuerst einmal kamen wir ja mitten hinein, weil wir ja noch auf der Hilfsmittelausstellung waren, aber eine Frau, die mich bereits kannte und etwas auf mich schaute, erklärte uns, dass jetzt ein Vortrag zum Thema Tiefseebergbau laufen würde. Dort erfuhren wir, dass in Papua-Neuguinea Firmen Rohstoffe, insbesondere seltene Erden abbauen wollten, und dass es Organisationen gibt, die aus Umweltschutzgründen dagegen waren. Zuvor hatte ich von diesem Thema noch nie gehört, ich kannte nur den normalen Bergbau. Aber klar, in der See muss es ja auch seltene und wertvolle Rohstoffe geben. Komisch war allerdings, dass der Vortrag nicht von einer anwesenden Person gehalten wurde sondern von einem Referenten, der über Zoom zugeschaltet war. Diese Möglichkeit gibt es ja heute, ich finde das aber etwas unheimlich. Allerdings passierte dann ein lustiges Malheur. Obwohl wir ja in einem Raum mit wenden, demnach also auch mit Steckdosen waren, hatte man den Beamer und den Laptop mitten im Raum aufgestellt und nicht eingestöpselt. Auf einmal war der Akku des Laptops leer. Eifrig und geschäftig wurde nach einem Ladekabel gesucht, es wurde sogar im Publikum herum gefragt. Kleinlaut sagte dann jemand, mir wurde gesagt, der Akku vom Laptop hält so lange. Ich war ziemlich amüsiert. Eigentlich hätte man ja auch von vorneherein schon mal das Gerät am Netz hängen lassen können, und zum anderen hätte man dann wenigstens ein Ladekabel bereit halten können. Der Referent, der ja nicht wusste, dass wir keine Verbindung mehr zu ihm hatten, sprach unterdessen munter weiter. Als wir dann wieder Kontakt zu ihm hatten, musste erst jemand ihn navigieren und lotsen, wo wir ihn verloren hatten, damit er in seinen Folien wieder zurück klicken konnte. Das ist das Wunder der Technik, welches man aber doch manchmal nicht überschätzen sollte. Danach gingen wir erst einmal in die Mittagspause, es hätte eigentlich sogar ein Gericht aus Papua-Neuguinea gegeben, aber zum einen esse ich meistens nichts zu Mittag sondern nur etwas Kleines, weil ich sonst so müde werde, und zum anderen wollten wir das auch nicht vorbestellen sondern lieber woanders hingehen. Ich dachte also, wenn wir schon in der Stadt sind, können wir auch in eine Drogerie gehen, um dort ein billiges Parfüm für den Alltag zu kaufen. Wir fanden zwei billige Parfüms, die günstig genug waren, dass man sie jeden Tag aufbringen kann, denn ich habe auch eines für besondere Anlässe, welches aber sehr teuer ist. An der Kasse bekam ich dann eine Papiertüte, die ich zunächst in die Hand nehmen wollte, oder ich erhob die Möglichkeit, schnell nach Hause zu fahren, um meine Beute zu Hause zu verwahren. Da meinte die Assistenz, steck das doch in deine Handtasche, ich machte die Tasche auf, und dann sagte sie doch tatsächlich zu dem Mann hinter der Kasse, sehen Sie mal, so eine große Handtasche und nur zwei Mäppchen drin. Mir war das peinlich und unangenehm, so vorgeführt zu werden. Eigentlich weiß die ja, weil sie mit anderen Behinderten zu tun hat, warum manche Menschen mit Behinderung sich dieses oder jenes und nichts anderes aussuchen, und dass man vermutlich praktische Gründe hat, warum man mit einer Mehrfachbehinderung vielleicht keine Handtasche nimmt, in die man alles mühsam und umständlich hineinknören muss. Ich versuchte, ihr klarzumachen, dass ich froh bin, dass meine Tasche so groß ist, dass ich mit meiner schlechten Motorik die einzelnen Sachen gut rausholen kann, und das ja auch noch eine Sonnenbrille und in den anderen Fächern noch jede Menge anderer Sachen drin sind. Nur in dem Hauptfach sind eben bloß drei Gegenstände, also eben Geldbeutel, Brieftasche und Sonnenbrillenetui drin. Aber das geht ja eigentlich auch niemanden was an, und das sollte auch meine Sache und meine Entscheidung sein. Danach gingen wir zu einer Bäckerei, dort gibt es zwei Displays, man kann sich aussuchen, was man will, und man kann sogar eine Karte mit einem Strichcode dranhalten, wenn man entweder mit EC-Karte oder mit der aufgeladenen Karte der Bäckereikette bezahlen will. Das finde ich sehr praktisch, so eine Karte habe ich mir dann auch später geholt. Wenn man dann bestellt hat, was leider nur mit einem Touchscreen geht, bekommt man einen Pager, sobald das Gewünschte fertig ist, wird man dann angepiept. Es gäbe aber auch noch eine normale Schlange, wo es aber länger dauert. Sie hat erst einmal meines geholt und ist dann noch mal weg, um ihre Mahlzeit zu holen. Ich merkte aber gar nicht, dass sie schon wieder da war, und ich fragte nach einer Weile einfach mal etwas zaghaft und unsicher ins Leere, ob sie wieder da war. Sie antwortete ziemlich energisch, ja, aber das ist doch selbst verständlich, so lang dauert das ja schließlich nicht. Ja, aber ich kann ja nicht wissen, wie es in so einem Café zugeht, wie lange man auch mit einem Pager anstehen könnte, wenn der noch mehrere Leute mit dem gleichen Anliegen sind, oder ob sie vielleicht, meiner Fantasie sind ja hier keine Grenzen gesetzt, zum telefonieren mal raus musste und noch nicht da war. Ich sagte dann, oh, wir dummen Blinden, aber die Ironie hat sie nicht verstanden. Assistenten denken grundsätzlich, dass ich weder Ironie noch Sarkasmus „kann“. Eigentlich kann man ja auch sagen, und das macht man ja auch bei Sehenden, Hallo, ich bin wieder da, guten Appetit. Außerdem hat es schon am Eingang merkwürdig gerochen, was ich ihr auch sagte, und sie klärte mich auf, das nennt man Essen, das riecht nicht komisch. Ich fand schon, aber sie bestand darauf, Das ist Pizza, und das riecht eben so , und daher würde ich das so empfinden. Aha. . Allerdings weiß ich, wie Pizza riecht. Ich weiß ja nicht, mit welchen Leuten die es sonst zu tun hat. Auf jeden Fall kamen wir dann wieder zurück ins Seminarhaus, und dort gab es dann einen super interessanten Vortrag einer Frauenärztin, die lange Zeit in Papua-Neuguinea gearbeitet hat. Sie hat auch hausärztliche Tätigkeiten durchgeführt. Die Leute brachten ihr großes Vertrauen entgegen, denn sie hat einer Frau geholfen, Kinder zu kriegen, da diese eine relativ leicht behebbare Erkrankung hatte, und so hielt man sie für jemanden, die Frauen zum Kinderwunsch verhelfen kann. Sie war aber eine extrem bescheidene Person, und sie erzählte uns auch, dass viele Arbeiten von Krankenschwestern durchgeführt werden, die hierzulande nur Ärzte ausführen dürfen, weil es dort nicht so viele Ärzte gibt. Ich fände es auch gut, wenn man bei uns wieder eine Gemeindeschwester hätte, denn viele Tätigkeiten wie zum Beispiel subkutane Spritzen oder Impfungen, sowie die in Augenschein Name, ob eine Erkältung ernst genug ist, dass ein Arzt sie sich anschauen sollte, könnte vielleicht auch eine hierfür ausgebildete Krankenschwester erledigen. Man muss dann natürlich gewährleisten, dass das nicht, ähnlich wie in dem DDR Spielfilm über eine Gemeindeschwester, lauter so harte Knochen sind, die einen mit einer Lungenentzündung möglicherweise dann immer noch anschreien, stellen Sie sich nicht so an wegen dem bisschen Husten. Das weiß keine Szene aus dem Film, jedoch gibt es ja wirklich solche alten Haudegen. Aber es würde vielleicht einiges leichter machen, wenn wir ein besser gestaffeltes Gesundheitssystem hätten, welches mangels Personal in vielen Ländern der Welt bereits üblich ist. D. h. nicht, dass ich jetzt dafür wäre, dass wir dieselben Zustände wie in Entwicklungsländern haben, aber wenn man flachere Hierarchien schafft, würde dies einiges erleichtern. So weiß ich beispielsweise von einer Freundin aus England, dass Impfungen dort auch in Apotheken durchgeführt werden. Der Vortrag war aber wirklich sehr schön und erhellend, und die Frau war sehr nett, sie zeigte auch einige Bilder und erklärte einiges dazu, sodass ich die Bilder gar nicht unbedingt sehen musste. Sie benutzte die Bilder eigentlich nur als Erinnerungsstütze oder als Anschauungsmaterial, um uns dazu Geschichten zu erzählen. Danach gab es einen Vortrag einer Musikethnologin, die uns erst einmal klarmachte, dass sie den Begriff Musikethnologie nicht erklären könnte, ohne drei Tage dafür zu benötigen. Wieso eigentlich, ich dachte, Musik ist klar, und Ethnologie heißt Völkerkunde. Also es ist die Musik der Völker oder die Völker und ihre Musik. Ich hätte mir erwartet, dass da erklärt wird, welche Instrumente verwendet werden, wie die Harmonien sind, welche Tonleitern es gibt, welche Rhythmen verwendet werden, welche Dinge besungen werden, welche Eigenheiten die Musik aufweist usw. Stattdessen erklärte sie nur, dass sie mit Missionaren einige Lieder gemacht hätte, dass man Musik, wenn man sie aufnimmt, bereits verfälscht, und dass auch Töne der Natur für Musik hergenommen werden können. Dann stellte sie uns ein Lied im Internet vor, von dem sie sagte, das ist Mission, es war ein ziemlich seichter Popsong von Leuten gesungen in wahrscheinlich Pigeon, und dann erzählte sie uns von einem katholischen Radiosender, den die Menschen dort selbst betreiben. Der Höhepunkt war allerdings, dass wir direkt über Zoom am Ende einer Messe teilnahmen, wobei der Einzug noch einmal extra für uns dargestellt wurde, der wie ein Tanz oder eben ganz speziell Landes typisch begangen wird. Aber der Vortrag war trotzdem nicht das, was ich mir erwartet hätte, und auch einer der anderen Teilnehmer fragte, was denn nun dieser Popsong, der ja in jedem Doodle Sender laufen könnte, eigentlich mit Musik aus Papua-Neuguinea zu tun hat. Ich fragte dann eben, um vielleicht doch noch etwas herauszuholen, ob auch in Gottesdiensten solche Musik verwendet wird, die von den Menschen dort ursprünglich gemacht wird, oder ob es zwischen der sakralen Musik und der Volksmusik einen Unterschied gibt. Dann wurde uns noch auf meine Frage hin erläutert, dass es in Würzburg in Marienhill eine Ausstellung mit Musikinstrumenten aus Papua-Neuguinea gibt. Die wäre vielleicht mal besuchenswert. Geplant war dann auch noch eine Modenschau, auf die ich mich ganz besonders freute. Leider zog sich diese hin wie Gummi Arabicum, denn erst einmal kam ein Film der Modeschöpferin, einer Frau aus Papua-Neuguinea, die mittlerweile in Deutschland lebt. Leider wurde in diesem Film kaum gesprochen. Meine Assistenz beschrieb mir leidlich, was in dem Film zu sehen war. Danach gab es die ersten Kleidungsstücke, wobei sie mir versuchte zu erklären, dass der Stoff in den Karomustern des Landes gehalten sei. Also viel konnte ich mir jetzt darunter nicht vorstellen. Sie beschrieb mir aber einige der Kleidungsstücke, so erfuhr ich zum ersten Mal, was ein Pulloverkleid ist, nämlich ein überlanger Kapuzenpullover. Seltsam, dass man sowas trägt. Danach gab es eine ewig lange Pause, in welcher der Film noch mal gezeigt wurde. Eigentlich sollten drei Durchgänge stattfinden. Dann kam aber der Monsignore von Missio und hielt eine kurze Ansprache, danach war es zu Ende. Ich hätte auch einen dritten Durchgang nicht unbedingt sehen wollen, denn sehen wäre bei mir stark untertrieben gewesen. Und meine Assistenz konnte nur mühsam darlegen, um welche Art von Karos es sich handelt. Es gab wohl bunte Karos auf schwarzem Stoff und schwarz-weiße Karomuster. Ich stellte mir das ähnlich wie die Tatens bei einem Schottenrock vor. Wir entschieden uns also, nach Hause zu gehen. Einiges war doch ganz interessant, vielleicht höre ich mal wieder etwas über Papua-Neuguinea, und ich finde es auch toll, dass sich hier so viele Menschen engagieren, um dort die Entwicklung voranzutreiben und den Menschen aus Armut und Hunger heraus zu helfen. Ich glaube der Begriff Mission, wie er früher noch üblich war, so nach dem Motto mit Bibel und Flinte, hat sich ja doch auch ziemlich gewandelt, wenn auch noch einiges auf bestimmte Art und Weise abläuft, aber natürlich drückt die jeweilige Religion der Sache ihren Stempel und ihre Prägung auf.

Hilfsmittelausstellungen

Bei der Hilfsmittelausstellung, bei der Dragon vorgestellt wurde, war ich nicht, da ich bei zwei anderen war. Das nur vorweg, aber ich diktiere gerade mit Dragon. Das ist ja für Sehbehinderte und blinde adaptiert worden, sodass das, was man diktiert, auch wieder wie ein Echo zurückgesprochen wird, damit man weiß, ob das, was man gesprochen hat, wirklich dort steht. Auch gibt es verschiedene Befehle für die Sprachausgabe JAWS, das alles nur nebenbei. Eine Hilfsmittelausstellung wurde weiter weg angekündigt, in der auch eine Wohnung für Menschen im Alter gezeigt würde, wohnen 2.0. Zusätzlich gab es Hilfsmittel für blinde und Sehbehinderte. Dort wollte ich unbedingt hin, weil ich mir einmal so eine Wohnung anschauen wollte. Vor einigen Monaten war bei uns der Malteser Hilfsdienst und hat seinen Hausnotruf vorgestellt. In solchen Wohnungen würden sicher noch andere Hilfsmittel oder Möglichkeiten zur Sturzprävention oder Anzeigen von Stürzen vorhanden sein bzw. Dinge, die das Wohnen im Alter außerhalb eines Heims möglich machen. Ich möchte ja mal mit den Füßen voraus aus meiner Wohnung raus. Ich habe also mit einer Assistenz erst einmal herausgefunden, wie wir dorthin kommen. Aufgrund meiner Entscheidungsschwäche, die nicht darin liegt, dass ich nicht weiß, wie ich mich entscheiden muss, sondern darin, dass ich grundsätzlich die falsche Entscheidung treffe, haben wir natürlich die denkbar schlechteste Verbindung genommen. Ich wollte mit dem ICE den ersten Streckenabschnitt fahren, damit wir nicht so oft umsteigen müssen, und damit wir auf jeden Fall dadurch Fehlerquellen oder Verspätungsrisiken vermindern könnten. Bei der Rückfahrt habe ich mich dann für Regionalzüge entschieden. Ich hatte nicht kapiert, dass auch bei der Hinfahrt mit ausschließlich Regionalzügen nur ein Umstieg benötigt worden wäre. Auch die Assistenz sagte, richtig, wenn wir zweimal umsteigen müssten, wäre es riskanter. Vielleicht meinte sie nur, wenn es so wäre, ohne dazu zu sagen, dass es nicht so ist. Die Verbindungen waren so vielfältig und durcheinander, dass ich gar nicht mit dem Denken hinterherkam, weil ich ja hier doch etwas langsamer bin. Als wir dann am besagten Tag losfuhren, erklärte sie mir bereits, dass nach dem Abschnitt mit dem ICE die Strecke gesperrt wäre, sodass wir dann den Regionalzug, der direkt nach dem Umstieg zu unserem Zielort fahren würde, nicht nehmen könnten wegen Umbauten auf dieser Strecke. Na bravo, jetzt mussten wir nach der ICE-Fahrt sogar wieder ein Stückchen zurückfahren, d. h., mit dem ICE hat erst mal alles geklappt, aber danach ging es erst mal wieder einen Umweg zu einem kleinen Ort, bei dem wir dann frierend auf den nächsten Zug warteten und dann erst weiter kamen. Wir hatten also jetzt zwei Umstiege, was ich ja eigentlich gerade vermeiden wollte. Während des Aufenthaltes in dem Kaff standen wir in einer Buchhandlung, leider konnte ich ja dort die Titel nicht lesen, und meine Assistenz schmökerte sich unterdessen durch den Wühltisch . Insgesamt war unsere Konversation auch sehr spärlich, denn sie schaute auf Instagram, und ich lass in unserer Anthologie, bei der ich mitgewirkt habe. Endlich konnten wir dann weiter, nachdem ICE hatte ich in dem größeren Bahnhof noch zumindest schnell entschieden, dass wir noch zum Zuge rennen, aber an dem kleinen Ort, von dem aus wir dann weiterfahren mussten, hatten wir so oder so einen Aufenthalt, bis der nächste Zug weiterfahren würde, und da waren wir eben in dieser Buchhandlung. Endlich kamen wir dann am Zielort an, und dann rannten wir erst einmal durch den Busbahnhof, um den richtigen Bus zur dieser Ausstellung zu finden. Einige Leute sprachen uns an, da sie meinen Blindenstock sahen, und da sie in die gleiche Richtung wollten. Endlich sind wir also bei der Ausstellung angekommen. Das Wohnen 2.0 sah sehr interessant aus. Es gab zum Beispiel einen Herd, über den eine Kamera angebracht war. Wenn sich eine vergessliche Person vom Herd wegbewegt, und die Person lange Zeit nicht zurückkommt, meldet die Kamera dies dem Herd, und dieser schaltet sich aus. Über den ganzen Boden verteilt sind Sturzsensoren, wenn jemand sich hinlegt und lange dort bleibt, wird dies sofort gemeldet. An der Wand sind ebenfalls Sturzsensoren angebracht. Die Toilette hat einen automatischen Deckel wie mein Mülleimer, der wie ein Lichtsensor funktioniert, auch alle Lampen in der Wohnung schalten sich automatisch ein und aus, wenn man Räume betritt oder wieder verlässt. Es gibt da natürlich auch den Hausnotruf, den man von allen Räumen aus betätigen kann , weil man ja dieses Armband mit dem Notrufknopf trägt. Auch beim Malteser Hilfsdienst erzählten sie uns schon, dass die Reichweite des Notrufs bis über mehrere Wohnungen hinweg reichen würde, und sich manche Leute sogar beschweren, dass sie das in der Nachbarwohnung noch hören. Demnach muss man sich keine Sorgen machen, wenn man weit weg von der Telefonstation ist. Es gibt da außerdem auch ein automatisches Bett. Meinen Humor versteht nicht jeder, denn das Bett stellt sich auf und kippt zur längeren Seite, damit man aufsteht. Ich sagte zu der Assistentin, das ist ein Schleudersitz, wenn du bis 7:00 Uhr nicht aus dem Bett bist, schmeißt das Bett dich raus. Sie hat aber nicht mit gelacht. Ich sagte noch, wenn ich um 8:00 Uhr nicht aufstehe, kann es mich dann rauswerfen. Das ist natürlich eine Hilfe für ältere Leute, damit sie besser aufstehen können. Ich fragte dann noch an der Rezeption, ob es eine Möglichkeit gäbe, an der Decke eine Kamera anzubringen, wenn mir ein Objekt auf den Boden fällt, könnte ich jemanden anrufen, dieser verbindet sich mit der Kamera und schaut dann auf den Boden, wo es liegt. Demnach muss das natürlich jemand sein, der einen Zugang zu diesem Kamerabild hat, selbst verständlich. Das wollte man mir dann noch extra erklären, aber das ist ja wohl trivial. Eine meiner Assistentinnen ist ja sehr fit am PC und kann das dann auch machen. Da könnte man aber eine ganz normale Kamera nehmen, und so eine habe ich ja bereits, und die kann man mit bestimmten Einkaufsdiensten verwenden, wo ich sie auch hier habe. Man kann entweder eine Speicherkarte in die Kamera legen oder sich auch direkt online über sein Mobiltelefon die Sachen anschauen, herunterladen und weiterleiten. Das haben wir auch schon öfter gemacht. Ob dann allerdings kleine Objekte gefunden werden wie Ohrringe, die ich so oft verliere, das ist die Frage. Und größere Objekte würde ich wahrscheinlich selbst noch finden. Vielleicht ist die Idee mit der Kamera bei anderen Gelegenheiten notwendig, wenn irgend ein anderes Malheur passiert. Danach gingen wir in den Raum mit den Hilfsmitteln. Dort sah ich dann einen Stand mit Brailledruckern. Die hatten sie aber nicht dabei. Der, den ich von einem Familienmitglied geerbt hatte, welches letztes Jahr nach sehr schwerer Krankheit gestorben ist, funktioniert nicht mehr. Meine Katze hatte dem Teil dann noch vollends den Garaus gemacht, indem sie ihn mal vom Beistelltisch gefegt hat. Mittlerweile habe ich ihn aber zur Reparatur gegeben, und diese ist sogar relativ erschwinglich. Ansonsten hätte ich geplant, mir einen neuen zu kaufen. Sogar bei eBay hat es einen gegeben, allerdings komme ich mit Endlospapier nicht zurecht. Die mit Einzelblatteinzug sind für gewöhnlich extrem groß, laut und auch extrem teuer. Dieser, den ich habe, ist sehr klein und handlich, man kann auch weniger Blätter reintun, man sollte sogar weniger Blätter reintun, und man kommt auch als Privatperson gut damit zurecht, er lohnt sich also auch, wenn man nicht jeden Tag Mengen von Dokumenten ausdrucken muss. Aber ich wollte mich einfach mal erkundigen, was es da so gibt. Ansonsten gab es ganz verschiedene Hilfsmittel, die ich auch vorher schon gekannt habe. Meistens waren da Küchenutensilien oder Bildschirmlesegeräte oder Braillezeilen. Es gab aber auch den Stand einer Hörbücherei, und von dieser wurde dann auch noch am Schluss eine Lesung angeboten. Zuvor wurden verschiedene Vorträge zu Leitstreifen, dem Umgang Sehender mit blinden oder Problemen der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum gehalten. Dabei stellte uns eine Frau das A viv-Prinzip vor, das bedeutet Frühling, im Umgang mit blinden steht dieses Akronym allerdings für: Ansprechen, Vorstellen, Information und Verabschieden. Die meisten kommen aber einfach, packen mich am Arm und zerren mich irgendwohin, verabschieden würden die sich dann sowieso auch nicht. Vielleicht haben es aber doch ein paar Sehende gehört, die sich in eine Hilfsmittelausstellung für blinde verirrt haben. Auch über die Probleme im Altenheim sprach sie, wobei blinde Menschen häufig für dement gehalten werden, weil sie einen hereinkommenden Pfleger dann mit Frau soundso oder Schwester soundso ansprechen, weil sie ja die Person nicht erkennen. Dabei kommt es häufig zu Missverständnissen, weil seegeschädigte ältere Menschen zum Beispiel das Shampoo mit dem Rasierschaum verwechseln. Wenn eine Sehbehinderung noch nicht diagnostiziert ist, kommt es vielleicht zu einer Fehldiagnose von Demenz. Das Publikum war allerdings so laut, und mein Gehör hat doch auch schon ziemlich nachgelassen. Ständig kam jemand raus oder rein, Bonbonpapiere wurden ausgewickelt, es wurde geraschelt und geredet, sodass ich große Mühe hatte, die ich ganz hinten saß, die Referenten zu verstehen. Einige der Referenten sprachen aber auch sehr leise und undeutlich. Andere wiederum konnte man besser verstehen. Amüsant fand ich zum Schluss dann auch noch die Lesung, bei der auch aus Wolfgang Herrndorfs Buch Tschik vorgelesen wurde sowie aus anderen Werken, launig und heiter war es, und alle lachten. Danach gab es allerdings nicht mehr viel zu lachen, denn schon um 15:00 Uhr fuhr kein Bus mehr zum Bahnhof. Allerdings sagte uns jemand, nachdem wir den Busbahnhof mehrfach durchquert hatten, dass der Bahnhof lediglich eineinhalb Kilometer entfernt ist. Ich wollte noch etwas essen, die Assistentin meinte, das schaffen wir nicht mehr. Ich sagte aber, dass wir wenigstens in das Café, welches uns empfohlen wurde, rein könnten, um etwas für unterwegs zu holen. Ich bekam dann dort tatsächlich zu meiner großen Freude einen Zwiebelkuchen, das war der einzige, den ich dieses Jahr bekommen habe. Als wir dann am Bahnhof ankamen, meinte die Assistenz, gut, dass wir schon etwas gekauft hatten, da war ja schon vorher nichts. Genau das wollte ich ihr ja eigentlich zuvor erklären, denn dieser Bahnhof dieser extrem kleinen Stadt sei ja bei unserer Ankunft schon so aus, als ob der nicht rund um die Uhr geöffnet hätte. Die Rückfahrt klappte dann reibungslos. Da entspann sich dann auch eine etwas intensivere Konversation als zuvor, in der sie mir dann erzählte, was sie in ihrer sonstigen Tätigkeit, wenn sie nicht meine Assistenz ist , noch so macht. Als wir dann wieder in den ICE stiegen, fragte sie mich, ob ich wieder meine Kopfhörer aufsetzen und mein Buch lesen wollte. Manches hat mich schon etwas gestört, beispielsweise wollte ich mir meinen Rucksack und meine Handtasche aufladen, und sie nahm dann meine Handtasche vom Boden und sagte, ich nehme die jetzt erst mal, ich geb sie dir nachher wieder. Ich kann mir dabei etwas komisch vor. Auch wenn ich etwas zu lesen oder andere Infos bekam, wollte sie es immer nehmen und einfach den Reißverschluss meiner Handtasche aufmachen und die Sache hineinstecken. Das mag ich eigentlich nicht, denn auch als Behinderte finde ich, dass eine Handtasche etwas Persönliches ist. Ich fasse auch nicht einfach in anderer Leute Handtaschen und Geldbeutel. Viele Menschen, die Behinderten helfen, machen das einfach. Auch erklärte sie mir, ich solle doch eine größere Tasche nehmen, in welche die Brotzeit und meine Sachen rein passen, warum ich den unbedingt zwei Taschen mitschleppen wollte. Obwohl ich ihr, was sicher nicht muss, darlegte, dass ich den Rucksack mitgenommen hatte, falls ich bei der Hilfsmittelausstellung etwas schönes finde, was ich vielleicht kaufen und heimbringen muss, kam sie irgendwann wieder um die Ecke mit ihrer Kritik, dass ich doch keine zwei Gepäckstücke mitnehmen sollte, und wir müssten doch mal zusammen eine größere Tasche kaufen gehen, in die dann alles reinpasst. Ich mag es nicht so gerne, wenn meine Brotzeit und mein Geldbeutel oder die Brieftasche zusammen sind, falls doch mal die Thermoskanne ausläuft oder die Papiertüte aufweicht, und hinterher dann meine Sachen , inklusive der Handtasche, vollgeschmiert sind. Eigentlich finde ich sowieso nicht, dass jemand mit mir irgendetwas Kaufen gehen muss, es sei denn, ich bitte ihn darum. Ich kam mir vor wie ein zehnjähriges Heimkind aus dem Waisenhaus , mit dem man mal einen Schlafanzug kaufen gehen muss oder ein paar neue Schuhe. Ich fühle mich manchmal etwas so, als sei ich geistig nicht so ganz in Ordnung. Als wir dann wieder im Heimatort ankamen, nachdem die Rückfahrt ja wirklich dafür, dass es die Deutsche Bahn war, sehr reibungslos verlief, hat sie mich dann noch nach Hause gebracht. Während der Straßenbahnfahrt bemerkte sie, dass eine Frau mich permanent anstarrte. Das passiert mir sehr häufig, und ich weiß nicht, woran es liegt. Im Großen und Ganzen hatten wir aber doch einen ganz schönen und interessanten Tag. Ein paar Wochen später hatten wir dann bei uns auch eine eigene Hilfsmittelausstellung unserer Bezirksgruppe. Dieses Mal hatte ich auch Assistenz dabei. Denn zum einen schaffe ich es nie, mich durchzusetzen, damit ich auch einige Fragen stellen kann und bis zu dem Tisch mit den ausgestellten Gegenständen überhaupt durchkomme. Zum anderen möchte ich ja auch einige Leute interviewen und vor allem die Orientierung behalten. Denn wenn dann die Räume miteinander verbunden werden, und wenn die Zwischentüren offen stehen, dann auch noch so viele Menschen und so viele verschiedene Stände im Raum sind, komme ich mit der Orientierung Durcheinander, denn dann gibt es zu den Räumen auch zahlreiche Ausgänge und Eingänge, was mich dann völlig verwirrt. Wir fanden ein Hilfsmittel, welches ich Wert fand, darüber ein Interview zu führen, es war so brandneu, dass es noch nicht mal eine Hilfsmittelnummer gab. Vielleicht hat es mittlerweile eine. Kleiner Tipp, wenn man mal bei verschiedenen freien Radiosendern schaut, es gibt eine Sendung, in der wir dieses Hilfsmittel vorstellen. Mit dieser Assistenz war ich in 20 Minuten durch, denn weiter gab es nichts Neues, und da ich es gewohnt bin, sonst ewig auf dieser Ausstellung zu verweilen, um zum Zuge zu kommen, hatte ich natürlich ganz andere Relationen. Denn meistens war mir dann schon fast schlecht, weil es heiß war, die Luft stickig, und weil ich die ganze Zeit stehen musste. Dieses Mal ging alles sehr gemütlich zu, und wir konnten danach noch einen kleinen Snack im Bistro zu uns nehmen. Dort habe ich dann noch eine Freundin getroffen, mit der ich mich noch etwas unterhalten konnte. Wenn ich vergleiche, während Corona durften wir nur 2 Stunden in die Ausstellung, und da die Aussteller darauf keine Rücksicht nahmen und sich ewig sogar mit Leuten unterhielten, die gar nichts kaufen wollten sondern lediglich als Rehalehrer Konversation machen wollten, hatte ich damals eine denkbar schlechte Ausbeute. Außerdem hat mich noch eine Frau geboxt, weil ich ein Interview machte und dann noch einige persönliche Fragen stellte, anstatt dass sie einfach höflich nachfragte, wann ich denn mit meiner Konsultation oder vielleicht eher Audienz jetzt endlich mal fertig bin. Zusätzlich gab es dann auch noch Stress, weil ein Blindenhund zu mir kam und mich beschnupperte. Zu mir kommen alle Hunde, die wissen, da gibt es Liebe, Zuwendung und Zuneigung. Und es ist schwierig, den Hunden dann zu erklären, geh weg, dein Herrchen oder dein Frauchen will das nicht. Im Führgeschirr darf man den Hund nicht streicheln, das weiß ich, aber was macht man, wenn der Hund mich berührt? Ich sprach den Hund also an, woraufhin mich dann die blinde Frau sehr harsch anfuhr, dass es schließlich auf dem für Geschirr des Hundes zu lesen sei, dass man ihn nicht anfassen dürfte. Selbst der Mann, der den Hilfsmittelstand betreute, war auf meiner Seite und versuchte ihr klarzumachen, dass ich das als blinde ja schließlich nicht lesen konnte. Er sagte mir dann , passen Sie auf, sie sind heute Zielscheibe von Gewalt. Das war schrecklich. Deswegen war ich umso überraschter, dass dieses Mal alles so locker und "chillig" vonstatten ging. So konnten wir dann noch zu der anderen Veranstaltung, die wir für diesen Tag geplant hatten.