Vor einigen Tagen kam wieder eine Anfrage von unserer
technischen Hochschule, die einen sehr aufgeschlossenen Professor hat, der sich
sehr für die Orientierung und Mobilität Blinder zu interessieren scheint.
Außerdem gibt es dort einen Doktoranden, der ziemlich viele Studenten betreut,
die ihre Masterarbeit über Umsetzung von Bildern in Töne, Sonifikation, oder Umsetzung
von Objekten oder geometrischen Figuren in
virtuelle Realität zum Ertasten schreiben.
Somit fragte ein Student an, ob wir bei einem Experiment
mitmachen wollten, bei dem es darum ging, mithilfe eines Zeilenscanners den
Abstand zu Hindernissen zu erkennen.
Natürlich wollte ich wieder dabei sein, denn das wirft ja auch
jedes Mal Berichte für unsere Radiosendung ab. Mittlerweile können wir schon
eine ganze Reihe daraus machen, denn ich war in der Tretmühle, und ich hatte
einen Datenhandschuh an, über all diese Dinge habe ich hier in diesem Blog auch
berichtet.
Ich wurde also abgeholt, wobei sich dieses Mal die Fahrt
ziemlich umständlich gestaltete, da unsere Straßenbahn im Moment wegen
Bauarbeiten auf den Schienen nicht durchfährt. Aber irgendwie bin ich dann doch
angekommen, und der Student stand schon da, um mich abzuholen.
Als wir dann in dem Büro waren, erklärte er mir den Ablauf
des Experiments. Ich würde zwei verschiedene Brillen aufgekommen, bei einer
würde sich die Frequenz ändern, das bedeutet, der Ton würde höher, je näher man
sich auf ein Hindernis zubewegt. Bei dem anderen Versuch würde der Ton lauter,
es würde sich also die Amplitude ändern, je näher man dem Hindernis kam. Man
wollte herausfinden, inwieweit die Umsetzung von Bildern in Töne für blinde
hilfreich bei der Orientierung sei.
Ich bekam die Gegenstände schon einmal aufgesetzt, um mich
daran zu gewöhnen. Ich sollte dann in zwei verschiedene Räume gehen, in dem
einen Raum sollte ich das eine Gerät ausprobieren, in dem anderen das zweite.
Ich würde dann jeweils drei Modelle in die Hand bekommen, die man mit einem 3-D
Drucker ausgedruckt hatte, und ich sollte das richtige Modell für den
jeweiligen Raum identifizieren.
Zunächst einmal wurde mir ein Helm aufgesetzt, der
fürchterlich vibriert. Auf diesem Helm befand sich ein Laser, der mehr als 1000
mal die Sekunde sich einmal um sich selbst drehte. Die Vibration war am Anfang
recht unangenehm, aber ich habe mich dran gewöhnt und mich zusammengerissen.
Normalerweise mag ich solche Vibrationen nicht, aber immerhin habe ich auch
eine elektrische Zahnbürste. Den Helm konnte ich unten nicht zumachen, aber ich
habe genügend Haare auf dem Kopf, sodass er gut hielt. Ich ging also auf die
Wand zu, und da ich recht musikalisch bin, konnte ich mir die Tonhöhen auch
merken, und somit konnte ich den Raum, in dem wir uns zunächst befanden, um das
Experiment zu erklären, schon einmal etwas erkunden.
Danach wurde mir eine hollow-Brille aufgesetzt, die für
diese Zwecke umgebaut worden war. Sie saß etwas unbequem auf der Nase, und der
Ton wurde lauter, je nachdem, wie weit ich von einer Wand entfernt war. Man
musste aber darauf achten, dass, sobald man einen Schritt zur Seite tat, das
System etwas hinterherhinkte, sodass es eine Weile dauerte, bis man den genauen
Abstand über Töne angezeigt bekam. Dies fiel mir aber nicht sonderlich auf,
wahrscheinlich war ich nicht sonderlich schnell. Die Brille wurde dann hinten
etwas angepasst, um sie auf dem Kopf zu halten. Ich hatte aber nicht bemerkt,
dass die Brille nicht mit ihrer Mulde für die Nase auf meinem Nasenrücken saß,
sondern ich hatte sie irgendwie schief aufgesetzt, was mir aber erst nach dem
Experiment auffiel.
Wir gingen dann mit all den Gerätschaften hinüber, wobei der
Student noch einen Laptop mitschleppen musste, denn Helm und die Brille. Er
erklärte mir, dass die Brille normalerweise das Programm in sich selbst hat, er
es aber irgendwie noch auf den Computer
leiten musste, damit alles objektiv und wissenschaftlich auszuwerten war. Bei
dem Helm sendete das rotierende Objekt einen Laserstrahl Richtung Wand, und dieser
wurde dann mittels Radar wieder reflektiert, um den Abstand zu ermitteln. Dies
wurde dann alles an den Computer geschickt, und dort befand sich ein Programm,
das so eingerichtet war, dass es Abstände in Tonhöhen wiedergab. Dies wurde
dann an einen Lautsprecher geschickt, der die Töne von sich gab. Bei der Brille
wurde ein Laser an die Wand geschickt, und das Programm befand sich bereits in
der Brille, und von dort wurden auch die Töne generiert und
auch gleich an die Ohren abgegeben. Um aber alles korrekt auswerten zu
können, so hatte ich es irgendwie verstanden, wurde die Information noch einmal
auf den Computer geleitet. Ich war dann schon so geistig am Limit, dass ich
diese Erklärungen nicht mehr wirklich ganz verstanden hatte. Ich hoffe aber,
dass sie halbwegs stimmig sind.
Zunächst einmal kamen wir in den ersten Raum, und da ich ja
noch einen kleinen Sehrest habe, konnte ich zumindest erkennen, wo die Fenster
waren. Dann ging ich los, und ich merkte schon anhand der Akustik, dass in dem
Raum die Wände einmal weiter und einmal näher auseinander waren. Anhand der
Tonhöhen konnte ich feststellen, wie
weit ich von der Wand weg war, aber auch so merkte ich, wann ich mich der Wand
näherte, denn man kann, auch wenn man selbst auf eine durchsichtige Scheibe zuläuft,
nicht wirklich dagegen Rennen, da man das vorher schon spürt und automatisch stoppt.
Ich durfte auch die Hände und die Füße benutzen, und unten hervorstehende
Gegenstände hat der Student mir dann
angezeigt, denn das Gerät kann ja immer nur eine Zeile lesen, und man müsste
dann den Kopf nach oben halten, um weiter oben oder weiter unten befindliche
Gegenstände auszumachen. Denn es wurde ja immer nur eine Zeile gescannt. Den
Raum hatte ich relativ schnell erfasst, dessen Form, dessen Eigenheiten, und
wie er gebaut war. Somit konnte ich das Modell relativ schnell aussuchen,
besser gesagt ich hatte nur die L-förmige Struktur erkannt, habe aber nicht
bemerkt, dass ein Modell an der falschen Seite die Fenster hatte, wohingegen es
nur ein Modell gab, welches die Fenster an der korrekten Seite hatte. Denn ich
hatte vergessen, auch die Längsseite der L-Modelle einmal sorgfältig ab zu
tasten. Danach sollte ich bewerten, wie praktisch das System war. Ich schlug
vor, vielleicht eine App zu programmieren, die man auf seinem Smartphone hätte,
sodass man nur das Smartphone mitnehmen müsste, und anstatt des Helms mit dem
oben rotierenden Propeller könnte man sich um die Brust ein Kästchen hängen,
weil dort die Vibration nicht so störend ist wie am Kopf. Dann hätte man auch
noch gleichzeitig eine schöne Massage. Dann würde das Ganze etwas kleiner
werden. Sonst könnte man es ja gar nicht mitnehmen, denn mit einem Helm auf dem
Kopf und einem Gegenstand, der sich darauf dritte, würde man aussehen, als käme
man vom Mars.
Danach gingen wir in einen anderen Raum, wo ich dann diese
Hulu-Brille ausprobieren sollte. Wahrscheinlich hatte meine Konzentration schon
nachgelassen, denn ich verfüge über ein extrem schlechtes Arbeitsgedächtnis und
auch über sehr geringe Ressourcen. Somit war ich dann schon etwas mehr
durcheinander, und der Raum hatte auch wesentlich mehr Türen. Irgendwann hatte
ich diesen Raum auch verstanden, und nach etwas längerer Zeit konnte ich dann
auch das richtige Modell auswählen. Dann haben wir festgestellt, dass ich die
Brille ganz falsch auf der Nase hatte, und sie wäre wesentlich komfortabler zu
tragen gewesen, hätte ich sie gleich richtig aufgesetzt. Durch meine
zahlreichen Operationen an der Nase war ich dort auch extrem empfindlich. Auch
hier machte ich dann einige Vorschläge, man könne zum Beispiel auch
Knochenleitkopfhörer benutzen, damit man den Straßenverkehr auch noch hört, und
man könnte die Brille wesentlich kleiner machen und sie auch wieder mit einer
App auf einem Handy verbinden. Ich schlug auch vor, dass die Probanden nicht
immer zuerst in den einen und dann in den anderen Raum geführt würden, denn
wenn die Konzentration nachlässt, würde man dann immer mit einem der
Hilfsmittel schlechter zurechtkommen, was dann das Ergebnis verfälscht, weil sich ja die
körperlichen Bedingungen mittlerweile
geändert hätten. Man sollte also immer mal die Brille in dem einen und
den Helm in dem anderen Raum testen, oder man sollte immer mal mit dem einen
Raum und mal mit dem anderen beginnen, um die Gegenprobe zu machen. Ich glaube
aber, dass er gar nicht mehr so viele Probanden braucht, um das noch berücksichtigen
zu können. Wir machten dann noch einige Fotos, die ich bei Facebook eingestellt
habe. Ich finde es lustig, solche futuristischen Dinge auf dem Kopf oder an den
Händen zu haben, und mich in diese Welten zu begeben, und mich einmal auf so
ein spannendes Experiment einzulassen. Es fühlt sich an, als würde man eine
Reise in die Zukunft machen. Ganz die Journalistin.
Leider ergab sich auch wieder ein Wermutstropfen, denn
während des Interviews stellte ich mit Schrecken fest, dass sich etwas an meine
Mikrofon gelöst hatte, sodass der Kopf des Mikrofons nur noch an seinem Kabel hing
, aber die Aufnahme hat trotzdem noch geklappt. Der Student, der zuvor
Tontechniker war, meinte, in Kürze würde das Kabel abreißen, da das schützende
Teil, welches vorher darum herum war, wohl abgegangen war. Die Verbindung
bestand noch, aber ohne den Schutz würde das Kabel nicht länger halten. Im
Moment gehen wieder ziemlich viele Dinge kaputt. Auch meine Regenjacke hatte
sich während der starken Regengüsse in den letzten Tagen zersetzt, und meine
Schuhe gehen an den Spitzen kaputt, jetzt auch noch das Mikrofon.
Materialermüdung, warum ist bei mir das Material immer so besonders müde? Ich
werde mir bald ein neues Mikrofon beschaffen müssen, ehe das alte ganz kaputt
ist, damit ich nahtlos ein neues Mikrofon habe. Leider gibt es beim Milestone,
den ich als Aufnahmegerät benutze, nur drei passende und geeignete Mikrofone. Ich hoffe, dass ein
Händler bei mir in der Nähe dieses Ding auftreiben kann.
Ich bin gespannt, ob dem
Professor noch weitere interessante Dinge einfallen. Eines weiß ich aber
sicher, sobald der erste elektronische Führhund auf den Markt kommt, bin ich eine der
ersten, die ihn ausprobiert. Egal, ob ich dazu nach Finnland reisen muss, wo
der Prototyp gerade hergestellt wird, oder noch weiter. Dann werde ich auch
wieder in unserer Radiosendung berichten. Da ich ja laut meines
Mobilitätslehrers und gemäß einer führende Trainerin, die sowohl Begleithunde für blinde als auch für Autisten
ausbildet, nicht für einen Blindenhund geeignet bin , muss ich darauf warten, bis
ein elektronisches Modell entwickelt wird. Ich hoffe, dass ich das noch erleben
werde.
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