Gott sei es getrommelt, gepfiffen und gebassgeigt!
Letzten Donnerstag war ich probehalber in der Gruppe von
Menschen mit geistigen Behinderungen, um dort, wie mit der Lehrerin ausgemacht,
mit zu musizieren. Ich hatte natürlich Bedenken, dass ich wieder mal enttäuscht
werden würde, sei es, dass es für mich zu schwierig sei, oder das Niveau
vielleicht zu niedrig wäre, oder die Stilrichtung eine ganz andere wäre.
Immerhin hat sie mir gesagt, es sei auch Keyboard und Schlagwerk dabei. So fuhr
ich mit gemischten Gefühlen und verhaltener Hoffnung zu der Musikschule, bei
der ich schon einmal versucht hatte, bei einem Gitarrenkurs für
Fortgeschrittene mitzukommen und mal wieder heftig an meine Grenzen gestoßen
war.
Wir waren ganz oben, an diesem Tag war es besonders heiß, so
dass sich der Raum gut aufgeheitzt
hatte. Ich war die 1., die eintraf, und so packte ich die Gitarre aus und
stimmte sie schon einmal. Nach und nach trudelten die ersten Teilnehmer ein,
die sich ziemlich lautstark und teilweise etwas unartikuliert unterhielten. Ich
dachte, das kann ja was werden. Dann kam die Lehrerin und bat sie, etwas leiser
zu sein. Jeder nahm sein Instrument, wobei mir die Lehrerin erklärte, dass
einige auch flexibel seien und mehrere Instrumente spielen könnten. Ihr Mann
war auch dabei, der normalerweise Gitarre spielt, sich aber an diesem Tag den
Contra-Bass griff, da die Bassistin nicht da war. Allein dieser Umstand, dass die
Leute sogar an verschiedenen Instrumenten einsetzbar waren, beeindruckte mich
bereits.
Da ich mir jegliche Art von Frustration ersparen wollte, bat
ich sie, ein ganz einfaches Stück auszuwählen. Sie suchte eines mit nur 2
Griffen aus, bei dem ich mühelos mithalten konnte. Zu meinem allergrößten
Erstaunen spielten die Leute alle ihr Instrument mit mehr oder weniger sehr
großer Virtuosität. Einer der Behinderten spielte auf der Gitarre die Melodie
des Stückes, ein junges Mädchen spielte Keyboard und konnte sogar
improvisieren. Der Hammer des Erstaunens
für mich war aber ein junger behinderter Mann, der sich etwas unkoordiniert
bewegte, mit offensichtlich großen
Schwierigkeiten zum Klavier lief und eine etwas undeutliche Sprache hatte ,
dann aber dermaßen virtuos in die Tasten haute, dass mir die Ohren abfielen. Er
spielte die allerfeinsten Jazz- Akkorde und improvisierte, dass es eine Art
hatte. Bei jedem Stück gab die Lehrerin ihm Gelegenheit, ein Solo mit
Improvisation einzulegen, was auch das andere Mädchen mit Begeisterung tat. Wir
spielten sehr einfache Stücke, unter anderem eine griechische Folkloremelodie,
ein paar englische Stücke, die später sogar zu einem Schlager wurden, früher
aber Volkslieder waren, und auch ein allseits beliebtes Igel-Lied, welches ich
sehr nett fand. Zwischendurch kamen immer wieder Leute, da Tag der offenen Tür
war. Ich hatte den Eindruck, dass die Leute, die uns zuhörten, über unsere Fähigkeiten staunten. Es kam doch
ein ordentlicher Sound zustande, und alles harmonierte prächtig. Es war ein
etwas schweres Stück dabei, wobei sie versuchte, mir die Griffe zu erklären.
Mein Problem ist, dass ich meistens nur die Vokale hören kann, wobei mir die
Konsonanten nur verschwommen zu Ohren kommen, und ich dann nicht unterscheiden
kann, ob ich ein Ge, ein Ce oder ein E spielen soll. So musste sie mir die
Griffe mit Caesar, Gustav und Emil benennen. Bei dem schwereren Stück wollte
sie mir erst gar nicht sagen, welche Griffe da kommen, da diese ziemlich
abschreckend klangen. Allerdings hatte ich Mühe, mich an die Notierung der
Akkorde zu gewöhnen, da ich es in England anders gelernt hatte. Ich war
verwirrt, die ich doch viele englische Gitarrenbücher habe und mir in England
mit einem englischen Buch mehr oder weniger selbst die 1. Schritte auf der
Querflöte beibrachte, bedeutete hier doch C Major nichts weiter als C-Dur im
Gegensatz zu C-minor, was C-Moll bedeutet. Somit dachte ich, dass demnach auch
CM7 nichts weiter als ein C-Sept-Akkord sei . Sie sagte mir aber, CM7 ist etwas
ganz anderes, da hier nicht B sondern H vorkommt. Ich zog daraus
fälschlicherweise den Schluss, dass hier womöglich Missverständnisse wegen der
unterschiedlichen Notierung im Deutschen
und Englischen vorlagen, da B im Deutschen H ist. Doch wird hier ja ein deutsches Buch
verwendet, dass ja ganz normal H schreibt. Ich merkte also, dass ich mich hier mit den Griffen wohl neu orientieren und erst mal die englische Schreibweise
vollkommen außen vor lassen muss.
Ich bin sehr zufrieden, und ich werde in dieser Gruppe auch
bleiben. Es ist wirklich schön, dass ich nach 20-30jähriger Suche – abgesehen
von einigen Gelegenheiten, auf Musikfreizeiten mit anderen ein paar Lieder einzustudieren
–, endlich eine feste Musikgruppe
gefunden habe. Zunächst einmal werde ich dort kostenlos bis zum Ende des
Schuljahres hingehen, da es nur noch ein paar Stunden sind bis zu den
Sommerferien. Danach werde ich mich einschreiben, was auch
versicherungsrechtliche Vorteile hat.
Es bleibt noch ein Problem, welches gelöst werden will. Die
Taxifahrt zu der Schule beträgt ungefähr 7-10 km einfach, sodass ich jede Woche
15-20 km meiner Taxikilometer ausgeben muss. Somit wären dies jeden Monat 60-80
km, die nur für diese eine Beschäftigung drauf gingen, und ich könnte fast
keine anderen Unternehmungen mehr durchführen oder einmal zu einer anderen
Veranstaltung fahren. Außerdem muss ich, da es in dieser Stadt, in der die
Musikschule ist, nicht möglich ist, über die Zentrale ein Behinderten Taxi zu
bestellen, jedes Mal in meinem Heimatort anrufen, und bis das Taxi bei mir ist,
dauert dies schon einmal 20 Minuten. Die einzige Lösung bestünde darin, die
vereinzelt existierenden Unternehmen in der anderen Stadt zu finden, die die
Zulassung als Behinderten Taxi haben. Dann könnte ich mit der U-Bahn bis zu der
Haltestelle fahren, die dieser Musikschule am nächsten ist, wobei ich zu einer
festgesetzten Zeit dort sein müsste, damit das Taxi mich dort abholen und zur
Schule bringen könnte. Das Taxi müsste dann nach 1 Stunde wieder da sein, um
mich abzuholen und wieder zur U-Bahn zu fahren. Das wären dann höchstens 2 km
einfach. Da muss man aber auch ein Taxiunternehmen finden, welches den
ausreichenden Idealismus hat, wegen so einer kurzen Strecke zu einer
festgelegten Zeit irgendwohin zu fahren, in der der Taxifahrer vielleicht sich
dann eine schöne Fahrt entgehen lassen muss, die er an einem Taxistand hätte
bekommen können. Mit einem Unternehmen habe ich es mir ja bereits verscherzt ,
da ich mit ihm zur Dialyse fuhr, und das Taxi wechselte, da er mich laufend zu
spät abholte. Er war damals beleidigt, weil ich ihm erst dann gekündigt hatte,
als ich schon ein anderes Unternehmen gefunden hatte, zu dem ich wechseln
konnte. Nun muss ich einmal über unseren Bezirk anfragen, ob die eine Liste mit
den aktuellen Unternehmen haben, die in dieser Stadt die Zulassung als
Behinderten Taxi besitzen. Außerdem ist das Treppenhaus in der Musikschule
ziemlich schwierig für mich , da zwei
Häuser aneinandergebaut sind. Mit meiner schlechten Orientierung bräuchte ich
hier immer Hilfe. Die behinderten Teilnehmer wären damit wahrscheinlich überfordert,
mich mit nach unten zu nehmen. Daher bringt mich der Mann der Lehrerin nach unten. Ich hatte schon angefragt, ob
jemand von Ihnen zufällig in meine Stadt fährt, und ich vielleicht dorthin im Behindertentaxi
mitfahren könnte, aber das hat nicht funktioniert. Eine Teilnehmerin wohnt im selben Wohnnprojekt wie eine Bekannte von mir , und
ihr Freund holt sie ab, dann kann ich
mitfahren. Sie ist nicht jedesmal dabei,
aber ab und an kann ich dann diese
günstige Gelegenheit nutzen, wobei ihr Freund mir netterweise
anbot, mich bis nach Hause zu fahren.
Außerdem bat ich die Lehrerin noch , ob sie mir die Sachen
auf mein Notizgerät spielt. Sie
beruhigte mich aber, wir würden sehr
langsam vorgehen, sie würde sowieso nur selten ein neues Stück einführen, und
wir würden dies oder jenes Stück sowieso noch öfter spielen. Ich zweifele aber,
dass mir Damit geholfen ist , denn
davon, dass es häufiger gespielt wird, lerne ich es nicht, zumal einige sehr
exotische Griffe dabei sind, wo ich erst lernen muss, wie man sie überhaupt
greift, ohne sich die Finger zu verknoten. Ich muss erst immer jemanden haben,
der mir die Griffe ausdrücklich sagt und mir erklärt, wann sie gespielt werden
müssen. Nach mehreren solcher Probedurchgänge verstehe ich dann das Stück und
kann es auch auswendig spielen. Die anderen können Noten lesen, oder sie können
die Griffe aus dem Buch entnehmen. Dies ist mir natürlich nicht möglich, obwohl
ich die meisten Griffe auch heraus hören kann, aber bei weitem nicht alle. Bei
einem der Stücke hat sie mir die Abfolge der Griffe erklärt, die ich dann auch
Verstand und mir merken konnte. Wenn ich einfach nur das Stück versuche nach zu
spielen, gelingt es mir auch nicht, es mir anzueignen, selbst wenn es mehrmals gespielt
wird. Ich hoffe, dass sie mir hier immer die Hilfestellung geben kann, die ich
brauche, da es sich ja um eine Gruppe von Behinderten handelt, die alle ihre
Aufmerksamkeit brauchen .
Ich hoffe also, dass all diese Hürden und Problemstellungen
noch überwunden werden können, und dann kann ich das Musizieren auch in vollen
Zügen genießen, und ich freue mich schon auf die nächste Stunde, wo wir sicher
wieder einfache Stücke spielen, die aber doch aufgrund der Vielfalt der
Instrumente und der Personen sehr viel her machen.
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